Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IA 299



114 Ia 299

49. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
29. Juni 1988 i.S. Dr. iur. Ernst Jaberg und Simon Kohler gegen Obergericht
(Anklagekammer) und ausserordentlichen Generalprokurator des Kantons Bern
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 6 Ziff. 2 EMRK; Art. 4 BV; Art. 200 StrV/BE; Kostenauflage bei
Einstellung des Strafverfahrens.

    1. Das Prinzip der Unschuldsvermutung steht der Auferlegung von
Verfahrenskosten an den Angeschuldigten nicht entgegen, wenn sich aus dem
Entscheid keine strafrechtliche Missbilligung seines Verhaltens ergibt.
Verletzung von Art. 6 Ziff. 2 EMRK in casu verneint (E. 2 und 3).

    2. a) Ist eine Kostenauflage wegen unter ethischen Gesichtspunkten
vorwerfbaren Verhaltens willkürlich? Frage offengelassen (E. 5a).

    b) Der Begriff des unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten vorwerfbaren
Verhaltens i.S. der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erfasst nicht nur
Verletzungen zivilrechtlicher Pflichten, unter ihn füllt vielmehr jede
Verletzung allgemeiner gesetzlicher Pflichten (E. 5b).

Sachverhalt

    A.- Am 3. Juni 1986 erstattete der Grosse Rat des Kantons Bern
gegen die damals wieder kandidierenden bzw. auf das Frühjahr 1986
zurücktretenden Regierungsräte René Bärtschi, Ernst Blaser, Gotthelf
Bürki, Henri-Louis Favre, Dr. Hans Krähenbühl, Dr. Werner Martignoni,
Dr. Kurt Meyer, Dr. Bernhard Müller und Peter Schmid Strafanzeige
wegen "Verdacht(s) auf missbräuchliche Verwendung der Lotteriegelder
im Sinne des Zwischenberichts der besonderen Untersuchungskommission
vom 26. Mai 1986"; gleichzeitig hob der Grosse Rat die strafrechtliche
Immunität der betroffenen Regierungsräte auf. Gleichentags eröffnete der
Untersuchungsrichter II Bern die Strafverfolgung durch Einleitung einer
Voruntersuchung "wegen Veruntreuung, evtl. ungetreuer Geschäftsführung,
subeventuell ungetreuer Amtsführung, begangen im Zusammenhang mit der
Verwaltung von Lotteriegeldern der SEVA-Lotteriegenossenschaft".

    Am 12. November 1986 beantragten die Strafverfolgungsbehörden beim
Grossen Rat die Aufhebung der Immunität auch für die Alt-Regierungsräte
Erwin Schneider (Regierungsrat vom 1. Juni 1962 bis 31. Mai 1978),
Dr. Ernst Jaberg (Regierungsrat vom 1. Juni 1966 bis 28. Februar 1979)
und Simon Kohler (Regierungsrat vom 1. Juni 1966 bis 31. Mai 1978)
"wegen Verdachts der missbräuchlichen Verwendung von Lotteriegeldern
im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Regierungsräte des Kantons
Bern". Dr. Ernst Jaberg und Simon Kohler opponierten gegen die beantragte
Aufhebung ihrer Immunität im wesentlichen mit der Begründung, sie hätten
sich jedenfalls nicht persönlich bereichert. Am 4. Dezember 1986 hob
der Grosse Rat die Immunität der Alt-Regierungsräte Erwin Schneider,
Dr. Ernst Jaberg und Simon Kohler auf, "allerdings klar beschränkt auf die
Frage, ob Lotteriegelder zu Unrecht für Spesenzwecke verwendet wurden". Am
5. Dezember 1986 dehnte der ao. Untersuchungsrichter die Strafverfolgung
auf Erwin Schneider, Dr. Ernst Jaberg und Simon Kohler aus.

    Mit Beschluss des ao. Untersuchungsrichters von Bern, der
Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland und des Generalprokurators des Kantons
Bern vom 15./17. September 1987 wurde die Strafverfolgung gegen die
ehemaligen bzw. amtierenden Regierungsräte René Bärtschi, Ernst Blaser,
Gotthelf Bürki, Henri- Louis Favre, Dr. Ernst Jaberg, Simon Kohler, Hans
Krähenbühl, Dr. Werner Martignoni, Dr. Kurt Meyer, Dr. Bernhard Müller,
Peter Schmid und Erwin Schneider sowie den ehemaligen Staatsschreiber Erwin
Josi aufgehoben. Mit dem Aufhebungsbeschluss wurden den Angeschuldigten,
mit Ausnahme René Bärtschis, die Verfahrenskosten auferlegt, und zwar indem
jedem Angeschuldigten 1/14 (Fr. 3'100.--) der gesamten Verfahrenskosten
überbunden wurde. Die Ausrichtung einer Entschädigung wurde abgelehnt.

    Gegen den Aufhebungsbeschluss rekurrierten die von ihm Betroffenen an
die Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Bern. Diese wies die Rekurse
mit Entscheid vom 30. November 1987 ab. Mit Eingabe vom 22. Januar 1988
erhoben Dr. Ernst Jaberg und Simon Kohler gegen diesen Entscheid mit
getrennten Beschwerdeschriften staatsrechtliche Beschwerde. In beiden
Beschwerden wird eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 2 EMRK und Art. 4 BV
geltend gemacht. Das Bundesgericht heisst die beiden staatsrechtlichen
Beschwerden gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer Kohler rügt, der angefochtene Entscheid, durch
den der Aufhebungsbeschluss vom 15./17. September 1987 bestätigt wurde,
verletze Art. 6 Ziff. 2 EMRK, da er in Anwendung des die Kostenverlegung
bei Aufhebung der Strafuntersuchung regelnden Art. 200 des Gesetzes über
das Strafverfahren des Kantons Bern vom 20. Mai 1928 (StrV) ergangen sei;
diese Bestimmung lasse sich mit Art. 6 Ziff. 2 EMRK nicht vereinbaren.

    a) Art. 200 StrV sieht für den Fall der Aufhebung der Strafuntersuchung
vor, dass in der Regel der Staat die Kosten der Untersuchung trägt
(Art. 200 Abs. 1 StrV). Im Sinne einer Ausnahme von dieser Regel bestimmt
Art. 200 Abs. 3 StrV, dass dem Angeschuldigten die Verfahrenskosten ganz
oder teilweise auferlegt werden können, wenn er "die Verdachtgründe,
durch die das Verfahren veranlasst wurde, durch sein eigenes, ihm zum
Verschulden anzurechnendes Verhalten erregt" hat.

    b) Gemäss Art. 6 Ziff. 2 EMRK wird bis zum gesetzlichen Nachweis seiner
Schuld vermutet, dass der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte
unschuldig ist. Für einen nichtverurteilenden Verfahrensabschluss
bedeutet dies, dass der verfahrensabschliessende Entscheid nicht
den Eindruck des Bestehens strafrechtlicher Schuld erwecken darf:
Schutzobjekt der Unschuldsvermutung ist in diesem Fall der gute Ruf des
Angeschuldigten gegen Vermutungen, ihn treffe trotz der Nichtverurteilung
strafrechtlich relevante Schuld (112 Ia 374 E. 2b; STEFAN TRECHSEL,
Struktur und Funktion der Vermutung der Schuldlosigkeit, ein Beitrag
zur Auslegung von Art. 6 Ziff. 2 EMRK, SJZ 77/1981, S. 338; JOCHEN A.
FROWEIN, Zur Bedeutung der Unschuldsvermutung in Art. 6 Ziff. 2 der
Europäischen Menschenrechtskonvention, in: Recht als Prozess und
Gefüge, Festschrift für Hans Huber zum 80. Geburtstag, Bern 1981,
S. 559 f.). Mit dem das Verfahren abschliessenden, nichtverurteilenden
Entscheid verbundene Kostenauflagen sind demnach unzulässig, wenn sich
aus dem Text des Entscheids eine strafrechtliche Missbilligung ergibt,
die in der Kostenauflage zum Ausdruck kommt (BGE 113 Ia 78 E. 1a,
109 Ia 237 f. E. 2a, 166 E. 4c). Dabei ist für den Entscheid darüber,
ob ein Kostenauflageentscheid eine von Art. 6 Ziff. 2 EMRK verpönte
strafrechtliche Missbilligung enthält, entsprechend dem genannten
Schutzobjekt der Unschuldsvermutung nicht auf den Eindruck abzustellen,
den der Entscheid beim juristisch geschulten Leser hervorruft, sondern
darauf, wie ihn das Publikum verstehen darf und muss (unveröffentlichter
Bundesgerichtsentscheid vom 7. August 1986 i.S. W. und M. E. 3c).

    c) Art. 6 Ziff. 2 EMRK verbietet dagegen nicht generell,
Nichtverurteilte kostenmässig zu belasten, sondern schliesst - wie
dargelegt - lediglich eine bestimmte, besondere Art der Kostenauflage
aus. Es ist folglich zulässig, den Verursacher kostenpflichtig zu
erklären (BGE 109 Ia 163 E. 4a, 107 Ia 166 f.), und zwar selbst dann,
wenn die Kostenpflicht ein vorwerfbares Verhalten voraussetzt (BGE 112
Ia 373 f. E. 2a), solange dieser Vorwurf eben eine andere Grundlage als
eine strafrechtliche Missbilligung besitzt (BGE 113 Ia 77 f. E. 1a, 112
Ib 455 E. 4b aa; GUIDO JENNY, Einstellung und Freispruch mit Kosten, BJM
1985, S. 7). Vorschriften wie Art. 200 StrV sind somit konventionskonform
anwendbar (BGE 113 Ia 78 E. 1a, 109 Ia 237 E. 2a, 163 E. 4a). Die Rüge der
Konventionswidrigkeit von Art. 200 StrV erweist sich damit als unbegründet.

Erwägung 3

    3.- Beide Beschwerdeführer rügen überdies, Art. 200 StrV sei - soweit
nicht bereits selbst konventionswidrig - in einer Art. 6 Ziff. 2 EMRK
zuwiderlaufenden Weise angewendet worden.

    a) In dem durch den angefochtenen Entscheid bestätigten
Aufhebungsbeschluss vom 15./17. September 1987 wird zur Begründung der
Kostenauflage an die Beschwerdeführer u.a. ausgeführt, die Beschwerdeführer
hätten die ihnen als Regierungsräten obliegenden Abklärungs- und
Überprüfungspflichten verletzt und dadurch den objektiven Tatbestand der
Veruntreuung, allenfalls des Amtsmissbrauchs verwirklicht, in subjektiver
Hinsicht fehle ihrem Handeln indessen die Tatbestandsmässigkeit, hätten
sie doch den objektiven Tatbestand infolge Irrtums nur fahrlässig
verwirklicht. Gemäss StGB sei die fahrlässige Verwirklichung eines im
Gesetz umschriebenen objektiven Tatbestands nur dann strafbar, wenn das
Gesetz dies ausdrücklich vorsehe. Da das Gesetz nur die vorsätzliche
Veruntreuung und den vorsätzlichen Amtsmissbrauch für strafbar erkläre,
hätten sich die Beschwerdeführer nicht strafbar gemacht. Hingegen hätten
sie durch die fahrlässige Verletzung der ihnen obliegenden Überprüfungs-
und Abklärungspflichten die Strafuntersuchung ausgelöst.

    b) Der durch den angefochtenen Entscheid bestätigte Aufhebungsbeschluss
wirft den Beschwerdeführern zwar Verletzungen ihrer Überprüfungs-
und Sorgfaltspflichten vor. Gleichzeitig wird jedoch in - auch für den
juristischen Laien - unmissverständlicher Weise festgestellt, dass diese
Pflichtverletzungen nicht geeignet seien, einen strafrechtlichen Vorwurf
zu begründen. Von einer Verletzung von Art. 6 Ziff. 2 EMRK kann mithin
nicht die Rede sein.

Erwägung 4

    4.- Beide Beschwerdeführer machen ausserdem geltend, die durch
den angefochtenen Entscheid bestätigte Kostenauflage an sie im
Aufhebungsbeschluss beruhe auf einer willkürlichen Anwendung der
Kostenbestimmungen des StrV, insbesondere von Art. 200 Abs. 3 StrV.

    a) Nach der Praxis des Bundesgerichts hält die Auflage von Kosten an
den Angeschuldigten in Anwendung einer dem Verursacherprinzip folgenden
Norm wie jener des Art. 200 Abs. 3 StrV vor dem aus Art. 4 BV fliessenden
Willkürverbot stand, wenn dem Angeschuldigten ein prozessuales Verschulden
im engeren oder weiteren Sinn zur Last gelegt werden kann (BGE 112 Ia 373
f. E. 2a, 112 Ib 455 E. 4b aa, 109 Ia 163 f. E. 4a, b) und zwischen diesem
schuldhaften Verhalten und den auferlegten Kosten ein Kausalzusammenhang
besteht (BGE 112 Ia 374 E. 2a mit Hinweisen). Dabei darf die Haftung des
Angeschuldigten nicht weiter gehen, als der Kausalzusammenhang zwischen
dem ihm vorgeworfenen fehlerhaften Verhalten und den Kosten verursachenden
behördlichen Handlungen reicht (BGE 112 Ib 455 f. E. 4b aa, 109 Ia 163
E. 4a).

    b) Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung dieser durch die
bundesgerichtliche Praxis entwickelten Grundsätze zur Kostenauflage bei
nichtverurteilendem Verfahrensabschluss. Im Hinblick auf diese Rüge ist
im folgenden zu prüfen, ob den Beschwerdeführern ein die Kostenauflage
rechtfertigendes Verschulden zur Last gelegt werden kann (E. 5) und ob
das ihnen zur Last gelegte Verhalten die entstandenen Untersuchungskosten
im Umfang der auferlegten Kosten verursacht hat (E. 6).

Erwägung 5

    5.- Beide Beschwerdeführer sind der Auffassung, die ihnen im
angefochtenen Entscheid zur Last gelegten Verletzungen von Abklärungs-
und Überprüfungspflichten könnten nicht als prozessuales Verschulden im
weiteren Sinn gemäss der bundesgerichtlichen Praxis gewertet werden.

    Der angefochtene Entscheid begründet die Kostenauflage an die
Beschwerdeführer mit den ihnen zur Last gelegten Verletzungen
beamtenrechtlicher Pflichten. Ob die Anklagekammer diese
Pflichtverletzungen im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung als
ein unter zivilrechtlichen oder als ein unter ethischen Gesichtspunkten
vorwerfbares Verhalten qualifiziert, ist ihrem Entscheid indessen nicht zu
entnehmen. Unabhängig von der Qualifikation der den Beschwerdeführern im
angefochtenen Entscheid zur Last gelegten Pflichtverletzungen erscheint
es als fraglich, ob das ihnen vorgeworfene Verhalten die Auflage von
Verfahrenskosten zu rechtfertigen vermag. Da sich die Kostenauflage an die
Beschwerdeführer bereits unter dem Gesichtswinkel der Kausalität ihres
Verhaltens für die entstandenen Kosten als unhaltbar erweist (E. 6),
muss die Frage indessen nicht abschliessend beantwortet werden.

    a) Die bundesgerichtliche Rechtsprechung, die die Kostenauflage bei
unter ethischen Gesichtspunkten vorwerfbarem Verhalten zulässt, ist auf
Kritik gestossen (JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, Grundrechte, Besonderer
Teil, Bern 1985, S. 266; CLAUDE ROUILLER, La condamnation aux frais de
justice du prévenu libéré de toute peine en relation, notamment, avec la
présomption d'innocence, SJZ 80/1984, S. 210 f.; JENNY, aaO, S. 10 f.), der
das Bundesgericht in einem neuesten Entscheid Rechnung getragen hat: Ein
Strafverfahren wegen unzüchtiger Veröffentlichung war mangels Unzüchtigkeit
der Veröffentlichung eingestellt worden; gleichzeitig waren jedoch Kosten
auferlegt worden mit der Begründung, die Veröffentlichung sei zwar nicht
unzüchtig im Sinne des StGB, habe ihrer Anstössigkeit wegen jedoch Anlass
zur Eröffnung der Strafuntersuchung gegeben. Das Bundesgericht erklärte
die Kostenauflage im wesentlichen deshalb für unzulässig, weil der Schutz
der öffentlichen Moral gegen unzüchtige Veröffentlichungen durch Art. 204
StGB gewährleistet werde, so dass ein staatlicher Immoralitätsvorwurf
ausserhalb des Tatbestands von Art. 204 StGB nicht mehr zulässig sei
(unveröffentlichter Bundesgerichtsentscheid vom 10. Mai 1988 i.S. D. E. 2).

    Nicht alles, was moralisch verwerflich ist, ist auch
rechtlich verboten. Recht und Moral sind bei der Rechtsanwendung
auseinanderzuhalten. Es erscheint daher als problematisch, für die
Kostenfolge bei nichtverurteilendem Abschluss eines Strafverfahrens an
ein rechtlich nicht verbotenes Verhalten anzuknüpfen, wird doch auf diese
Weise der Angeschuldigte ohne Rechtsgrundlage belastet. Diese Überlegung
spricht dafür, die mit dem angeführten Entscheid eingeleitete Verschärfung
der Praxis des Bundesgerichts zur Kostenauflage bei nichtverurteilendem
Verfahrensabschluss weiterzuführen und Kostenauflagen nur noch dann
zuzulassen, wenn das dem Angeschuldigten zur Last gelegte Verhalten zwar
nicht strafbar ist, jedoch allgemeine gesetzliche Pflichten verletzt.
Durch eine solche Verschärfung der Praxis, die den Ausschluss von
Kostenauflagen wegen allein unter ethischen Gesichtspunkten vorwerfbaren
Verhaltens bedeuten würde, würde gleichzeitig auch dem Ausnahmecharakter
der Kostenauflage an den Angeschuldigten gegenüber der Regel der
Kostentragung durch den Staat besser als durch die bisherige Praxis
Rechnung getragen (CLAUDE ROUILLER, aaO, S. 210 f.). Ob die genannte
Verschärfung der bundesgerichtlichen Praxis angezeigt erscheint, kann
freilich aus dem bereits erwähnten Grund offengelassen werden.

    b) Das Bundesgericht hat wiederholt festgestellt, die in Normen wie
Art. 200 StrV vorgesehene Möglichkeit, dem Angeschuldigten die Kosten
der Untersuchung aufzuerlegen, stelle eine zivilrechtlichen Grundsätzen
angenäherte Haftung für prozessuales Verschulden dar (BGE 109 Ia 164 E. 4a,
167 E. 2a). Dem Charakter solcher Normen als Haftungsnormen entsprechend
fordert das Bundesgericht für die Rechtfertigung einer Kostenauflage ein
unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten vorwerfbares Verhalten (BGE 109
Ia 164 E. 4a, 238 E. 2b). Wenn auch ein Bundesgerichtsentscheid eine
in dieser Hinsicht etwas missverständliche Formulierung enthalten mag
(BGE 112 Ia 374 E. 2a), liegt doch auf der Hand, dass als solchermassen
vorwerfbares Verhalten nicht nur Verletzungen zivilrechtlicher Pflichten
in Betracht fallen, sondern wie für die Begründung einer zivilrechtlichen
Haftung jede Verletzung allgemeiner gesetzlicher Pflichten (BGE 108
II 311 E. 2b). Die Verletzung beamtenrechtlicher Pflichten fällt somit
als unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten vorwerfbares Verhalten zur
Rechtfertigung einer Kostenauflage durchaus in Betracht. Ob freilich der im
angefochtenen Entscheid enthaltene Vorwurf der Verletzung solcher Pflichten
eine Kostenauflage zu rechtfertigen vermag, erscheint fraglich. Die
Anklagekammer wirft den Beschwerdeführern nämlich Verletzungen ihnen
obliegender beamtenrechtlicher Pflichten vor, nennt jedoch keine der
angeblich verletzten konkreten Verhaltensnormen. Auch diese Frage kann
indessen offengelassen werden, da der angefochtene Entscheid bereits aus
andern Gründen aufzuheben ist (E. 6).

Erwägung 6

    6.- (Es folgen Ausführungen dazu, warum die streitige Kostenauflage
unter dem Gesichtspunkt des ausreichenden Kausalzusammenhangs zwischen
dem vorgeworfenen Verhalten und den entstandenen Kosten als willkürlich
erscheint.)