Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 II 324



114 II 324

59. Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. Juli 1988 i.S. X. gegen Y.
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Grundbuch.

    1. Prüfungsbefugnis des Grundbuchverwalters (Art. 965 ZGB).

    Der Grundbuchverwalter ist nicht befugt, die Eintragung einer
Handänderung zu verweigern mit der Begründung, die Abwicklung des
ihr zugrunde liegenden (Kaufsrechts-)Vertrages könnte angesichts der
darin vereinbarten Bereinigung der grundpfandrechtlichen Verhältnisse
Schwierigkeiten bieten (E. 2).

    2. Neuverteilung der Pfandhaft (Art. 833 ZGB).

    Hat sich das auf dem in Frage stehenden Grundstück haftende Gesamtpfand
- wegen des Widerstandes der betroffenen Gläubiger - nicht im Sinne des
(Kaufsrechts-)Vertrages neu verteilen lassen, so hat der Grundbuchverwalter
einem vom Erwerber gestellten Begehren um Neuverteilung der Pfandhaft im
Sinne von Art. 833 ZGB stattzugeben (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Y. räumte X. mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 16.
März 1987 am Grundstück Nr. ... in A. ein Kaufsrecht ein. Das
Grundstück war damals mit verschiedenen Grundpfandrechten belastet. Fünf
Grundpfandverschreibungen waren als Gesamtpfand im Sinne von Art. 798 ZGB
errichtet worden, für das zwei weitere Grundstücke in A. mitverpfändet
waren. Der im Vertrag vereinbarte Kaufpreis sollte durch die Übernahme
einer entsprechenden Grundpfandschuld getilgt werden. Sodann verpflichtete
sich Y. "unwiderruflich, die Grundpfandschulden, die den Betrag des
vorerwähnten Kaufpreises übersteigen, bei den Gläubigern abzulösen." Der
Kaufsrechtsberechtigte wurde schliesslich ermächtigt, gestützt auf den
abgeschlossenen Vertrag und die Ausübungserklärung die Eigentumsübertragung
beim Grundbuchführer anzumelden.

    Am 5. Juni 1987 übte X. das Kaufsrecht aus. Gleichentags ersuchte er
das zuständige Grundbuchamt, den Eigentumsübergang im Grundbuch einzutragen
und das Verteilungsverfahren nach Art. 833 ZGB durchzuführen, da bezüglich
der Ablösung der Grundpfandrechte mit den einzelnen Pfandgläubigern keine
Einigung erzielt worden sei.

    Das Grundbuchamt wies die Anmeldung am 10. Juni 1987 ab, und eine
von X. hiergegen eingereichte Beschwerde wies die Justizkommission des
kantonalen Obergerichts mit Entscheid vom 16. November 1987 ebenfalls ab.

    Gegen diesen Entscheid hat X. Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben
mit dem Rechtsbegehren, das Grundbuchamt sei anzuweisen, gestützt auf den
Kaufsrechtsvertrag vom 16. März 1987 und seine Ausübungserklärung vom
5. Juni 1987 ihn als Eigentümer des strittigen Grundstücks einzutragen
sowie das Pfandverteilungsverfahren gemäss Art. 833 ZGB durchzuführen.

    Der Beschwerdegegner Y. schliesst auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, und die kantonale Instanz beantragt,
die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden
könne. Demgegenüber vertritt das Eidgenössische Justiz- und
Polizeidepartement die Auffassung, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
sei gutzuheissen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 963 Abs. 1 ZGB erfolgen die Eintragungen im Grundbuch
aufgrund einer schriftlichen Erklärung des Eigentümers des Grundstücks, auf
das sich die im Grundbuch zu vermerkende Verfügung bezieht. Die erwähnte
Erklärung kann schon im - soweit nötig öffentlich beurkundeten - Vertrag
abgegeben werden, der die Grundlage der Verfügung über das Grundstück
bildet. Eine solche Erklärung ist in Ziff. 6 Abs. 3 des zwischen den
Parteien am 16. März 1987 geschlossenen Kaufsrechtsvertrages zu erblicken,
worin der Beschwerdegegner den Beschwerdeführer ermächtigt hatte,
"gestützt auf den vorliegenden Kaufsrechtsvertrag und auf Vorlage der
Ausübungserklärung, die Eigentumsübertragung zur Eintragung im Grundbuch
anzumelden". Der Beschwerdeführer übte das Kaufsrecht am 5. Juni 1987 aus,
und am gleichen Tag meldete er die Handänderung zur Eintragung an.

Erwägung 2

    2.- a) Dem Beschwerdeführer kann nicht etwa entgegengehalten werden,
die Anmeldungsermächtigung sei ihm nur unter dem Vorbehalt der vollen
Vertragserfüllung erteilt worden; eine Ermächtigung der genannten Art ist
(als Gestaltungsrecht) bedingungsfeindlich.

    b) Eine grundbuchliche Verfügung kann nur unter der Voraussetzung
ins Grundbuch eingetragen werden, dass sich der Gesuchsteller über
seine Verfügungsberechtigung und über den Rechtsgrund ausweist (Art. 965
ZGB). Der Grundbuchführer hat indessen im wesentlichen nur zu prüfen, ob
die Formerfordernisse erfüllt sind (vgl. Art. 965 Abs. 3 ZGB). Dagegen hat
er sich grundsätzlich nicht um den materiellen Bestand des vorgebrachten
Rechtsgrundes zu kümmern; ob etwa ein Willensmangel zu einer Anfechtung
des Rechtstitels Anlass geben könnte, hat der Grundbuchverwalter nicht
zu beurteilen; immerhin hat er eine Anmeldung abzuweisen, wenn sich diese
auf einen offensichtlich nichtigen Rechtstitel stützt (vgl. BGE 108 II 549
E. 4 mit Hinweis; 99 Ib 247 f. E. 3). Ferner muss der Grundbuchverwalter
prüfen, ob das angemeldete Recht sich seiner Natur nach zur Aufnahme ins
Grundbuch eigne (vgl. BGE 107 II 213 E. 1 mit Hinweisen).

    c) In Anbetracht der in der genannten Weise beschränkten
Überprüfungsbefugnis stand es hier dem Grundbuchamt und damit auch
der ihm übergeordneten Justizkommission von vornherein nicht zu, sich
Überlegungen darüber zu machen, ob die Abwicklung des Kaufsrechtsvertrages
beispielsweise hinsichtlich der Bereinigung der grundpfandrechtlichen
Verhältnisse - Schwierigkeiten bieten und der Vertrag dadurch insgesamt
gefährdet sein könnte, so dass für den zur Eintragung angemeldeten
Eigentumsübergang kein genügender Rechtstitel mehr vorhanden wäre. Der
Grundbuchverwalter hatte aufgrund des ihm vorgelegten Vertrags vom
16. März 1987 auf jeden Fall keinen Anlass zur Annahme, die Parteien
hätten sich auf ein Rechtsgeschäft geeinigt, das einer grundbuchlichen
Behandlung offensichtlich von allem Anfang an nicht zugänglich sei.
Schwierigkeiten, die bei der weiteren Abwicklung des einer Anmeldung
zugrunde liegenden Vertrags auftreten könnten - und hier tatsächlich
auch aufgetreten sind -, haben den Grundbuchverwalter nicht zu kümmern;
über deren rechtliche Auswirkungen hätte nötigenfalls der ordentliche
Zivilrichter zu befinden. Das Grundbuchamt ... hat die Eintragung der
vom Beschwerdeführer angemeldeten Handänderung nach dem Gesagten zu
Unrecht verweigert.

Erwägung 3

    3.- Zu prüfen bleibt, ob der Grundbuchverwalter auch gehalten gewesen
wäre, das vom Beschwerdeführer als neuem - im Grundbuch vorerst einmal
einzutragenden Eigentümer angestrebte Pfandbereinigungsverfahren gemäss
Art. 833 ZGB durchzuführen.

    a) Der Vollzug der von den Parteien rechtsgeschäftlich
vereinbarten Grundpfandbereinigung ist an der fehlenden Mitwirkung der
Grundpfandgläubiger gescheitert. Damit hatten beide Vertragspartner
rechnen müssen, zumal die Grundpfandgläubiger nicht schon im voraus um
ihre Zustimmung angegangen worden waren. Was vertraglich gewollt war,
lässt sich somit nicht verwirklichen. Nach Ansicht der Justizkommission
ist für ein Verfahren gemäss Art. 833 ZGB nur dort Platz, wo ihm kein
übereinstimmender Wille von Käufer und Verkäufer entgegensteht. Hier aber
sei lediglich der Beschwerdeführer mit einer Verteilung der Pfandhaft
im Sinne der genannten Bestimmung einverstanden; der Beschwerdegegner
brauche es jedoch nicht hinzunehmen, dass eine Pfandrechtsverteilung
durch den Grundbuchverwalter oder den Gemeinderat möglicherweise ergebe,
dass die Pfandhaft auf dem hier in Frage stehenden Grundstück weniger
als Fr. ... (dem Kaufpreis entsprechender Betrag) und diejenige auf den
übrigen Unterpfändern, die in seinem Eigentum verblieben, mehr betrage
als im Kaufsrechtsvertrag vorgesehen.

    b) Die gegenwärtige Sachlage widerspricht der gesetzlichen Regelung
betreffend das Gesamtpfand (Art. 798 Abs. 1 ZGB). Danach ist ein solches
nur unter der Voraussetzung zulässig, dass die belasteten Grundstücke dem
gleichen Eigentümer gehören oder im Eigentum solidarisch verpflichteter
Schuldner stehen. Ziffer 5 des Kaufsrechtsvertrages vom 16. März 1987
ist indessen zu entnehmen, dass eine Solidarschuldnerschaft gerade nicht
begründet werden wollte.

    c) Bereits in BGE 51 II 403 ff. ging das Bundesgericht davon aus,
dass in Art. 833 ZGB die Neuverteilung der Pfandhaft gerade im Hinblick
auf die Einhaltung von Art. 798 ZGB zwingend vorgeschrieben werde
und dass nur die nähere Bestimmung, wie verteilt werden soll, einer
allfälligen Parteiabrede anheimgestellt sein soll. Art. 833 ZGB ist
nicht als Ausnahme, sondern als Ergänzung von Art. 798 ZGB auszulegen,
d.h. dahin, dass bei einer Übertragung eines mit einem Gesamtpfand
belasteten Grundstücks eine Neuverteilung des Gesamtpfandes vorgenommen
werden muss. Art. 833 ZGB enthält eine entsprechende Weisung (BGE 51 II
405 f.); das Pfandbereinigungsverfahren ist durch den Grundbuchverwalter
von Amtes wegen durchzuführen (vgl. LEEMANN, N. 14 zu Art. 833 ZGB).

    Dass Verkäufer und Käufer vorerst eine von Art. 833 ZGB abweichende
Grundpfandbereinigung angestrebt haben, ist ohne Belang, wenn sich
nachträglich erweist, dass sie am Widerstand der betroffenen Gläubiger
scheitert. Diese haben sich nicht gegen ihren Willen jede Neuaufteilung
gefallen zu lassen; es kann ihnen vielmehr einzig das in Art. 833 ZGB
vorgezeichnete Ergebnis aufgezwungen werden, wobei gemäss Art. 833 Abs. 2
ZGB jeder Pfandgläubiger immerhin binnen Monatsfrist verlangen kann, dass
seine Forderung innerhalb eines Jahres getilgt werde. Auf eine von Art. 833
ZGB abweichende rechtsgeschäftliche Regelung hat der Grundbuchverwalter
nach dem Gesagten nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als die Einwilligung
der betroffenen Grundpfandgläubiger vorliegt. Im andern Fall hat er sich
allein darum zu kümmern, die Verteilung der Pfandhaft mit den Art. 798
und 832 ZGB in Einklang zu bringen, wozu ein Verfahren gemäss Art. 833 ZGB
durchzuführen ist. Etwas anderes ergibt sich aus dem vom Beschwerdeführer
angerufenen BGE 68 II 200 ff. nicht.

    d) Das Verfahren gemäss Art. 833 ZGB kann freilich zu einem dem
Veräusserungsvertrag widersprechenden Ergebnis führen. Welches in einem
solchen Fall die Auswirkungen auf den Bestand des Rechtstitels sind, der
der im Grundbuch einzutragenden Handänderung zugrunde liegt, hätte jedoch
einzig der hiefür anzurufende ordentliche Zivilrichter zu beurteilen. Die
beschränkten Befugnisse des Grundbuchverwalters und der ihm übergeordneten
kantonalen Beschwerdeinstanz lassen eine andere Regelung nicht zu.

    Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist mithin auch in diesem Punkt
gutzuheissen, und das Grundbuchamt ist anzuweisen, die Pfandhaft im Sinne
von Art. 833 ZGB neu zu verteilen.