Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IA 245



114 Ia 245

38. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 20.
April 1988 i.S. X. AG gegen Gemeinde St. Moritz und Regierung des Kantons
Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 4 und 22ter BV; Einweisung von Grundstücken in eine Gefahrenzone;
Rechtsschutz nach Art. 33 und Art. 2 Abs. 3 RPG.

    1. Es ist mit den Rechtsschutzanforderungen von Art. 33 RPG
vereinbar, wenn die Beschwerdebehörde die angefochtene Nutzungsplanung
zwar voll überprüft, sich aber nach Massgabe ihrer Rolle, die sie
als Rechtsmittelinstanz im betreffenden Sachzusammenhang sachlich und
institutionell erfüllt, bei der Überprüfung zurückhält (E. 2).

    2. Art. 15 RPG bestimmt die im Rahmen der Eigentumsgarantie
vorzunehmende Interessenabwägung (E. 5a); Bedeutung des planerischen
Eignungsbegriffs nach dieser Vorschrift und Anwendung der entsprechenden
Kriterien auf den vorliegenden Fall (E. 5b und c; E. 6).

Sachverhalt

    A.- Die X. AG ist Eigentümerin der am Brattashang im Gebiet "Fullun"
gelegenen Parzellen Nrn. 151 und 152. Nach dem Zonenplan der Gemeinde
St. Moritz vom 7. März 1971 gehörten sie zur "Allgemeinen Wohnzone". Unter
dem Regime des Bundesbeschlusses über dringliche Massnahmen auf dem Gebiete
der Raumplanung vom 17. März 1972 (BMR) waren sie einer provisorischen
Schutzzone (Art. 2 Abs. 2 BMR) zugewiesen.

    Im Zusammenhang mit Baugesuchen von Y., dem die Aktien der X. AG
anscheinend zur Hauptsache gehören, sowie der X. AG wurden eine Reihe
von Begutachtungen über die bauliche Sicherheit im Rutschgebiet des
Brattashanges durchgeführt. Sie sind im Gutachten "Brattas Hang,
St. Moritz, Geotechnische Zonierung, Bericht Nr. 3922/4" vom 29. April
1983, das das Institut für Grundbau und Bodenmechanik (IBG) an der ETH
Zürich zusammen mit dem Geotechnischen Ingenieurbüro Dr. H. Bendel GmbH
(im folgenden: Gutachten IGB/Bendel) verfasst hat, verzeichnet. Die
Gutachter IGB/Bendel erhielten ihren Auftrag von der Gemeinde. Das
Ergebnis gab zu Zusatzfragen Anlass, die mit Datum vom 18. Oktober 1985
beantwortet wurden. Ausgespart wurde im Gutachten IGB/Bendel die Frage,
ob das Kriechgebiet ganz oder teilweise aus dem Zonenplan (Bauzone)
auszuklammern sei (Frage 2). Die Gutachter begnügten sich damit, eine
"Geotechnische Risikokarte Brattashang" abzuliefern.

    Am 1. November 1971 hatte die Bündner Regierung Richtlinien zur
Ausarbeitung von Gefahrenzonenplänen erlassen, die heute in der
Fassung vom 9. Januar 1984 vorliegen (im folgenden: Richtlinien
Gefahrenzonenpläne). Darin sind unter anderem zur Begutachtung
der Ausscheidung von Gefahrenzonen regionale Gefahrenkommissionen
des kantonalen Forstdienstes vorgesehen, die aus einem Obmann, einem
ständigen Mitglied und dem zuständigen Kreisforstingenieur bestehen,
wobei die Kommission befugt ist, in besonderen Fällen im Benehmen mit und
zu Lasten der Gemeinde einen ausgewiesenen Spezialisten zuzuziehen oder
Expertisen ausarbeiten zu lassen (Art. 8 Richtlinien Gefahrenzonenpläne).

    Für die Gemeinde St. Moritz ist die Gefahrenkommission III
zuständig. Sie kam an der Sitzung vom 16. März 1983, gestützt auf das
Gutachten IGB/Bendel, zum Ergebnis, der Rutschhang "Brattas" über den
ausgeschiedenen Zonen und bis zur Gemeindegrenze von Celerina (Waldgebiet)
befinde sich in der (roten) Zone mit hoher Gefahr, in der keine dem
Aufenthalt von Menschen und Tieren dienende Bauten zulässig sind (Art. 5
Richtlinien Gefahrenzonenpläne), weil die jährliche Geländeverschiebung
3 cm und mehr betrage, die Geländeneigung gross und das Gebiet noch nicht
überbaut sei.

    Mit dem Zonenplan vom 8. April 1984 wies die Gemeinde St. Moritz die
Parzellen der X. AG in die Gefahrenzone I ein. Dort gilt gemäss Art. 27
Abs. 2 des Baugesetzes der Gemeinde St. Moritz vom 8. April 1984 (BauG):

    "In der Gefahrenzone I dürfen keine Bauten erstellt werden, die dem

    Aufenthalt von Menschen und Tieren dienen können."

    Mit verfassungsrechtlicher Beschwerde an die Regierung des Kantons
Graubünden wandte sich die X. AG gegen die Einweisung ihrer Parzellen in
die Gefahrenzone I. Die Regierung wies die Beschwerde nach Durchführung
eines Augenscheins mit Entscheid vom 16. Februar 1987 ab.

    Eine gegen diesen Entscheid erhobene staatsrechtliche Beschwerde der
X. AG weist das Bundesgericht ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Die Beschwerdeführerin wirft der Regierung eine
Gehörsverweigerung vor, weil sie sich entgegen Art. 33 RPG mit einer
Kontrolle auf Ermessensüberschreitung bzw. Ermessensmissbrauch hin
begnügt habe. Sie führt aus, die vorgenommene Zonenzuweisung habe
sich keineswegs aufgedrängt, sei ja auch nicht überall konsequent
gehandhabt worden und könne nicht mit einem besonderen Fachwissen der
Gefahrenkommission III gerechtfertigt werden. Die Regierung hält dem
in ihrer Vernehmlassung entgegen, sie habe sich auf das Urteil des von
ihr selbst eingesetzten Fachgremiums und dessen Studium des Gutachtens
IGB/Bendel abstützen dürfen. Im übrigen habe sich ihr Entscheid mit
diesem Gutachten auseinandergesetzt. Die Gemeinde fügt bei, die Regierung
habe die höchst komplexe Ausgangslage sorgfältig umschrieben. Dass sie
den kommunalen Entscheid bloss als vertretbar bezeichnet habe, bedeute,
dass er ihrer Ansicht nach sachlich hinreichend begründet und zweckmässig
sei. Im übrigen hätten so das Ermessen und die Autonomie der Gemeinde
anerkannt werden sollen.

    b) Das kantonale Recht hat bei Nutzungsplänen wie dem vorliegenden im
Interesse des Rechtsschutzes, d.h. zum Schutz der betroffenen Privaten,
die volle Überprüfung durch wenigstens eine Beschwerdebehörde zu
gewährleisten (Art. 33 Abs. 3 lit. b RPG). Da nach dem dafür massgebenden
kantonalen Recht (Art. 25 Abs. 1 RPG) im Kanton Graubünden einzig die
Regierung als Beschwerdebehörde eingesetzt ist, muss grundsätzlich
sie über die volle Überprüfungsbefugnis verfügen und sie - hier setzt
die Beschwerdeführerin ein - dann auch tatsächlich ausüben. Daran
ändert das Gebot, den nachgeordneten Behörden den zur Erfüllung ihrer
Aufgaben nötigen Ermessensspielraum zu lassen (Art. 2 Abs. 3 RPG), im
Prinzip nichts. Die Beschwerdebehörde hat trotzdem zu prüfen, ob das
Planungsermessen richtig und zweckmässig ausgeübt worden ist, freilich
im Bewusstsein ihrer spezifischen Rolle: Sie ist kantonale Rechtsmittel-
und nicht kommunale Planungsinstanz (BGE 109 Ib 123 ff. E. 5b und c). Das
bundesrechtliche Gebot, den planerischen Handlungsspielraum zu belassen
(Art. 2 Abs. 3 RPG), reduziert die volle Überprüfung nicht auf eine solche
der blossen Rechtmässigkeit. Auch wo keine spezifischen positivrechtlichen
Anforderungen bestehen, muss die jeweils angefochtene Nutzungsplanung voll
überprüft werden, aber differenzierend, eben nach Massgabe der Rolle,
die die Rechtsmittelinstanz im betreffenden Sachzusammenhang sachlich
und institutionell erfüllt. Die Überprüfung hat sich - sachlich - in
dem Umfang zurückzuhalten, als es um lokale Anliegen geht, bei deren
Wahrnehmung Sachnähe, Ortskenntnis und örtliche Demokratie (Art. 1 Abs.
1, Art. 4 Abs. 2 RPG) von Bedeutung sein sollen. Sie hat aber so weit
auszugreifen, dass die übergeordneten, vom Kanton zu sichernden Interessen,
wie etwa dasjenige an der Bauzonenbegrenzung (Art. 3 Abs. 3, Art. 15 RPG),
einen angemessenen Platz erhalten. In diesem Zusammenhang kann auf die
von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur
Genehmigung von kommunalen Nutzungsplänen verwiesen werden (BGE 106 Ia
71/72; BGE vom 3. Februar 1982 in ZBl 83/1982, S. 352/353 E. 3b, je mit
Hinweisen). Die Rechtsmittelbehörde hat sich zudem - institutionell -
auf ihre Kontrollfunktion zu beschränken, d.h. sie darf nichts Neues
schöpfen, sondern sie hat die kommunale Planung an einem Sollzustand
zu messen. Fehlt es an dem dazu erforderlichen Massstab, so kann die
Natur der Sache einer Nachprüfung entgegenstehen. Dies ist vielfach bei
der räumlichen Abgrenzung von Zonen der Fall. Häufig muss die Grenze
einfach irgendwo gezogen werden, ohne dass dies im einzelnen rational
begründet werden kann (vgl. BGE 107 Ib 339 E. 4a mit Hinweis). Hier nicht
einzugreifen, verstösst nicht gegen den Auftrag, voll zu überprüfen.

    c) Hinsichtlich der Beurteilung der Gefahr an sich beruft sich die
Regierung auf die Arbeit der Gefahrenkommission. Auf den ersten Blick ist
es verständlich, dass sich die Beschwerdeführerin dagegen wehrt. Diese
Kommission ist wohl von der Regierung eingesetzt worden, hat aber ihre
Meinung bereits erstinstanzlich, der Gemeinde gegenüber, geäussert. Im
Rechtsmittelverfahren hat keine zusätzliche Beurteilung durch ein
anderes Fachgremium stattgefunden. Somit könnte die blosse Abstützung
auf das Urteil dieser Kommission die Pflicht zu voller Überprüfung
verletzen. Die Regierung hat indessen in ihrem Beschwerdeentscheid das
Gutachten IGB/Bendel und die Auffassung der Gefahrenkommission sowie
die Aussagen ihrer Vertreter am Augenschein im Blick auf die Parzellen
der Beschwerdeführerin ihrerseits selbständig gewürdigt. Es ist zwar
richtig, dass sie nicht alle Fragen von Grund auf neu beantwortet hat;
indessen ist die geübte Zurückhaltung gerechtfertigt. Im vorliegenden
Zusammenhang ging es um keinerlei übergeordnete Interessen. Zudem
stellten sich ausgesprochene Fachfragen. Darüber hinaus musste sich die
Regierung namentlich deshalb nicht näher mit der Grenzziehung befassen,
weil es eben keinen Massstab gibt, der besagt, dass die Zonengrenze
nicht bei Rutschungen von 3 cm/Jahr, sondern bei 4 cm usw. gezogen werden
müsse. Hierin liegt unkontrollierbarer Handlungsspielraum, im Rahmen dessen
die örtliche Behörde politisch, aber nicht rechtlich verantwortlich ist.

    Eine gewisse Zurückhaltung rechtfertigte sich auch, weil die örtliche
Abgrenzung einer Gefahrenzone im einzelnen in erster Linie ein lokales
Anliegen darstellt, bei der die Verhältnisse in verschiedenen Teilen
der Gemeinde miteinander zu vergleichen und Erfahrungen von bestehenden
Gebäuden, früheren Bauabklärungen und -gesuchsverfahren sowie Kenntnisse
über Anlage und Zustand der Infrastruktur auszuwerten sind. Dies verlangt
Sachnähe und Ortskenntnis.

    Schliesslich trifft es zwar zu, dass die Gefahrenkommission primär
forstlich orientiert ist. Die Abgrenzung der Gefahrenzone liess sich aber
mit dem Gutachten IGB/Bendel durchaus im geforderten Rahmen überprüfen.

    Zusammenfassend ergibt sich somit, dass der Regierung keine
Gehörsverweigerung vorgeworfen werden kann.

Erwägung 5

    5.- a) Die Einweisung in die Gefahrenzone I belegt die
Liegenschaften der Beschwerdeführerin mit einer öffentlichrechtlichen
Eigentumsbeschränkung. Eine solche ist mit der Eigentumsgarantie nur
vereinbar, wenn sie unter anderem auf einer gesetzlichen Grundlage beruht
und im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt (Art. 22ter BV; BGE
111 Ia 96 E. 2). Die Beschwerdeführerin stellt die gesetzliche Grundlage
nicht zur Diskussion, sondern bestreitet, dass ein genügendes öffentliches
Interesse an der Eigentumsbeschränkung bestehe.

    Die Regierung hat ihren Entscheid im wesentlichen auf Art. 15 RPG
sowie die entsprechenden kantonalen Bestimmungen (Art. 29 Abs. 1 lit. f
des Raumplanungsgesetzes für den Kanton Graubünden vom 20. Mai 1973,
KRG) abgestützt. Der Sache nach hat sie dem fraglichen Gebiet die
Eignung für die Überbauung, die gemäss Art. 15 RPG Grundvoraussetzung
für die Einweisung von Land in eine Bauzone ist, abgesprochen (in
diesem Sinne auch die Vernehmlassung der Regierung und diejenige
der Gemeinde an das Bundesgericht). Insoweit wird das öffentliche
Interesse als Eingriffsvoraussetzung für Eigentumsbeschränkungen durch
die raumplanungsgesetzlichen Bestimmungen des Bundes konkretisiert
(vgl. BGE 107 Ib 335 E. 2b), und zwar in einer für das Bundesgericht
verbindlichen Weise (Art. 113 Abs. 3 BV). Dies bedeutet, dass auch bei
der Interessenabwägung Art. 15 RPG als Norm nicht mehr in Frage gestellt
werden darf, in dem z.B. geltend gemacht wird, sie entspreche keinem
überwiegenden Interesse. Zudem muss auch eine umfassende Interessenabwägung
den spezifischen und in diesem Sinne zwingenden Normgehalt von Art. 15 RPG
beachten (BGE 113 Ia 448 E. 4a mit Hinweisen). Fehlt es an der Eignung
im Sinne der genannten Vorschrift, so steht fest, dass ein genügendes
öffentliches Interesse für die Einweisung in die Gefahrenzone I vorhanden
ist.

    Ob eine Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegt und
ob dieses das entgegenstehende private Interesse überwiegt, prüft das
Bundesgericht grundsätzlich frei. Es auferlegt sich jedoch Zurückhaltung,
soweit die Beurteilung von einer Würdigung der örtlichen Verhältnisse
abhängt, welche die kantonalen Behörden besser kennen und überblicken
als das Bundesgericht, und soweit sich ausgesprochene Ermessensfragen
stellen (BGE 113 Ia 33 E. 2; 110 Ia 172 E. 7b/aa mit Hinweis). Dies gilt
insbesondere bei der Überprüfung von Zonengrenzen (BGE 107 Ia 38 E. 3c
mit Hinweisen).

    b) Der planerische Eignungsbegriff gemäss Art. 15 RPG hat der Natur der
Sache nach eine zweifache Bedeutung (vgl. dazu eingehend BGE 113 Ia 448
ff. E. 4b): Einmal ist damit ein Minimalerfordernis gemeint, das erfüllt
sein muss, damit überhaupt eine Bauzonierung in Frage kommt. So ist Land,
das sich technisch überhaupt nicht überbauen lässt, nie als "geeignet"
im Sinne von Art. 15 RPG anzusehen. Jenseits dieser Schwelle lässt sich
indessen die Frage nach der Eignung oft nicht mit einem klaren Ja oder
Nein beantworten. In diesen Fällen hat das Erfordernis der Eignung eine
relative Bedeutung: Es stellt einen Gesichtspunkt dar, der nebst anderen
Interessen in der raumplanerischen Abwägung und Abstimmung (Art. 1, Art. 2
Abs. 1 und 2 sowie Art. 3 RPG) mitzuberücksichtigen ist. Im Rahmen dieser
Abwägung sind Querverbindungen unter den Bauzonenkriterien zulässig. Es
darf durchaus argumentiert werden, die Eignung sei um so eher zu bejahen,
als das Land bereits "weitgehend überbaut" (Art. 15 lit. a RPG) oder
erschlossen (Art. 15 lit. b RPG) sei, oder, umgekehrt, um so eher zu
verneinen, als das Land noch unüberbaut oder unerschlossen sei. So ist
die Gefahrenkommission III der Sache nach vorgegangen.

    Diese Relativierung ist möglich, weil es sich bei den Bauzonenkriterien
um generelle, planungsbezogene Anforderungen und nicht um Voraussetzungen
für individuelle Bauvorhaben handelt. Sie beziehen sich auf ganze als Zonen
auszuscheidende Gebiete, nicht auf einzelne Parzellen. Ihre Perspektive ist
mehr allgemein, übergeordnet, mit der Folge, dass den besonderen Interessen
jedes einzelnen der betroffenen Grundeigentümer nur in beschränktem Umfang
Rechnung getragen werden kann (BGE 89 I 198/199 E. 3).

    c) Grundvoraussetzung für die Einweisung von Land in eine Bauzone
ist seine Eignung (Art. 15 RPG; Botschaft zu einem Bundesgesetz über
die Raumplanung vom 27. Februar 1978, BBl 1978 I 1023; BGE 113 Ia 450
E. 4c). Land ist geeignet, wenn die Eigenschaften des betreffenden Gebiets
den Anforderungen genügen, die aus der Sicht der dafür vorgesehenen
Nutzung zu stellen sind. Es geht somit einerseits um die Beschaffenheit
des Bodens sowie die tatsächliche Situation (Topographie, Exposition,
Klima usw.), also die natürlichen Gegebenheiten (Art. 1 Abs. 1 Satz 3
RPG). Andererseits sind für die in Frage stehende Nutzung die Ziele und
Grundsätze des massgebenden Rechts zu beachten. Dazu gehören insbesondere
diejenigen des eidgenössischen Raumplanungsgesetzes (vorab Art. 1 Abs. 2
lit. b, Art. 3 Abs. 3 lit. a und b RPG). Nicht zuletzt ist auch bei Zonen
für privates Bauen den Bedürfnissen der öffentlichen Infrastruktur Rechnung
zu tragen.

    Am Brattashang kann höchstens eine Wohnnutzung in Frage kommen. Zum
Wohnen gehört vorrangig die Sicherheit der Bewohner, der Bauten und der
Infrastrukturanlagen gegenüber Erschütterung, Beschädigung, Einsturz
usw. Nach dem kantonalen Raumplanungsgesetz sind unter anderem Gebiete
in Gefahrenzonen einzuweisen, die von Rutschungen bedroht sind (Art. 29
Abs. 1 lit. f KRG). Die regierungsrätlichen Richtlinien konkretisieren,
dass eine Wohnüberbauung ausgeschlossen - und damit im bundesrechtlichen
Sinn das Minimalerfordernis der Eignung nicht mehr erfüllt - ist,
wenn den Naturgewalten im schlimmsten Fall vernichtende Wirkung für
Leben und Sachwerte beigemessen wird. Die Häufigkeit und Druckwirkung
solcher Naturereignisse bleiben mit Ausnahme bei Lawinen ohne Einfluss
auf die Abgrenzung dieser Zone (Art. 3 lit. a, Art. 5 Abs. 1 Richtlinien
Gefahrenzonenpläne). Diese Konkretisierungen halten sich an den Rahmen
des Bundesgesetzes und entsprechen, soweit dies zu überprüfen ist, einem
genügenden öffentlichen Interesse.

Erwägung 6

    6.- a) Unbestrittenermassen besteht am Brattashang Rutschgefahr. Zu
prüfen ist vorab, ob diese so gross sei, dass das Gebiet, in dem die
Parzellen Nrn. 151 und 152 liegen - das Gebiet "Brattas-Fullun" - als für
eine Wohnüberbauung ganz ausser Betracht fallend erachtet werden durfte.

    (Im folgenden werden die Ausführungen der Experten im Gutachten
IGB/Bendel und an der Instruktionsverhandlung vor Bundesgericht bezüglich
der Rutschgefahr wiedergegeben.)

    Aufgrund dieser überzeugenden Darlegungen der Experten ist davon
auszugehen, dass das Risiko im Gebiet der beschwerdeführerischen
Liegenschaften sehr gross ist. Ob es - absolut - so gross ist, dass
allein deswegen das Bauen verboten werden muss, ist nicht Experten-,
sondern Rechtsfrage. Eine Gefahr für Leib und Leben ist im vorliegenden
Fall nicht ersichtlich. Nicht ganz geklärt ist, ob die Gefahr so intensiv
ist, dass in jedem Fall eine vernichtende Wirkung für Sachwerte zu
befürchten ist. Dies hat übrigens die Regierung weder im angefochtenen
Entscheid noch im bundesgerichtlichen Verfahren dargetan. Die im Gutachten
enthaltene Analyse der Gebäudeschäden spricht aber jedenfalls für eine klar
erhöhte Gefahr. Ob das Gebiet "Brattas-Fullun" unter diesen Umständen
die Minimalanforderungen an die Eignung von Land für die Überbauung
von vornherein, absolut, nicht erfüllt, kann letztlich offengelassen
werden. Jedenfalls darf die Gefahr als so gross beurteilt werden, dass
dagegen die rein wirtschaftlich-gewerblichen Ausnützungsinteressen der
Beschwerdeführerin nicht aufkommen können.

    b) Die Beschwerdeführerin wirft der Gemeinde vor, sie sei nicht
konsequent vorgegangen, weil der bereits überbaute Teil des Brattashanges
lediglich mit einer Gefahrenzone II überlagert worden sei, obwohl sich das
betreffende Gebiet im Bereich jährlicher Verschiebungen zwischen 3 und
5 cm befinde und im wesentlichen die gleichen erhöhten Risiken infolge
der Hangneigung aufweise.

    Im mittleren Teil des Brattashanges gilt das Recht der Gefahrenzone
II in der Tat bis etwa zur Linie der jährlichen Verschiebungen
von 5 cm hinauf, und das Gebiet liegt zum Teil in der Zone grosser
Geländeneigung. Dort darf mit den nötigen Sicherheitsvorkehren auf
eigene Verantwortung aufgrund eines neutralen Gutachtens gebaut werden
(Art. 27 Abs. 3 und 4 BauG). Die Gemeinde stützt sich dabei wieder
auf die Stellungnahme der Gefahrenkommission III. Diese vertrat, wie
bereits erwähnt, die Auffassung, es müsse berücksichtigt werden, ob ein
Gebiet bereits überbaut sei. Diese Differenzierung ist nach dem Gesagten
(E. 5b) wesentlich und lässt die ungleiche planerische Behandlung als
gerechtfertigt erscheinen (BGE 107 Ib 339 E. 4a mit Hinweis). Abgesehen
davon ist das Risiko im mittleren Teil des Brattashanges geringer als im
Gebiet "Fullun", wo die Rutschgefahr nach den überzeugenden Erläuterungen
der Fachleute - abgesehen von der ebenfalls in die Gefahrenzone I
eingewiesenen Nordostecke des Brattashanges - eben am grössten ist.

    c) Zu prüfen bleibt schliesslich, ob das aus der Einweisung in die
Gefahrenzone folgende Bauverbot deshalb unverhältnismässig (vgl. zum
Verhältnismässigkeitsprinzip BGE 113 Ia 134 E. 7b mit Hinweisen) ist,
weil sich die Probleme auch mit Hangsicherungsmassnahmen lösen liessen,
wie die Beschwerdeführerin geltend macht. Es liegt auf der Hand, dass mit
Beschränkungen der Überbauungsfreiheit nicht zugewartet zu werden braucht,
bis sich Hangsicherungen (nachträglich) als ungeeignet erwiesen haben,
bspw. indem sie gerissen sind, oder bis Schäden an der Infrastruktur
tatsächlich entstanden sind. Die Aussichten, der Rutschgefahr
bei den Parzellen der Beschwerdeführerin mit Sicherungsmassnahmen
begegnen zu können, beurteilen die Gutachter als schlecht. Nach ihren
einleuchtenden Ausführungen an der bundesgerichtlichen Verhandlung
liegt der Fels für eine Verankerung der Gebäude zu tief und ist auch
ein "Mitschwimmenlassen" derselben nicht oder jedenfalls kaum möglich.
Dass sich die zugrundeliegende Begutachtung auf den ganzen Brattashang
und nicht speziell auf die Parzellen Nrn. 151 und 152 bezog, ist nicht
von Bedeutung, da die Fachleute dargelegt haben, dass eine zusätzliche,
spezielle Expertise aller Voraussicht nach keine weiteren Schlüsse
zuliesse.