Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IB 277



114 Ib 277

42. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 28.
Oktober 1988 i.S. Stiftung X. gegen Steuerverwaltung des Kantons Bern und
Steuerrekurskommission des Kantons Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste

    Befreiung einer Stiftung von der Steuerpflicht für das Vermögen
und Einkommen, das ausschliesslich gemeinnützigen Zwecken dient (Art.
16 Ziff. 3 BdBSt).

    1. Gemeinnützig sind nur Zwecke, die aus gesellschaftlicher Gesamtsicht
als besonders fördernswert gelten. Zur Steuerbefreiung einer Stiftung
nach Art. 16 Ziff. 3 BdBSt genügt nicht, dass ihre Tätigkeit allgemein
staatlichen Zielsetzungen entspricht (E. 2).

    2. Eine private Stiftung, welche die Förderung des preisgünstigen
und qualitativ hochstehenden Wohnungsbaus bezweckt, verfolgt keine
ausschliesslich gemeinnützigen Zwecke, wenn mit ihrer Tätigkeit eigene
unmittelbare Interessen des ihr nahestehenden Wirtschaftskreises verknüpft
sind (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Das der Baugenossenschaft Z. nahestehende Architekten-Ehepaar
A. errichtete am 14. März 1984 die Stiftung X. und widmete ihr ein Kapital
von Fr. 250'000.--. In Ziff. 2 der Stiftungsurkunde ist der Zweck wie
folgt umschrieben:

    "Die Stiftung bezweckt die Förderung des Wohnens im weitesten Sinne.

    Die Stiftung soll fördern:

    - den gemeinnützigen und preisgünstigen Wohnungsbau

    - die Grundlagenbeschaffung für Verfahren, Gestaltung, Formen,

    Finanzierung und Infrastruktur des Wohnungsbaus

    - Wohnexperimente

    - die Information der Öffentlichkeit über Probleme des Wohnens

    - Bestrebungen zur Verhinderung der Spekulation mit Grundstücken
   aller Art

    Die Stiftung kann besondere Leistungen auf dem Gebiet der Wohnförderung
   durch das Prämieren ausgeführter Bauten, das Ausrichten von
   Zusatzpreisen bei Wettbewerben usw. auszeichnen.

    Die Stiftung kann alle Massnahmen ergreifen und Geschäfte tätigen,
   welche geeignet sind, den Stiftungszweck zu verwirklichen.

    Die Stiftung nimmt ihre Tätigkeit sofort auf."

    Die Veranlagungsbehörde für die direkte Bundessteuer des
Kantons Bern lehnte das Begehren der Stiftung X. um Steuerbefreiung
wegen ausschliesslicher Gemeinnützigkeit ab und veranlagte sie
für die Steuerperiode 1983/84 mit einem steuerbaren Vermögen
von Fr. 230'000.--. Die Veranlagungsbehörde und anschliessend die
Steuerrekurskommission des Kantons Bern wiesen ihre Rechtsmittel ab. Mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Stiftung X., der Entscheid
der Steuerrekurskommission sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass
sie von der Steuer befreit sei. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab

Auszug aus den Erwägungen:

                  aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Die direkte Bundessteuer der Stiftungen umfasst nach Art. 51
Abs. 1 BdBSt eine Steuer vom Einkommen und eine Ergänzungssteuer vom
Vermögen, für die sinngemäss die Bestimmungen über die Besteuerung der
natürlichen Personen gelten (Abs. 2). Stiftungen sind wie privatrechtliche
Körperschaften von der Steuerpflicht für das Einkommen und Vermögen
befreit, das Kultus- oder Unterrichtszwecken, der Fürsorge für Arme
und Kranke, für Alter und Invalidität oder anderen ausschliesslich
gemeinnützigen Zwecken dient (Art. 16 Ziff. 3 BdBSt).

    b) Gemeinden und andere öffentlichrechtliche und kirchliche
Körperschaften und Anstalten sind nach Art. 16 Ziff. 2 BdBSt für ihr
Vermögen und Einkommen, das öffentlichen Zwecken dient, steuerbefreit. Der
Begriff der öffentlichen Zwecke im Sinn dieser Vorschrift umfasst jede
Tätigkeit, die einem öffentlichen Interesse entspricht (BGE 112 Ib 22
ff. E. b).

    Demgegenüber hat das Bundesgericht den Begriff der ausschliesslich
gemeinnützigen Zwecke nach Art. 16 Ziff. 3 BdBSt durchwegs sehr eng
interpretiert. Art 16 Ziff. 3 BdBSt gewährt Steuerbefreiung nicht
schon bei Gemeinnützigkeit schlechthin, sondern beschränkt sie auf
ausschliesslich gemeinnützige Zwecke. Gemeinnützig sind nur Zwecke,
die aus gesellschaftlicher Gesamtsicht als besonders fördernswert gelten
(vgl. KÄNZIG, Kommentar zur direkten Bundessteuer, 2. Aufl. 1982, Art. 16
N 14 BdBSt), wie die ausdrücklich genannten Kultus- und Unterrichtszwecke,
Fürsorge für Arme, Kranke, für Alter und Invalidität. Der Begriff der
ausschliesslichen Gemeinnützigkeit wurde in ständiger Rechtsprechung
nicht in dem weiten Sinne verstanden, der jede Betätigung im Dienste der
Allgemeinheit umfasst und der auch alle Bestrebungen einschliessen würde,
welche irgendwie auf wirtschaftliche oder soziale Förderung einzelner
Bevölkerungskreise gerichtet sind. Keine ausschliesslich gemeinnützige
Tätigkeit liegt vor, wenn mit einer gemeinnützigen Zielsetzung auch
Erwerbszwecke oder sonst eigene unmittelbare Interessen der juristischen
Person oder ihrer Mitglieder verknüpft sind (vgl. BGE 113 Ib 9 E. 2b,
mit Hinweisen; 109 Ib 112 E. 2).

Erwägung 3

    3.- a) Der Entscheid, ob einer privatrechtlichen Körperschaft oder
Anstalt im Sinne von Art. 16 Ziff. 3 BdBSt Steuerfreiheit zu gewähren ist,
kann für jede Veranlagungsperiode neu überprüft werden (BGE 113 Ib 9 E. 2a,
mit Hinweis). Er steht hier zunächst nur für die Periode 1983/84, d.h. für
den Rest des Steuerjahres 1984 seit der Errichtung der Beschwerdeführerin
zur Entscheidung. Die Vorinstanz hat dabei zutreffend nicht bloss den
Stiftungszweck nach dem Statut (Stiftungsurkunde) der Beschwerdeführerin
geprüft, sondern auch berücksichtigt, wie weit ihr Vermögen und Einkommen
tatsächlich in uneigennütziger Weise für einen gemeinnützigen Zweck
verwendet wird (ASA 13 84 E. 2). Es ist nicht zu beanstanden, dass sie
dabei nicht bloss die Tätigkeit im Gründungsjahr 1984 allein untersuchte,
sondern die bis zu ihrem Entscheid verfolgte Tätigkeit miteinbezog, in
der nach der eigenen Darstellung der Beschwerdeführerin bis dahin keine
wesentliche Änderung eingetreten war.

    b) Die Beschwerdeführerin bezweckt nach ihren Statuten die Förderung
des Wohnens im weitesten Sinne. Ihre Tätigkeit liegt schwerpunktmässig
in der Erarbeitung und Vermittlung von konzeptionellen Grundlagen
des preisgünstigen und qualitativ hochstehenden Wohnungsbaus und
der Wohnraumverteilung. Im November 1984 führte sie eine Tagung zum
Thema "Alternative Formen für gemeinnützige Wohnbauträger" durch,
an der sich besonders Vertreter von Wohnbaugenossenschaften und
Wohnbauförderungsinstitutionen beteiligten. Das Resultat wurde in einer
1985 veröffentlichten Broschüre (Wohnwert in Zukunft von der Fläche
zur Qualität) zusammengefasst. Die zweite Tagung vom 6. März 1987
war dem Thema "Wieviel Wohnfläche braucht der Mensch?" gewidmet. Die
Beschwerdeführerin setzte im Hinblick auf die Entwicklung eines Modells
der Roh- und Altbaumiete eine Arbeitsgruppe ein. 1985 zeichnete sie zwei
Anteilscheine einer Wohnbaugenossenschaft in Höhe von je Fr. 3'000.-,
wobei mit einer Verzinsung nicht gerechnet wurde, und 1986 leistete sie
einen Beitrag von Fr. 2'000.- an die Spielplastik "Wylosaurier".

    c) Die Förderung des Wohnungsbaus, vor allem des sozialen
Wohnungsbaus, gehört bereits seit Jahrzehnten auch zu den staatlichen
Aufgaben. Der soziale Wohnungsbau wird vor allem in grossen städtischen
Agglomerationen und in neuerer Zeit auch in Randgebieten von den Gemeinden
mit Unterstützung des Bundes und der Kantone selbst betrieben oder
gefördert. Nach Art. 34sexies BV greift auch der Bund fördernd in das
Wohnbauwesen ein. Er trifft namentlich Massnahmen zur Verbilligung des
Wohnungsbaus und unterstützt Bestrebungen auf dem Gebiet des Siedlungs-
und Wohnungswesens zugunsten von Familien, Personen mit beschränkten
Erwerbsmöglichkeiten, Betagten, Invaliden und Pflegebedürftigen sowie
die Bauforschung und Baurationalisierung.

    d) Wo sozialer Wohnungsbau von Gemeinden, öffentlichrechtlichen
Körperschaften oder Anstalten selber übernommen wird, kann diesem
(öffentlichen) Zweck dienendes Vermögen und Einkommen nach Art. 16 Ziff. 2
BdBSt von der direkten Bundessteuer befreit werden (BGE 112 Ib 24 E. d, e).

    Wenn eine private Körperschaft oder Anstalt sozialen Wohnungsbau
betreibt oder ihn fördert, kann zwar angenommen werden, dies liege
im Interesse der Allgemeinheit, da dieser Zweck auch als staatliche
Aufgabe anerkannt ist. Das zieht jedoch (wie oben E. 2b ausgeführt)
nicht notwendigerweise die Befreiung von den Steuern gestützt auf Art. 16
Ziff. 3 BdBSt nach sich. So verfolgen privatrechtliche Körperschaften oder
Anstalten, die selbst sozialen Wohnungsbau betreiben, keine ausschliesslich
gemeinnützigen Zwecke; denn Baugesellschaften wahren mit der Anlage ihres
Kapitals im sozialen Wohnungsbau gleichzeitig ihre eigenen Interessen
(BGE 74 I 312 E. 2) und Selbsthilfegenossenschaften verfolgen zugleich
die Interessen ihrer Mitglieder, für welche sie Wohnungen beschaffen
(MASSHARDT, Kommentar zur direkten Bundessteuer, 2. Aufl. 1985, Art. 16
N 17 S. 79; KÄNZIG, aaO, Art. 16 N 15 S. 172; in Art. 6 Abs. 1 lit. a
BG vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben ist dagegen ihre Befreiung
von der Emissionsabgabe ausdrücklich vorgesehen).

    e) Die auf die Förderung des qualitativ hochstehenden und
preisgünstigen Wohnungsbaus gerichtete Tätigkeit der Beschwerdeführerin
erfüllt die Anforderungen, die nach Art. 16 Ziff. 3 BdBSt an eine
ausschliesslich gemeinnützige Zwecksetzung zu stellen sind, nicht. Dazu
genügt nicht, dass diese Tätigkeit allgemein staatlichen Zielsetzungen
entspricht (oben E. c). Wo die private Körperschaft oder Anstalt
wirtschaftlich tätig ist oder bestimmte Wirtschaftszweige fördert,
lässt sich eine Steuerbefreiung nur schwer rechtfertigen, auch wenn
in denselben Bereichen (wie etwa im sozialen Wohnungsbau) der Staat
selbst wirtschaftlich tätig ist oder eine bestimmte Wirtschaftstätigkeit
(beispielsweise durch Subventionen) unterstützt. So sind Vereinigungen,
welche die Förderung der Landwirtschaft oder Werbung für Kurorte bezwecken,
nicht im Sinne von Art. 16 Ziff. 3 BdBSt gemeinnützig tätig, obwohl
Landwirtschaft und Fremdenverkehr auch staatlich gefördert werden.

    Die Beschwerdeführerin bezweckt die Förderung des Wohnungsbaus, der
eine wirtschaftliche und - bei Trägern des sozialen Wohnungsbau zwar
in geringerem Masse - grundsätzlich gewinnstrebige Tätigkeit ist. Sie
entfaltet ihre Haupttätigkeit in enger Verbindung mit der Baugenossenschaft
Z. Nicht nur bestimmt diese die Mehrheit der Stiftungsratsmitglieder,
sie erhält nach Ziff. 1.3 und 1.4 des Stiftungs-Reglementes auch laufend
Kenntnis von der Stiftungstätigkeit, kann auf Antrag des Stiftungsrates
bei ihrer Tätigkeit mitwirken und von sich aus dem Stiftungsrat Vorschläge
über seine Tätigkeit unterbreiten. Die Baugenossenschaft Z. führt auch das
Sekretariat und die Buchhaltung der Beschwerdeführerin. Umgekehrt sind
die Aktivitäten der Beschwerdeführerin auch für die Baugenossenschaft
Z., ebenso wie für die übrigen Träger des sozialen Wohnungsbaus,
unmittelbar von Nutzen. Sind mit der Tätigkeit der Beschwerdeführerin
eigene unmittelbare Interessen von ihr nahestehenden Unternehmungen,
die im Rahmen derselben Zielsetzung wirtschaftlich tätig sind, verknüpft,
ist die Steuerbefreiung nach Art. 16 Ziff. 3 BdBSt ausgeschlossen (oben
E. 2b). Es rechtfertigt sich nicht, einer Institution für eine Tätigkeit
Steuerfreiheit zu gewähren, die im Interesse von ihr nahestehenden
Unternehmungen ausgegliedert wurde, anstatt dass sie diese Unternehmungen
selber ausüben.

    Eine Steuerbefreiung käme nach Art. 16 Ziff. 3 BdBSt nur in Betracht,
wenn die Beschwerdeführerin mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit keine
unmittelbaren Interessen des mit ihr verbundenen Wirtschaftskreises
förderte und die wirtschaftliche Tätigkeit unmittelbar und ausschliesslich
auf die Unterstützung Betagter, Invalider, Pflegebedürftiger oder weiterer
Personen gerichtet wäre, die auf preisgünstige Wohnungen angewiesen
sind. Auf die wirtschaftlichen und berufsethischen Bestrebungen der
Beschwerdeführerin trifft dies nicht zu. Sie unterstützt solche Personen
nicht unmittelbar, beispielsweise durch Gewährung zinsloser Darlehen zum
Erwerb von Wohnungseigentum, Bürgschaftsleistung oder durch Zuschüsse
zur Verbilligung von Miet- oder Hypothekarzinsen.