Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 II 181



113 II 181

34. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 26. Februar 1987 i.S.
Osmo AG und Linard Casty & Co. AG gegen Justiz- und Polizeidepartement
des Kantons Graubünden (Berufung) Regeste

    Verjährung der Behördenklage gemäss Art. 22 Abs. 1 des BB vom 23. März
1961/21. März 1973 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im
Ausland (BewB).

    Der Straftatbestand von Art. 14 der "Lex von Moos" (in der Fassung
vom 30. September 1965) schliesst die urkundenmässige Täuschung mit
ein. Ist der Wille des Täters allein auf die Falschbeurkundung in einem
Bewilligungsverfahren gemäss BewB gerichtet, so liegt keine Idealkonkurrenz
mit Art. 251 StGB vor. Die Behördenklage nach Art. 22 Abs. 1 BewB verjährt
daher auch im Falle eines solchen Urkundendelikts in fünf und nicht in
zehn Jahren.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Am 29. Mai 1971 hat der damals einzige Verwaltungsrat der Osmo
AG gegenüber dem Grundbuchamt St. Moritz schriftlich bestätigt, dass die
Mehrheit des Gesellschaftskapitals in Händen von Personen mit Wohnsitz in
der Schweiz sei. Strittig ist im vorliegenden Berufungsverfahren einzig,
ob der Osmo AG aufgrund dieser Erklärung ein strafrechtliches Verhalten
zuzurechnen ist, das am 22. Mai 1981 noch nicht verjährt gewesen ist,
als das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons Graubünden die Klage
auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes bzw. auf Anordnung
der öffentlichen Versteigerung des von der Osmo AG erworbenen Eigentums
bzw. Miteigentums eingeleitet hat. Ist eine solche Straftat zu bejahen,
so ist die Behördenklage gemäss Art. 22 Abs. 1 BewB - in der Fassung vom
21. März 1973 (AS 1974 83 ff.), sog. "Lex Furgler" - rechtzeitig erhoben
worden (BGE 111 II 193 f.).

    Die Vorinstanz ist bei ihrem Entscheid davon ausgegangen, dass
die Strafnorm von Art. 14 BewB - in der Fassung vom 30. September 1965
(AS 1965 1239 ff.), sog. "Lex von Moos" - in Idealkonkurrenz zu Art. 251
Ziff. 1 StGB stehe und ein bestimmtes Verhalten daher zugleich nach beiden
Strafbestimmungen geahndet werden könne. Sie bejahte zudem, dass der Osmo
AG eine Falschbeurkundung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 StGB zuzurechnen
sei und verneinte die Verwirkung der Behördenklage.

    a) Art. 14 der "Lex von Moos" bedroht u.a. mit Haft oder Busse, wer
die Bewilligung zu einem bewilligungspflichtigen Erwerb von Grundstücken
durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen erschleicht. In
schweren Fällen ist die Strafe Gefängnis bis zu sechs Monaten oder Busse.

    Es ist unbestritten, dass die vorliegende Klage gestützt auf diese
Strafnorm am 22. Mai 1981 nicht mehr angebracht werden konnte. Denn
die Strafverfolgung verjährt bei diesem Delikt in einem schweren Fall
in fünf Jahren (BGE 102 IV 205 ff. E. 3b). Die Verjährung ist daher
spätestens am 29. Mai 1976 eingetreten, nachdem die fragliche Erklärung
am 29. Mai 1971 abgegeben worden ist. Art. 27 der am 1. Februar 1974 in
Kraft getretenen "Lex Furgler", wonach die Strafverfolgung für Vergehen
erst in zehn Jahren verjährt, vermag daran nichts zu ändern. Art. 337
StGB sieht nämlich ausdrücklich vor, dass das neue Verjährungsrecht nur
dann auf eine unter dem alten Recht begangene Tat zurückwirkt, wenn es
für den Täter das mildere ist (BGE 105 IV 9; 78 IV 129). Diese allgemeine
strafrechtliche Regel ist auf das Nebenstrafrecht sinngemäss anwendbar,
soweit dieses nichts anderes vorsieht.

    b) Gemäss Art. 251 Ziff. 1 StGB macht sich u.a. der Urkundenfälschung
schuldig, wer in der Absicht, sich oder einem andern einen unrechtmässigen
Vorteil zu verschaffen, eine Urkunde fälscht oder verfälscht oder eine
rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet oder beurkunden
lässt. Die Strafe ist Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis. Die
Strafverfolgung verjährt in zehn Jahren (Art. 70 Abs. 2 StGB). Die
vorliegende Klage wäre somit rechtzeitig erhoben worden.

    Es stellt sich daher die Frage, ob diese Strafbestimmung des gemeinen
Strafrechts neben der Sondernorm von Art. 14 BewB Anwendung finden und
ob der Osmo AG eine Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1
StGB zugerechnet werden könne. Zur Beantwortung der ersten Frage ist
vorab zu prüfen, ob sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichts zur
Konkurrenz von Art. 251 StGB mit den Urkundendelikten des Verwaltungs-
und Steuerrechts etwas herleiten lasse.

    aa) Art. 15 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht stellt
diejenige Urkundenfälschung unter Strafe, die in der Absicht begangen
wird, sich oder einem anderen einen nach der Verwaltungsgesetzgebung
des Bundes unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen oder das Gemeinwesen
am Vermögen oder an anderen Rechten zu schädigen. Ebenso wird nach
dieser Bestimmung (u.a.) bestraft, wer durch Täuschung bewirkt, dass
die Verwaltung eine für die Durchführung der Verwaltungsgesetzgebung
des Bundes erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet, oder wer eine so
erschlichene Urkunde zur Täuschung der Verwaltung gebraucht. Mit dieser
Strafnorm hat der Bundesgesetzgeber für die Verwaltungsgesetzgebung
des Bundes eine privilegierende Spezialbestimmung geschaffen und damit
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts das verwaltungsrechtliche
Urkundenstrafrecht - wenigstens soweit das Verwaltungsrecht des Bundes
betroffen ist (BGE 112 IV 23 f.) - dem Anwendungsbereich des Art. 251
StGB entzogen (BGE 108 IV 182 ff.).

    Das Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht findet jedoch
gemäss Art. 1 nur Anwendung, wenn die Verfolgung und Beurteilung
von Widerhandlungen einer Verwaltungsbehörde des Bundes übertragen
ist. Dies trifft für den Bereich des BewB nicht zu. Ebenso ist nicht
zu übersehen, dass es sich beim BewB nach dem Willen des Gesetzgebers
grundsätzlich um einen Nebenerlass zum ZGB, also um Privatrecht und nicht
um Verwaltungsrecht, handelt. So hat sich denn auch das Bundesgericht in
seinem Rückweisungsentscheid vom 11. Juli 1985 (BGE 111 II 186 ff.),
bei dem es um das intertemporale Verhältnis der unterschiedlichen
Verjährungsbestimmungen für die Behördenklage nach der "Lex von Moos"
bzw. der "Lex Furgler" ging, unter anderem von den Regeln des Schlusstitels
zum ZGB leiten lassen. Die Vorinstanz hat daher zu Recht ausgeführt, dass
eine direkte Anwendung des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht
und der dazu entwickelten Rechtsprechung im vorliegenden Fall nicht in
Frage kommt. Dieser Umstand vermag jedoch nichts daran zu ändern, dass
der BewB trotz der vom Gesetzgeber gewollten Zuordnung zum Privatrecht
unverkennbare Züge öffentlichrechtlicher Normsetzung trägt (BGE 111 II
191).Insofern erscheint es nicht zum vornherein als ausgeschlossen,
die Betrachtungsweise des Bundesverwaltungsstrafrechts analogieweise
heranzuziehen.

    bb) Wie das Bundesverwaltungsstrafrecht sieht auch die
Steuergesetzgebung für die Urkundendelikte besondere Strafbestimmungen
vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts werden dabei
Urkundendelikte, die ausschliesslich die ungerechtfertigte Herabsetzung
der Steuerschuld bezwecken, nur von den privilegierenden Spezialnormen des
Fiskalstrafrechts erfasst. Idealkonkurrenz zu Art. 251 StGB liegt gemäss
der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts nur dann vor, wenn der Täter
mit der Fälschung oder Falschbeurkundung nicht nur einen steuerlichen
Vorteil erstrebt, sondern auch einen weiteren strafbaren Erfolg im nicht
fiskalischen Bereich beabsichtigt oder wenigstens in Kauf nimmt (BGE 108
IV 31 f. und 181).

    Diese Betrachtungsweise, die je nach der Absicht des Täters eine
echte Gesetzeskonkurrenz bejaht oder ausschliesst, ist ohne weiteres auf
den Bereich des BewB übertragbar. Wie das Steuerstrafrecht geht auch
der BewB vorerst einmal von einer Privilegierung des Urkundendelikts
aus. Der gesetzgeberische Grund für eine mildere Strafandrohung
kann bei allen Spezialbestimmungen über täuschendes Verhalten in
einem Verwaltungsverfahren darin gesehen werden, dass der Täter einer
hoheitlich handelnden, mit besonderen Kompetenzen ausgestatteten Behörde
gegenübersteht (BGE 110 IV 28 f.). Dies trifft auch für den BewB zu. Dass
die Osmo AG im vorliegenden Fall - im Unterschied etwa zum Abgaberecht - in
dem Sinne nicht von Gesetzes wegen dem betreffenden Verfahren unterworfen
war, als sie mit der fraglichen Erklärung über die Staatsangehörigkeit
ihrer Aktionäre verhindern konnte, dass ein Bewilligungsverfahren überhaupt
in Gang kam, begründet keinen wesentlichen Unterschied. Entgegen der
Auffassung der Vorinstanz kann es auch nicht darauf ankommen, dass sich dem
Wortlaut und den Materialien nicht ausdrücklich der Wille entnehmen lässt,
die Urkundendelikte im Bereiche des BewB gegenüber dem gemeinrechtlichen
Strafrecht bevorzugt zu behandeln. Dieser Privilegierungswille des
Gesetzgebers kommt durch die blosse Tatsache, dass im Zusammenhang mit
einem behördlichen Verfahren ein Spezialtatbestand für Urkundendelikte
begründet worden ist, hinreichend zum Ausdruck.

    Entgegen der Auffassung der Vorinstanz lässt sich auch aus BGE 96
IV 164 ff. E. 3 nichts für das Vorliegen einer Idealkonkurrenz zwischen
Art. 14 der "Lex von Moos" und Art. 251 StGB herleiten. Im Unterschied zu
jenem Fall hat der Verwaltungsratspräsident der Osmo AG im Zusammenhang mit
einem Bewilligungsverfahren allenfalls eine falsche Bestätigung abgegeben,
hingegen keine weiteren täuschenden Mittel eingesetzt, so dass es an
vergleichbaren Voraussetzungen fehlt.

    Entscheidend wirkt sich neben der Privilegierungsabsicht des
Gesetzgebers vielmehr aus, dass Art. 14 der "Lex von Moos" (in der
Fassung vom 30. September 1965) auch die urkundenmässige Täuschung
miteinschliesst. Wie das Bundesgericht in BGE 102 IV 204 f. E. 3a
festgehalten hat, zeichnet sich der schwere Fall von Art. 14 Abs. 2
BewB u.a. durch die besonderen und umfassenden Machenschaften aus,
die zur Täuschung ins Werk gesetzt werden ("dalla qualità dell'agente,
dalla complessità delle machinazioni messe in opera per violare il decreto
federale"). Hierunter fällt auch die Verwendung einer inhaltlich unwahren
Urkunde. Art. 14 BewB erfasst demzufolge den gesamten Unrechtsgehalt der
Tat, wenn in einem Bewilligungsverfahren für den Erwerb von Grundstücken
durch Personen im Ausland eine inhaltlich falsche Urkunde verwendet
wird. Für eine zusätzliche Anwendung von Art. 251 Ziff. 1 StGB bleibt
daher kein Raum.

    cc) Es ergibt sich somit, dass die fragliche Erklärung des
Verwaltungsratspräsidenten der Osmo AG vom 29. Mai 1971 einzig nach Art. 14
der "Lex von Moos" strafbar ist. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass
der Grundstückkauf in der Folge ins Grundbuch eingetragen worden ist. Denn
nicht eine Urkundenfälschung gegenüber dem Grundbuchverwalter hat zu
dieser Eintragung geführt, sondern allein der Umstand, dass aufgrund
der allenfalls falschen Bestätigung des Verwaltungsratspräsidenten
von einem Bewilligungsverfahren abgesehen worden ist. Die Klage des
Justiz- und Polizeidepartements auf Wiederherstellung des ursprünglichen
Zustandes bzw. öffentliche Versteigerung des von der Osmo AG erworbenen
Grundeigentums gemäss Art. 22 Abs. 2 der "Lex Furgler" ist danach in fünf
Jahren verjährt. Eine andere Strafbestimmung, die zu einer Verlängerung der
Fünfjahresfrist führen könnte, ist nicht ersichtlich. Die Klage des Justiz-
und Polizeidepartements des Kantons Graubünden ist deshalb abzuweisen.

    Damit erübrigt es sich zu klären, ob im vorliegenden Fall überhaupt
eine Falschbeurkundung im Sinne des Strafrechts vorliegt.

    c) Der Kassationshof des Bundesgerichts hat dieser Auffassung im
Verfahren nach Art. 16 OG zugestimmt.