Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 III 123



113 III 123

28. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
vom 26. Oktober 1987 i.S. C-AG (Rekurs) Regeste

    Wechselbetreibung; Prüfung der Voraussetzungen durch das Betreibungsamt
(Art. 177 und 178 Abs. 1 SchKG).

    Das Betreibungsamt, dem mit dem Begehren um Wechselbetreibung ein Check
vorgelegt wird, darf die Zustellung des Zahlungsbefehls nur ablehnen,
wenn es dem vorgelegten Titel klar und offensichtlich an formellen
Erfordernissen gebricht.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Die Rekurrentin wirft dem Zivilgericht des Kantons Glarus vor,
es beurteile in Verletzung von Art. 178 SchKG die Überprüfungsbefugnis
des Betreibungsamtes unzutreffend. Da es um die Überprüfung der
Gültigkeit des Titels gehe, müsse das Betreibungsamt nicht nur prüfen,
ob der Titel den Erfordernissen von Art. 1100 f. OR genüge, sondern
auch, ob die Vorlegungsfrist gewahrt und die Nichthonorierung des
Papiers korrekt festgestellt sei. Titel und Protest - welchem die
Feststellung der Nichtzahlung gleichgestellt sei - bildeten ein Ganzes
und seien deshalb als Gesamtheit zu überprüfen. Wie leicht die Prüfung
der Präsentationsfrist möglich sei, beweise die Vernehmlassung des
Betreibungsamtes Glarus-Riedern, das zugestanden habe, dass die unbenützt
verstrichene Vorlegungsfrist von ihm übersehen worden sei, und deshalb
im kantonalen Verfahren die Gutheissung der Beschwerde beantragt habe.

    Zur Begründung ihrer Auffassung, dass Titel und Protest
(bzw. Feststellung der Nichtzahlung im Sinne von Art. 1128 Ziff. 2
OR) eine Gesamtheit von Erfordernissen bildeten, deren Vorhandensein
vom Betreibungsamt vor der Ausstellung eines Zahlungsbefehls für die
Wechselbetreibung zu prüfen sei, beruft sich die Rekurrentin insbesondere
auf BGE 111 III 33 ff. (Pra. 74/1985, Nr. 158). Doch wird die Meinung der
Rekurrentin durch diesen Bundesgerichtsentscheid nicht gestützt. Dort
war nämlich umstritten, ob die dem Betreibungsamt vorgelegte Urkunde
aufgrund ihres Wortlauts als gezogener Wechsel betrachtet werden könne. Die
betriebene Wechselschuldnerin behauptete, die auf dem Wechsel genannte SKA
Morges sei nur Zahlungsort, während die kantonale Aufsichtsbehörde und die
Gläubiger sich auf den Standpunkt stellten, bei der Bank handle es sich
um das Institut, das zahlen soll (also die Bezogene). Die Streitfrage
konnte durch Heranziehung des Protestes beantwortet werden, da sich aus
ihm ergab, dass Bezogener und Aussteller die gleichen Personen waren,
während die SKA Morges blosser Zahlungsort war. Nur im Hinblick auf die
Auslegung des Wechsels stellte also das Bundesgericht fest, dass der
Wechsel und der Protest ein Ganzes bildeten, "das beim Entscheid darüber,
ob der Titel bei erster Betrachtung eine Wechselbetreibung erlaube, in
seiner Gesamtheit zu würdigen ist". Aus dieser Aussage lässt sich nicht
ableiten, dass das Betreibungsamt in jedem Fall auch den Protest oder -
wie die Rekurrentin es hier sehen will - die Feststellung der Nichtzahlung
im Sinne von Art. 1128 Ziff. 2 OR zu prüfen habe. Es geht im vorliegenden
Fall denn auch nicht darum, den von der Rekurrentin ausgestellten Check
in irgendeiner Weise (mittels der Feststellung der Nichtzahlung, an der
es ja nach den Ausführungen der Rekurrentin gerade gebricht) auszulegen.

Erwägung 4

    4.- a) Mit ihrem wesentlichen Vorbringen ruft die Rekurrentin
Art. 1052 Abs. 1 OR an, wonach der zum Schaden des Wechselinhabers
ungerechtfertigt bereicherte Aussteller eines Wechsels und der Annehmer
dem Wechselinhaber verpflichtet bleiben, auch wenn ihre wechselmässige
Verbindlichkeit durch Verjährung oder wegen Unterlassung der zur Erhaltung
des Wechselanspruchs gesetzlich vorgeschriebenen Handlungen erloschen
ist. Sollte im vorliegenden Fall, wo der Check nicht innert der Frist
von Art. 1116 Abs. 1 OR vorgelegt worden sei und auch die von Art. 1128
OR geforderten Handlungen zur Erhaltung des Wechselanspruchs, das heisst:
des Anspruchs aus dem von der Rekurrentin ausgestellten Check, unterblieben
seien, allenfalls noch ein Bereicherungsanspruch bestehen - argumentiert
die Rekurrentin -, so wäre dieser auf dem ordentlichen Zivilweg geltend zu
machen. Diesfalls aber fehle es an einer wechselmässigen Verpflichtung
der Schuldnerin, was das Betreibungsamt nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichts hätte feststellen müssen und ihm hier nicht gestattet hätte,
dem Begehren auf Wechselbetreibung stattzugeben (BGE 111 III 35 E. 1,
insbesondere lit. c; mit Hinweis auf das Kreisschreiben Nr. 23 des EJPD
vom 3. September 1985, BBl 1911 IV 41 und WALDER, SchKG, 11. Auflage,
(recte) S. 468 ff.).

    b) Ob nur noch ein auf Art. 1052 Art. 1 OR gestützter
Bereicherungsanspruch gegenüber der Rekurrentin bestehe, die
unbestrittenermassen am 1. Juli 1987 den Check auf die United Mizrahi
Bank (Switzerland) ausgestellt hat, ist hier nicht zu entscheiden. Zu
beantworten bleibt bloss die Frage, ob die kantonale Aufsichtsbehörde
zu Recht angenommen hat, das Betreibungsamt Glarus-Riedern sei nicht zu
einer Prüfung des ihm als Forderungstitel vorgelegten Checks in der Weise
verpflichtet gewesen, wie es die Rekurrentin behauptet.

    Das Zivilgericht des Kantons Glarus hat bezüglich der Prüfung,
zu welcher das Betreibungsamt nach Massgabe von Art. 177 f. SchKG
verpflichtet ist, im angefochtenen Entscheid die Auffassung vertreten,
die Frage, ob eine wechselmässige Verpflichtung des Schuldners
bestehe, unterliege keiner umfassenden Rechtsprüfung, sondern nur einer
Wahrscheinlichkeitsprüfung. Es belegt diese Auffassung mit einem Hinweis
auf die Literatur (ISAAK MEIER, Die Anwendung des Privatrechts durch die
Betreibungs- und Konkursbeamten, BlSchK 49/1985, S. 161 ff. und 201 ff.,
insbesondere S. 204 und 206). Indessen kann aus den zitierten Stellen
der von der Vorinstanz gezogene Schluss nicht herausgelesen werden,
steht doch auf Seite 204 nur der folgende auf Art. 177 SchKG bezogene
Satz: "In der Wechselbetreibung hat die Prüfung auch in diesen Fällen
schon bei Einleitung des Betreibungsverfahrens zu erfolgen (Art. 177
Abs. 1 SchKG)." Zudem bezieht sich dieser Satz - gemäss dem Kontext und
der Überschrift auf der vorangehenden Seite 203 - auf die "Prüfung des
Handelsregistereintrages bzw. der Pflicht zum Handelsregistereintrag
zur Feststellung von Parteifähigkeit, Konkursfähigkeit und Fähigkeit zur
Wechselbetreibung", worunter die Frage, ob der Wechsel oder Check eine
wechselmässige Verpflichtung begründe, gewiss nicht fällt. Auf Seite
206 sodann unterscheidet MEIER drei Stufen der Rechtsprüfung, nämlich
Offensichtlichkeitsprüfung, Wahrscheinlichkeitsprüfung, umfassende
Rechtsprüfung; keines der wenigen an dieser Stelle genannten Beispiele
lässt sich mit der Prüfung der Frage vergleichen, ob der Wechsel oder
Check eine wechselmässige Verpflichtung begründe.

    Seine Auffassung, dass die Einrede der Versäumung der von Art. 1116
OR gesetzten Vorlegungsfrist ein typischer Anwendungsfall von Art. 182
Ziff. 3 SchKG sei - was die Zuständigkeit des Rechtsöffnungsrichters
begründen und damit die Prüfungsbefugnis des Betreibungsbeamten
ausschliessen würde -, sieht das Zivilgericht des Kantons Glarus bei
SCHMIDLIN (Die Bewilligung des Rechtsvorschlages in der Wechselbetreibung
unter Hinterlegung der Forderungssumme gemäss SchKG 182 Ziff. 4, Zürcher
Diss. 1978, S. 32) bestätigt. Der Fall von Art. 1116 OR wird jedoch
hier nicht ausdrücklich erwähnt; er liesse sich allenfalls bei den vom
Autor erwähnten "Einreden gegen das Weiterbestehen eines Anspruchs"
einreihen. Die weitere von der Vorinstanz zitierte Literatur (HARRY
ZIMMERMANN, Kommentar des Schweizerischen Scheckrechts, Zürich 1964,
S. 931 f.; STRANZ, Wechselgesetz, 14. Auflage Berlin 1952, Anm. 3 zu
Art. 89; BAUMBACH/HEFERMEHL, Wechselgesetz und Scheckgesetz, 15. Auflage
München 1986, N. 1 zu Art. 89 WG) gibt mindestens keine unmittelbare
Antwort auf die hier zu beantwortende Frage, ob das Betreibungsamt die vom
Wechselschuldner erhobene Einrede der Versäumung der Präsentationsfrist
zu prüfen habe.

Erwägung 5

    5.- Völlig zu Recht beruft sich nun aber die kantonale Aufsichtsbehörde
ihrerseits auf BGE 111 III 35 E. 1. Dort hat das Bundesgericht ausgeführt,
das Betreibungsamt habe, bevor es einem Begehren auf Wechselbetreibung
Folge leistet, sich zu vergewissern, dass die Forderungsurkunde eine
wechselmässige Verpflichtung des Schuldners begründet. Das treffe im
allgemeinen zu, wenn der Schuldner die Forderungsurkunde als Aussteller,
Akzeptant (Bezogener), Indossant oder Wechselbürge unterzeichnet
hat. Die Rekurrentin bestreitet in keiner Weise, dass sie den Check
auf die United Mizrahi Bank (Switzerland) als Aussteller unterzeichnet
hat. Ihre Behauptung, dass trotzdem keine wechselmässige Verpflichtung
von ihr bestehe, versucht sie mit einer Gedankenführung zu begründen,
die auf materielles Recht - Art. 1052 OR - zurückführt.

    Im zitierten Urteil hat das Bundesgericht auch ausgeführt, das
Betreibungsamt habe nicht zu untersuchen, ob der vorgelegte Titel materiell
begründet sei; es müsse die Wechselbetreibung ablehnen, wenn die Urkunde
offensichtlich formelle Erfordernisse vermissen lasse. Diese Auffassung
findet ihren Rückhalt in der Lehre (AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs-
und Konkursrechts, 3. Auflage Bern 1983, § 37 N. 12; FAVRE, Droit des
poursuites, 3. Auflage Fribourg 1974, S. 278 N. 3; JAEGER, Poursuite pour
dettes et la faillite, S. 68; ZIMMERMANN, aaO, S. 932 Ziff. 37). FRITZSCHE
(Schuldbetreibung und Konkurs, Band II, 2. Auflage Zürich 1968, S. 21)
erklärt, das Amt werde - wenn es sich um die Frage handelt, ob der
Betriebene wechselrechtlich haftet - "sich hüten, das Betreibungsbegehren
einfach abzulehnen und den Gläubiger auf den Beschwerdeweg zu drängen,
wodurch unter Umständen für den Gläubiger ernsthafte Verzögerung und
Schaden entstehen kann. Nur in klaren und krassen Fällen darf der Beamte
das wagen. Im Zweifel wird er den Zahlungsbefehl in der Wechselbetreibung
erlassen, wobei dem Schuldner anheimgestellt wird, seine Rechte durch
Beschwerde oder Rechtsvorschlag zu wahren." Die Rekurrentin hat nicht
dargetan, dass es dem Check, welcher dem Betreibungsamt Glarus-Riedern mit
dem Begehren auf Wechselbetreibung übergeben wurde, klar und offensichtlich
an formellen Erfordernissen gebricht (analog zur Rechtsprechung in
BGE 111 III 36 E. 2 wären es die Erfordernisse von Art. 1100 OR). Sie
behauptet einzig, die leichte Überprüfbarkeit sei durch das Zugeständnis
des Betreibungsamtes Glarus-Riedern bewiesen, es habe die verpasste
Vorlegungsfrist übersehen. Doch zeigen gerade die breiten, das materielle
Recht einbeziehenden Darlegungen, mit denen die Rekurrentin das Bestehen
einer wechselrechtlichen Verpflichtung zu bestreiten versucht, dass ein
Betreibungsbeamter schlechthin überfordert wäre, wenn er sich mit solchen
Gedankengängen auseinandersetzen müsste.

    Im Ergebnis ist somit die gegen das Betreibungsamt Glarus-Riedern
gerichtete Beschwerde von den kantonalen Aufsichtsbehörden zu Recht
abgewiesen worden. Der Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Bundesgerichts erweist sich als unbegründet.