Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 III 148



113 III 148

34. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 17.
September 1987 i.S. L. (Rekurs) Regeste

    1. Prüfungsbefugnis der Aufsichtsbehörden.

    Die Frage, ob innerhalb der Masseverbindlichkeiten eine Rangfolge
besteht, ist von den Aufsichtsbehörden über Schuldbetreibung und Konkurs zu
prüfen, nicht aber, ob eine bestimmte Forderung als Masseverbindlichkeit zu
betrachten oder zu kollozieren ist (E. 1; Bestätigung der Rechtsprechung).

    2. Analoge Anwendung konkursrechtlicher Grundsätze auf den
Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung (Art. 262 Abs. 1 und Art. 316 c
Abs. 2 SchKG).

    Für die Beantwortung der Frage, ob beim Nachlassvertrag mit
Vermögensabtretung die Honorarforderung des Sachwalters (gegebenenfalls)
gleichrangig neben den anderen Masseverbindlichkeiten steht, sind die
im Konkurs für die Gebühren der Konkursverwaltung geltenden Grundsätze
analog anzuwenden (E. 2).

    3. Berücksichtigung des Sachwalterhonorars an letzter Stelle.

    Soweit das Sachwalterhonorar überhaupt als Masseverbindlichkeit zu
betrachten ist, ist es innerhalb dieser Verbindlichkeiten an letzter
Stelle zu berücksichtigen (E. 3).

Auszug aus den Erwägungen:

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der angefochtene Entscheid geht davon aus, dass es sich bei der
Honorarforderung des Sachwalters im Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung
um eine Masseverbindlichkeit handelt.

    Diese Frage ist kontrovers (BGE 105 III 25, mit zahlreichen
Hinweisen). Sie ist indessen nicht von den Aufsichtsbehörden über
Schuldbetreibung und Konkurs, sondern vom Sachrichter zu entscheiden(BGE
111 Ia 89 E. 2a; 107 Ib 304 f.; 106 III 121 f.; anders noch BGE 59 III
21 f.).

    Im vorliegenden Verfahren ist diese Frage nicht umstritten. Bestritten
ist einzig, ob die Honorarforderung des Sachwalters gleichrangig neben
den anderen Masseverbindlichkeiten stehe oder nicht. Die Entscheidung
über eine allfällige Rangfolge der Masseverbindlichkeiten steht den
Aufsichtsbehörden über Schuldbetreibung und Konkurs zu (BGE 59 III 171; 58
III 42 f.; 56 III 181; 50 III 73). Hierüber kann im vorliegenden Verfahren
somit ohne weiteres befunden werden, soweit sich ergeben sollte, dass die
Honorarforderung des Sachwalters den übrigen Masseschulden nachgeht. Denn
insoweit wird die nicht den Aufsichtsbehörden zur Entscheidung zustehende
Frage, ob die Honorarforderung überhaupt zu den Masseverbindlichkeiten
gehört, nicht betroffen.

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 262 Abs. 1 SchKG werden sämtliche aus der Eröffnung
und Durchführung des Konkurses erwachsenen Kosten vorab gedeckt.

    Diese Regel ist auch auf den Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung
anzuwenden. Zwar hat das Bundesgericht wiederholt festgehalten, dass
konkursrechtliche Grundsätze im Nachlassverfahren mit Vermögensabtretung
nicht unbesehen sinngemäss angewendet werden dürften, sondern in jedem
Fall geprüft werden müsse, ob und inwieweit sich die entsprechende
Anwendung rechtfertige (BGE 102 III 36). Bezüglich der Massekosten ist die
Interessenlage indessen für alle Beteiligten dieselbe, gleichgültig ob es
sich um einen Konkurs oder einen Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung
handelt. Das Nachlassvertragsrecht enthält in Art. 316c Abs. 2
SchKG zudem die Vorschrift, dass die während der Nachlassstundung
mit Zustimmung des Sachwalters eingegangenen Verbindlichkeiten
Masseverbindlichkeiten sind. Diese Vorschrift setzt stillschweigend
voraus, dass die Masseverbindlichkeiten auch beim Nachlassverfahren mit
Vermögensabtretung gesondert behandelt werden. Es ist daher offenkundig,
dass Art. 262 Abs. 1 SchKG auf den Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung
sinngemäss anzuwenden ist.

    Ebenso sind im speziellen die für die Kosten der Konkursverwaltung
geltenden Regeln auf die Honorarforderung des Sachwalters anzuwenden. Der
Sachwalter wird von der Nachlassbehörde bestellt (Art. 295 Abs. 1 SchKG)
und erfüllt eine ihm vom öffentlichen Recht auferlegte Pflicht. Er ist
weder Vertreter der Gläubiger noch des Schuldners und steht zu keiner der
Parteien in einem privatrechtlichen Verhältnis (FRITZSCHE, Schuldbetreibung
und Konkurs, 2. Aufl., Bd. II S. 314). Im weiteren wird sein Entgelt von
der Nachlassbehörde pauschal festgesetzt (Art. 66 Abs. 2 GebTSchKG). Seine
Stellung ist demnach vergleichbar mit derjenigen der Konkursverwaltung
(JAEGER, Schuldbetreibung und Konkurs, N 4 zu Art. 295 SchKG). Dass er
unter Umständen das Unternehmen des Schuldners im Interesse der Gläubiger
in gewissem Umfang weiterführen muss (vgl. BGE 85 III 208), vermag daran
nichts zu ändern.

Erwägung 3

    3.- Art. 262 Abs. 1 SchKG verlangt grundsätzlich eine Gleichbehandlung
aller Massegläubiger. So ist es den Kantonen beispielsweise verwehrt, für
ihre Steuerforderungen eine im Gesetz nicht vorgesehene Vorzugsbehandlung
gegenüber anderen Masseschulden vorzusehen (BGE 111 Ia 90 f.).

    a) Für die Auslagen und Gebühren des Konkursamtes und der
Konkursverwaltung hat die Rechtsprechung jedoch eine Ausnahme
gemacht. Reicht das vorhandene Vermögen nicht einmal zur Deckung sämtlicher
Masseverbindlichkeiten aus, so sind in erster Linie die Auslagen des
Konkursamtes und der Konkursverwaltung zu begleichen. Hernach kommen die
übrigen Masseverbindlichkeiten an die Reihe, mit Ausnahme der Gebühren
des Konkursamtes und der Konkursverwaltung, die erst in letzter Linie
zu berücksichtigen sind (BGE 59 III 171; 58 III 42 f.; 56 III 185 f.;
50 III 73 ff.; JAEGER, N 3 zu Art. 262 SchKG).

    b) AMONN (Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, N 2 zu
§ 48) geht allerdings nicht von einer Dreiteilung in der Rangfolge der
Masseverbindlichkeiten aus. Dieser Autor zählt die Auslagen zusammen mit
den Gebühren zu den Massekosten, die gegenüber den während des Konkurses
zulasten der Masse entstandenen Schulden (den sogenannten Masseschulden)
zurückzutreten haben. Für diese Schlechterstellung der Auslagen führt
AMONN keine nähere Begründung an, sondern weist einzig auf BGE 106 III
123 hin. In der Tat hat das Bundesgericht dort sinngemäss ausgeführt,
zuerst seien die Forderungen gegen die Masse und erst dann die Kosten ("les
frais") zu berücksichtigen. Damit wollte das Bundesgericht indessen nicht
von der bisherigen Rechtsprechung abweichen. In jenem Fall war nicht über
die Reihenfolge innerhalb der Masseverbindlichkeiten zu entscheiden. Es
genügte die Feststellung, dass alle Kosten (Gebühren und Auslagen) vor
der Befriedigung der Gläubiger des Gemeinschuldners zu berücksichtigen
seien, so dass ganz allgemein von einem vorgängigen Begleichen dieser
"Kosten" gesprochen werden konnte. Die Feststellung von JAEGER (N 3
zu Art. 262 SchKG), wonach die Gebühren erst am Schluss des Verfahrens
festgestellt und bezogen werden, während die Auslagen in der Regel sofort
bezahlt werden müssen, hat nichts von ihrer Richtigkeit verloren. Die
Auslagen sind somit im Unterschied zu den Gebühren nach wie vor auch dann
vorweg zu berücksichtigen, wenn für sie ausnahmsweise erst nachträglich
abgerechnet wird.

    Diese Lösung entspricht dem Sinn des Gesetzes. Dieses geht an sich
davon aus, dass für die Deckung der Masseschulden und der Massekosten
jeweils genügend Mittel vorhanden sind, weshalb diese von der Kollokation
ausgenommen werden können (BGE 56 III 185 f.). Es setzt zudem voraus,
dass die Konkursverwaltung (bzw. der Sachwalter) im Sinne einer
ordentlichen Geschäftsführung keine Schulden begründet, für die keine
Deckung vorhanden ist (BGE 56 III 186; 58 III 43 f.). Dies gilt auch für
die eigene Honorarforderung. Der Sachwalter kann jederzeit seine weitere
Tätigkeit von der Leistung hinreichender Vorschüsse abhängig machen und
hat es mithin in der Hand, dafür zu sorgen, dass er persönlich für seine
Tätigkeit nicht unbezahlt bleibt. Ein solches Verhalten entspricht der ihm
zumutbaren Vorsichtspflicht (BGE 105 III 26; 100 III 34 f.). Diesbezüglich
besteht entgegen der Auffassung des Rekurrenten kein Grund, danach
zu unterscheiden, ob während der Nachlassstundung ein Prozent- oder
vorliegenden Fall ein Liquidationsvergleich angestrebt worden ist.

    c) Angesichts der Vorzugsstellung des Sachwalters, selber dafür
sorgen zu können, dass er keine unbezahlte Arbeit leistet, besteht kein
Anlass, seine Honorarforderung innerhalb der Masseverbindlichkeiten
besser zu stellen als bis anhin. In der älteren Lehre hat zwar DOKA
(Der Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung, in: ZSR 45/1926, S. 180) zu
bedenken gegeben, dass ohne Sicherheit für die Bezahlung der Arbeit kaum
mehr Privatpersonen zur Liquidation herangezogen werden könnten. Dem
ist jedoch entgegenzuhalten, dass eine Gleichstellung der Gebühren
bzw. der Honorarforderung des Sachwalters mit den Masseschulden einen
weniger pflichtbewussten Sachwalter zu unüberlegten Rechtsgeschäften
und unverhältnismässig hoher Gebührenrechnung veranlassen könnte (BÖNI,
Die Masseverbindlichkeiten im Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung,
Diss. Freiburg 1959, S. 74; vgl. auch PICCARD, Analoge Anwendung
konkursrechtlicher Grundsätze auf den "Nachlassvertrag mit
Vermögensabtretung", ZSR 35/1916, S. 46). Das Interesse einer sorgfältigen
Vermögensverwaltung und -verwertung geht hier vor, zumal dem Einwand von
DOKA, es könnten sonst kaum mehr Private zur Liquidation herangezogen
werden, durch die Möglichkeit der Bevorschussung weitgehend der Boden
entzogen ist.

    Es ist zwar nicht zu bestreiten, dass es insbesondere für die
Gläubiger mit Nachteilen verbunden sein kann, wenn der Sachwalter
seine weitere Tätigkeit von der Leistung von Kostenvorschüssen abhängig
machen kann. Es gehört jedoch gerade zu den Aufgaben des Sachwalters
festzustellen, ob die vorgefundenen Vermögenswerte zur Deckung der
ordentlichen Masseverbindlichkeiten ausreichen. Ist dies nicht der Fall,
hat er jede weitere Rechtshandlung, welche die Masse belasten würde,
zu unterlassen. Die Folge wird unter diesen Umständen normalerweise die
Durchführung eines Betreibungs- oder Konkursverfahrens sein (BÖNI, aaO,
S. 71).

Entscheid:

    Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.