Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 III 132



113 III 132

30. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
vom 1. Oktober 1987 i.S. Sch. und 10 Mitbeteiligte (Rekurs) Regeste

    Vormerkung streitiger Forderungen im Kollokationsplan (Art.
63 Abs. 1 KOV).

    Die Rechtshängigkeit ist nicht ausschlaggebendes Kriterium zur
Beurteilung der Frage, ob eine Sache Gegenstand eines Prozesses im Sinne
von Art. 63 Abs. 1 KOV bildet.

Sachverhalt

    A.- Die Rekurrenten haben sich Verantwortlichkeitsansprüche gegen
die Organe der B. AG in Liquidation nach Massgabe von Art. 316l und 260
SchKG abtreten lassen und diese in der konkursamtlichen Liquidation des
Nachlasses des 1976 in Euthal SZ verstorbenen H. geltend gemacht. Mit
Eingabe vom 4. Dezember 1986 verlangten sie von dem die konkursamtliche
Nachlassliquidation durchführenden Konkursamt Einsiedeln, es sei ihre
streitige Forderung pro memoria im Kollokationsplan vorzumerken (Art. 63
Abs. 1 KOV). Das Konkursamt Einsiedeln lehnte indessen dieses Begehren
mit Verfügung vom 4. Februar 1987 ab.

    Die gegen diese Verfügung gerichtete Beschwerde wies der
Gerichtspräsident des Bezirkes Einsiedeln am 8. Mai 1987 mit der Begründung
ab, die geltend gemachte Forderung sei im Zeitpunkt der Konkurseröffnung
(11. September 1986) nicht Gegenstand eines Prozesses im Sinne von
Art. 63 Abs. 1 KOV gewesen und es mangle an der Identität der Parteien
auf beklagtischer Seite im Prozess vor dem Richteramt Dorneck-Thierstein
einerseits und im Kollokationsprozess anderseits.

    Gegen diesen Entscheid der unteren Aufsichtsbehörde in
Schuldbetreibungs- und Konkurssachen gelangten die Rekurrenten an das
Kantonsgericht des Kantons Schwyz, welches ihre Beschwerde mit Beschluss
vom 3. August 1987 abwies.

    Gegen diesen Beschluss wurde Rekurs an die Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer des Bundesgerichts erhoben.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Vor Konkurseröffnung, nämlich am 13. März 1986, haben die
Rekurrenten beim Richteramt Dorneck-Thierstein ein Sühnebegehren gestellt,
worauf am 20. Juni 1986 die Sühneverhandlung stattfand. Im folgenden ist
daher nur noch die Frage zu beantworten, ob daraus geschlossen werden
könne, die streitige Forderung, welche die Rekurrenten pro memoria
im Kollokationsplan vorgemerkt haben wollen, habe im Zeitpunkt der
Konkurseröffnung bereits Gegenstand eines Prozesses gebildet.

Erwägung 4

    4.- b) Das Kantonsgericht des Kantons Schwyz hat im angefochtenen
Entscheid nicht verkannt, dass nach solothurnischem Zivilprozessrecht
der Prozess gegen die Erben des H. rechtshängig gemacht worden ist (§ 56
Abs. 2 ZPO). Es hat indessen unter Hinweis auf BGE 54 III 164 festgehalten,
dass nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung die Rechtshängigkeit nicht
ausschlaggebendes Kriterium zur Beurteilung der Frage sei, ob eine Sache
Gegenstand eines Prozesses im Sinne von Art. 63 Abs. 1 KOV bilde.

    In der Tat hat das Bundesgericht im zitierten Urteil erklärt, der
Zweck von Art. 63 KOV bestehe unverkennbar darin, um des Gewinnes an Zeit
und Geld willen den Konkursgläubigern zu ersparen, im Anschluss an die
Auflegung des Kollokationsplanes einen bereits teilweise instruierten
Prozess von neuem anzufangen. Diesem Zweck würde es nicht dienen,
wenn Art. 63 KOV auch auf ein Verfahren angewendet würde, das sich auf
die Durchführung des Sühneverfahrens beschränkt hat. Nicht nur müsse
nach vielen kantonalen Prozessrechten der gerichtlichen Anfechtung des
Kollokationsplanes kein Sühneversuch vorangehen, so dass mit der bereits
erfolgten Durchführung des Sühneverfahrens nichts gewonnen sei, sondern
anstatt dem für die Anfechtung des Kollokationsplanes vorgeschriebenen
beschleunigten Verfahren würde - von seltenen Ausnahmen abgesehen - das
ordentliche Verfahren Platz greifen, und zwar für die ganze Instruktion
des Prozesses, ohne irgendwelchen Ausgleich dadurch, dass die Instruktion
zum Teil schon stattgefunden hätte und insoweit nicht mehr durchgeführt
werden müsste.

    Die Instruktion des Prozesses, hat das Kantonsgericht des Kantons
Schwyz sodann ausgeführt, beginne frühestens mit dem Sammeln des
Prozessstoffes und mit dem Bereitstellen der Beweismittel (KUMMER,
Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Auflage 1984, S. 173). Somit könne
frühestens die Klagebegründung, in der die Forderung substantiiert werde
und die Beweismittel bezeichnet würden, als Beginn der Instruktion
eines Prozesses angesehen werden, nicht dagegen die Durchführung
einer Sühneverhandlung, die einzig den Kläger von der Durchführung
eines offensichtlich unbegründeten Prozesses und den Beklagten von der
Bestreitung einer offensichtlich begründeten Klage abhalten solle und
allenfalls den Abschluss eines Vergleiches ermögliche (§ 135 Abs. 2 ZPO;
GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Auflage 1979, S. 419 f.).

    Das als untere kantonale Aufsichtsbehörde entscheidende Bezirksgericht
Einsiedeln hatte seinerseits noch ausgeführt, wenn unter dem Ausdruck
"Gegenstand eines Prozesses bilden" von Art. 63 Abs. 1 KOV Rechtshängigkeit
nach kantonalem Recht verstanden werden müsste, so hätte unzweifelhaft
der Begriff der Rechtshängigkeit oder jener der Klageanhebung Eingang in
der Verordnung gefunden. Doch habe man offensichtlich eine einheitliche
bundesrechtliche Regelung der Frage gewollt, wann eine streitige Forderung
zu kollozieren, wann sie abzuweisen und wann sie lediglich pro memoria
im Kollokationsplan vorzumerken sei. Sodann hat die untere kantonale
Aufsichtsbehörde darauf hingewiesen, dass die Rekurrenten mit ihrer
Eingabe vom 13. März 1986 nicht einmal ein Rechtsbegehren gestellt hätten,
sondern dass diese lediglich eine Parteibezeichnung, die Klagegründe und
die Bezeichnung des zuständigen Gerichts enthalten habe - was in der Tat
im Hinblick auf Art. 63 Abs. 1 KOV als ungenügend erscheint, muss doch
auch eine lediglich pro memoria vorzumerkende Forderung dem Betrag nach
bestimmt sein (BGE 112 III 40 E. 4b).

    c) Die Rekurrenten vermögen keine Gründe darzutun, die eine
Abweichung von der Rechtsprechung nahelegen würden, auf welche sich der
vorinstanzliche Entscheid stützt. Insbesondere hält ihr Vorbringen,
Art. 761 OR sei verletzt, nicht stich. Diese Bestimmung sieht einen
(fakultativen) Gerichtsstand für Verantwortlichkeitsklagen am Sitz
der Gesellschaft vor, wo die Rekurrenten denn auch geklagt haben, ohne
dass ihnen die Befugnis hiefür abgesprochen worden wäre. Es ist nichts
Aussergewöhnliches, dass ein aktienrechtlicher Verantwortlichkeitsprozess
an einem anderen Gerichtsstand geführt wird als eine damit im Zusammenhang
stehende Kollokationsklage. Zur Diskussion stand einzig - wie ausgeführt -
die Frage, ob mit Rücksicht auf die Prozesshandlungen der Rekurrenten vor
dem Richteramt Dorneck-Thierstein behauptet werden könne, die streitige
Forderung bilde Gegenstand eines Prozesses im Sinne von Art. 63 Abs. 1
KOV. Das hat die Vorinstanz in bundesrechtskonformer Weise verneint,
ohne dabei - wie die Rekurrenten ausführen - Art. 761 OR aus den Angeln zu
heben. Im übrigen hätte sich die Frage gestellt, ob die von den Rekurrenten
erst vor Bundesgericht geltend gemachte Rüge der Verletzung von Art. 761 OR
unter dem Gesichtswinkel des Novenverbots von Art. 79 Abs. 1 OG überhaupt
zulässig gewesen wäre.

    Nachdem sich ergeben hatte, dass die streitige Forderung nicht
Gegenstand eines Prozesses im Sinne von Art. 63 Abs. 1 KOV bildet und
deshalb im Kollokationsplan nicht pro memoria vorgemerkt werden kann, hat
das Kantonsgericht des Kantons Schwyz auch zu Recht von der Prüfung der
Frage abgesehen, ob die vor dem Richteramt Dorneck-Thierstein geltend
gemachte Forderung identisch sei mit der Forderung, für welche vom
Konkursamt Einsiedeln die Vormerkung pro memoria verlangt worden ist.