Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 II 447



113 II 447

79. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. Juli 1987 i.S. M.
gegen H. (Berufung) Regeste

    Art. 60 Abs. 3 BG über die landwirtschaftliche Pacht (LPG).

    Art. 60 Abs. 3 LPG soll missbräuchliche Kündigungen verhindern, ist
aber nicht nur auf eigentliche Missbrauchstatbestände anzuwenden (E. 2a).

    Eine Erstreckungsklage ist nicht schon deshalb rechtsmissbräuchlich,
weil der Kläger die Kündigung als gültig anerkannt hat (E. 2b).

Sachverhalt

    A.- Mit Vertrag vom 6. Mai 1980 pachtete H. von M. ein
landwirtschaftliches Heimwesen in K. Wegen Vertragsverletzungen des
Pächters erklärte M. am 24. Januar 1983, er löse den Vertrag vorzeitig auf
den 15. November 1983 auf; eventuell spreche er die ordentliche Kündigung
auf den 31. März 1987 aus.

    B.- Die ausserordentliche Kündigung ist Gegenstand eines Prozesses vor
Bezirksgericht. Unter Bezugnahme auf die ordentliche Kündigung erhob der
Pächter am 17. November 1986 Klage auf Erstreckung des Pachtverhältnisses
um sechs Jahre. Das Mietgericht trat darauf wegen Verspätung nicht
ein. Auf Rekurs des Pächters hat das Obergericht des Kantons Zürich am
2. April 1987 diesen Entscheid aufgehoben und die Sache zur materiellen
Behandlung an das Mietgericht zurückgewiesen.

    C.- Mit der Berufung beantragt der Beklagte dem Bundesgericht, den
Rückweisungsentscheid aufzuheben und die Erstreckungsklage abzuweisen. In
der Berufungsantwort stellt der Kläger die Anträge, die Berufung
sei abzuweisen und das Erstreckungsverfahren vom Mietgericht bis zur
rechtskräftigen Erledigung des Hauptprozesses zu sistieren.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Das Obergericht hält Art. 60 Abs. 3 des am 20. Oktober 1986
in Kraft getretenen Bundesgesetzes über die landwirtschaftliche Pacht
(LPG; SR 221.213.2) für anwendbar, da die Kündigung vom 24. Januar
1983 vor dem Stichtag auf einen Termin danach, den 31. März 1987,
erfolgt sei; die Erstreckungsklage erklärt es demzufolge als rechtzeitig
erhoben. Die genannte Bestimmung sei eindeutig und ihre Anwendung hänge
nicht davon ab, ob der Verpächter mit der Kündigung dem strengeren neuen
Recht habe zuvorkommen wollen. Eine solche Absicht lasse sich in aller
Regel gar nicht nachweisen und sei auch im vorliegenden Fall sowenig
bewiesen wie auszuschliessen. Dass das Gesetz dem Pächter eine besonders
starke Rechtsstellung verschaffe und für den Verpächter eine erhebliche
Rechtsunsicherheit bewirke, habe der Gesetzgeber in Übereinstimmung mit
den Zielen der Revision offenbar bewusst in Kauf genommen.

    a) Der Beklagte macht demgegenüber geltend, Art. 60 Abs. 3 LPG
richte sich lediglich gegen missbräuchliche Kündigungen, die im Hinblick
auf die strengere Regelung des LPG ausgesprochen worden seien; das
treffe aber vorliegend nicht zu. In der Tat ging es dem Gesetzgeber mit
dieser Übergangsbestimmung darum, ein derartiges Vorgehen unwirksam zu
machen (Botschaft vom 11. November 1981, BBl 1982 I S. 300; MERKLI, in
Blätter für Agrarrecht 20/1986 S. 90 und 92 sowie in Veröffentlichungen
des Schweizerischen Instituts für Verwaltungskurse an der Hochschule
St. Gallen, Band 25, Das neue landwirtschaftliche Pachtrecht, S. 86 und
89). Das genügt jedoch nicht um anzunehmen, das Gesetz erfasse entgegen
seinem Wortlaut nur eigentliche Missbrauchstatbestände; das würde
zudem für den Pächter kaum überwindbare Beweisschwierigkeiten bewirken,
wie das Obergericht zutreffend ausführt. Wenn der Beklagte vorträgt,
dass der bundesrätlichen Botschaft keine Rechtswirkung zukomme und die
Bestimmung in der parlamentarischen Beratung überhaupt nicht diskutiert
worden sei, so kann das erst recht nur zur Folge haben, dass auf den
eindeutigen Gesetzestext abgestellt wird. Dieser übernimmt übrigens -
wie der Bundesrat zutreffend bemerkt hat (BBl S. 300) - insoweit die
bereits in Art. 50bis EGG getroffene Regelung.

    b) Weiter bringt der Beklagte vor, der Kläger habe seinerzeit
die ordentliche Kündigung ausdrücklich sowie durch Verzicht auf ein
rechtzeitiges Erstreckungsbegehren anerkannt, weshalb seine Berufung
auf Art. 60 Abs. 3 LPG rechtsmissbräuchlich sei. Wenn es nach der
Literatur bei dieser Übergangsbestimmung um den Schutz einer unter
altem Recht aufgebauten Vertrauensbeziehung gehe, habe der Kläger dieses
Vertrauensverhältnis durch seine Vertragsverletzungen längst untergraben;
das Vertrauensprinzip werde gegenteils durch Gewährung der Nachfrist
verletzt und eine für den Verpächter unerträgliche Lage für lange Jahre
zementiert.

    Soweit der Beklagte damit einen Zusammenhang mit der ausserordentlichen
Kündigung herstellen will, ist darauf nicht einzutreten, weil diese
nicht Gegenstand des Erstreckungsverfahrens ist. Wenn der Kläger sodann
die ordentliche Kündigung als gültig anerkannt haben sollte, macht das
die Erstreckungsklage keineswegs missbräuchlich, weil sie auch nach der
Darstellung des Beklagten eine gültige Kündigung voraussetzt. Was der
Beklagte sonst noch vorbringt, richtet sich gegen die gesetzliche Regelung
als solche und genügt nicht, um die Berufung des Klägers darauf als
missbräuchlich erscheinen zu lassen. Die Berufung ist demnach abzuweisen.