Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IV 14



114 IV 14

5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 24. Mai 1988 i.S. I. gegen
M. (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 177 StGB; Beschimpfung einer Kollektivgesellschaft.

    Eine Kollektivgesellschaft kann Trägerin der Ehre und damit im
Ehrverletzungsprozess aktivlegitimiert sein (E. 2a).

    Juristische Personen und die Kollektivgesellschaft sind auch bei
Beschimpfungen, die nur ihnen gegenüber erhoben wurden, aktivlegitimiert
(E. 2b).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Nach ständiger, unangefochtener Rechtsprechung können auch
juristische Personen Träger der Ehre und damit im Ehrverletzungsprozess
aktivlegitimiert sein (BGE 71 IV 36 f., 96 IV 148 ff., 108 IV 21 f.)..
Umstritten ist, ob auch weitere Kollektive ohne juristische Persönlichkeit
geschützt sind. Das Bundesgericht hat dies bisher abgelehnt (BGE 69 IV 81
ff.; vgl. auch 96 IV 149), doch ist die Frage aufgeworfen worden, ob der
strafrechtliche Ehrenschutz entsprechend deutscher Lehre und Rechtsprechung
(SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER, StGB Kommentar, 23. Aufl. Vorbemerkungen zu
den § 185 ff. N 3; DREHER/TRÖNDLE, StGB Kurzkommentar, 42. Aufl., § 185
N 18 ff.) auf alle eine soziale Funktion erfüllende Personengesamtheiten
ausgeweitet werden sollte (vgl. die Nachweise bei SCHUBARTH, Kommentar
Art. 173 N 46). Die Frage braucht hier nicht vertieft erörtert zu
werden. Mit den kantonalen Instanzen ist anzunehmen, dass jedenfalls
Kollektivgesellschaften Träger der Ehre sein können. Dafür spricht,
dass diese gleich wie juristische Personen rechts- und prozessfähig sind.

    Zu Recht weist das Appellationsgericht darauf hin, dass das
Bundesgericht bisher offengelassen hat, ob eine juristische Person in
einem Ehrverletzungsprozess auch wegen Beschimpfung aktivlegitimiert ist
(BGE 108 IV 22; vgl. auch BGE 96 IV 149, der einerseits davon ausgeht,
die der juristischen Person zustehende Ehre sei durch Art. 177 StGB
geschützt, andererseits offenlässt, ob eine Verletzung des Ehrgefühls, wie
bei der Beschimpfung typisch, möglich sei). Der Strafgerichtspräsident ist
stillschweigend davon ausgegangen, die Aktivlegitimation der juristischen
Person beziehungsweise der Kollektivgesellschaft sei auch bei einer
Beschimpfung nach Art. 177 StGB gegeben. Das Appellationsgericht will
diese Auffassung offenbar nicht generell in Frage stellen, verlangt jedoch,
dass die verletzende Äusserung eine gewisse Schwere aufweise.

    b) Den Tatbestand der Beschimpfung erfüllt, wer jemanden "in seiner
Ehre angreift". Das Bundesgericht hat angenommen, dass Äusserungen,
die ausschliesslich an den Verletzten selbst gerichtet worden sind, nur
dessen Ehrgefühl betreffen können (BGE 77 IV 98 E. 1, 96 IV 149). Dagegen
ist eingewandt worden, besser wäre es, die Ehre einheitlich im Sinne
des Anspruchs einer Person auf Geltung zu verstehen (REHBERG, Strafrecht
III, 4. Aufl., S. 129 - im Anschluss an STRATENWERTH, BT I, S. 118 ff.;
ebenso NOLL, BT I, S. 105).

    Der vorliegende Fall zeigt, dass die Beschränkung des
Beschimpfungstatbestandes auf eine Verletzung des subjektiven Ehrgefühls
fragwürdig ist, wenn der Verletzte eine juristische Person oder
eine Kollektivgesellschaft darstellt, da der Begriff des subjektiven
Ehrgefühls auf die natürliche Person zugeschnitten ist. In den zitierten
Entscheiden sollte mit dem Hinweis auf das subjektive Ehrgefühl jedoch
nur zum Ausdruck gebracht werden, worin der Unterschied besteht zwischen
ehrverletzenden Äusserungen gegenüber dem Verletzten selbst und solchen,
die auch gegenüber Dritten erhoben werden. Dass ehrverletzende Äusserungen
jedenfalls gegenüber kleineren Kollektiv- oder Familienaktiengesellschaften
ebenso strafwürdig sind, wie wenn sie gegenüber einer natürlichen Person
gemacht werden, kann nicht in Abrede gestellt werden. Würde man die
Klage der Kollektivgesellschaft nicht zulassen, dann müsste zumindest die
Klage eines betroffenen Gesellschafters möglich sein. Da jedoch vielfach
keiner von diesen direkt oder nur vage angesprochen ist, bestünde kein
effektiver Rechtsschutz gegen ehrverletzende Äusserungen. Dies spricht
dafür, die Aktivlegitimation der juristischen Person beziehungsweise
der Kollektivgesellschaft auch bei Beschimpfungen, die nur gegenüber dem
Verletzten selbst gemacht worden sind, prinzipiell zu bejahen.