Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 II 68



114 II 68

12. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 29. April 1988 i.S. H.
gegen S. AG, P. AG, Handelsregisteramt und Justizdepartement des Kantons
Basel-Stadt (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 940 OR, Art. 21 ff. HRegV. Eintragung von
Generalversammlungsbeschlüssen einer Aktiengesellschaft in das
Handelsregister.

    Umfang der materiellrechtlichen Prüfung des Handelsregisterführers.
Verweigerung der Eintragung von eindeutig nichtigen
Generalversammlungsbeschlüssen. Verneint für den als gültig ausgewiesenen
Beschluss einer möglicherweise nicht ordnungsgemäss einberufenen und
zusammengesetzten Universalversammlung.

Sachverhalt

    A.- Am 11. und 25. Mai 1987 nahm das Handelsregisteramt des Kantons
Basel-Stadt Unterlagen für je eine publikationspflichtige Anmeldung
entgegen. Die erste betraf die S. AG und war belegt durch das Protokoll
einer Generalversammlung vom 11. Mai 1987, das die Beschlussfähigkeit
der Versammlung als Universalversammlung, die ohne Gegenstimme erfolgte
Abberufung des bisherigen Verwaltungsrats H., die Wahl von B. zum neuen
einzigen Verwaltungsrat und eine Adressänderung bei gleichbleibendem
Sitz der Gesellschaft in Basel feststellte. Die zweite Anmeldung betraf
die P. AG und war belegt durch das Protokoll einer Generalversammlung
vom 22. Mai 1987, das hinsichtlich der Beschlussfähigkeit als
Universalversammlung, der Abberufung und der Adressänderung Entsprechendes
für die P. AG, ferner die Wahl von S. zum Verwaltungsrat und den Austritt
des bisherigen Geschäftsführers feststellte. Wie die Protokolle waren
auch die Anmeldungen von den neuen Verwaltungsräten unterzeichnet.

    Mit Eingabe vom 13. Juni 1987 an das Handelsregisteramt verlangte
H. die Löschung der aufgrund der beiden Anmeldungen vorgenommenen
Eintragungen zufolge Ungültigkeit der Abberufungen und Neuwahlen. Das
Handelsregisteramt behandelte die Eingabe als Einspruch gegen vollzogene
Eintragungen im Sinne von Art. 32 Abs. 1 HRegV und verwies H. am
19. Juni 1987 an den Zivilrichter. Dagegen erhob H. Beschwerde beim
Justizdepartement des Kantons Basel-Stadt, das sie mit Entscheid vom
10. August 1987 abwies.

    B.- H. führt gegen diesen Entscheid beim Bundesgericht
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, den Entscheid aufzuheben und
das Handelsregisteramt anzuweisen, die aufgrund der streitigen Anmeldungen
erfolgten Eintragungen zu löschen und die bis zum 11. bzw. 22. Mai 1987
bestehenden Eintragungen wiederherzustellen.

    Das Handelsregisteramt und das Justizdepartement schliessen auf
Abweisung, das Eidgenössische Amt für das Handelsregister auf teilweise
Gutheissung der Beschwerde.

    Das Bundesgericht weist sie ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 940 Abs. 1 OR hat der Registerführer zu prüfen,
ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Eintragung erfüllt sind.
Diese Prüfung erstreckt sich sowohl auf die registerrechtlichen, formellen
Voraussetzungen, hinsichtlich derer dem Handelsregisteramt eine umfassende
Kognition zusteht, wie auch, in beschränktem Masse, auf Belange des
materiellen Rechts. Dass die Begründetheit der verlangten Eintragung
nicht von der Kognition ausgeschlossen ist, ergibt sich bereits aus dem
Wortlaut der genannten Bestimmung, der von den gesetzlichen Voraussetzungen
schlechthin spricht und den Registerführer in Abs. 2 verpflichtet, die
Statuten juristischer Personen auf ihre Übereinstimmung mit dem Gesetz zu
überprüfen. Die Vorschrift wird verdeutlicht durch Art. 21 Abs. 1 HRegV,
der zusätzlich auf die Handelsregisterverordnung, für Aktiengesellschaften
also auf Art. 78 ff. HRegV, verweist und damit dem Registerführer die
Abklärung materiellrechtlicher Fragen auferlegt. Leitgedanke ist die
Gesetzmässigkeit des Eintrags (FORSTMOSER, Schweiz. Aktienrecht, Bd. I,
S. 349 N. 53; PATRY, Schweiz. Privatrecht, Bd. VIII/1, S. 128 Ziff. 2;
SCHERRER, Die Cognitionsbefugnis des Handelsregisterführers, in: Wirtschaft
und Recht 15/1963, S. 56 Ziff. II 1).

    Dass im Gegensatz zur registerrechtlichen die materiellrechtliche
Prüfung durch den Registerführer nur eine beschränkte sein kann,
ist einerseits auf die dispositive Natur beträchtlicher Teile des
Handelsrechts (SCHERRER, aaO S. 56 f.) und anderseits auf die in diesem
Gebiet vorrangige Zuständigkeit des Zivilrichters zurückzuführen (HIS,
N. 70 zu Art. 940 OR; zurückhaltender BÄR, Kognitionsbefugnisse des
Handelsregisterführers, in: Der Bernische Notar 8/1978, S. 414 ff.). Der
Registerführer hat daher, selbst wenn er auf die Möglichkeit eines
ungerechtfertigten Eintrags aufmerksam gemacht wird (SCHERRER, aaO S. 55),
bloss auf die Einhaltung jener zwingenden Gesetzesbestimmungen zu achten,
die im öffentlichen Interesse oder zum Schutze Dritter aufgestellt
sind, während die Betroffenen zur Durchsetzung von Vorschriften,
die nachgiebigen Rechts sind oder nur private Interessen berühren,
den Zivilrichter anzurufen haben. Da die Abgrenzung im Einzelfall
schwierig sein kann, ist die Eintragung nur dann abzulehnen, wenn sie
offensichtlich und unzweideutig dem Recht widerspricht, nicht dagegen,
falls sie auf einer ebenfalls denkbaren Gesetzesauslegung beruht, deren
Beurteilung dem Richter überlassen bleiben muss (BGE 107 II 247 f. mit
Hinweis). Die Prüfung der materiellen Rechtmässigkeit soll mithin nur
offensichtliche Mängel vermeiden und die Vereinbarkeit mit bestimmten
qualifizierten Rechtsnormen sicherstellen (FORSTMOSER, aaO S. 352
N. 68 ff.). Dabei darf der Handelsregisterführer von der inhaltlichen
Richtigkeit der ihm eingereichten Erklärungen und Belege ausgehen und hat
nur im Zweifelsfall eine beschränkte Nachprüfungspflicht (BGE 102 Ib 41
f. E. 2, 99 Ib 148 f. E. 3; Urteil des Bundesgerichts vom 26. November 1935
i.S. R., auszugsweise wiedergegeben bei COUCHEPIN, Zur Prüfungspflicht des
Handelsregisterführers, in: Schweiz. Aktiengesellschaft 21/1949, S. 201).

    Diese Grundsätze gelten auch, wenn Beschlüsse der Generalversammlung
einer Aktiengesellschaft zur Eintragung angemeldet werden. Während der
Registerführer die Einhaltung der registerrechtlichen Anforderungen
mit freier Kognition zu überwachen hat, würde er der materiellen
Überprüfung solcher Beschlüsse, die auf Anfechtung gemäss Art. 706 OR
hin dem Zivilrichter obliegt, vorgreifen, wenn er sich nicht äusserster
Zurückhaltung befleissigte. Leidet der Beschluss allerdings an einem
Mangel, der ihn nicht nur als anfechtbar, sondern eindeutig als nichtig
erscheinen lässt, weil er offensichtlich unmöglich oder widerrechtlich
ist oder in schwerwiegender Weise gegen die guten Sitten oder gegen
das Recht der Persönlichkeit verstösst (BGE 93 II 33 ff. E. 3), so ist
er vom Handelsregisterführer auch ohne Vorliegen eines richterlichen
Feststellungsentscheids nicht zu berücksichtigen; bereits vorgenommene
Eintragungen sind in solchen offensichtlichen und klaren Fällen von Amtes
wegen rückgängig zu machen (Art. 32 Abs. 1 HRegV), wobei dem Entscheid des
Registerführers aber nicht die Wirkung einer abschliessenden Qualifikation
des Mangels als Nichtigkeitsgrund zukommen kann. Das Eidgenössische Amt für
das Handelsregister geht daher zu weit, wenn es in seiner Vernehmlassung
einen Generalversammlungsbeschluss und insbesondere denjenigen einer
Universalversammlung, zu der nicht alle Aktionäre eingeladen worden
sind, als für den Registerführer schlechthin unbeachtlich betrachtet;
das lässt sich weder aus BGE 93 II 33 ff. noch aus der einschlägigen
Literatur ableiten, die übrigens neben der absoluten Nichtigkeit auch die
Möglichkeit einer bloss relativen Unwirksamkeit offenlässt (vgl. etwa
BÜRGI, N. 22 ff. zu Art. 706 OR). Der Registerführer hat einen durch
die ihm vorgelegten Unterlagen als gültig ausgewiesenen Beschluss der
Aktionäre entgegenzunehmen und nicht die dem Zivilrichter vorbehaltene
Frage zu prüfen, ob die Generalversammlung ordnungsgemäss einberufen und
zusammengesetzt war; nach einem Urteil des Bundesgerichts aus dem Jahr
1944 gilt das auch für die Universalversammlung (Urteil vom 16. September
1944 i.S. V., besprochen in: Schweiz. Aktiengesellschaft 1944/45 S. 78
f.). Daran ist festzuhalten.

    a) Eine Verletzung registerrechtlicher Vorschriften erblickt der
Beschwerdeführer vorab darin, dass weder die Protokolle der Versammlungen
vom 11. und 22. Mai 1987 noch die Anmeldungen vom Beschwerdeführer
als einzigem Verwaltungsrat unterzeichnet gewesen seien, weshalb
der Registerführer bereits die Anmeldungen hätte zurückweisen oder
zumindest der Eingabe vom 13. Juni 1987 hätte stattgeben müssen. Bei
juristischen Personen erfolgt die Anmeldung durch die Verwaltung
(Art. 22 Abs. 2 HRegV). Gemeint ist dabei die im Zeitpunkt der
Anmeldung amtierende Verwaltung (BGE 104 Ib 325 E. 3b) und nicht ein
ausgeschiedener, nicht mehr zeichnungsberechtigter Verwaltungsrat wie
der Beschwerdeführer. Die Anmeldung der S. AG trägt ebenso wie das
Protokoll die Unterschrift von B., dessen Wahl zum neuen Verwaltungsrat
klar aus dem Protokoll hervorgeht. Weiter ist beim Handelsregisteramt
das vom Protokollführer unterzeichnete Protokoll selbst und nicht ein
Auszug daraus eingereicht worden; die vom Beschwerdeführer geforderte
Beglaubigung erübrigte sich daher (Art. 28 Abs. 2 HRegV). Sodann ist
die Unterschrift von B. auf der Anmeldung beglaubigt. Soweit der Einwand
des Beschwerdeführers, die Beglaubigung hätte nicht gestützt auf einen
Vergleich mit der bei einer anderen Firma hinterlegten Unterschrift
erfolgen dürfen, die Form der Beglaubigung betrifft, handelt es sich
um eine vom kantonalen Recht beherrschte Frage (Art. 55 SchlT/ZGB),
die im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht zu prüfen ist
(Art. 104 lit. a OG). Der Einwand lässt sich entgegen der Auffassung des
Beschwerdeführers auch nicht mit Art. 23 Abs. 2 HRegV begründen. Nach
dieser Bestimmung kann von der Beglaubigung von Unterschriften auf
einer späteren Anmeldung abgesehen werden, wenn sich die Echtheit der
Unterschriften aufgrund eines Vergleichs mit früher "für die nämliche
Firma" abgegebenen Unterschriften ergibt. Das besagt selbstverständlich
nicht, dass Beglaubigungen nur durch Vergleich mit für die gleiche Firma
früher abgegebenen Unterschriften erfolgen dürfen. Dass schliesslich
wegen der Adressänderung gemäss Art. 25 HRegV die Unterzeichnung durch
den Beschwerdeführer als eingetragenen Unterschriftsberechtigten der Firma
notwendig gewesen wäre, ist haltlos. Die in dieser Bestimmung vorgesehene
erleichterte Anmeldung blosser Adressänderungen bei gleichbleibendem Sitz
schliesst die ordentliche Anmeldung durch den im Zeitpunkt der Anmeldung
amtierenden Verwaltungsrat gemäss Art. 22 Abs. 2 HRegV nicht aus.

    Im Unterschied zur S. AG enthält die Anmeldung der P. AG zwar keinen
Stempel "Unterschriftenbeglaubigung", jedoch den Vermerk "Ausw. IK"
(Identitätskarte). Das entspricht den Anforderungen von Art. 23 Abs. 1
HRegV. Danach unterzeichnen bei der mündlichen Anmeldung die anmeldenden
Personen die Eintragung vor dem Registerführer, sie haben sich dabei über
ihre Identität auszuweisen. Im Anschluss daran erwähnt der Registerführer
die Art der Legitimation. Die Behauptung, aus den Unterlagen gehe nirgends
hervor, dass die Unterschriften vor dem Registerführer geleistet worden
seien, wird durch den Identifikationsvermerk widerlegt. Unbehelflich
ist auch der Hinweis auf Art. 25a HRegV, regelt diese Bestimmung doch
den Fall, dass ein ausgeschiedenes Mitglied des Verwaltungsrats selbst
um Löschung ersucht; das hindert den neuen Verwaltungsrat nicht daran,
die Anmeldung der Abberufung gemäss Art. 22 Abs. 2 HRegV vorzunehmen.

    Von einer Verletzung der erwähnten registerrechtlichen Vorschriften
kann somit keine Rede sein. Der Registerführer hat sich am 19. Juni 1987
zu Recht geweigert, aus diesem Grund auf die Eintragungen zurückzukommen.

    b) Der Beschwerdeführer macht sodann geltend, das Handelsregisteramt
hätte die Eintragungen auch aus klar ersichtlichen Gründen des
materiellen Zivilrechts verweigern müssen. Da weder auf den
Anmeldungen noch auf den Protokollen die Unterschrift des bisher
einzigen und einzelzeichnungsberechtigten Verwaltungsrats erschienen
und dessen Abberufung laut Protokoll ohne Gegenstimme erfolgt sei,
hätten beim Registerführer sogleich Zweifel darüber aufkommen müssen,
ob die Universalversammlungen vom 11. und 22. Mai 1987 gültig zustande
gekommen seien. Die fehlende Unterschrift des Beschwerdeführers hätte
den Registerbeamten zu der Frage veranlassen müssen, ob der einzige
Verwaltungsrat auch tatsächlich teilgenommen und der Abberufung zugestimmt
habe.

    Diese Anforderungen gehen über die dargelegte, in zivilrechtlicher
Hinsicht beschränkte Prüfungspflicht des Handelsregisterführers hinaus. Die
Anmeldungen und Protokolle drängten ihm vorliegend keinesfalls den
Schluss auf, die verlangten Eintragungen beruhten auf offensichtlich
nichtigen Beschlüssen und stünden in klarem und unzweideutigem Widerspruch
zu bestimmten qualifizierten Normen des materiellen Rechts. Mit dem
angefochtenen Entscheid waren die Versammlungen als Universalversammlungen
ausgewiesen, in denen gemäss Art. 701 OR über alle in den Geschäftskreis
der Generalversammlung fallenden Gegenstände gültig verhandelt und
Beschluss gefasst werden konnte, solange die Eigentümer oder Vertreter
sämtlicher Aktien anwesend waren. Demzufolge war der Registerführer
in Übereinstimmung mit dem erwähnten Urteil des Bundesgerichts vom
16. September 1944 nicht gehalten, die Beschlussfähigkeit der Versammlungen
durch Einholung zusätzlicher Auskünfte und Belege nachzuprüfen. Die
fehlende Unterschrift des Beschwerdeführers auf den beim Handelsregister
eingereichten Unterlagen konnte auf andere Gründe als eine widerrechtliche
Einberufung und Durchführung der Versammlungen zurückzuführen sein: Für
eine gültige Universalversammlung genügt es, dass sämtliche Aktionäre
vertreten sind; ihrer persönlichen Anwesenheit und Teilnahme bedarf es
nicht. Weiter kann der eingetragene Verwaltungsrat im Zeitpunkt der
Universalversammlung seine Eigenschaft als Aktionär verloren haben;
diesfalls ist die Beschlussfassung ohne seine Mitwirkung ebenfalls
zulässig.

    Die Anmeldungen vom 11. und 25. Mai 1987 aus materiellrechtlichen
Gründen zurückzuweisen, bestand für den Registerführer somit kein
Anlass. Er hat den Beschwerdeführer am 19. Juni 1987 zu Recht in Anwendung
von Art. 32 Abs. 1 HRegV an den Zivilrichter verwiesen, der den vom
Beschwerdeführer befürchteten Missbräuchen durchaus hätte begegnen
können. Weil die Überprüfung der materiellrechtlichen Begründetheit dem
Registerführer entzogen war, verbietet sich auch die vom Eidgenössischen
Amt für das Handelsregister beantragte Teilgutheissung der Beschwerde mit
Bezug auf das Eintragungsdatum betreffend die P. AG. Eine Berichtigung
könnte sich aus einer nachträglich erfolgten Anmeldung eines späteren
Generalversammlungsbeschlusses dieser Gesellschaft ergeben, die jedoch
ebensowenig Gegenstand der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde
bildet wie der vom Beschwerdeführer mit Noveneingabe vom 25. September
1987 erhobene Einwand, seit dem 24. September 1987 stehe fest, dass der
Handelsregisterführer um die Unrichtigkeit des gegenwärtigen Eintrags
wisse.