Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IB 317



114 Ib 317

48. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 1.
Dezember 1988 i.S. A. gegen Gemeinde X. und Verwaltungsgericht des Kantons
Aargau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 24 Abs. 1 RPG; Standortgebundenheit eines unterirdischen
Durchganges.

    1. Das in Art. 24 Abs. 1 RPG enthaltene Erfordernis der
Standortgebundenheit beruht auf der räumlichen Ordnungsvorstellung,
das Kulturland und das Siedlungsgebiet zu trennen, den Siedlungsraum zu
beschränken und das Land ausserhalb des baulichen Bereichs grundsätzlich
von Überbauungen freizuhalten. Der Gesetzgeber hat insoweit die
Interessenabwägung grundsätzlich selber abschliessend vorgenommen (E. 4a).

    2. Ein unterirdischer Durchgang zwischen Wohnhaus und Garage
als solcher ist nicht standortgebunden; er dient dem persönlichen
Komfortbedürfnis, das der räumlichen Ordnungsvorstellung widerspricht
(E. 4c).

    3. Eine bestehende, zonenfremde Baute als solche rechtfertigt eine
weitere Ausdehnung der zonenwidrigen Nutzung nicht und kann somit die
Standortgebundenheit weiterer zonenfremder Anlagen nicht begründen (E. 4d).

Sachverhalt

    A.- A. ist Eigentümerin eines Grundstückes in der Gemeinde X.,
das gemäss Zonenplan dieser Gemeinde vom 16. Dezember 1982 teilweise
innerhalb und teilweise ausserhalb der Bauzone liegt. Sie beabsichtigt,
ihr Wohnhaus, das sich ausserhalb der Bauzone befindet, durch einen
unterirdischen Gang mit der Doppelgarage und dem Schwimmbad in der Bauzone
zu verbinden. Das Bauvorhaben soll zum grössten Teil im ausserhalb der
Bauzone gelegenen Bereich des Grundstückes errichtet werden. Am 26. Januar
1987 verweigerte der Gemeinderat in Übereinstimmung mit einer Weisung des
Baudepartementes vom 21. Januar 1987 die Baubewilligung. Eine dagegen
eingereichte Beschwerde wies der Regierungsrat ab. Ebenso entschied das
Verwaltungsgericht am 25. Mai 1988, beide Instanzen nach Durchführung eines
Augenscheins. Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Eine Ausnahmebewilligung nach Art. 24 Abs. 1 RPG kann erteilt
werden, wenn der Zweck der Baute einen Standort ausserhalb der Bauzone
erfordert (lit. a) und wenn dem Vorhaben keine überwiegenden Interessen
entgegenstehen (lit. b). Beide Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt
sein (BGE 113 Ib 141 E. 5; 112 Ib 102).

    a) Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung darf die
Standortgebundenheit nur dann bejaht werden, wenn eine Baute aus
technischen oder betriebswirtschaftlichen Gründen oder wegen der
Bodenbeschaffenheit auf einen Standort ausserhalb der Bauzone angewiesen
ist. Dabei beurteilen sich die Voraussetzungen nach objektiven Massstäben,
und es kann weder auf die subjektiven Vorstellungen und Wünsche des
Einzelnen noch auf die persönliche Zweckmässigkeit oder Bequemlichkeit
ankommen (BGE 113 Ib 141 E. 5a; 111 Ib 217 E. 3b). An diese Erfordernisse
sind strenge Anforderungen zu stellen (BGE 113 Ib 142), um der Zersiedlung
der Landschaft entgegenzuwirken. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht
festhält, beruht diese Regelung auf der räumlichen Ordnungsvorstellung,
das Kulturland und das Siedlungsgebiet zu trennen, den Siedlungsraum zu
beschränken und das Land ausserhalb des baulichen Bereichs grundsätzlich
von Überbauungen freizuhalten (Art. 3 Abs. 2 und 3 RPG). Der Gesetzgeber
hat somit grundsätzlich selber eine Interessenabwägung vorgenommen;
die Baubewilligungs- und die entsprechende Rechtsmittelbehörde hat
sie lediglich anzuwenden. Hierin unterscheidet sich die Handhabung
des Kriteriums der Standortgebundenheit (Art. 24 Abs. 1 lit. a RPG)
von demjenigen der überwiegenden entgegenstehenden Interessen (Art. 24
Abs. 1 lit. b RPG).

    b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie benötige den Durchgang,
um trockenen Fusses vom Wohnhaus zur Garage zu gelangen, vor allem im
Hinblick auf zunehmendes Alter und zunehmende Gebrechlichkeit. Das
Verwaltungsgericht hält dem entgegen, der vorgesehene Durchgang sei
aus sachlichen Gründen nicht auf einen Standort ausserhalb der Bauzone
angewiesen. Das zonenwidrige Wohnhaus könne die Standortgebundenheit
des Bauvorhabens nicht begründen. Im übrigen könnten die Garage
und das Schwimmbad bereits heute vom Wohnhaus aus problemlos über
den geteerten bzw. gekiesten Hausplatz erreicht werden, womit die
Verbindung gewährleistet sei. Eine weitere interne Erschliessung mittels
unterirdischem Durchgang sei daher keineswegs erforderlich.

    c) Diesen verwaltungsgerichtlichen Überlegungen ist zuzustimmen. Es
liegt auf der Hand, dass der unterirdische Durchgang als solcher nicht
standortgebunden ist, sondern einem persönlichen Komfortbedürfnis
entspringt, das der gesetzgeberischen räumlichen Ordnungsvorstellung
widerspricht (BGE 111 Ib 217 E. 3b, 108 Ib 135 E. 3a; nicht
veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 2. März 1987 i.S. EJPD
c. Wismer betreffend Minigolfanlage und Parkplatzerweiterung zu einem
bestehenden Restaurant). Die Verhältnisse liegen hier nicht anders als bei
einem Schwimmbad und einem Gartenhaus, das ein Bauherr in der Nähe seines
Privathauses errichten wollte. Auch in diesem Fall fand das Bundesgericht,
der Wunsch danach entspreche nicht einem Bedürfnis, das im Hinblick auf
die sinnvolle Nutzung der Wohnliegenschaft als sachlich ausgewiesen oder
gar notwendig erscheine. Dieses Ergebnis könne für einen Bauherrn, der
seinerzeit rechtens gebaut habe und dessen Liegenschaft nunmehr zonenwidrig
geworden sei, eine gewisse Härte bedeuten. Diese Härte sei indessen vom
Bundesgesetzgeber im Interesse einer klaren Trennung von Siedlungs- und
Nichtsiedlungsgebiet, die zur Vermeidung der Zersiedlung der Landschaft
nötig sei, bewusst in Kauf genommen worden (nicht veröffentlichtes Urteil
des Bundesgerichts vom 23. Mai 1986 i.S. Mayer c. Weinfelden betreffend
Schwimmbad und Gartenhaus).

    d) Die Standortgebundenheit kann auch nicht aus der Tatsache
hergeleitet werden, dass der Durchgang dem bestehenden Wohnhaus
dient, da eine bestehende, zonenfremde Baute als solche eine weitere
Ausdehnung der zonenwidrigen Nutzung nicht rechtfertigen und somit die
Standortgebundenheit für weitere zonenfremde Anlagen nicht begründen
kann (nicht veröffentlichte Urteile des Bundesgerichts vom 20. Mai 1987
i.S. Schärer E. 3, vom 2. März 1987 i.S. EJPD c. Wismer E. 3a und vom
18. März 1981 i.S. Henselmann E. 5b).