Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 II 100



113 II 100

18. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. März 1987 i.S. X.
gegen X. (Berufung) Regeste

    Ehetrennungsprozess eines italienischen Ehepaares (Art. 7h und 7i NAG).

    1. Das Abkommen vom 3. Januar 1933 zwischen der Schweiz und Italien
über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen (SR
0.276.194.541) ist kein Gerichtsstandsvertrag; es kommt vielmehr nur zum
Tragen, wenn es darum geht, ob ein im andern Vertragsstaat ergangenes
Urteil vollstreckt werden könne (Erw. 2).

    2. Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte bei einem
Ehetrennungsprozess italienischer Ehegatten, die im Zeitpunkt der Anhebung
der Klage beide in der Schweiz wohnten (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Am 24. November 1980 machte A. X., die ursprünglich Spanierin
gewesen war, durch die Heirat mit dem Italiener B. X. dann aber dessen
Staatsangehörigkeit erworben hatte, beim Bezirksgericht Zürich eine Klage
auf Ehetrennung anhängig. Der Beklagte leitete am 28. November 1980, als
auch er noch in der Schweiz wohnte, in Gorizia (Italien) seinerseits einen
Ehetrennungsprozess ein. Später zog er dann nach Italien. In Abweisung der
von der Klägerin erhobenen Einrede der Rechtshängigkeit sprach das Gericht
von Gorizia am 26. Januar 1984 die Ehetrennung aus, und dieses Urteil wurde
am 1. Februar 1985 durch das Appellationsgericht von Triest bestätigt.

    Mit Urteil vom 27. August 1985 erkannte das Bezirksgericht Zürich
(4. Abteilung) seinerseits, dass die Ehe der Parteien in Anwendung der
Art. 142, 146 und 147 ZGB sowie des Art. 151 des Codice civile italiano
auf unbestimmte Zeit getrennt werde. Gegen diesen Entscheid reichte der
Beklagte eine kantonalrechtliche Berufung ein, wobei er die Einrede der
abgeurteilten Sache erhob. Am 26. Juni 1986 beschloss das Obergericht
(I. Zivilkammer) des Kantons Zürich, dass die vom Beklagten erhobene
Einrede und demgemäss sein Antrag auf Abweisung der Klage, allenfalls
Nichteintreten auf diese, abgewiesen würden.

    Die vom Beklagten hiergegen erhobene Berufung weist das Bundesgericht
ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Parteien und Obergericht haben das Wesen und die Tragweite
des Abkommens vom 3. Januar 1933 zwischen der Schweiz und Italien
über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen
(SR 0.276.194.541) verkannt. Im Gegensatz etwa zum Vertrag zwischen
der Schweiz und Frankreich vom 15. Juni 1869 über den Gerichtsstand und
die Vollziehung von Urteilen in Zivilsachen (SR 0.276.193.491) ist das
erwähnte schweizerisch-italienische Abkommen kein Gerichtsstandsvertrag,
der die Gerichtsbarkeit der Vertragsstaaten gegeneinander abgrenzt mit
der Folge, dass seine Vorschriften über die Zuständigkeit der Gerichte
die internen Bestimmungen jedes Vertragsstaates ersetzen würden und
daher vom urteilenden Richter im Erkenntnisverfahren berücksichtigt
werden müssten. Italien und die Schweiz bleiben frei, den Gerichtsstand
nach ihrem Belieben zu ordnen, und ihre Gerichte entscheiden nach dem
internen Recht, nicht nach Staatsvertrag, über ihre Zuständigkeit. Die
im Abkommen enthaltenen Bestimmungen über die Zuständigkeit erlangen
erst Bedeutung, wenn darüber zu befinden ist, ob ein bereits ergangenes
Urteil im andern Vertragsstaat vollstreckt werden könne (vgl. BGE 94 II
294 f. E. 2 mit Hinweisen; für das schweizerisch-italienische Abkommen
vgl. zudem ausdrücklich BGE 88 II 10 oben E. 3 und 84 II 63 E. bb).
Der schweizerisch-italienische Vertrag lässt sich somit etwa vergleichen
mit dem schweizerisch-deutschen Abkommen vom 2. November 1929 über die
gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen
und Schiedssprüchen (SR 0.276.191.361; dazu der bereits angeführte BGE 94
II 292 ff.) sowie mit dem Haager Übereinkommen vom 15. April 1958 über
die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der
Unterhaltspflicht gegenüber Kindern (SR 0.211.221.432; dazu BGE 95 II
304 f. E. 5).

Erwägung 3

    3.- Die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte zur Beurteilung
von Ehetrennungsklagen italienischer Ehegatten, die in der Schweiz wohnen,
ist längst anerkannt (vgl. BGE 73 II 137 ff.; dazu BGE 110 II 105 E. b mit
Hinweis betreffend die Ehescheidung). Der Beklagte hat denn übrigens selbst
nicht geltend gemacht, die Zürcher Instanzen seien zur Beurteilung der
von der Klägerin eingeleiteten Klage nicht zuständig; vor Bezirksgericht
hat er im Gegenteil sogar eine Widerklage eingereicht. Der Beklagte hat
andererseits zu Recht davon abgesehen, unter Berufung auf den von ihm in
Italien eingeleiteten Prozess im zürcherischen Verfahren die Einrede der
Rechtshängigkeit zu erheben; einer solchen Einrede hätte in der Tat kein
Erfolg beschieden sein können, ist doch die beim Bezirksgericht Zürich
eingereichte Klage eindeutig die Vorklage.

Erwägung 4

    4.- Aus dem Gesagten erhellt, dass die vom Beklagten unter Hinweis auf
das in Rechtskraft erwachsene Urteil des Appellationsgerichts von Triest
vom 1. Februar 1985 im kantonalen Berufungsverfahren erhobene Einrede der
abgeurteilten Sache beim gegenwärtigen Stand der Dinge ins Leere stösst.
Sie könnte nur in einem allfälligen Vollstreckungsverfahren zum Tragen
kommen, in welchem darüber zu befinden wäre, ob das italienische Urteil
in der Schweiz bzw. das schweizerische Urteil in Italien anzuerkennen und
zu vollstrecken sei. Steht die beklagtische Einrede der Trennungsklage
der Klägerin demnach nicht entgegen, ist die Berufung abzuweisen, was im
Ergebnis zur Bestätigung des obergerichtlichen Beschlusses führt.