Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 II 222



113 II 222

40. Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. Mai 1987 i.S. F. gegen D.
(Berufung) Regeste

    Ehescheidung; güterrechtliche Auseinandersetzung;

    Art. 154 Abs. 2 ZGB. Bei der Vorschlagsteilung im Falle der Scheidung
gilt der bisherige Güterstand nicht nur für den Verteilungsschlüssel,
sondern auch für den Teilungsmodus. Lebten die Ehegatten intern unter dem
Güterstand der allgemeinen Gütergemeinschaft, hat die Ehefrau Anspruch
auf einen Teil des im Eigentum des Ehemannes stehenden Vorschlags und
verfügt nicht bloss über eine Geldforderung. Dieser Anspruch richtet sich
aber nicht auf bestimmte Vermögenswerte, die zum Vorschlag gehören. Es
sind vielmehr die Grundsätze der Nachlassteilung in Art. 610 ff. ZGB
sinngemäss anzuwenden.

Sachverhalt

    A.- P. D. und I. F. gingen im Jahre 1965 miteinander die Ehe ein. Am
13. Dezember 1977 schlossen sie einen Ehe- und Erbvertrag, in welchem sie
unter anderem im internen Verhältnis Gütergemeinschaft vereinbarten. Für
den Fall der Scheidung sahen sie aber vor, dass der Vorschlag entsprechend
Art. 214 ZGB zu einem Drittel der Ehefrau und zu zwei Dritteln dem Ehemann
zukommen soll. Im August 1980 leitete die Ehefrau die Scheidungsklage
ein. Mit Urteil vom 28. Juni 1982 schied der erstinstanzliche Richter
die Ehe der Parteien und verwies die güterrechtliche Auseinandersetzung
ad separatum. Dieses Urteil erwuchs am 8. Dezember 1983 in Rechtskraft.

    Am 6. Oktober 1983 beantragte die geschiedene Ehefrau mit einer Klage
die Durchführung der güterrechtlichen Auseinandersetzung. Sie verlangte
die Auszahlung des Betrages von Fr. 4'280.-- als Rückerstattung ihres
eingebrachten Gutes sowie den ihr zustehenden Drittanteil am ehelichen
Vorschlag, nämlich die Übertragung von zwei dem Ehemann gehörenden
Stockwerkeinheiten, unbelastet von Hypotheken, und die Auszahlung eines
Barbetrages von Fr. 68'000.-- nebst 5% Zins seit 8. Dezember 1983. Das
Kantonsgericht verpflichtete den Beklagten mit Urteil vom 8. Juli 1986,
der Klägerin den Betrag von Fr. 94'808.50 nebst Zins zu 5% seit 8. Dezember
1983 zu bezahlen.

    Die Klägerin erhebt beim Bundesgericht Berufung und beantragt
die Aufhebung des kantonsgerichtlichen Urteils. Ferner verlangt sie
die Übertragung der zwei dem Beklagten gehörenden Stockwerkeinheiten,
befreit von jeglicher Hypothekarbelastung, sowie die Auszahlung eines
Barbetrages von Fr. 12'737.30 nebst Zins zu 5% seit 8. Dezember 1983.

    Der Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.

    Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut und weist die Sache
zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

    5.- Mit ihrer dritten Rüge beanstandet die Klägerin, dass das
Kantonsgericht ihr nur eine Geldforderung als Vorschlagsanteil zugebilligt
hat anstelle eines Anspruchs auf einen bestimmten Teil des ehelichen
Vermögens, das nach internem Güterstand als Gesamtgut zu behandeln ist. Die
Klägerin verlangt neben einem Barbetrag die Zuweisung von zwei bestimmten
Stockwerkeinheiten, unbelastet von Hypotheken.

    Die Vorinstanz hat den Anspruch der Klägerin auf einen Anteil am
Gesamtgut vor allem mit der Begründung abgelehnt, die Parteien hätten
im Ehevertrag für den Fall der Scheidung eine Vorschlagsteilung von
zwei Dritteln zugunsten des Ehemannes und von einem Drittel zugunsten
der Ehefrau vereinbart und dabei auf Art. 214 ZGB verwiesen. Daraus
hat das Kantonsgericht geschlossen, dass im Falle der Scheidung für die
Vorschlagsteilung wieder der gesetzliche Güterstand der Güterverbindung
gelten solle und dementsprechend der Anteil der Ehefrau nur in einer
Geldforderung bestehen könne. Es trifft zu, dass die Parteien mit der
vereinbarten Vorschlagsteilung auf den ordentlichen Güterstand der
Güterverbindung verwiesen haben. Aus diesem Umstand aber abzuleiten,
die Ehegatten hätten generell für den Fall der Scheidung die intern
vereinbarte allgemeine Gütergemeinschaft zugunsten der Güterverbindung
aufgeben wollen, geht nicht an. Auch wenn im Ehevertrag auf Art. 214 ZGB
hingewiesen wird, so muss das noch nicht heissen, dass nach dem Willen der
Parteien nun die Güterverbindung als solche gelten soll und nicht nur der
Verteilungsschlüssel dieses Güterstandes. Wäre dies der Fall, müsste der
entsprechende Wille der Parteien mit hinreichender Deutlichkeit aus dem
Ehevertrag hervorgehen, was hier nicht zutrifft. Abgesehen davon müsste
auch die Frage geklärt werden, ob die Möglichkeit, für die Teilung des
Gesamtgutes einen andern als den gesetzlichen Verteilungsschlüssel zu
wählen (Art. 240 Abs. 3 ZGB), auch die Möglichkeit in sich schliesst,
bei der Auflösung der Gütergemeinschaft generell die Abrechnung nach
einem andern Güterstand vorzusehen. Diese Frage kann im vorliegenden
Fall indessen offenbleiben, da der Wille der Parteien zu einem solchen
Wechsel des Güterstandes dem zu beurteilenden Ehevertrag nicht mit
genügender Klarheit entnommen werden kann. Es ist daher entgegen der
Meinung der Vorinstanz davon auszugehen, dass nach dem Ehevertrag
auch die Vorschlagsteilung im Falle der Scheidung - abgesehen vom
Verteilungsschlüssel - nach den Bestimmungen über die Gütergemeinschaft
erfolgen soll.

Erwägung 6

    6.- Es bleibt somit zu prüfen, ob die gesetzliche Regelung von Art. 154
Abs. 2 ZGB einer Realzuweisung bei der Vorschlagsteilung im internen
Güterstand der allgemeinen Gütergemeinschaft nicht entgegenstehe. In
der Lehre ist diese Frage umstritten. Nach BÜHLER/SPÜHLER, N. 61 zu
Art. 154 ZGB, kann der Anteil am Vorschlag in jedem Fall nur auf eine
Geldforderung lauten. Den in diesem Zusammenhang angeführten Zitaten
aus der Rechtsprechung, nämlich BGE 82 II 487 und 100 II 71, und der
Lehre, insbesondere LEMP, N. 51 zu Art. 189 ZGB, und HINDERLING, Das
schweizerische Ehescheidungsrecht, 3. Aufl., S. 121, ist jedoch zu
entnehmen, dass die Autoren BÜHLER/SPÜHLER an dieser Stelle offenbar
nur an den Fall denken, in dem die Ehegatten unter dem Güterstand der
Güterverbindung gelebt haben, dagegen unbeachtet lassen, dass intern
unter den Eheleuten und allenfalls auch extern gegenüber Dritten das
Recht der Gütergemeinschaft gelten kann. Dieser Fall wird von LEMP in
N. 54 zu Art. 189 ZGB eigens behandelt. Dieser Autor spricht nicht von
einer blossen Geldforderung der Ehefrau als Vorschlagsanteil bei der
Gütergemeinschaft, sondern von einem Teilungsanspruch. Auch HINDERLING,
aaO, bejaht unter Hinweis auf LEMP, aaO, einen Teilungsanspruch der
Ehefrau. Im übrigen wird von verschiedenen Autoren bei der Anwendung
von Art. 154 Abs. 2 ZGB ein richterliches Ermessen in dem Sinne bejaht,
dass je nach den konkreten Umständen an die Stelle der Geldforderung
eine Realzuweisung von Vermögenswerten des Gesamtgutes treten kann
(ETTER-ROSSEL, Güterrechtliche Auseinandersetzung und Erbrecht, SJK Nr. 716
S. 3, unter Hinweis auf EGGER, N. 9 und 10 zu Art. 154 ZGB; BLOCHER,
Über die vermögensrechtliche Auseinandersetzung bei der Ehescheidung, ZSR
N.F. 36 (1917), S. 285 f.; HUBER, Die güterrechtliche Auseinandersetzung
infolge Ehescheidung, Diss. Bern 1936, S. 64 ff.; MÜNCH, Die Ermittlung und
Behandlung des Vor- und Rückschlags im ehelichen Güterrecht der Schweiz,
Diss. Zürich 1941, S. 64, wobei die beiden letztgenannten Autoren einen
Ermessensentscheid des Richters ablehnen und jedem Ehegatten einen Anspruch
auf die eine Hälfte der Errungenschaft zu Eigentum zuerkennen). Aus
diesen Darlegungen ergibt sich, dass in der Lehre, sofern dem Richter kein
Ermessen bei der Vorschlagsteilung in der Gütergemeinschaft zugestanden
wird, von einem Teilungsanspruch der Gatten die Rede ist, der allerdings
vom Gesetzgeber in Art. 154 Abs. 2 ZGB nicht näher ausgestaltet wurde,
so dass sich die Frage stellt, ob dieser Anspruch wie im Zusammenhang
mit anderem Gesamthandsvermögen zu behandeln sei.

Erwägung 7

    7.- Wie das Bundesgericht in BGE 81 II 94 E. 2 festgehalten hat, liegt
Art. 154 ZGB als scheidungsrechtlicher Sondernorm die Idee zugrunde, den
Ehegatten nach der Scheidung in vermögensrechtlicher Hinsicht möglichst
eine Stellung einzuräumen, wie wenn die Ehe gar nicht eingegangen
worden wäre. Absatz 1 dieser Gesetzesbestimmung sieht daher vor,
dass unabhängig vom Güterstand jeder Ehegatte diejenigen Vermögenswerte
zurücknimmt, die ihm beim Abschluss der Ehe bzw. beim Eingehen des bei
der Scheidung aufzulösenden Güterstandes zugestanden oder während der
Geltung des Güterstandes unentgeltlich zugefallen sind (BGE 91 II 90 E. 2
und 102 II 73), und zwar mit Einschluss der Ersatzanschaffungen. Dass
diese Vermögenswerte während der Ehe den Ehegatten als Gesamteigentum
gemeinsam zustanden, spielt somit bei der Auflösung des Güterstandes
keine Rolle. Nicht die bisherige güterrechtliche Ordnung ist massgebend,
es geht vielmehr in erster Linie um die restitutio in integrum.

    Trotz dieser gesetzgeberischen Zielsetzung darf aber nicht
übersehen werden, dass sich im Gesamtgut auch Vermögenswerte befinden
können, die von der Ehegemeinschaft als solcher erwirtschaftet worden
sind. Das Nettoergebnis dieser Vermögenswerte, der Vorschlag, soll nun
gemäss Art. 154 Abs. 2 ZGB unabhängig von der restitutio in integrum den
Ehegatten nach ihrem Güterstand zugewiesen werden, während ein Rückschlag
der Ehemann allein zu tragen hat, wenn er nicht nachzuweisen vermag,
dass er von der Ehefrau verursacht worden ist. Dieser Regelung lässt sich
nicht entnehmen, ob bei der Vorschlagsteilung der bisherige Güterstand
nicht nur für den Verteilungsschlüssel, sondern auch für den Teilungsmodus
massgebend bleiben soll.

    Nun gibt es aber keinen überzeugenden Grund, der dafür sprechen würde,
den bisherigen Güterstand nur für den Verteilungsschlüssel, nicht aber
für den Teilungsmodus gelten zu lassen. Wohl bestimmt Art. 154 Abs. 3
ZGB ganz allgemein, dass die geschiedenen Ehegatten aus dem Ehevertrag
keine Ansprüche ableiten können. Diese Bestimmung bezieht sich aber auf
die zukünftige Wirkung eines Ehevertrages und nicht auf die Auflösung
des bisherigen Güterstandes (BÜHLER/SPÜHLER, N. 85 zu Art. 154 ZGB mit
Hinweisen). Für die hier zu entscheidende Frage lässt sich somit der
gesetzlichen Regelung von Art. 154 Abs. 3 ZGB nichts entnehmen. Freilich
sprechen praktische Gründe für eine blosse Geldforderung der nur unter
interner Gütergemeinschaft lebenden Ehefrau gegen ihren Ehemann bei der
Vorschlagsteilung. Sodann mag auch eine Benachteiligung der Ehefrau durch
eine blosse Geldforderung dadurch aufgewogen werden, dass unter dem bis
zum 31. Dezember 1987 geltenden ehelichen Güterrecht der Arbeitserwerb
der Ehefrau gestützt auf Art. 191 Ziff. 3 ZGB von Gesetzes wegen zu
Sondergut erklärt wird, was eine Privilegierung der Ehefrau bedeutet.
Diese Überlegungen genügen aber nicht, die Ehegatten nicht bei ihrer
ehevertraglichen Vereinbarung zu behaften. Der Gesetzgeber lässt
ungeachtet des für die Ehefrau gegebenenfalls erweiterten Sondergutes im
Vergleich zu jenem des Ehemannes bei der Gütergemeinschaft eine hälftige
Teilung des Vorschlages eintreten. Zudem bleiben die Ehegatten, wie
der vorliegende Fall zeigt, auch insofern an den internen Güterstand
der Gütergemeinschaft gebunden, als sie die Regeln von Art. 216 und
217 ZGB zu beachten haben. Es ist daher nicht einzusehen, weshalb der
Ehefrau ein Teilungsanspruch an dem im Eigentum des Ehemannes stehenden
Vorschlag zum vornherein verweigert werden müsste, so dass sie auf eine
blosse Geldforderung verwiesen bliebe.

Erwägung 8

    8.- Dieser Anspruch der Ehefrau auf Teilung des Vorschlags richtet
sich indessen nicht auf bestimmte Vermögenswerte, die zum Vorschlag
gehören. Eine Regelung, wie sie sich in Art. 245 des am 1. Januar 1988 in
Kraft tretenden neuen Ehegüterrechts findet, wonach einem Ehegatten auf
Verlangen neben Wohnung und Hausrat auch andere Vermögenswerte zugeteilt
werden, sofern er ein überwiegendes Interesse nachweist, ist dem noch bis
zum 31. Dezember 1987 geltenden Recht der Gütergemeinschaft fremd. Das
schliesst indessen nicht aus, die Teilung des Vorschlags gemäss Art. 654
in Verbindung mit Art. 651 ZGB vorzunehmen, wenn sich die Ehegatten
selber nicht auf eine Teilung einigen können. Dabei sind die Grundsätze
der Nachlassteilung in Art. 610 ff. ZGB sinngemäss anzuwenden (LEMP,
N. 56 zu Art. 225 ZGB und N. 65 zu Art. 240 ZGB).

    Diese Teilung wird die Vorinstanz noch durchzuführen haben, wenn sie
den Vorschlagsanteil der Klägerin unter Berücksichtigung der Erwägungen
2 bis 4 neu festgesetzt haben wird. Soweit eine körperliche Teilung
nicht möglich ist, was bei Stockwerkeinheiten anzunehmen ist, sind in
Analogie zur Nachlassteilung drei gleichwertige Lose zu bilden, da nach
ehevertraglicher Vereinbarung der Ehefrau im Falle der Scheidung ein
Drittel und dem Ehemann zwei Drittel des Vorschlags zukommen sollen. Dem
Antrag der Klägerin auf Zusprechung von zwei bestimmten Stockwerkeinheiten
kann nicht entsprochen werden, weil dadurch die Losbildung unmöglich
würde. Bei grosszügiger Betrachtungsweise kann ihr Antrag aber in dem
Sinne ausgelegt werden, dass sie damit einfach habe zum Ausdruck bringen
wollen, sie beanspruche einen realen Anteil am Liegenschaftenvermögen,
das zum Gesamtgut gehört. Die Berufung ist daher auch in diesem Punkte
gutzuheissen. Im gesamten ist die Berufung teilweise gutzuheissen, soweit
auf sie eingetreten werden kann, das angefochtene Urteil, ausgenommen
Dispositiv Ziffer 2, ist aufzuheben und die Sache an das Kantonsgericht
zurückzuweisen zur Vornahme der notwendigen Abklärungen und zur neuen
Entscheidung im Sinne der Erwägungen.