Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 II 434



113 II 434

77. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. November 1987
i.S. H. gegen U. Company (Berufung) Regeste

    Bürgschaft oder Garantievertrag?

    Akzessorietät als Abgrenzungskriterium (E. 2b). Auslegung des
Sicherungsvertrags: Vertragsbezeichnung (E. 3a), Sachzusammenhang zwischen
Dritt- und Sicherungsvertrag (E. 3b), Bedeutung des Leistungsbeschriebs
(E. 3c), des Einredenverzichts (E. 3d), des eigenen Interesses
(E. 3g). Vermutung zugunsten der Bürgschaft (E. 2c und 3g).

Sachverhalt

    A.- Am 31. Dezember 1982 unterzeichnete H., zu dieser Zeit
Verwaltungsratsdelegierter der N. AG, in Zürich einen mit "Unlimited
Guaranty" betitelten Sicherungsvertrag mit der amerikanischen
U. Company. Der Hauptinhalt des Vertrages wurde wie folgt umschrieben
(von beiden Parteien anerkannte deutsche Übersetzung des englischen
Original-Wortlauts):

    "In Anbetracht der Darlehen, die N. AG, Zürich, Schweiz, nachstehend

    Kreditnehmer genannt, von U. COMPANY, nachstehend Bank genannt, gewährt
   wurden oder weiterhin gewährt werden oder noch gewährt werden sollen,
   garantiert der Zeichner der Bank unwiderruflich und bedingungslos die

    Zahlung aller beliebigen Verbindlichkeiten des Kreditnehmers
gegenüber der

    Bank zum Fälligkeitstermin, ob bei vorzeitiger Fälligstellung oder
nicht,
   sowie aller Zinsen darauf und aller Anwaltshonorare, Unkosten und

    Auslagen, die der Bank durch das Inkasso solcher Verbindlichkeiten
   erwachsen."

    Am 13. Januar 1983 gewährte die Bank der N. AG einen Kontokorrentkredit
in der Höhe von US-$ 1'000'000.-- zu 12,5% Zins. Am 1. Juli 1983 forderte
sie diesen Betrag von H. gestützt auf den Sicherungsvertrag. Dieser
verweigerte die Zahlung.

    B.- Am 8. November 1984 klagte die Bank beim Bezirksgericht Zürich
gegen H. auf Zahlung von US-$ 1'009'540.80 nebst Zins zu 12,5% seit
dem 1. Mai 1984. Mit Urteil vom 25. März 1986 hiess das Bezirksgericht
die Klage im Umfang von US-$ 996'746.90 nebst dem geltend gemachten
Zins gut. Auf Berufung des Beklagten hin bestätigte das Obergericht des
Kantons Zürich am 29. Januar 1987 im wesentlichen diesen Entscheid. Beide
kantonalen Instanzen verwarfen den Einwand des Beklagten, beim streitigen
Sicherungsvertrag handle es sich um eine Bürgschaft, die mangels Einhaltung
der gesetzlichen Formvorschriften nichtig sei. Sie qualifizierten das
Rechtsverhältnis als Garantievertrag.

    C.- Der Beklagte hat gegen das Urteil des Obergerichts eidgenössische
Berufung eingereicht mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben
und die Klage abzuweisen.

    Die Klägerin trägt auf Abweisung der Berufung an.

    Das Bundesgericht heisst die Berufung gut und weist die Klage ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Mit seiner "Unlimited Guaranty" vom 31. Dezember 1982 hat der
Beklagte eine Personalsicherheit für die Kredite der Klägerin an die
N. AG gestellt. Streitig ist, ob eine kumulative Schuldübernahme, eine
Bürgschaft oder ein Garantievertrag vorliegt. Ersteres fällt zum vornherein
ausser Betracht, da der Beklagte am 31. Dezember 1982 keine selbständige,
zur Verpflichtung der N. AG hinzutretende eigene Verpflichtung übernommen
hat (BGE 111 II 278 f. E. 2a; OFTINGER, Über Bankgarantien, SJZ 38/1941
S. 61 Ziff. VI). Zu prüfen bleibt somit die Qualifikation als Bürgschaft
oder Garantievertrag.

    a) Mit der Bürgschaft übernimmt der Interzedent gegenüber
dem Gläubiger die Pflicht, für die Erfüllung der Schuld eines
Dritten, des Hauptschuldners einzustehen (Art. 492 Abs. 1 OR). Die
Bürgschaftsverpflichtung setzt den Bestand einer anderen (der
sicherzustellenden) Verpflichtung voraus, sie tritt zu dieser
hinzu. Notwendigerweise hängt sie sodann in Bestand und Inhalt von ihr
ab; die Bürgschaft ist akzessorisch (BGE 111 II 279 E. 2b; OFTINGER,
aaO S. 59 Ziff. II).

    Der gemeinhin unter Art. 111 OR subsumierte Garantievertrag weist
verschiedene Erscheinungsformen auf. Bei der reinen Garantie steht der
Garant für einen von jedwelchem konkreten Schuldverhältnis unabhängigen
Erfolg ein (DANIEL GUGGENHEIM, Die Verträge der Schweizerischen
Bankpraxis, 3. A., S. 145 f.). So kann sich eine Bank oder das Gemeinwesen
verpflichten, den Verlust einer Unternehmung zu decken, ohne dass Dritte
dem Begünstigten etwas schulden (SCYBOZ, Garantievertrag und Bürgschaft,
in Schweizerisches Privatrecht Bd. VII/2, S. 324; GUHL/MERZ/KUMMER,
OR, 7. A., S. 158; REUSSER, Der Garantievertrag, Diss. Bern 1937,
S. 55 f.; KLEINER, Bankgarantie, 3. A., S. 33 f.). Daneben umfasst
der Begriff der Garantie auch diejenigen Verpflichtungen, die sich in
irgendeiner Weise auf ein Schuldverhältnis, das dem Begünstigten einen
Anspruch auf Leistung eines Dritten gibt, beziehen (GUGGENHEIM, aaO S.
146). Mit ihnen soll diese Leistung gesichert werden, gleichgültig, ob
sie tatsächlich geschuldet ist; die Verpflichtung gilt damit auch für
den Fall, dass die Schuldpflicht nie entstanden ist, wegfällt oder nicht
erzwingbar ist (KLEINER, aaO S. 41). Da sich diese Garantie wesensmässig
der Bürgschaft nähert, wird sie heute vornehmlich als bürgschaftsähnliche
Garantie bezeichnet (SCYBOZ, aaO S. 324; GUGGENHEIM, aaO S. 146). Dem
Grundgedanken des Art. 111 OR entsprechend verspricht der Promittent
dem Promissar Schadenersatz für den Fall, dass der Dritte sich nicht
erwartungsgemäss verhält (OFTINGER, aaO S. 59 Ziff. II; MÜHL/PETEREIT,
Recht der Kreditsicherheiten in europäischen Ländern, Teil V: Schweiz,
S. 95 Rz. 277). Diesen Garantievertrag im engeren Sinne (SCYBOZ, aaO
S. 325 ff.) gilt es gegenüber der Bürgschaft abzugrenzen.

    b) Abgrenzungskriterium ist die Akzessorietät (BGE 111 II 279 E. 2b;
75 II 50; KLEINER, aaO S. 40 Fn. 103 mit zahlreichen Hinweisen; daneben
GUHL/MERZ/KUMMER, aaO S. 158; GUGGENHEIM, aaO S. 144 f.; SCYBOZ, aaO
S. 387; DOHM, Bankgarantien im internationalen Handel, S. 57 Rz. 72,
NOBEL, Praxis zum öffentlichen und privaten Bankenrecht der Schweiz,
S. 382). Ist Akzessorietät gegeben, liegt eine Bürgschaft vor, fehlt
sie, ist Garantie vereinbart (KLEINER, aaO S. 40 f.). Akzessorietät
bedeutet, dass die Sicherheit das Schicksal der Hauptschuld teilt,
indem die akzessorische Verpflichtung von der Hauptschuld abhängig ist
und dieser als Nebenrecht folgt (KLEINER, aaO S. 39) mit der Wirkung,
dass der akzessorisch Verpflichtete dem Gläubiger die dem Hauptschuldner
zustehenden Einreden entgegenhalten darf (SCYBOZ, aaO S. 387). Während mit
der Bürgschaft als akzessorischem Sicherungsvertrag die Zahlungsfähigkeit
des Schuldners oder die Erfüllung eines Vertrages gesichert wird, sichert
der Garantievertrag als selbständige Verpflichtung eine Leistung als
solche, einen bestimmten Erfolg, unabhängig von der Verpflichtung des
Dritten.

    Das Abgrenzungskriterium der Akzessorietät kann allerdings durch
Vorschriften des geltenden Rechts durchbrochen werden (vgl. VON CAEMMERER,
Bankgarantien im Aussenhandel, Gesammelte Schriften Bd. II, S. 365),
die gewisse Sicherungsversprechen trotz fehlender Akzessorietät dem
Bürgschaftsrecht unterstellen (Art. 492 Abs. 3 OR) und damit Vorschriften
zum Schutze des Bürgen, insbesondere über Schriftform oder öffentliche
Beurkundung der Bürgschaftserklärung, über die Notwendigkeit der Nennung
des Höchstbetrages der Haftung (Art. 493 und 499 OR) sowie das Prinzip
der weitgehenden Unabdingbarkeit des Bürgschaftsrechtes zugunsten des
Bürgen (Art. 492 Abs. 4 OR) auf Fälle nicht akzessorischer Haftung
ausdehnen. Diesen Schutzgedanken gilt es bei der Qualifikation des
Sicherungsvertrages zu berücksichtigen (vgl. dazu MARKUS STREULE,
Bankgarantie und Bankbürgschaft, Diss. Zürich 1987, S. 125 f.).

    c) Ob eine Bürgschaft oder ein selbständiges Garantieversprechen
vorliegt, ist durch Auslegung des Sicherungsvertrags zu ermitteln (BGE 111
II 279 E. 2b, 287). Wenn die Auslegung nach Wortlaut, Sinn und Zweck des
Vertrages, nach dem Sachzusammenhang und der inhaltlichen Ausgestaltung der
einzelnen Erklärungen nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt, greifen
nach Lehre und Rechtsprechung verschiedene Vermutungen Platz. So gilt die
Vermutung, dass zur Verwirklichung des vom Bürgschaftsrecht angestrebten
Schutzes des Verpflichteten im Zweifelsfall eher auf Bürgschaft zu
schliessen ist (BGE 111 II 279 E. 2b mit Hinweis; OFTINGER, aaO S. 61
Ziff. IV; GUGGENHEIM, aaO S. 150; MÜHL/PETEREIT, aaO S. 96 Rz. 281;
GIOVANOLI, Kommentar, N. 14c zu Art. 492 OR; SCYBOZ, aaO S. 387; vom
Bundesgericht bestätigtes Urteil des Kantonsgerichtes von Graubünden vom
20. Mai 1976, publiziert in Die Praxis des Kantonsgerichtes von Graubünden
1976 S. 41 ff.). Weiter sollen Garantieerklärungen geschäftsgewandter
Banken (REICHWEIN, Bankgarantie und Bürgschaft, SJZ 52/1956 S. 377; Urteil
des Landesgerichts Frankfurt a.M. vom 16. Oktober 1962 in NJW 1963 S. 450
f.) und Sicherungsgeschäfte über Auslandverträge vermutungsweise als
Garantien (Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 9. Dezember
1983, zitiert bei NOBEL, aaO, Ergänzungsband S. 227 ff.; DOHM, aaO S. 62
Rz. 88), Garantieerklärungen von Privatpersonen demgegenüber eher als
Bürgschaften gewertet werden (GIOVANOLI, aaO; DOHM, aaO Rz. 87).

Erwägung 3

    3.- Im Lichte dieser Kriterien ergibt sich für die Qualifikation der
"Unlimited Guaranty" des Beklagten was folgt:

    a) Die Bezeichnung des Vertrages als solche ist nicht entscheidend
(Art. 18 OR), es sei denn, die verwendete Bezeichnung lasse in einem
bestimmten Verkehrskreis ohne weiteres darauf schliessen, sie sei in ihrer
rechtlichen Bedeutung gebraucht worden (REICHWEIN, aaO S. 375; DOHM, aaO
S. 75 Rz. 122; KLEINER, aaO S. 37; GUGGENHEIM, aaO S. 146). Das trifft für
die Bezeichnung "Guaranty" nicht zu. Zwar wird im anglo-amerikanischen
Rechtsbereich unterschieden zwischen der akzessorischen "Guarantee"
(amerikanisch "Guaranty") und dem selbständigen "Contract of indemnity",
doch ist die Abgrenzung nicht scharf; namentlich wird der Begriff der
"Guarantee" als Sammelbegriff für beide hier in Betracht fallenden
Sicherungsverträge verstanden (zitiertes Urteil des Landesgerichts
Frankfurt, aaO S. 451; VON CAEMMERER, aaO S. 384; GUGGENHEIM, aaO S. 146
f.; KLEINER, aaO S. 37 f. mit weiteren Hinweisen).

    b) Nicht entscheidend ist weiter, dass dem Sicherungsversprechen des
Beklagten ein vertragliches Drittschuldverhältnis zugrunde liegt, ist dies
regelmässig doch sowohl bei der Bürgschaft wie beim bürgschaftsähnlichen
Garantievertrag der Fall (KLEINER, aaO S. 43; GUGGENHEIM, aaO S. 147; DOHM,
aaO S. 59 Rz. 77). Die für die Annahme einer Bürgschaft entscheidende
Bedeutung des Sachzusammenhangs zwischen Dritt- und Sicherungsvertrag
in BGE 111 II 280 E. 2c ist auf die besonderen Umstände des in diesem
Entscheid beurteilten Falles zurückzuführen.

    Obwohl dem Bestand eines Drittschuldverhältnisses als allgemeinem
Abgrenzungskriterium in der Regel keine vorrangige Bedeutung zukommt
(ROSSI, Garantie ou cautionnement?, SJ 108/1986 S. 409 f.), ist vorliegend
zu berücksichtigen, dass der Beklagte nach dem Ingress der Erklärung
einzig für die Verbindlichkeiten des Kreditnehmers einsteht. Sein
Leistungsversprechen ist identisch mit der Leistungspflicht des
Hauptschuldners. Der Beklagte stellt die Leistung des Kreditnehmers
nicht in Aussicht, sondern sicher (OFTINGER, aaO S. 60 Ziff. IV). Er
verspricht nicht Schadenersatz für den Ausfall der Hauptleistung,
sondern die Leistung schlechthin, sein Erfüllungsversprechen deckt sich
mit demjenigen des Hauptschuldners. Dies weist auf Bürgschaft hin (Urteil
des Bundesgerichts vom 12. September 1974, publiziert in ZR 73/1974 Nr.
94 S. 251 ff. insbes. S. 252 f.). Zum selben Schluss führt die Tatsache,
dass der Beklagte die Schuldpflicht wenn auch nicht als eigene, so doch
gemeinsam mit der N. AG übernommen hat: Bei der selbständigen Garantie
ist eine solche gemeinsame Verpflichtung mit dem Hauptschuldner schon vom
Begriff her ausgeschlossen (DOHM, aaO S. 60 Rz. 81; KLEINER, aaO S. 54).

    c) Dass die Leistung des Garanten im Sicherungsvertrag selbst weder
inhaltlich noch zeitlich umschrieben ist, sondern ausschliesslich durch
das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der N. AG bestimmt wird,
hält die Vorinstanz nicht für ausschlaggebend; auch beim Garantievertrag
genüge die Bestimmbarkeit der Leistungspflicht des Garanten. Diese
Betrachtungsweise verkennt, dass die Bürgschaft schuldnerbezogen, die
Garantie dagegen gläubigerbezogen ist. Der Bürge stellt die Erfüllung
einer bestimmten Schuldpflicht sicher, während der Garant dafür einsteht,
dass der Gläubiger eine bestimmte Leistung erhält. Vermutungsweise
ist daher nur bei detailliertem und selbständigem Leistungsbeschrieb
im Sicherungsvertrag selbst auf Garantie zu schliessen, demgegenüber
auf Bürgschaft, wenn zur Feststellung der Garantenleistung wie hier
vollumfänglich auf das Grundverhältnis zurückgegriffen werden muss (DOHM,
aaO S. 59 Rz. 78; GUGGENHEIM, aaO S. 147; THOMAS BÄR, Zum Rechtsbegriff
der Garantie insbesondere im Bankgeschäft, Diss. Zürich 1962, S. 65;
Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 9. Dezember 1983,
zitiert bei NOBEL, aaO, Ergänzungsband S. 227). Dies gilt um so mehr,
als die Klägerin im vorliegenden Fall ohne weiteres befugt ist, den
Inhalt des Hauptschuldverhältnisses zu ändern oder zu novieren, und der
Beklagte auch für diesen veränderten oder neuen Vertragsinhalt einzustehen
hat. Durch solche Abreden wird die Akzessorietät nur scheinbar aufgehoben;
in Wirklichkeit werden künftige Forderungen sichergestellt, die inhaltlich
noch durch die Parteien des Grundvertrags zu bestimmen sind, was nach
dem Gesagten für eine Bürgschaft spricht.

    d) Die Vorinstanz stellt für die Annahme eines Garantievertrags
entscheidend darauf ab, dass der Beklagte auf praktisch sämtliche Einreden
und Einwendungen mit Ausnahme derjenigen der fehlenden Fälligkeit und
des nicht erfüllten Vertrages verzichtet habe. Richtig ist, dass es
die Akzessorietät dem Bürgen namentlich ermöglicht, dem Gläubiger die
Einreden und Einwendungen des Hauptschuldners entgegenzuhalten, so dass
ein Verzicht darauf den Schluss nahelegen kann, es sei keine Bürgschaft,
sondern ein selbständiges Garantieversprechen gewollt (DOHM, aaO S. 60
Rz. 79; KLEINER, aaO S. 46 f.). Für sich allein vermag der Einredenverzicht
jedoch kaum die Annahme eines Garantievertrages zu begründen (GUGGENHEIM,
aaO S. 148). Das Recht des Bürgen, die Einreden und Einwendungen des
Hauptschuldners zu erheben (vgl. Art. 502 Abs. 1 und 3 OR), gehört zu
den unabdingbaren Schutzrechten des Bürgen (Art. 492 Abs. 4 OR). Enthält
ein Sicherungsvertrag einen Einredenverzicht, bleibt deshalb trotzdem zu
prüfen, ob es sich um eine nach Massgabe des Bürgschaftsrechtes nichtige
Vertragsbestimmung oder um eine zulässige Abrede eines Garantievertrags
handelt. Im Zweifelsfall darf nicht davon ausgegangen werden, der
auf Einreden Verzichtende habe sich bewusst auf einen Garantievertrag
und nicht auf eine Bürgschaft festgelegt (Urteil der Genfer Cour de
Justice civile vom 15. Juni 1979, publiziert in SJ 103/1980 S. 572; VON
CAEMMERER, aaO S. 365 f.; GUGGENHEIM, aaO; SCYBOZ, aaO S. 387 Fn. 58;
GIOVANOLI, aaO N. 14a zu Art. 492 OR). Vorliegend kommt hinzu, dass der
Beklagte nicht auf sämtliche Einreden verzichtet hat (vgl. SCYBOZ, aaO S.
385 f.). Auch dies spricht für eine akzessorische Sicherheit. Ausserdem ist
der Einredenverzicht hier von geringer Bedeutung, da der Darlehensvertrag
dem Hauptschuldner kaum praktisch erhebliche Einreden belässt, die der
Beklagte erheben könnte (BÄR, aaO S. 46).

    e) Gemäss Absatz 8 des Vertrags kann der Beklagte vor der vollständigen
Befriedigung der Klägerin keine Regressansprüche gegen die N. AG geltend
machen. Auch das weist auf Bürgschaft hin, da der Regress auf den
Hauptschuldner der Bürgschaft, nicht aber dem Garantievertrag eigen ist.

    Nur im Rahmen einer Bürgschaft hat es sodann einen Sinn, dass sich
die Klägerin das Recht ausbedungen hat, ohne Rücksicht auf den Beklagten
über anderweitige Sicherheiten verfügen und dem Hauptschuldner gegenüber
Rechte geltend machen zu dürfen (Abs. 4 Ziff. 2 und 3 des Vertrags).

    f) Die Indizien für eine Bürgschaft werden auch nicht dadurch
entkräftet, dass der Beklagte seine Sicherheit bedingungslos gestellt
(Abs. 1 des Vertrags) und als Hauptverbindlichkeit (Abs. 5) bezeichnet
hat. Das kann für ein selbständiges Garantieversprechen, aber ebensogut
für eine Solidarbürgschaft sprechen, bei der die Inanspruchnahme des
Bürgen nicht davon abhängt, dass vorgängig der Hauptschuldner belangt wird
(Art. 496 OR).

    g) Die gesamten Umstände deuten somit darauf hin, dass der Beklagte
die Verpflichtung übernommen hat, die Erfüllung der Verbindlichkeit der
N. AG aus den ihr gewährten Darlehen sicherzustellen und für die Solvenz
der Darlehensnehmerin einzustehen. Zu diesen Umständen gehören nebst
dem Darlehensvertrag als Grundgeschäft die vollständige Identität und
Abhängigkeit der sichergestellten Leistung von derjenigen des Grundvertrags
sowie der bürgschaftstypische Vertragszweck. Die Qualifikation des Vertrags
als Bürgschaft entspricht schliesslich der Vermutung zugunsten der milderen
Verpflichtung. Dass der Beklagte offensichtlich ein eigenes Interesse am
Gesamtgeschäft hatte, ist nach neuerer Lehre und Rechtsprechung nicht
ausschlaggebend (BGE 111 II 280 E. 2b; ROSSI, aaO S. 410 f.; KLEINER,
aaO S. 60 f.; GUGGENHEIM, aaO S. 148 f.).