Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 III 29



114 III 29

9. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 31.
August 1988 i.S. Sh. (Rekurs) Regeste

    Art. 9 Abs. 2 VZG; Anwendbarkeit im Konkursverfahren.

    Im summarischen Konkursverfahren besteht kein Anspruch auf Vornahme
einer zweiten Schätzung von Fahrnis gemäss Art. 9 Abs. 2 VZG.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- (...) c) Gemäss Art. 9 Abs. 2 VZG ist jeder Beteiligte berechtigt,
bei der Aufsichtsbehörde gegen Vorschuss der Kosten eine neue Schätzung
durch Sachverständige zu verlangen. Diese Bestimmung bezieht sich auf die
Schätzung von Grundstücken. Sie gilt jedoch sinngemäss auch für Fahrnis,
sofern die neue Schätzung innert nützlicher Frist vorgenommen werden kann.
Diese Voraussetzung ist dort erfüllt, wo anerkannte Schätzungskriterien
bestehen (BGE 110 III 70 f.; 101 III 34 f.). Ob sie auch bei Kunstobjekten
gegeben ist, erscheint als zweifelhaft, kann hier jedoch dahingestellt
bleiben. Eine neue Schätzung ist bereits aus einem anderen Grund
abzulehnen:

    Die von der Rekurrentin angerufene Bestimmung befindet sich in der VZG
im Abschnitt über die Verwertung im Pfändungsverfahren. Gemäss Art. 99
VZG findet sie auch bei der Verwertung im Pfandverwertungsverfahren
Anwendung. Die Verwertung im Konkursverfahren richtet sich indes gemäss
ausdrücklicher Gesetzesvorschrift nach den besonderen Bestimmungen
der Art. 122 ff. VZG und nach den Vorschriften der Verordnung des
Bundesgerichts über die Geschäftsführung der Konkursämter (Art. 122
VZG). In dieser Verordnung findet sich ebensowenig wie in den Art. 122
ff. VZG eine analoge Vorschrift zu Art. 9 VZG oder ein Verweis auf diese
Bestimmung. Aus Art. 122 VZG und der systematischen Stellung von Art. 9
VZG ist demnach zu folgern, dass Art. 9 VZG im Konkursverfahren keine
Anwendung findet.

    d) In BGE 61 III 65 hat das Bundesgericht erkannt, Art. 9 Abs. 2
VZG finde auch im Nachlassverfahren Anwendung. Der Schuldner sei im
Nachlassverfahren nicht weniger an einer richtigen Schätzung interessiert
als bei einer Pfändung oder Pfandverwertung. Auch im übrigen komme der
Schätzung im Nachlassverfahren eine ebenso grosse Bedeutung zu, vor allem
für verpfändete Vermögensstücke, bei denen sich die Berücksichtigung
allfälliger ungedeckter Pfandforderungen im Bestätigungsverfahren nach
dieser Schätzung richte.

    Bei jenem Entscheid hat es sich indes um einen Prozentvergleich
gehandelt, bei dem die Sanierung des Schuldners im Vordergrund steht, nicht
die Vermögensliquidation (vgl. AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und
Konkursrechts, 4. Aufl., N. 15 bis 17 zu § 53). Ein Bestätigungsverfahren,
bei dem der allfällig ungedeckte Teil einer pfandgesicherten Forderung
eine Rolle spielen könnte, ist beim Konkurs nicht vorgesehen. Ein
Pfandrecht steht im vorliegenden Fall überhaupt nicht in Frage; bezüglich
des Retentionsrechts besteht die aussergewöhnliche Situation, dass der
interessierte Freihandkäufer zugleich Retentionsgläubiger und alleiniger
Gläubiger im Konkurs ist. Solange diese Voraussetzung erfüllt ist, muss
auf dieses Recht nicht besondere Rücksicht genommen werden.

    e) Für die unterschiedliche gesetzliche Regelung der Schätzung im
Pfändungs- bzw. Pfandverwertungsverfahren im Vergleich zum Konkursverfahren
lassen sich sachliche Gründe anführen. Bei der Pfändung ist die Schätzung
notwendig, damit das Betreibungsamt einerseits für eine genügende
Deckung der Betreibungsforderung sorgen und anderseits die Pfändung
auf das notwendige Mass beschränken kann, ferner damit der Gläubiger
gegebenenfalls in die Lage versetzt wird, einen Arrest zu erwirken oder die
Anfechtungsklage anzuheben (BGE 97 III 20). Beim Konkurs entfällt zumindest
die Hauptfunktion, den Deckungsumfang zu bestimmen und die Gläubiger über
das voraussichtliche Verwertungsergebnis zu orientieren, da der Konkurs
ohnehin das ganze Vermögen erfasst (bezüglich der Pfandverwertung vgl. BGE
101 III 34).

    Dennoch ist diese Frage hier nicht abschliessend zu beurteilen, Es
genügt festzustellen, dass jedenfalls im summarischen Konkursverfahren kein
Anspruch auf eine zweite Schätzung von Fahrnis gemäss Art. 9 Abs. 2 VZG
besteht, zumal wenn die Schätzung des Konkursverwalters auf objektiven
Bewertungsgrundlagen beruht. Das summarische Konkursverfahren soll
möglichst einfach und rasch erfolgen (vgl. AMONN, N. 1 zu § 49). Ein
allfälliges Interesse einer zweiten Schätzung, zur Aufklärung allfälliger
Steigerungs- bzw. Kaufsinteressenten beizutragen, hat unter diesen
Umständen zurückzutreten (vgl. dazu BGE 101 III 34 oben).