Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 III 55



114 III 55

18. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 21.
Dezember 1988 i.S. H. (Rekurs) Regeste

    Zustellung des Zahlungsbefehls an Samstagen; Fristenlauf für den
Rechtsvorschlag (Art. 56 und 31 Abs. 1 SchKG).

    Betreibungsurkunden, insbesondere der Zahlungsbefehl, können dem
Schuldner an einem Samstag genauso wie an jedem anderen Werktag - also
unter Beobachtung der geschlossenen Zeiten vor 8 Uhr morgens und nach 7
Uhr abends - zugestellt werden. Im vorliegenden Fall begann die Frist für
die Erhebung des Rechtsvorschlags am Samstag, 8. Oktober 1988, zu laufen
und lief am Dienstag, 18. Oktober 1988, ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Es stellt sich zuerst die Frage, ob die im vorliegenden Fall an
einem Samstag erfolgte Zustellung des Zahlungsbefehls zulässig war. Ist
dies zu bejahen, so stellt sich die weitere Frage nach dem Fristenlauf
für die Erhebung des Rechtsvorschlags.

    a) Der Rekurrent behauptet Art. 56 Ziff. 2 halte ausdrücklich fest,
dass die Gleichstellung anderer Werktage mit dem Sonntag eine Frage des
kantonalen Rechts sei. Daher sei die Antwort auf die Frage, ob an einem
Samstag Rechtsstillstand herrsche, im kantonalen - diesfalls im bernischen
- Recht zu suchen.

    Diese Auffassung ist falsch. Art. 56 Ziff. 2 SchKG untersagt
Betreibungshandlungen "an Sonntagen und staatlich anerkannten
Feiertagen". Die Vorschrift wird - zutreffend - so aufgefasst, dass das
kantonale Recht des Orts, wo die Betreibungshandlung vorzunehmen ist,
massgebend für die Bestimmung der staatlich anerkannten Feiertage sei
(FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht,
Band I, Zürich 1984, § 13 Rz. 4; FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs,
Band I, Zürich 1967, S. 91; JOOS, Handbuch für die Betreibungsbeamten der
Schweiz, Wädenswil 1964, S. 79). Dabei geht es um die vereinzelten Tage,
die nicht eidgenössische Feiertage sind (diese fallen, mit Ausnahme von
Auffahrt, in die Betreibungsferien gemäss Art. 56 Ziff. 3 SchKG), sondern
solche des kantonalen Rechts: zum Beispiel der 2. Januar, der 1. Mai und
der Bundesfeiertag im Kanton Zürich, der 6. Januar, der Fronleichnamstag,
der 15. August, der 1. November und der 8. Dezember im Kanton Freiburg. Es
geht aber nicht um die Gleichstellung des Samstags mit einem Feiertag
(GILLIERON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, Lausanne 1985,
S. 88, § 2 I).

    Die auf das kantonale Recht (Zivilprozessordnung, Gesetz über die
Verwaltungsrechtspflege) gestützten Ausführungen des Rekurrenten, mit
denen er eine Gleichstellung des Samstags mit einem Sonntag oder staatlich
anerkannten Feiertag zu begründen versucht, sind daher unerheblich. Ja
insofern er damit eine falsche Anwendung des kantonalen Rechts rügt,
ist auf den Rekurs nicht einzutreten; denn mit dem Rekurs an die
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts kann nur die
Verletzung von Bundesrechtssätzen gerügt werden (Art. 79 Abs. 1 OG). Eine
Verletzung von Art. 4 BV (Gleichheitsgebot, Anspruch auf rechtliches
Gehör) bei Anwendung des kantonalen Rechts hätte nur mit staatsrechtlicher
Beschwerde geltend gemacht werden können (Art. 43 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 81 OG; BGE 107 III 12 E. 1).

    b) Es ist hingegen eine von der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Bundesgerichts zu prüfende Frage des Bundesrechts, ob Art. 56 Ziff. 2
SchKG in dem Sinne auszulegen sei, dass im Hinblick auf die heutige
Arbeitswelt (oder, wenn man will, Freizeitgesellschaft) der Samstag einem
anerkannten Feiertag gleichzustellen wäre.

    Diese Gleichstellung ist im Bundesgesetz über den Fristenlauf an
Samstagen (SR 173.110.3) vorgesehen. Es regelt indessen den Fristenlauf und
nicht die Frage der sog. geschlossenen Zeiten im Sinne von Art. 56 Ziff. 1
und 2 SchKG. Selbst wenn man davon ausginge, dass mit der Zustellung
des Zahlungsbefehls die Frist zur Erhebung des Rechtsvorschlags ausgelöst
wird und dass aus diesem Grund das erwähnte Bundesgesetz anwendbar sei,
steht nach der Rechtsprechung fest, dass die Gleichstellung des Samstags
mit einem staatlich anerkannten Feiertag nur das Ende, nicht aber den
Beginn der Fristen beeinflusst (BGE 94 III 87 f. E. 1).

    Der Rekurrent weist darauf hin, dass das Betreibungsamt Konolfingen
am Samstag geschlossen ist. Tatsächlich lässt sich nicht übersehen, dass
ein grosser Teil der Bevölkerung heute einen arbeitsfreien Samstag hat
und dass - neben vielen Betrieben der Privatwirtschaft - vor allem die
Büros der öffentlichen Verwaltung in der Regel geschlossen sind. Es gibt
aber auch noch einen ansehnlichen anderen Teil der Bevölkerung, der am
Samstag - ja gerade am Samstag - arbeitet. Hiezu gehört offensichtlich
der Betreibungsbeamte (oder der Amtsweibel) von Konolfingen, führt doch
der Rekurrent selber aus, der Amtsweibel habe auf die fünfzig anderen
Zahlungsbefehle hingewiesen, welche er am Samstag, 8. Oktober 1988, noch
zuzustellen beabsichtigte. Jedenfalls lässt sich der Samstag auch heute
nicht als Feiertag im Sinne von Art. 56 Ziff. 2 SchKG betrachten. Ein
allgemeines Bedürfnis, den Schuldner an Samstagen zu schonen - was
der Zweck der geschlossenen Zeiten, der Betreibungsferien und des
Rechtsstillstandes ist -, besteht nicht.

    Dass Zahlungsbefehle auch an Samstagen zugestellt werden können,
erscheint so selbstverständlich, dass die einschlägige Literatur kaum
Worte darüber verliert. FAVRE (Droit des poursuites, Fribourg 1974, S. 112)
bejaht ausdrücklich die Zulässigkeit der Zustellung von Betreibungsurkunden
an Samstagen (vgl. auch schon BGE 82 IV 17 E. 2).

Erwägung 2

    2.- Es ist somit davon auszugehen, dass dem Rekurrenten der
Zahlungsbefehl am Samstag, 8. Oktober 1988, rechtsgültig zugestellt werden
konnte - genauso wie an jedem anderen Tag zwischen Montag und Freitag
jener Woche, also unter Beachtung lediglich der geschlossenen Zeiten
gemäss Art. 56 Ziff. 1 SchKG (vor 8 Uhr morgens und nach 7 Uhr abends).

    a) Auf den hier zu beurteilenden Fall nicht anwendbar ist daher jener
von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz, wonach eine während der
Betreibungsferien vorgenommene Betreibungshandlung zwar nicht in jedem
Fall nichtig und anfechtbar ist, jedoch ihre Wirkung erst nach Ablauf
der Betreibungsferien entfaltet (BGE 100 III 14 E. 1, 96 III 50; BlSchK
1981, S. 39 E. 1; JdT 1973 II, S. 20; GILLIERON, aaO, S. 95). Diese
Rechtsprechung bezieht sich auf die Betreibungsferien (Art. 56 Ziff. 3
SchKG) und den Rechtsstillstand (Art. 56 Ziff. 4 sowie Art. 57-62 SchKG),
nicht aber auf die geschlossenen Zeiten im Sinne von Art. 56 Ziff. 1 und
2 SchKG (vgl. zu den drei Gruppen der Schonzeiten: AMONN, Grundriss des
Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, § 11 N. 21).

    Nicht anwendbar ist auch Art. 31 Abs. 3 SchKG, wonach die Frist am
nächstfolgenden Werktag endet, wenn der letzte Tag der Frist ein Sonntag
oder ein staatlich anerkannter Feiertag ist. Dass nach der Auffassung
der Lehre (GILLIERON, aaO, S. 87, II. am Ende) der Text dieser Bestimmung
dahingehend abgeändert werden sollte, dass auch der Samstag erwähnt wird,
ändert daran nichts. Dieser Vorschlag de lege ferenda ist mit Blick auf
das Bundesgesetz über den Fristenlauf an Samstagen gemacht worden, das -
wie oben in E. 1b ausgeführt - den Samstag nur bezüglich des Endes des
Fristenlaufs einem anerkannten Feiertag gleichstellt. Auch Art. 31 Abs. 3
SchKG hat nur das Ende der Frist im Auge.

    b) Massgebend für den vorliegenden Fall ist demgegenüber Art. 31 Abs. 1
SchKG, wonach derjenige Tag nicht mitgerechnet wird, von welchem an die
Frist zu laufen beginnt. Das ist, wie dargelegt, der Samstag, 8. Oktober
1988, an welchem dem Rekurrenten der Zahlungsbefehl rechtsgültig zugestellt
wurde. Der erste mitzurechnende Tag war demzufolge der Sonntag, 9. Oktober
1988; und es lief die Frist von 10 Tagen zur Erhebung des Rechtsvorschlags
(Art. 74 Abs. 1 SchKG) am Dienstag, 18. Oktober 1988, ab. Die Erhebung des
Rechtsvorschlags am 19. Oktober 1988 war verspätet, wie das Betreibungsamt
und die kantonale Aufsichtsbehörde zutreffend erkannt haben.

    c) In BGE 112 III 42 ff. hat das Bundesgericht allerdings entschieden,
dass die Frist für die Kollokationsklage (Art. 250 Abs. 1 SchKG)
nur dann mit der öffentlichen Bekanntmachung beginne, wenn am Tag der
Bekanntmachung das Konkursamt der Öffentlichkeit zugänglich sei. In jenem
Fall fiel die öffentliche Bekanntmachung auf einen Samstag, an welchem
das Konkursamt geschlossen war; mit dem kantonalen Richter gelangte daher
das Bundesgericht zum Schluss, dass die Frist für die Kollokationsklage
erst am darauffolgenden Montag zu laufen begonnen habe. Damit trug die
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer der Überlegung Rechnung, dass dem
Kläger die an sich nur kurze Frist von 10 Tagen faktisch um zwei Tage
verkürzt würde, wenn er erst am Montag Einsicht in den Kollokationsplan
nehmen könnte, die Frist für dessen Anfechtung aber bereits am Samstag
zu laufen begänne. Das Bundesgericht hat diese Rechtsprechung jedoch
ausdrücklich auf die Kollokationsklage beschränkt (BGE 112 III 45 f.).

    Es besteht denn auch kein Anlass, einer analogen Praxis hinsichtlich
der Zustellung von Betreibungsurkunden, insbesondere des Zahlungsbefehls,
das Wort zu reden. An den Rechtsvorschlag werden bei weitem nicht so
hohe Anforderungen gestellt wie an eine Kollokationsklage. Gerade im
vorliegenden Fall hätte der Schuldner, ohne dass ihm daraus ein Nachteil
erwachsen wäre, noch in Anwesenheit des Amtsweibels Rechtsvorschlag
erheben können anstatt zu versuchen, die Annahme des Zahlungsbefehls zu
verweigern. Jedenfalls war ihm die Erhebung des Rechtsvorschlags innert
der gesetzlichen Frist von 10 Tagen ohne weiteres möglich.