Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IB 303



113 Ib 303

48. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 25.
November 1987 i.S. E. gegen Z. und Mitbeiteiligte, Gemeinderat Richterswil,
Verwaltungsgericht Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 24 RPG, Ausnahmebewilligung.

    Umwandlung eines mit einer landwirtschaftlichen Lenkungsmassnahme
stillgelegten Schweinestalles in ein Lagergebäude in der
Landwirtschaftszone.

    - Ausnahmebewilligungspflicht nach Art. 24 RPG bejaht (E. 2).

    - Die Umwandlung eines grösstenteils bodenunabhängigen Schweinezucht-
und Mastbetriebes in ein Lagergebäude ist mehr als eine teilweise
Änderung im Sinne von Art. 24 Abs. 2 RPG (E. 3b) und kann mangels
Standortgebundenheit auch nicht aufgrund von Art. 24 Abs. 1 RPG gestattet
werden (E. 3a).

Sachverhalt

    A.- Die Gemeinde Richterswil bewilligte E. im Jahre 1968, auf
seinem Grundstück, das sich nach dem kommunalen Zonenplan ausserhalb der
Bauzonen und nach dem kantonalen Nutzungsplan in der Landwirtschaftszone
befindet, einen Schweinestall zu bauen. Im Einverständnis mit E. wurde
der Schweinezucht- und Mastbetrieb durch Verfügung des Bundesamtes
für Landwirtschaft vom 22. Oktober 1980 gestützt auf Art. 9 ff. der
Verordnung über die Höchstbestände in der Fleisch- und Eierproduktion vom
10. Dezember 1979 im Sinne einer landwirtschaftlichen Lenkungsmassnahme
stillgelegt (heute gilt die entsprechende Verordnung vom 26. August 1981,
SR 916.344). Er erhielt hierfür eine Entschädigung von Fr. 113'760.--, die
dem Zeitwert des Stalls abzüglich 20% des Gebäudewertes entsprach. Dieser
Abzug von Fr. 20'640.-- wurde vorgenommen, weil das Gebäude ohne
Inneneinrichtungen weiterverwendet werden könne.

    Nach der Stillegung seines Zucht- und Mastbetriebes wandelte E. das
Stallgebäude in Lagerräume mit zwei Büros um und vermietete diese an
zwei Handelsbetriebe für Dentalgegenstände bzw. Geschenkartikel. Er
ersuchte nachträglich um eine Bewilligung des Umbaus. Der Gemeinderat
Richterswil verweigerte am 16. Januar 1984 die Bewilligung für den Umbau
des Stalls in Büros und Lagerräume, stellte jedoch eine Bewilligung
für die Nutzung des Schweinestalles als Lagerräume unter gewissen
Bedingungen im Sinne eines Vorentscheides in Aussicht. Gegen diesen
Entscheid erhoben sowohl E. als auch verschiedene Nachbarn Rekurs. Die
Baurekurskommission II wies mit Entscheid vom 4. Februar 1986 den
Rekurs von E. ab und hob in Gutheissung des Rekurses der Nachbarn die
vom Gemeinderat in Aussicht gestellte Bewilligung für die Nutzung als
Lagerräume auf. Sowohl das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich als auch
das Bundesgericht bestätigten auf Beschwerde von E. hin den Entscheid
der Baurekurskommission.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Der Beschwerdeführer macht in erster Linie sinngemäss geltend,
es sei gar keine Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 des Bundesgesetzes
über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG) notwendig. Das eidgenössische
Landwirtschaftsgesetz, auf das sich die Verordnung über die Höchstbestände
in der Fleisch- und Eierproduktion stütze, gehe als Grundlage der
Stillegungsverfügung dem eidgenössischen Raumplanungsgesetz vor. Es
sei schon mit dieser landwirtschaftlichen Lenkungsmassnahme über die
zonengerechte Nutzung der Stallbaute entschieden worden.

    b) Zwischen dem Landwirtschaftsgesetz und dem Raumplanungsgesetz
besteht entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers keinerlei
Hierarchie. Beide Erlasse stehen als Bundesgesetze auf derselben Stufe. Mit
der Stillegung des Schweinezucht- und Mastbetriebes des Beschwerdeführers
wurde nicht zugleich über die zonengerechte Nutzung des Stallgebäudes
entschieden. Die sogenannte Stillegungsverfügung ist ihrem Wesen nach
eine reine Beitragsverfügung, weil für die freiwillige Stillegung eines
Betriebes mit einem Überbestand von Tieren unter bestimmten Auflagen
(Nutzungsverbot für die Haltung bestimmter Tiere, Anmerkung im Grundbuch,
Entfernung von Stalleinrichtungen) Subventionen ausgerichtet werden. Es
wurde somit lediglich über die Höhe des Beitrages und die damit verbundenen
Auflagen und Bedingungen entschieden, nicht aber darüber, ob die Nutzung
des Gebäudes künftighin zonengemäss sei oder nicht.

    c) Das Verwaltungsgericht ging deshalb zutreffend davon aus, dass die
innere Umgestaltung des Gebäudes zu gewerblichen Lagerräumen im Sinne von
Art. 22 Abs. 2 lit. a RPG nicht als zonengemäss betrachtet werden kann
und dass deshalb die vorgenommene Zweckänderung einer Ausnahmebewilligung
gemäss Art. 24 RPG bedarf.

Erwägung 3

    3.- a) Das Verwaltungsgericht hat zu Recht erwogen, dass für die zu
beurteilende Umgestaltung des Schweinestalles mangels Standortgebundenheit
nur eine Ausnahmebewilligung gestützt auf Art. 24 Abs. 2 RPG in Frage
kommt. Danach kann das kantonale Recht gestatten, Bauten und Anlagen zu
erneuern, teilweise zu ändern oder wieder aufzubauen, wenn dies mit den
wichtigen Anliegen der Raumplanung vereinbar ist. Der Kanton Zürich hat
hievon im bundesrechtlich zugelassenen Umfang Gebrauch gemacht (§ 2 Abs. 2
der Einführungsverordnung zum RPG vom 19. Dezember 1979/22. Dezember 1982;
seit 1. Januar 1985 in § 357 Abs. 3 PBG). Erneuerung, teilweise Änderung
und Wiederaufbau sind bundesrechtliche Begriffe. Sie stellen die Grenze für
Bewilligungen nach Art. 24 Abs. 2 RPG dar (BGE 112 Ib 95/96 mit Hinweisen).

    b) Die Umwandlung des Stallgebäudes in gewerbliche Lagerräume ist
weder eine Erneuerung noch ein Wiederaufbau im Sinne von Art. 24 Abs. 2
RPG. Zu prüfen bleibt, ob es sich um eine teilweise Änderung handelt.

    Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann eine Änderung im
Sinne von Art. 24 Abs. 2 RPG sowohl in einer Vergrösserung oder inneren
Umgestaltung als auch in einer Zweckänderung bestehen. Sie ist als
teilweise zu betrachten, soweit die Wesensgleichheit einer Baute gewahrt
wird und keine wesentlich neuen Auswirkungen auf die Nutzungsordnung,
Erschliessung und Umwelt geschaffen werden (BGE 112 Ib 97 E. 3; 110 Ib
265 E. 3, je mit Hinweisen).

    Das Bundesgericht hat im Falle der Umwandlung einer bestehenden
Fuhrhalterei in einen Autospenglereibetrieb eine Zweckänderung
angenommen, die nicht mehr unter den Begriff der "teilweisen Änderung"
fällt (BGE vom 25. November 1981, in: Informationshefte Raumplanung
S. 26). Desgleichen hat es die Umwandlung eines "Hangar agricole" in ein
"Atelier de mécanique" als völlige Zweckänderung bezeichnet, so dass
das Bauvorhaben unter Art. 24 Abs. 1 RPG falle (nicht publ. BGE vom
3. Februar 1982 i.S. Baudet). Von Wesensgleichheit einer Baute kann nur
gesprochen werden, wenn die Zweckänderung nicht zu einer völlig neuen
wirtschaftlichen Zweckbestimmung führt, sondern zu einer Nutzung, "die von
der ursprünglichen Nutzungsart nicht grundlegend abweicht" (BGE 108 Ib 53
ff., nicht publ. E. 2a). Keine solche völlig neue Zweckbestimmung sah das
Bundesgericht in der Umwandlung eines Lagerplatzes für Baumaterialien in
einen Lagerplatz für Altmaterialien (BGE 112 Ib 270 E. 5). Diese Beispiele
zeigen, dass die Umwandlung eines landwirtschaftlichen Betriebes in ein
gewerblich genutztes Lager ohne Zweifel eine vollständige Zweckänderung
bedeutet. Selbst wenn man den zum grössten Teil bodenunabhängigen
Schweinezucht- und Mastbetrieb des Beschwerdeführers als Gewerbebetrieb
qualifizieren wollte, würde dessen Umwandlung in ein Lagergebäude nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichts den Rahmen der teilweisen Änderung im
Sinne von Art. 24 Abs. 2 RPG sprengen. Die Nutzung des Stallgebäudes als
Lager für Handelsfirmen weicht von der ursprünglichen Nutzung grundlegend
ab. Die Wesensgleichheit des Stalles ist dadurch nicht mehr gewahrt. Das
Verwaltungsgericht hat deshalb zu Recht verneint, dass die Umwandlung
des Stallgebäudes gestützt auf Art. 24 Abs. 2 RPG bewilligt werden könne.