Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IB 257



114 Ib 257

39. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. Dezember
1988 i.S. S. gegen Eidg. Justiz- und Polizeidepartement
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Verlust des Schweizerbürgerrechts bei Geburt im Ausland; Art.
10 Abs. 1 und Art. 21 BüG.

    Ein im Ausland geborener Schweizer, der sein Schweizerbürgerrecht
im Alter von 22 Jahren mangels Meldung bei einer schweizerischen Behörde
verloren hat, kann aufgrund von Art. 21 BüG nur wiedereingebürgert werden,
wenn er sich über eine gewisse Verbundenheit mit der Schweiz ausweist. Wer
bis zur Stellung des Wiedereinbürgerungsgesuchs weder einen Kontakt mit
der Schweiz noch mit der Schweizer Vertretung oder der Schweizer Kolonie
im ausländischen Staat unterhalten und die Schweiz auch nie besucht hat,
weist keine solche Verbundenheit auf.

Sachverhalt

    A.- C.S. wurde am 4. Januar 1963 als Sohn Schweizer Eltern in Chile
geboren und erwarb die chilenische Staatsangehörigkeit. Da er nie einer
schweizerischen Behörde im Ausland oder Inland gemeldet worden war und sich
auch nicht selbst meldete, erlosch sein Schweizerbürgerrecht am 4. Januar
1985. In der Folge stellte er bei der Schweizer Botschaft in Santiago de
Chile am 29. Dezember 1986 gestützt auf Art. 21 des Bundesgesetzes über
Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts vom 29. September 1952 (BüG;
SR 141.0) ein Gesuch um Wiedereinbürgerung. Das Eidgenössische Justiz-
und Polizeidepartement ist auf dieses Gesuch mit Entscheid vom 28. März
1988 nicht eingetreten.

    Gegen diesen Entscheid erhebt C.S. beim Bundesgericht
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, in welcher er sinngemäss die Gutheissung
seines Wiedereinbürgerungsgesuchs beantragt.

    Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement schliesst auf
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

    Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 10 Abs. 1 BüG in der bis zum 30. Juni 1985 gültigen
Fassung verwirkte das im Ausland geborene Kind eines ebenfalls im Ausland
geborenen Schweizerbürgers, das noch eine andere Staatsangehörigkeit
besass, das Schweizerbürgerrecht mit der Vollendung des 22. Lebensjahres,
wenn es nicht bis dahin einer schweizerischen Behörde im Ausland oder
Inland gemeldet worden war oder sich selber gemeldet oder schriftlich
erklärt hatte, das Schweizerbürgerrecht beibehalten zu wollen. Aufgrund
dieser Bestimmung verlor der Beschwerdeführer, der sich erst nach dem
vollendeten 22. Altersjahr bei einer schweizerischen Behörde gemeldet
hatte, am 4. Januar 1985 das Schweizerbürgerrecht.

    Nach der bis zum 30. Juni 1985 geltenden Fassung von Art. 10
Abs. 1 BüG wurden nur die im Ausland geborenen Schweizer der zweiten
Generation von der Verwirkung betroffen. Mit der am 1. Juli 1985 in
Kraft getretenen Gesetzesrevision wurden die Verwirkungsfolgen unter den
gleichen Bedingungen auf sämtliche im Ausland geborenen Kinder eines
schweizerischen Elternteils, die noch eine andere Staatsangehörigkeit
besitzen, ausgedehnt. Ziel der Revision war es, Kinder verheirateter
Schweizerinnen mit denjenigen verheirateter Schweizer beim Erwerb des
Schweizerbürgerrechts gleichzustellen. Diese neue Regelung, die mit
der automatischen Weitergabe des Schweizerbürgerrechts durch die Mutter
verbunden ist, musste zur Folge haben, dass es vermehrt Doppelbürger ohne
Beziehung zur Schweiz geben wird. Um diese unerwünschte Nebenwirkung
der Gleichstellung von Mann und Frau etwas zu mildern, wurde die
Verwirkungsregelung in Art. 10 BüG verschärft. Dadurch wurde auch
die Praxis zu Art. 21 BüG beeinflusst. Nach dieser Bestimmung kann
derjenige wiedereingebürgert werden, der aus entschuldbaren Gründen
die nach Art. 10 erforderliche Meldung oder Erklärung unterlassen und
damit das Schweizerbürgerrecht verwirkt hat, sofern er das Gesuch innert
zehn Jahren seit der Verwirkung stellt. Diese letzte Voraussetzung ist
im vorliegenden Fall erfüllt. Doch müssen sich die Personen, welche
die Wiedereinbürgerungsmöglichkeit von Art. 21 BüG in Anspruch nehmen
wollen, zusätzlich noch über eine gewisse Verbundenheit mit der Schweiz
ausweisen. Das wird in der Botschaft des Bundesrates zur Änderung des
BüG vom 18. April 1984 deutlich ausgesprochen (BBl 1984 II 216 und 221
f.) und ist vom Parlament bestätigt worden (Amtl.Bull. NR 1984 II 1049
f. und 1061 f.; StR 1984/617 und 619). Dazu kommt, dass nach Art. 21
BüG eine Wiedereinbürgerung erfolgen kann, der Gesetzgeber somit der
entscheidenden Behörde in dieser Beziehung ein gewisses Ermessen einräumt.

Erwägung 3

    3.- In tatsächlicher Hinsicht lässt sich den Akten entnehmen, dass der
Grossvater des Beschwerdeführers am Anfang des Jahrhunderts die Schweiz
verlassen hat, um nach Chile auszuwandern. Der Vater wurde im Jahre 1932
in Chile geboren und erwarb mit der Geburt sowohl die schweizerische
als auch die chilenische Staatsangehörigkeit. Die Mutter ist gebürtige
Chilenin. Schon der Grossvater verlor den Kontakt zu seiner Familie in
der Schweiz. Weder die Eltern des Beschwerdeführers noch er selber waren
bei der schweizerischen Vertretung in Chile immatrikuliert. Kontakte mit
Vereinigungen der Auslandschweizerkolonie oder mit Auslandschweizern in
Chile unterhielten der Beschwerdeführer und seine Familie nicht. Auch
verkehrten sie nicht mit Verwandten und Bekannten in der Schweiz. Weder
er noch seine Familie hielten sich je in der Schweiz auf. In bezug auf
die schweizerischen Landessprachen gibt der Gesuchsteller an, dass er
ein wenig Französisch spreche.

    Bis zur Stellung seines Wiedereinbürgerungsgesuchs Ende 1986 hatte
der Beschwerdeführer somit überhaupt keine Verbindung zur Schweiz. Erst
in diesem Zeitpunkt hat er angefangen, sich für seine schweizerische
Abstammung zu interessieren und mit Personen in der Schweiz, die den
gleichen Familiennamen tragen, brieflichen Kontakt aufzunehmen. Der
Beschwerdeführer begründet sein Verhalten damit, dass er bis zum Abschluss
seines Studiums, der erst nach Vollendung seines 22. Altersjahres
erfolgte, nicht über genügend finanzielle Mittel verfügte, um Verbindung
mit seinem ehemaligen Heimatland und mit Kreisen von Auslandschweizern
in Chile aufzunehmen. Doch kann darin nicht eine ausreichende Erklärung
dafür erblickt werden, dass der Beschwerdeführer bis nach seinem 22.
Altersjahr überhaupt keinen Kontakt mit der Schweizer Vertretung oder
mit der Schweizer Kolonie in Chile gesucht hat. Die Unterlassung der nach
Art. 10 Abs. 1 BüG erforderlichen Meldung oder Erklärung hat unter diesen
Umständen als nicht entschuldbar zu gelten. Dem Eidgenössischen Justiz-
und Polizeidepartement kann somit keine Ermessensüberschreitung vorgeworfen
werden, wenn es dem Wiedereinbürgerungsgesuch des Beschwerdeführers nicht
stattgegeben hat.