Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IA 46



113 Ia 46

9. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 18.
Februar 1987 i.S. Landesring der Unabhängigen des Kantons Zürich und
Mitbeteiligte gegen Kanton Zürich und Regierungsrat des Kantons Zürich
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 85 lit. a OG: Stimm- und Initiativrecht.

    1. Formelle Anforderungen an eine Stimmrechtsbeschwerde: Legitimation,
Letztinstanzlichkeit, Anfechtung einer Vorbereitungshandlung zu einer
Volksabstimmung (E. 1).

    2. Grundsatz und Tragweite des Prinzips der Einheit der Materie
namentlich auf dem Gebiet von Initiative und Gegenvorschlag; im
vorliegenden Fall verletzt der Gegenvorschlag als solcher das Prinzip
der Einheit der Materie nicht (E. 4 und 5).

    3. Die gleichzeitige und gekoppelte Abstimmung über zwei Initiativen
und einen Gegenvorschlag verunmöglicht im vorliegenden Fall eine
unverfälschte und freie Willensäusserung der Stimmbürger und verletzt
den Grundsatz der Einheit der Materie und das Initiativrecht (E. 6).

    4. Grundsätze zur Aufhebung von Volksabstimmungen wegen
Verfahrensmängeln; Kassation der Volksabstimmung im vorliegenden Fall;
provisorische Aufrechterhaltung des in der Volksabstimmung angenommenen
Steuergesetzes (E. 7).

Sachverhalt

    A.- Am 14. März 1983 wurde im Kanton Zürich die Volksinitiative "Für
eine gerechte Besteuerung von Familien und Alleinstehenden" in der Form
der einfachen Anregung eingereicht; sie verlangt, es sei die Besteuerung
von Ehepaaren im zürcherischen Steuergesetz so auszugestalten, dass
Verheiratete nicht höher belastet werden, als wenn sie einzeln besteuert
würden. Ebenfalls am 14. März 1983 wurde die Volksinitiative "Für die
Ausschaltung von Steuerverschärfungen infolge Teuerung (Ausgleich der
kalten Progression)" in der Form des ausgearbeiteten Entwurfs eingereicht;
diese Initiative verlangt unter der Marginalie "Ausgleich der kalten
Progression" die Neufassung von § 200bis des zürcherischen Gesetzes über
die direkten Steuern.

    Auf Antrag des Regierungsrates des Kantons Zürich lehnte der
Kantonsrat des Kantons Zürich die beiden Initiativen ab und beschloss
als Gegenvorschlag eine umfassende Änderung des zürcherischen Gesetzes
über die direkten Steuern (Steuergesetz). Diese Änderung bezieht sich
auf verschiedene Materien, so insbesondere auf die Familienbesteuerung (§
8-10), die subjektive Steuerpflicht (§ 16), das Objekt der Einkommenssteuer
(§ 19, 24 und 25), die Steuerberechnung (§ 31 und 32), die Steuern der
juristischen Personen (§ 46, 48, 51), verschiedene Verfahrensfragen (§ 53,
58bis, 73 und 74 sowie 84 und 85), den Ausgleich der kalten Progression
(§ 200bis) sowie die Übergangsbestimmungen (§ 202bis ff.).

    Mit Beschluss vom 5. März 1986 ordnete der Regierungsrat des
Kantons Zürich die Volksabstimmung über die beiden Initiativen
und den Gegenvorschlag für den 8. Juni 1986 an und formulierte die
Abstimmungsfragen für die drei Steuervorlagen wie folgt:

    "Wollen Sie folgende Vorlagen annehmen?

    A. Volksinitiative für eine gerechte Besteuerung von Familien und

    Alleinstehenden

    B. Volksinitiative für die Ausschaltung von

    Steuerverschärfungen infolge Teuerung (Ausgleich der kalten
Progression)

    C. Gegenvorschlag des Kantonsrates: Gesetz über die direkten Steuern
   (Steuergesetz) (Änderung)"

    Gemäss dem Gesetz über das Vorschlagsrecht des Volkes gilt für
das Abstimmungsverfahren, dass alle drei Fragen mit Ja beantwortet
werden können. Erhalten zwei oder alle drei Vorlagen mehr Ja-Stimmen
als Nein-Stimmen, so gilt allein diejenige als angenommen, welche die
grösste Zahl an Ja-Stimmen aufweist.

    B.- Gegen diesen Beschluss des Regierungsrates vom 5. März 1986
reichten der Landesring der Unabhängigen des Kantons Zürich sowie
drei Stimmbürger beim Bundesgericht am 19. März 1986 staatsrechtliche
Beschwerde im Sinne von Art. 85 lit. a OG ein. Sie verlangen die Aufhebung
des regierungsrätlichen Beschlusses und machen hierfür eine Verletzung der
Einheit der Materie sowie des Initiativrechts geltend. Der Regierungsrat
beantragt die Abweisung der Beschwerde.

    C.- Mit prozessleitender Verfügung vom 8. April 1986 wurde das Gesuch
der Beschwerdeführer abgewiesen, es sei der Beschwerde aufschiebende
Wirkung beizulegen bzw. die Volksabstimmung sei abzusetzen. In
der Folge wurde die Volksabstimmung über die drei Steuervorlagen am
8. Juni 1986 durchgeführt. Alle drei Vorlagen wurden mit den folgenden
Stimmenverhältnissen angenommen:

    - die Volksinitiative für eine gerechte Besteuerung von Familien und
Alleinstehenden mit 98 362 Ja gegen 84 395 Nein,

    - die Volksinitiative für den Ausgleich der kalten Progression mit
93 263 Ja gegen 86 768 Nein,

    - der Gegenvorschlag des Kantonsrates mit 99 073 Ja gegen 80 086 Nein.

    Als Vorlage mit der höchsten Anzahl Ja-Stimmen galt demnach
der Gegenvorschlag des Kantonsrates auf Änderung des zürcherischen
Steuergesetzes als angenommen.

Auszug aus den Erwägungen:

                  Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Mit der vorliegenden Beschwerde wird eine Verletzung der
politischen Rechte geltend gemacht und damit eine Rüge im Sinn von
Art. 85 lit. a OG erhoben. Hierzu sind die Beschwerdeführer, welche
unbestrittenermassen stimmberechtigte Einwohner des Kantons Zürich sind,
legitimiert (BGE 111 Ia 116, 110 Ia 177, mit Hinweisen). Darüber
hinaus sind grundsätzlich auch politische Parteien, welche im
Gebiet des betreffenden Gemeinwesens tätig sind, zur Erhebung der
Stimmrechtsbeschwerde nach Art. 85 lit. a OG legitimiert (BGE 111 Ia 116,
mit Hinweisen); dies trifft auf den Landesring der Unabhängigen des Kantons
Zürich zu. In dieser Hinsicht kann daher auf die vorliegende Beschwerde
eingetreten werden.

    b) Beschwerden betreffend die politische Stimmberechtigung der
Bürger und betreffend kantonale Wahlen und Abstimmungen sind gemäss
Art. 86 Abs. 1 OG nur gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide
zulässig. Das zürcherische Wahlgesetz vom 4. September 1983 (WG) sieht
in § 123 grundsätzlich eine Beschwerde wegen Unregelmässigkeiten bei
der Vorbereitung und Durchführung von Wahlen und Abstimmungen vor,
erklärt diese nach Abs. 2 dieser Bestimmung jedoch gegen Beschlüsse
der Stimmberechtigten des Kantons und der obersten kantonalen Behörden
als unzulässig. Als oberste kantonale Behörden in diesem Sinne gelten
nach der Praxis sowohl der Kantonsrat wie der Regierungsrat. Aus diesem
Grunde ist der Regierungsrat mit Beschluss vom 26. März 1986 auf eine
Beschwerde eines der beteiligten Beschwerdeführer nicht eingetreten,
mit welcher der Regierungsratsbeschluss vom 5. März 1986 betreffend
das Abstimmungsverfahren angefochten worden war. Demnach stellt der
angefochtene Beschluss des Regierungsrates - entsprechend der zum früheren
Wahlgesetz des Kantons Zürich geübten Praxis - einen letztinstanzlichen
kantonalen Entscheid dar (vgl. ZBl 83/1982, S. 548 ff. E. 1; BGE 106 Ia
22). Auf die Beschwerde kann daher auch in dieser Hinsicht eingetreten
werden.

    c) Mit dem angefochtenen Beschluss des Regierungsrates wurde
die Volksabstimmung über die drei Steuervorlagen angeordnet und die
Abstimmungsfrage festgesetzt. Er stellt damit eine Vorbereitungshandlung
zu einer Abstimmung dar, welche nach der Rechtsprechung gemäss Art. 89 OG
innert dreissig Tagen mit staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht
angefochten werden muss (BGE 110 Ia 178 E. a). Die vorliegende Beschwerde
erweist sich in dieser Hinsicht als rechtzeitig. Wird eine Abstimmung
indessen wegen Abweisung des Gesuches um aufschiebende Wirkung aufgrund
der beanstandeten Vorbereitungshandlung durchgeführt, so ist die dagegen
gerichtete Beschwerde so zu verstehen, dass sinngemäss auch der Antrag
auf Aufhebung der Abstimmung selber gestellt wird (BGE 110 Ia 180, 105
Ia 150). So verhält es sich im vorliegenden Fall. Der Hauptantrag der
Beschwerdeführer ist daher als Antrag um Aufhebung der Volksabstimmung
vom 8. Juni 1986 zu verstehen.

Erwägung 2

    2.- a) Gemäss Art. 29 der zürcherischen Kantonsverfassung (KV) umfasst
das Initiativrecht die Befugnis, Begehren auf Änderung der Verfassung
sowie auf Erlass, Änderung oder Aufhebung eines Gesetzes oder eines
verfassungsmässig obligatorisch der Volksabstimmung unterliegenden
Beschlusses zu stellen. Initiativbegehren sind sowohl in der Form
der einfachen Anregung als auch in derjenigen des ausgearbeiteten
Entwurfes zulässig. Der Kantonsrat kann dem Volk gleichzeitig mit dem
Initiativbegehren einen Gegenvorschlag unterbreiten. Hinsichtlich der
näheren Bestimmungen wird auf die Gesetzgebung verwiesen.

    Die Einzelheiten des Verfahrens bei Volksinitiativen sind im Gesetz
über das Vorschlagsrecht des Volkes vom 1. Juni 1969 (Initiativgesetz;
GS 162) geregelt. Neben Bestimmungen über den Gegenstand und die
Form von Initiativen und deren Gültigkeit (§ 1- § 4) enthält das
Initiativgesetz eine Regelung über den Erlass und die Gegenüberstellung
eines Gegenvorschlages mit folgendem Wortlaut:

    "§ 6. Stimmt der Kantonsrat einer Initiative, die zur Volksabstimmung
   gebracht werden muss, nicht oder nur teilweise zu, so kann er einen
   formulierten Gegenvorschlag aufstellen.

    Stellt der Kantonsrat einer oder mehreren, den gleichen Gegenstand
   betreffenden Initiativen einen Gegenvorschlag gegenüber, so ist dieser
   gleichzeitig der Volksabstimmung zu unterbreiten."

    Ferner regelt das Initiativgesetz das Abstimmungsverfahren bei
gleichzeitiger Abstimmung über mehrere, den gleichen Gegenstand betreffende
Vorlagen mit folgender Bestimmung:

    "§ 7. Erfolgt eine gleichzeitige Abstimmung über eine oder mehrere, den
   gleichen Gegenstand betreffende Initiativen mit oder ohne
   Gegenvorschlag des Kantonsrates, so werden den Stimmberechtigten
   einfache Alternativfragen vorgelegt. Die Bejahung mehr als einer dieser
   Fragen ist zulässig.

    Erhalten mehrere Vorlagen mehr bejahende als verneinende Stimmen, so
   gilt diejenige als angenommen, für welche die grössere Zahl von
   bejahenden

    Stimmen abgegeben worden ist. Weisen mehrere Vorlagen, auf die mehr
   bejahende als verneinende Stimmen entfallen sind, die gleiche Zahl
   von bejahenden Stimmen auf, so gilt diejenige als angenommen, welche
   die kleinere Zahl von verneinenden Stimmen erhalten hat."

    b) Bei Stimmrechtsbeschwerden prüft das Bundesgericht nicht nur die
Auslegung von Bundesrecht und kantonalem Verfassungsrecht frei, sondern
auch diejenige anderer kantonaler Vorschriften, welche den Inhalt des
Stimmrechts umschreiben oder mit diesem in engem Zusammenhang stehen
(BGE 111 Ia 194 E. 4a, 197 E. 2a; 110 Ia 181 E. 5a; 108 Ia 167 E. a,
mit Hinweisen). Zu diesen Vorschriften gehören auch die Bestimmungen
des Initiativgesetzes.

Erwägung 3

    3.- Nach § 7 des Initiativgesetzes können mehrere, den gleichen
Gegenstand betreffende Vorlagen den Stimmbürgern gleichzeitig nur
Abstimmung vorgelegt werden. Dabei ist es zulässig, dass der einzelne
Stimmbürger mehrere Fragen bejaht. Gesamthaft gesehen kann indessen nur
eine einzige Vorlage angenommen werden.

    Die Beschwerdeführer machen nicht geltend, dieses vom zürcherischen
Recht vorgesehene Abstimmungsverfahren verstosse an sich gegen die
politischen Rechte oder das Initiativrecht und sei aus diesem Grunde
verfassungswidrig. Das Bundesgericht hat die Zulässigkeit dieses
Abstimmungsverfahrens nicht in Zweifel gezogen (vgl. ZBl 87/1986 S. 173
E. 3 und 83/1982 S. 554 E. d). Für die Beurteilung der vorliegenden
Stimmrechtsbeschwerde ist daher von diesem Abstimmungsverfahren auszugehen.

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführer rügen in erster Linie, dass mit der
gemeinsamen Abstimmung über die drei Steuervorlagen der Grundsatz der
Einheit der Materie verletzt worden sei.

    a) Der Grundsatz der Einheit der Materie ist im zürcherischen Recht nur
hinsichtlich der Volksinitiative ausdrücklich verankert; nach § 4 Abs. 1
Ziff. 4 des Initiativgesetzes sind Initiativen ungültig, welche Begehren
verschiedener Art enthalten, die keinen inneren Zusammenhang aufweisen,
es sei denn, es handle sich um eine Initiative auf Gesamtrevision
der Verfassung. Der Grundsatz der Einheit der Materie gilt indessen
generell auch von Bundesrechts wegen. Das vom Verfassungsrecht des
Bundes gewährleistete politische Stimmrecht gibt dem Bürger allgemein
den Anspruch darauf, dass kein Abstimmungsergebnis anerkannt wird, das
nicht den freien Willen der Stimmbürger zuverlässig und unverfälscht
zum Ausdruck bringt (BGE 111 Ia 198; 108 Ia 157 E. 3b; 106 Ia 22 E. 4;
105 Ia 153 E. 3a, mit Hinweisen). Daraus wird unter anderem das generell
gültige Prinzip der Einheit der Materie abgeleitet, wonach verschiedene
Materien nicht zu einer Abstimmungsfrage verbunden werden dürfen (BGE
111 Ia 198; 105 Ia 14, 376; 104 Ia 223 E. b; 99 Ia 183, 645, 731 E. 3;
96 I 652 E. 7; 90 I 73 E. a). Der Grundsatz der Einheit der Materie ist
bei allen Vorlagen zu beachten, die auf Initiative hin oder aufgrund
eines (obligatorischen oder fakultativen) Referendums dem Volk einzeln
zur Abstimmung unterbreitet werden (BGE 105 Ia 376; 104 Ia 223 E. 2b;
99 Ia 182, 646; 97 I 673, mit Hinweisen).

    Die Tragweite des Grundsatzes der Einheit der Materie im einzelnen
wird in der Praxis differenziert gewichtet (vgl. unveröffentlichtes
Urteil i.S. Hentsch vom 18. Dezember 1984, E. 5). So werden höhere
Anforderungen an Partialrevisionen der Verfassung gestellt als an
Gesetzesvorlagen (BGE 111 Ia 198; 99 Ia 646). Der Grundsatz wird bei
Initiativen strenger gehandhabt als bei behördlichen Vorlagen, da es
neben der Gewährleistung des politischen Stimmrechts bei den Initiativen
zusätzlich darum geht, die missbräuchliche Ausübung des Initiativrechts
und eine unzulässige Erleichterung der Unterschriftensammlung zu verhindern
(BGE 111 Ia 198; 99 Ia 182 E. 3b; vgl. Z. GIACOMETTI, Das Staatsrecht der
schweizerischen Kantone, Zürich 1941, S. 423 ff.; vgl. ferner die Kritik
bei ALFRED KÖLZ, Die kantonale Volksinitiative in der Rechtsprechung
des Bundesgerichts, in: ZBl 83/1982 S. 20 mit Fn. 128; YVO HANGARTNER,
Grundzüge des schweizerischen Staatsrechts, Band I, Zürich 1980, S.
225). Schliesslich werden formulierte Initiativen strenger beurteilt
als allgemeine Anregungen, welche zusätzlich einer Ausarbeitung durch
den Gesetzgeber bedürfen (vgl. BGE 111 Ia 295; 105 Ia 366 E. 4; 96 I
653). In bezug auf Gesetzesvorlagen im speziellen hat das Bundesgericht
ausgeführt, dass der Grundsatz der Einheit der Materie gewahrt ist, sofern
eine bestimmte Materie geregelt werden soll und die einzelnen, zu diesem
Zweck aufgestellten Vorschriften zueinander in einer sachlichen Beziehung
stehen. Der Stimmbürger hat keinen verfassungsmässigen Anspruch darauf,
dass ihm einzelne, allenfalls besonders wichtige Vorschriften eines
Gesetzes, das eine bestimmte Materie regelt, gesondert zur Abstimmung
vorgelegt werden; er muss sich vielmehr auch dann für die Gutheissung
oder Ablehnung der ganzen Gesetzesvorlage entscheiden, wenn er nur mit
einzelnen Vorschriften einverstanden bzw. mit einzelnen Bestimmungen
nicht einverstanden ist (BGE 111 Ia 198; 99 Ia 646 E. 5b, mit Hinweisen).

    b) Die Beschwerdeführer machen nicht geltend, der Gegenvorschlag
des Kantonsrates zu den beiden genannten Steuerinitiativen verletze,
für sich allein betrachtet, den Grundsatz der Einheit der Materie. Es
ist denn auch unbestritten, dass der Gegenvorschlag die umgrenzte Materie
des kantonalen Steuerrechts neu ordnet und dass die einzelnen, zu diesem
Zweck aufgestellten Vorschriften zueinander in einer sachlichen Beziehung
stehen. Dies trifft auch für die Bereiche der Familienbesteuerung und
des Ausgleichs der kalten Progression zu, wie sie von den genannten
Initiativen (in weitergehendem Masse) verlangt worden sind. Nach der
erwähnten Rechtsprechung hat der Stimmbürger keinen Anspruch darauf,
dass ihm diese Fragen gesondert zur Abstimmung vorgelegt werden. Demnach
ist im folgenden davon auszugehen, dass der Gegenvorschlag als solcher
den Grundsatz der Einheit der Materie nicht verletzt.

Erwägung 5

    5.- a) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind die Kantone
befugt, einer Initiative - auch ohne ausdrückliche Rechtsgrundlage -
einen Gegenvorschlag gegenüberzustellen (BGE 104 Ia 245; 101 Ia 495
E. 4a; 100 Ia 57; 91 I 193 E. 2; vgl. KÖLZ, aaO, S. 30 f.; ETIENNE GRISEL,
Initiative et référendum populaires, Lausanne/Dorigny 1987, S. 218 f.); der
Gegenvorschlag kann je nach der Ausgestaltung des kantonalen Rechts unter
Umständen eine andere Stufe der Rechtssetzung betreffen als die Initiative
(BGE 104 Ia 249 E. c; ZBl 83/1982 S. 552 f.; nicht amtlich publizierte
E. 6b von BGE 100 Ia 53, in: SJ 96/1974 S. 557 ff.). Das Bundesgericht
hat allerdings nicht übersehen, dass die Vorlage eines Gegenvorschlages
die Aussichten eines Volksbegehrens, in der Volksabstimmung angenommen
zu werden, mehr oder weniger vermindert. Es hat dies im Hinblick auf die
den Stimmberechtigten gebotene grössere Entscheidungsfreiheit sowie in
Anbetracht der dem Parlament zukommenden Aufgabe der Gesetzgebung und
der durch ein Initiativbegehren ausgelösten Fortentwicklung des Rechts
in Kauf genommen (BGE 104 Ia 246; 91 I 193 E. 2; ZBl 87/1986 S. 173 f.,
83/1982 S. 554 E. d; KÖLZ, aaO, S. 30 f.; GRISEL, aaO, S. 218 f.). Die
Gegenüberstellung eines Gegenvorschlages ist indessen an gewisse Schranken
in formeller und materieller Hinsicht gebunden (vgl. ZBl 83/1982 S. 552
E. b). Zum einen hat das Bundesgericht darauf hingewiesen, es sei in
jedem Fall darauf zu achten, dass das Abstimmungsverfahren eine genügend
differenzierte Stimmabgabe ermögliche (ZBl 87/1986 S. 173 f.; 83/1982
S. 554 E. d; KÖLZ, aaO, S. 31 und 32 ff.); der Gegenvorschlag dürfe
gegenüber der Initiative im Abstimmungsverfahren nicht bevorteilt werden
und insbesondere nicht vor der Initiative zur Abstimmung gelangen (BGE
104 Ia 248 E. 4a; ZBl 83/1982 S. 552 und 554; ANDREAS AUER, Problèmes
et perspectives du droit d'initiative à Genève, Lausanne 1987, S. 67
N. 127). Zum andern muss der Gegenvorschlag in materieller Hinsicht
mit dem Zweck und Gegenstand der Initiative eng zusammenhängen und dem
Stimmbürger eine echte Alternative einräumen. Mit dem Gegenvorschlag darf
eine Initiative zwar sowohl formell als auch materiell verbessert werden;
doch darf mit ihm keine andere Frage als mit der Initiative gestellt,
sondern lediglich andere Antworten vorgeschlagen werden (BGE 101 Ia 496;
100 Ia 58 E. 6a; ZBl 83/1982 S. 552 E. b; vgl. zum Bundesrecht GRISEL,
aaO, S. 211; JEAN-FRANÇOIS AUBERT, Traité de droit constitutionnel
suisse, Neuchâtel 1967, N. 399; URSULA HEFTI-SPOERRY, Gegenentwurf und
Rückzug bei Verfassungsinitiativen im Bund, Diss. Zürich 1958, S. 10
ff.). Dieser materielle Aspekt hat eine enge Beziehung zum Grundsatz
der Einheit der Materie und stellt gewissermassen das Prinzip der
Einheit der Materie in einem weiteren Sinne dar (BGE 100 Ia 59; AUBERT,
aaO, N. 399). Diesen Gedanken bringt das zürcherische Initiativgesetz
in den § 6 und § 7 zum Ausdruck. Fehlt es in diesem Sinne an der engen
Beziehung zwischen Initiative und Gegenvorschlag, so kann der Stimmbürger
seinen Willen nicht frei und unverfälscht zum Ausdruck bringen. Darin
kann eine Verletzung sowohl der politischen Rechte im allgemeinen als
auch des Initiativrechts im speziellen liegen (vgl. AUER, Problèmes et
perspectives du droit d'initiative à Genève, S. 26 N. 50; JÖRG PAUL MÜLLER,
Die staatsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1978,
in: ZBJV 116/1980 S. 282 f.).

    b) Die Beschwerdeführer machen in dieser Hinsicht eine Verletzung der
Einheit der Materie geltend. Sie verkennen zwar nicht, dass die beiden
Steuerinitiativen und der Gegenvorschlag des Kantonsrates eine enge
Beziehung haben und dieselbe Materie betreffen. Doch erachten sie es als
grundsätzlich unzulässig, einer Gesetzesinitiative mit einer eng umgrenzten
Fragestellung als Gegenvorschlag eine weitgefasste Gesetzesrevision
gegenüberzustellen, welche eine grosse Zahl von anderen Bereichen ohne
Zusammenhang mit den Initiativbegehren neu regelt. Dies treffe auf beide
Initiativen in ihrem Verhältnis zum Gegenvorschlag des Kantonsrates zu.

    Das Bundesgericht hat in seiner Praxis anerkannt, dass ein
Gegenvorschlag des Parlaments, der die gleiche Materie und den gleichen
Zweck betrifft wie die Initiative, in der Realisierung der Anliegen leicht
über diese hinausgehen dürfe (BGE 100 Ia 59 f.). Es ist nicht zu verkennen,
dass dadurch über den Umstand hinaus, dass überhaupt ein Gegenvorschlag
erarbeitet wird, die Aussichten der Initiative, in der Volksabstimmung
angenommen zu werden, zusätzlich vermindert werden. Es ist bei dieser
Sachlage nicht auszuschliessen, dass die Stimmbürger den Gegenvorschlag
gerade wegen der weitergehenden Vorschläge annehmen. Diese Gefahr kann
sich insbesondere bei einem Gegenvorschlag auf umfassende Revision des
Steuergesetzes ergeben, mit dem Steuererleichterungen gewährt werden
sollen, die mit dem auf einen Teilbereich beschränkten Initiativbegehren
in keinem Zusammenhang stehen; eigentliche Missbräuche sind in dieser
Hinsicht nicht auszuschliessen.

    Es ist den Beschwerdeführern zuzugestehen, dass der hier streitige
Gegenvorschlag des zürcherischen Kantonsrates wohl in vermehrtem
Masse über die Initiativen hinausgeht als in dem vom Bundesgericht im
Jahre 1974 beurteilten Fall betreffend eine genferische Vorlage über
den Schutz von Fauna und Flora bzw. ein Jagdverbot (BGE 100 Ia 59 f.;
vgl. hierzu die vollständige Publikation des Urteils in: SJ 96/1974 S. 545
ff.). Dennoch kann das Vorgehen des Kantonsrates in dieser Hinsicht
nicht als verfassungswidrig bezeichnet werden. Dem Parlament kommt von
Verfassungs wegen die Aufgabe der Gesetzgebung zu. Es kann Gesetzesvorlagen
nicht nur auf eigene Initiative oder auf Antrag des Regierungsrates hin
erarbeiten, sondern ein Volksbegehren auch zum Anlass für den Erlass oder
eine Revision von Gesetzen nehmen. Das verfassungsmässige Vorschlagsrecht
des Parlamentes wird durch die Ausübung des ebenfalls verfassungsrechtlich
geschützten Initiativrechts nicht aufgehoben oder aufgeschoben (vgl. BGE
91 I 194; AUER, Problèmes et perspectives du droit d'initiative à Genève,
S. 66 N. 126; KÖLZ, aaO, S. 31). Eine Grenze findet das Vorschlagsrecht
des Parlaments dort, wo ein Gegenvorschlag aus sachwidrigen Motiven
ausgearbeitet wird und damit als rechtsmissbräuchlich erscheint (KÖLZ,
aaO, S. 35; ANDREAS AUER, Les droits politiques dans les cantons suisses,
Genève 1978, S. 150). Im übrigen ist im Einzelfall u.a. durch ein eine
genügend differenzierte Stimmabgabe ermöglichendes Abstimmungsverfahren ein
Ausgleich zwischen dem verfassungsmässigen Vorschlagsrecht des Parlaments
und dem verfassungsmässigen Initiativrecht zu schaffen. Müsste das
Parlament seinen Gegenvorschlag auf den engen Bereich der Initiative
beschränken, hätte dies oftmals zur Folge, dass eine weitergehende
Gesetzesrevision in verschiedene Teilvorlagen unterteilt werden und
unter Umständen in mehreren Abstimmungen dem Volke unterbreitet werden
müsste; dies widerspräche zusätzlich dem auch im Abstimmungsverfahren zu
beachtenden Grundsatz der Praktikabilität (vgl. ZBl 87/1986 S. 175).

    Im Umstand allein, dass einer auf einen engen Sachbereich beschränkten
Initiative ein über diesen Bereich hinausgehender Gegenvorschlag
gegenübergestellt wird, kann demnach keine Verletzung des Grundsatzes
der Einheit der Materie bzw. des Initiativrechts erblickt werden. Dem
Kantonsrat kann im vorliegenden Fall auch nicht vorgeworfen werden,
seinen weitergehenden Gegenvorschlag aus sachwidrigen und damit
rechtsmissbräuchlichen Gründen ausgearbeitet zu haben; denn es galt,
das zürcherische Steuergesetz an die Erfordernisse des Bundesgesetzes
über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge
(BVG), des bundesgerichtlichen Entscheides BGE 110 Ia 7 sowie von Art. 4
Abs. 2 BV anzupassen. Bei dieser Sachlage erweist sich die Beschwerde als
unbegründet, soweit mit ihr Umfang und Tragweite des Gegenvorschlags im
Verhältnis zu der einen wie der andern Steuerinitiative gerügt wird.

Erwägung 6

    6.- Die Beschwerdeführer machen ferner geltend, es verletze den
Grundsatz der Einheit der Materie und ihr Initiativrecht, dass über
die beiden Steuerinitiativen und den Gegenvorschlag gleichzeitig und
gekoppelt abgestimmt worden ist. Für die Beurteilung dieser Rüge ist
vom Abstimmungsverfahren nach § 7 des zürcherischen Initiativgesetzes
auszugehen, wonach der einzelne Stimmbürger zwar alle drei Fragen bejahen
kann, gesamthaft indessen nur eine einzige Vorlage angenommen werden kann.

    a) Im Falle einer Volksabstimmung über eine einzige Vorlage muss sich
der Stimmbürger auch dann für die Gutheissung oder Ablehnung der ganzen
Vorlage entscheiden, wenn er mit einzelnen Punkten nicht einverstanden
ist und andere befürwortet (BGE 111 Ia 198; 99 Ia 646 E. 5b). Stehen
sich zwei Vorlagen direkt gegenüber, die den Grundsatz der Einheit der
Materie wahren, so verhält es sich grundsätzlich gleich: Der einzelne
Stimmbürger kann zwar nach zürcherischem Recht beide Vorlagen bejahen,
doch kann gesamthaft nur eine angenommen werden; das Bundesgericht hat
dies als verfassungsgemäss bezeichnet (ZBl 87/1986 S. 172 ff.).

    b) Im vorliegenden Fall, in dem gleichzeitig über die beiden
Steuerinitiativen und den Gegenvorschlag abgestimmt worden ist, ergeben
sich indessen Bedenken. Diese rühren daher, dass die beiden Initiativen
nicht den gleichen Gegenstand betreffen. Die Volksinitiative "Für eine
gerechte Besteuerung von Familien und Alleinstehenden" zum einen hat eine
erhöhte Steuergerechtigkeit im Sinne der Gleichbehandlung insbesondere
zwischen gesamthaft veranlagten Ehepaaren und getrennt veranlagten
Konkubinatspaaren zum Ziel. Zum andern bezweckt die Initiative "Für die
Ausschaltung von Steuerverschärfungen infolge Teuerung (Ausgleich der
kalten Progression)" die Vermeidung teuerungsbedingter, durch das Wesen der
Steuerprogression bewirkter Mehrbelastungen der Steuerpflichtigen. Damit
beschlagen zwar beide Initiativen den Bereich des kantonalen Steuerrechts,
haben aber im übrigen keinen Zusammenhang. Vielmehr lassen sich beide
Initiativpostulate ohne weiteres nebeneinander verwirklichen. Sie
schliessen sich daher nicht gegenseitig aus, stehen zueinander nicht im
Verhältnis der Alternativität und betreffen schliesslich auch nicht ein
"Mehr" oder "Weniger" zu derselben Frage (vgl. ZBl 87/1986 S. 174 und
redaktionelle Anmerkung auf S. 175).

    Angesichts des fehlenden Zusammenhangs zwischen den beiden
Initiativen werden den Stimmbürgern mit der gleichzeitigen und sich
gegenseitig bedingenden Abstimmung über alle drei Vorlagen nicht nur
eine einzige, sondern zwei Fragen unterbreitet. Ein solches Vorgehen
verletzt den Grundsatz der Einheit der Materie im oben dargelegten
Sinne (oben E. 5a). Im einzelnen können zwar mehrere Fragen mit Ja
beantwortet werden, doch kann nur eine einzige Variante obsiegen. So
ist es der Gesamtheit der Stimmbürger etwa verunmöglicht, in bezug
auf die Frage der Familienbesteuerung die Postulate der Initiative
zu verwerfen und den Gegenvorschlag zu bejahen, gleichzeitig aber dem
Initiativbegehren nach Ausgleich der kalten Progression gegenüber dem
Gegenvorschlag den Vorrang zu geben; ebenso können gesamthaft gesehen
nicht die Anliegen beider Initiativen befürwortet werden. Damit aber
kommt bei dem von den Beschwerdeführern beanstandeten Abstimmungsmodus
kein Abstimmungsergebnis zustande, das den freien Willen der Stimmbürger
zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt. Bei dieser Sachlage
erweist sich die Rüge der Verletzung der politischen Rechte als begründet.

    c) Die Beschwerdeführer erblicken in der gleichzeitigen und sich
gegenseitig bedingenden Abstimmung über alle drei Steuervorlagen zudem
eine Verletzung des Initiativrechts. Auch diese Rüge erweist sich als
begründet. Wie oben dargelegt worden ist (E. 6b), können die Initiative
"Für eine gerechte Besteuerung von Familien und Alleinstehenden" und
das Begehren "Für die Ausschaltung von Steuerverschärfungen infolge
Teuerung (Ausgleich der kalten Progression)" nebeneinander bestehen und
verwirklicht werden und weisen keinen inneren Zusammenhang auf. Nach
dem vom Regierungsrat angeordneten Abstimmungsmodus kann aufgrund von §
7 Abs. 2 des Initiativgesetzes indessen höchstens die eine der beiden
Initiativen angenommen werden. Eine kumulative Annahme beider Vorlagen ist
ausgeschlossen. Damit werden die beiden Initiativen, je für sich allein
genommen, zum vornherein benachteiligt. Darin liegt eine Verletzung des
Initiativrechts, wie es von Bundesrechts wegen garantiert ist, und zudem
eine Missachtung von § 6 Abs. 2 und § 7 Abs. 1 des Initiativgesetzes,
wonach eine gleichzeitig und sich bedingende Volksabstimmung nur bei
mehreren, den gleichen Gegenstand betreffenden Volksbegehren zulässig
ist. Die Beschwerde erweist sich daher auch unter diesem Gesichtswinkel
als begründet.

    d) Es ist nicht zu verkennen, dass die vorliegende Beurteilung des vom
Regierungsrat gewählten Vorgehens gewisse praktische Schwierigkeiten
in der Durchführung der Volksabstimmung mit sich bringt. Den
Praktikabilitätsüberlegungen kann indessen gegenüber dem Grundsatz der
freien und unverfälschten Willensäusserung der Stimmbürger bzw. dem Prinzip
der Einheit der Materie sowie dem Initiativrecht kein Vorrang zukommen. Die
praktischen Schwierigkeiten sind überdies im vorliegenden Fall nicht
unüberwindbar. Es wäre beispielsweise ohne weiteres möglich gewesen,
mit getrennten Abstimmungsfragen einerseits der Volksinitiative "Für eine
gerechte Besteuerung von Familien und Alleinstehenden" den Gegenentwurf des
Kantonsrates mit Ausnahme der Bestimmungen über den Ausgleich der kalten
Progression (§ 200bis Steuergesetz) gegenüberzustellen und andererseits
die Volksinitiative "Für die Ausschaltung von Steuerverschärfungen infolge
Teuerung (Ausgleich der kalten Progression)" mit dem Gegenvorschlag zu §
200bis des Steuergesetzes zur Abstimmung zu bringen.

Erwägung 7

    7.- a) Stellt das Bundesgericht Verfahrensmängel fest, so hebt es
die Abstimmung nur auf, wenn die gerügten Unregelmässigkeiten erheblich
sind und das Ergebnis beeinflusst haben könnten. Der beschwerdeführende
Stimmbürger muss in einem solchen Falle allerdings nicht nachweisen,
dass sich der Mangel auf das Abstimmungsergebnis entscheidend ausgewirkt
hat; es genügt, dass nach dem festgestellten Sachverhalt eine derartige
Auswirkung im Bereiche des Möglichen liegt. Mangels einer ziffernmässigen
Feststellung der Auswirkung eines Verfahrensmangels ist nach den gesamten
Umständen und grundsätzlich mit freier Kognition zu beurteilen, ob der
gerügte Mangel das Abstimmungsergebnis beeinflusst haben könnte oder
nicht. Dabei ist insbesondere auf die Grösse des Stimmenunterschiedes,
die Schwere der festgestellten Mängel und dessen Bedeutung im Rahmen der
gesamten Abstimmung abzustellen. Erscheint die Möglichkeit, dass die
Abstimmung ohne den Mangel anders ausgefallen wäre, nach den gesamten
Umständen als derart gering, dass sie nicht mehr ernsthaft in Betracht
kommt, so kann von der Aufhebung des Urnenganges abgesehen werden.
Rechtfertigt sich eine solche Beurteilung jedoch nicht, so ist der Mangel
als erheblich zu erachten und die Abstimmung zu kassieren (BGE 112 Ia 134
E. 3; 106 Ia 200 E. b; 105 Ia 155 E. 5b; 104 Ia 237 E. 2a, mit Hinweisen).

    Im vorliegenden Fall ist vorerst festzuhalten, dass der festgestellte
Mangel schwer wiegt; der Abstimmungsmodus erlaubte keine freie und
unverfälschte Willensäusserung der Stimmbürger und schloss die Annahme
eine der beiden Initiativen zum vornherein aus. Bereits dieser Umstand
würde es rechtfertigen, die Abstimmung aufzuheben. Darüber hinaus kann die
Möglichkeit, dass die Abstimmung ohne den Mangel anders ausgefallen wäre,
nicht als gering betrachtet werden. Denn es ist nicht auszuschliessen, dass
eine beachtliche Anzahl von Stimmbürgern dem behördlichen Gegenvorschlag
deshalb zustimmte, um die gesamte Revision des Steuergesetzes nicht zu
gefährden, und es demnach in Kauf nahm, dass die Anliegen der beiden
Initiativen nur in modifizierter Form realisiert werden. Schliesslich
zeigt das Abstimmungsergebnis, gesamthaft gesehen, keine eindeutige
Annahme des Gegenvorschlages. Denn alle drei Vorlagen wurden mit einer
über 90 000 liegenden Anzahl von Ja-Stimmen angenommen; die Mehrheit
des Gegenvorschlages gegenüber der Initiative "Für eine gerechte
Besteuerung von Familien und Alleinstehenden" beträgt lediglich 691
Stimmen und diejenige gegenüber der Initiative zum Ausgleich der kalten
Progression 5810 Stimmen. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass diese
geringen Differenzen im wesentlichen auf die Möglichkeit des mehrfachen
Ja zurückzuführen ist. Doch liegen die Resultate derart nahe beieinander,
dass die Möglichkeit einer Beeinflussung des Abstimmungsresultates durch
den Abstimmungsmodus nicht ausgeschlossen werden kann.

    Gesamthaft gesehen ergibt sich damit, dass der Mangel in der
Durchführung der Volksabstimmung so schwer wiegt, dass von einer Kassation
nicht Umgang genommen werden kann. Daher ist die Volksabstimmung vom
8. Juni 1986 als ganze aufzuheben. Die zuständigen Behörden werden
demnach eine neue Volksabstimmung ansetzen und ein Abstimmungsverfahren
wählen müssen, welches den Anforderungen an das Stimm- und Initiativrecht
genügt. Bei diesem Ausgang des Verfahrens braucht auf die Eventualanträge
sowie die weitern Rügen der Beschwerdeführer nicht mehr näher eingegangen
zu werden.

    b) Es ist nicht zu übersehen, dass die Aufhebung der Volksabstimmung
vom 8. Juni 1986 schwerwiegende Auswirkungen zur Folge hat. Zum einen
ergeben sich praktische Schwierigkeiten für die Steuerperiode 1987/88. Mit
erheblichem Aufwand müssten den Steuerpflichtigen neue Steuerformulare
zugestellt und die Veranlagungen mit einiger Verzögerung nach altem
Recht vorgenommen werden. Die Kassation der Abstimmung hat weiter zur
Konsequenz, dass das zürcherische Steuergesetz, das vom Bundesgericht im
Entscheid BGE 110 Ia 7 in bezug auf die Steuerbelastung von Ehepaaren und
im Konkubinat lebenden Paaren als verfassungswidrig erklärt worden ist,
in der alten Fassung aufrechterhalten würde. Weiter fällt in Betracht,
dass die Volksabstimmung am 8. Juni 1986 nur aufgrund der Abweisung
des Gesuches, es sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung beizulegen
und der Abstimmungstermin abzusetzen, durchgeführt werden konnte. Dem
Umstand, dass das Volk über die Steuervorlagen tatsächlich abgestimmt
hat und die Steuerverwaltung daher die notwendigen und weitreichenden
Vorbereitungen für die Taxation 1987 aufgrund der angenommenen Vorlage
treffen durfte, kann hier Rechnung getragen werden. Schliesslich ist zu
bedenken, dass sich die Mehrheit der Stimmenden klar für eine Revision
des Steuergesetzes - in der einen oder andern Form - ausgesprochen
hat. Angesichts dieser Sachlage rechtfertigt es sich, die Auswirkungen der
Aufhebung des Urnenganges vom 8. Juni 1986 auf die materielle Rechtslage
erst auf einen spätern Zeitpunkt eintreten zu lassen. Im Sinne einer
vorläufigen Massnahme soll daher der Gegenvorschlag des Kantonsrates, wie
er am 8. Juni 1986 von der Mehrheit der Stimmenden angenommen worden ist,
vorläufig in Kraft bleiben, bis eine korrekte Abstimmung durchgeführt
ist und eine allfällige Revision des Steuergesetzes in Kraft tritt.

    Im einzelnen bedeutet dies, dass das Steuergesetz in der Fassung vom
8. Juni 1986 aus Praktikabilitätsüberlegungen für die Steuerperiode 1987/88
ohne weiteres in Kraft bleiben kann. Wird in der Folge eine neue Abstimmung
durchgeführt, so kann eine allfällige Änderung des Steuergesetzes
für den Beginn der Steuerperiode 1989/90 in Kraft treten. Falls im
Jahre 1987 oder 1988 jegliche Steuervorlage in der Volksabstimmung
scheitern sollte, müsste ab 1989 wieder das Steuergesetz in der alten
Fassung angewendet werden. Sollte in der Volksabstimmung allerdings die
unformulierte Initiative "Für eine gerechte Besteuerung von Familien
und Alleinstehenden" angenommen werden, hätte der Kantonsrat seinerseits
eine Vorlage auszuarbeiten und diese erneut dem Volk vorzulegen. Da für
diesen Fall mit einem Inkrafttreten einer allfälligen Steuergesetzrevision
auf Anfang 1989 nicht gerechnet werden kann, kann das Steuergesetz in
der Fassung vom 8. Juni 1986 auch noch für die Steuerperiode 1989/90
gelten. Kommt bis Ende 1990 keine neue Vorlage zustande, die auf den 1.
Januar 1991 in Kraft gesetzt werden kann, so gilt auf jeden Fall ab diesem
Datum wieder das Steuergesetz in der bisherigen Fassung. Den zürcherischen
Behörden bleibt es unbenommen, das Steuergesetz in der Fassung vom 8. Juni
1986 auf einen früheren Zeitpunkt ausser Kraft zu setzen.

    Angesichts des aussergewöhnlichen Vorgehens, die Auswirkungen der
Aufhebung der Volksabstimmung erst auf einen späteren Zeitpunkt eintreten
zu lassen, sind die zürcherischen Behörden einzuladen, unverzüglich eine
neue Volksabstimmung anzusetzen.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    1. Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen, und die
Volksabstimmung im Kanton Zürich vom 8. Juni 1986 über drei Steuervorlagen
wird aufgehoben.

    2. Im Sinne einer vorläufigen Massnahme bleibt das Steuergesetz
des Kantons Zürich in der Fassung vom 8. Juni 1986 in Kraft für
die Steuerperiode 1987/88 bzw. bis zum Inkrafttreten allfälliger im
Zusammenhang mit der Abstimmung über die Volksinitiativen "Für eine
gerechte Besteuerung von Familien und Alleinstehenden" sowie "Für die
Ausschaltung von Steuerverschärfungen infolge Teuerung (Ausgleich der
kalten Progression)" beschlossener Änderungen des Steuergesetzes des
Kantons Zürich, längstens aber bis zum Abschluss der Steuerperiode 1989/90.