Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IA 412



113 Ia 412

62. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
18. März 1987 i.S. X., Y. und Z. gegen Kanton Bern (staatsrechtliche
Beschwerde) Regeste

    Schaffung eines Wirtschaftsstrafgerichts gemäss Abänderungsgesetz
des Kantons Bern vom 10. September 1985.

    Durch die Errichtung dieses auf verfassungsmässiger Grundlage
beruhenden Wirtschaftsstrafgerichts wird weder der Grundsatz der
Öffentlichkeit (E. 2) noch derjenige der Unmittelbarkeit (E. 3) verletzt;
ebensowenig liegt eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK vor
(E. 3c). Ferner verstösst seine Schaffung auch nicht gegen Art. 58
Abs. 1 BV oder gegen das Rechtsgleichheitsgebot (E. 5). Schliesslich
ist ebenfalls die in den Übergangsbestimmungen gemäss Abänderungsgesetz
enthaltene Rückwirkungsregelung nicht verfassungswidrig (E. 6).

Sachverhalt

    A.- Der Grosse Rat des Kantons Bern verabschiedete am 10.
September 1985 das Gesetz betreffend die Änderung des Gesetzes
über die Organisation der Gerichtsbehörden, des Gesetzes über das
Strafverfahren des Kantons Bern, des Gesetzes betreffend die Einführung
des schweizerischen Strafgesetzbuches und des Gesetzes über das
Dienstverhältnis der Behördemitglieder und des Personals der bernischen
Staatsverwaltung. Nachdem die Referendumsfrist unbenutzt abgelaufen war,
wurde das Abänderungsgesetz mit Beschluss des Regierungsrates des Kantons
Bern vom 11. Februar 1986 auf diesen Tag hin in Kraft gesetzt. Die
Publikation der Inkraftsetzung erfolgte im Amtsblatt des Kantons Bern
vom 15. Februar 1986.

    Das Abänderungsgesetz enthielt u.a. folgende Bestimmungen:

    "I. Gesetz über die Organisation der Gerichtsbehörden (GOG [neue
Fassung
   vom 10. September 1985 nachfolgend mit nGOG bezeichnet]):

    Art. 9a: Eine der beiden Kriminalkammern bildet das

    Wirtschaftsstrafgericht des Kantons.

    II. Gesetz über das Strafverfahren des Kantons Bern (StrV [neue Fassung
   vom 10. September 1985 nachfolgend mit nStrV bezeichnet]):

    Art. 29 Das Geschworenengericht beurteilt die mit Zuchthaus von
mehr als
   fünf Jahren bedrohten Verbrechen. Vorbehalten bleiben die Artikel 208,

    208a und 208b.

    Art. 208 2 Handelt es sich um politische Verbrechen oder Vergehen oder
   um in der Presse begangene Ehrverletzungen, die öffentliche Interessen
   berühren, so sind die Überweisungsbehörden auch befugt, an ein
   Gericht mit anderer, insbesondere höherer sachlicher Zuständigkeit
   zu überweisen, wenn besondere Gründe dafür sprechen. Ebenso können
   unter den in Artikel 208b genannten Voraussetzungen Straffälle in
   der Zuständigkeit des Amtsgerichts an das Wirtschaftsstrafgericht
   überwiesen werden.

    Art. 208b (neu) Ein Fall soll an das Wirtschaftsstrafgericht überwiesen
   werden, wenn zur Hauptsache strafbare Handlungen gegen das Vermögen oder

    Urkundenfälschungen in Frage stehen und deren Beurteilung besondere
   wirtschaftliche Kenntnisse oder die Würdigung einer grossen Zahl
   schriftlicher Beweismittel voraussetzt; die in Artikel 208a genannten

    Erfordernisse müssen nicht vorliegen.

    Art. 296 1 Die Kriminalkammer und das Wirtschaftsstrafgericht befolgen
   bei der Behandlung der ihnen überwiesenen Fülle die Vorschriften
   über das

    Hauptverfahren vor dem Amtsgericht und dem Einzelrichter.

    Anstelle von Artikel 235 ist Artikel 285 anwendbar.

    2 Zu berücksichtigen sind die folgenden, besonderen Bestimmungen:

    1. Die Akten zirkulieren vor der Hauptverhandlung bei allen Mitgliedern
   des Gerichts.

    2. Hatte der Angeschuldigte oder sein Verteidiger schon in der

    Voruntersuchung Gelegenheit, einem Zeugen oder Sachverständigen
Fragen zu
   stellen, steht es im Ermessen des Gerichtes, diese Personen zur

    Hauptverhandlung vorzuladen und abzuhören.

    ...

    Art. 398 Dieses Gesetz und dessen spätere Änderungen treten auf den vom

    Regierungsrat festzusetzenden Zeitpunkt in Kraft mit folgenden

    Einschränkungen:

    1. Strafprozesse, welche in diesem Zeitpunkte in das

    Rechtsmittelverfahren eingetreten und in denen die Vorladungen zur

    Verhandlung ergangen sind, werden nach altem Recht zu Ende geführt;
doch
   gilt betreffend Beweiswürdigung, Wiederaufnahme des Verfahrens,

    Vollstreckung und Begnadigung das neue Recht, ebenso, wenn die Sache zu
   neuer Verhandlung an die erste Instanz zurückgewiesen wird.

    2. Strafprozesse, welche in diesem Zeitpunkte in das Hauptverfahren
   eingetreten und in denen die Vorladungen zur Hauptverhandlung
   ergangen sind, werden nach altem Recht in der betreffenden Instanz
   zu Ende geführt; doch gilt das neue Recht betreffend Beweiswürdigung,
   Rechtsmittel,

    Vollstreckung und Begnadigung, ebenso, wenn die Sache zu neuer
Verhandlung
   an die erste Instanz zurückgewiesen wird.

    3. Unverändert."

    Am 25. Februar 1986 erhoben X., Y. und Z., die alle im Kanton Bern
wohnhaft sind, staatsrechtliche Beschwerde gegen dieses Abänderungsgesetz
wegen Verletzung des Öffentlichkeits- und Unmittelbarkeitsprinzips (Art. 50
der bernischen Kantonsverfassung [KV]; Art. 211, 230, 244, 249, 289 und
295 Abs. 1 StrV; Art. 58 Abs. 1 und Art. 4 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK), wegen
Verletzung der Garantie des Geschworenengerichtes (Art. 61 KV), wegen
fehlender Verfassungsgrundlage für das Wirtschaftsstrafgericht(Art. 49
KV), wegen Verletzung des Rechts auf den verfassungsmässigen Richter
und des Verbots von Ausnahmegerichten (Art. 49 KV; Art. 58 Abs. 1 und
Art. 4 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK), wegen willkürlicher Zuweisungsregelung
(Art. 208b nStrV; 58 Abs. 1 und Art. 4 BV) sowie wegen willkürlicher
Übergangsbestimmungen (Art. 398 nStrV; Art. 58 Abs. 1 und Art. 4 BV). Sie
stellen den Antrag, Art. 9a nGOG sowie Art. 29 Satz 2, Art. 208 Abs. 2
Satz 2, Art. 296 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 und Art. 398 Ziff. 1 und 2 nStrV
seien aufzuheben.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit auf sie eingetreten
werden kann.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Hatte der Angeschuldigte oder sein Verteidiger schon in
der Voruntersuchung Gelegenheit, einem Zeugen oder Sachverständigen
Fragen zu stellen, so steht es gemäss Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV im
Ermessen des Gerichtes, diese Personen zur Hauptverhandlung vorzuladen
und abzuhören. Die Beschwerdeführer machen geltend, diese Bestimmung
verletze das Öffentlichkeitsprinzip, welches sie in Art. 50 KV, in der
Bundesverfassung (als ungeschriebenes Verfassungsrecht, evtl. in Art. 58
Abs. 1 oder in Art. 4 BV) und in Art. 6 Ziff. 1 EMRK gewährleistet sehen.

    a) Nach Art. 50 KV gilt für die Verhandlungen vor den Gerichten
als Regel der Grundsatz der Öffentlichkeit und der Mündlichkeit,
wobei die Gesetzgebung Ausnahmen gestatten kann. Der Gewährleistung
verfassungsmässiger Rechte der Kantone kommt allerdings nur
dort selbständige Bedeutung zu, wo ihr Schutzgehalt über den der
verfassungsmässigen Rechte der Bundesverfassung oder der Europäischen
Menschenrechtskonvention hinausgeht (BGE 112 Ia 126 E. 3a, 103 Ia
171, 99 Ia 266 E. II, je mit Hinweisen; s. auch WALTER KÄLIN, Das
Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1984, S. 78). Ob der
Grundsatz der Öffentlichkeit der Strafgerichtsverhandlung im Sinne der
Auffassung der Beschwerdeführer als ungeschriebenes Verfassungsrecht
der Bundesverfassung anerkannt werden kann, war vom Bundesgericht
bisher nicht zu entscheiden und erscheint als fraglich. Die Frage
kann jedoch offenbleiben, da jedenfalls Art. 6 Ziff. 1 EMRK das
Öffentlichkeitsprinzip der Strafgerichtsverhandlung gewährleistet und
auf ein erstinstanzliches Verfahren grundsätzlich unmittelbar anwendbar
ist (BGE 111 Ia 243 f. E. 6, 108 Ia 92 E. 2c, je mit Hinweisen). Da
das Bundesgericht im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle frei und
umfassend prüft, ob der angefochtene Erlass die angerufene Verfassungs-
oder Konventionsbestimmung verletzt (s. BGE 111 Ia 24 f. E. 2 mit
Hinweisen), kommt der von den Beschwerdeführern im vorliegenden
Zusammenhang zusätzlich erhobenen Rüge, mit Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2
nStrV werde auch das Willkürverbot verletzt, keine selbständige
Bedeutung zu. Die Beschwerdeführer haben im übrigen nicht dargetan,
weshalb diese Bestimmung mit "keinen hinreichenden Gründen sachlicher
Natur zu rechtfertigen", d.h. willkürlich sein soll; ihr insoweit blosser
Verweis auf andernorts in ihrer Beschwerde gemachte Ausführungen vermag
jedenfalls ihre Willkürrüge nicht rechtsgenüglich zu substantiieren
(Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; vgl. BGE 110 Ia 3 f. E. 2a). Inwiefern der
Grundsatz der Öffentlichkeit der Strafgerichtsverhandlung durch Art. 58
BV gewährleistet sein soll, wie dies die Beschwerdeführer ebenfalls
geltend machen, ist nicht ersichtlich. Die Bestimmung des Art. 58
BV ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung als Garantie eines
unparteiischen und unabhängigen Richters zu verstehen; sie gewährleistet
jedermann die Freiheit, nur von dem Richter Recht zu nehmen, der nach den
bestehenden Verfassungsnormen, Gesetzen und Verordnungen allgemein für
die Streitsachen zuständig ist, zu denen der in Frage stehende Prozess
gehört (BGE 91 I 401 mit Hinweisen), und sie gibt jedermann Anspruch auf
richtige Besetzung des Gerichts (s. BGE 112 Ia 290 ff., BGE vom 4. Februar
1987 in EuGRZ 1987, S. 156 f., je mit Hinweisen). Soweit Unabhängigkeit,
Unparteilichkeit und Gesetzmässigkeit durch Art. 58 BV gewährleistet sind,
stimmt zwar diese Bestimmung mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK überein (s. auch
BGE 105 Ia 166 E. 7 und 180 E. 6; Entscheide der Europäischen Kommission
für Menschenrechte vom 1. Dezember 1986 i.S. K. und i.S. S. gegen die
Schweiz [auszugsweise publ. in VPB 1987 Nr. 78] in welchen die Kommission
sowohl die Divisionsgerichte als auch das Militärkassationsgericht
gemäss schweizerischer Militärstrafprozessordnung als unabhängige
und unparteiliche Gerichte im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK erachtet;
ferner: JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, Grundrechte, Besonderer Teil,
Bern 1985, S. 279). Mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit als weiterem,
eigenständigem Schutzgehalt von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (s. nachf. lit. b
und c) hat die Garantie des Art. 58 BV an sich jedoch nichts zu tun.

    b) Aus diesen Gründen und weil die Beschwerdeführer nicht behauptet
haben, Art. 50 KV gehe weiter als Art. 6 Ziff. 1 EMRK, ist die von ihnen
erhobene Rüge der Verletzung des Öffentlichkeitsprinzips ausschliesslich
im Lichte dieser letztgenannten Bestimmung zu beurteilen.

    Die Schweiz hat zu Art. 6 Ziff. 1 EMRK in bezug auf den Grundsatz
der Öffentlichkeit einen Vorbehalt angebracht, doch betrifft dieser
nicht die im vorliegenden Verfahren einzig zur Diskussion stehende
Strafgerichtsverhandlung, sondern das Verfahren vor Verwaltungsbehörden
sowie die Öffentlichkeit der Urteilsverkündung an sich (s. hiezu LUZIUS
WILDHABER, Internationaler Kommentar zur EMRK, Köln/Berlin/Bonn/München
1986, N. 603 ff. zu Art. 6 EMRK). Es ist daher hier nicht auf diesen
Vorbehalt einzugehen.

    c) Der in Art. 6 Ziff. 1 EMRK enthaltene Grundsatz der Öffentlichkeit
der Gerichtsverhandlung bezieht sich nicht bloss auf die Partei-, sondern
auch auf die Publikumsöffentlichkeit (BGE 111 Ia 244 E. 7a). Er bedeutet
eine Absage an jede Form geheimer Kabinettsjustiz und soll durch die
Kontrolle der Öffentlichkeit dem Angeschuldigten und allen übrigen
am Prozess Beteiligten eine korrekte und gesetzmässige Behandlung
gewährleisten. Der Öffentlichkeit soll darüber hinaus ermöglicht
werden, Kenntnis davon zu erhalten, wie das Recht verwaltet und wie die
Rechtspflege ausgeführt wird. Durch die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung
wird es der Allgemeinheit ermöglicht, den Strafprozess unmittelbar
zu verfolgen. Die rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung des
Grundsatzes der Öffentlichkeit im Strafprozess verbietet einen Ausschluss
der Öffentlichkeit dort, wo nicht überwiegende Gründe der staatlichen
Sicherheit, öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit oder schützenswerte
Interessen Privater das vordringlich gebieten. In diesem Sinn sieht
auch Art. 6 Ziff. 1 EMRK Ausnahmen vom Grundsatz der Öffentlichkeit
vor (BGE 111 Ia 245 E. 7b, 108 Ia 92 E. 3a mit Hinweisen; Urteil des
Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 22. Februar 1984
i.S. Sutter, Publications de la Cour européenne des droits de l'homme,
Série A Nr. 74, nichtamtliche deutsche Übersetzung in VPB 1984 Nr. 83;
s. ferner: GERARD PIQUEREZ, Précis de procédure pénale suisse, Lausanne
1987, S. 158 ff.; HERBERT MIEHSLER/THEO VOGLER, Internationaler Kommentar
zur EMRK, N. 331 ff. zu Art. 6 EMRK; JOCHEN FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT,
EMRK Kommentar, Kehr/Strassburg/Arlington 1985, N. 79 ff. zu Art. 6 EMRK;
ROBERT HAUSER, Kurzlehrbuch des schweizerischen Strafprozessrechts,
2. Aufl., Basel 1984, S. 140 ff.; HANS SCHULTZ, Die Strafprozessreform
in der Schweiz, Juristische Rundschau 1981, S. 50; HANS SCHULTZ, Der
Grundsatz der Öffentlichkeit im Strafprozess, SJZ 1973 S. 129 ff.;
HEINZ GURADZE, Die Europäische Menschenrechtskonvention, Kommentar,
Berlin und Frankfurt a.M. 1968, S. 99). Der Öffentlichkeitsgrundsatz
besagt jedoch nicht, welche Prozesshandlungen an der Hauptverhandlung
vorgenommen werden müssen und in welcher Form sie zu geschehen haben. Er
enthält insbesondere keine Aussage darüber, ob bzw. welche Zeugen in
der Hauptverhandlung anzuhören sind. Dies betrifft vielmehr Fragen der
Prinzipien der Unmittelbarkeit und der Mündlichkeit, die zwar mit dem
Grundsatz der Öffentlichkeit in einem gewissen Zusammenhang stehen,
dabei aber Prinzipien mit durchaus je eigenständigem Gehalt darstellen
(s. GERARD PIQUEREZ, aaO, S. 163 ff.; ROBERT HAUSER, aaO, S. 136 ff.;
ROBEBRT HAUSER, Zum Prinzip der Unmittelbarkeit, ZStrR 1981 S. 168 ff.;
ROLF KÜNG-HOFER, Die Beschleunigung des Strafverfahrens unter Wahrung der
Rechtsstaatlichkeit, Diss. Bern 1984, S. 228; KARL PETERS, Strafprozess,
4. Aufl., Heidelberg/Karlsruhe 1985, S. 317 ff. und S. 557 f.; CLAUS
ROXIN, Strafverfahrensrecht, 20. Aufl., München 1987, S. 281 ff.; vgl.
auch MARTIN SCHUBARTH, Die Artikel 5 und 6 der Konvention, insbesondere
im Hinblick auf das schweizerische Strafprozessrecht, ZSR 1975 Bd. I,
S. 502; s. im übrigen nachf. E. 3). Entscheidend ist im Lichte des
Öffentlichkeitsgrundsatzes, dass ebenfalls der unbeteiligte Dritte, also
die Öffentlichkeit, am gesamten Prozessgeschehen der Hauptverhandlung, so
wie sie - allenfalls unter Vorbehalt der in Art. 6 Ziff. 1 EMRK genannten
Ausnahmefälle - in den einzelnen Strafprozessgesetzen geregelt ist,
teilnehmen und derart die Rechtspflege kontrollieren kann. Die Teilnahme in
diesem Sinne ist auch nach den im Abänderungsgesetz vom 10. September 1985
enthaltenen Bestimmungen des bernischen Strafverfahrens gewährleistet. Die
Beschwerde ist demnach unbegründet, soweit mit ihr eine Verletzung des
Öffentlichkeitsgrundsatzes gerügt wird.

Erwägung 3

    3.- a) Die Beschwerdeführer leiten aus der in Art. 50 KV
gewährleisteten Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens den
Grundsatz der Unmittelbarkeit ab. Diesen Grundsatz sehen sie durch
Art. 230 und 254 StrV konkretisiert, wonach die notwendigen - als
Urteilsgrundlage unerlässlichen - Beweismassnahmen auf den Zeitpunkt
der Hauptverhandlung anzuordnen sind und der Richter das Ergebnis der
Beweisaufnahme auf Grund der Hauptverhandlung zu würdigen hat. Sie machen
geltend, Art. 296 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 nStrV stelle eine Ausnahmeregelung
für das Wirtschaftsstrafgericht und die Kriminalkammer dar, welche das
Unmittelbarkeitsprinzip verletze, indem sie den Richter davon entbinde,
Zeugen oder Sachverständige zur Hauptverhandlung vorzuladen und in dieser
abzuhören. Ferner werde das Unmittelbarkeitsprinzip durch die genannte
Ausnahmeregelung dadurch verletzt, dass sie dem Richter Aktenkenntnis
schon vor der Hauptverhandlung verschaffe (soweit mit dieser Aktenkenntnis
auch die Kenntnis der Einvernahmeprotokolle der Voruntersuchung gemeint
sein sollte).

    Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Hauptverhandlung nach
bernischem Strafverfahren aufgrund der darin enthaltenen Vorschriften vom
Grundsatz der Unmittelbarkeit beherrscht ist (vgl. das den Straffall Gasser
betreffende Urteil des Kassationshofes des Kantons Bern vom 26. August
1983 i.S. B. in ZBJV 1984, S. 422 ff.; GERARD PIQUEREZ, Traité de procédure
pénale bernoise et jurassienne, Neuchâtel 1983, Bd. I S. 96 ff. und Bd. II
S. 634 ff.; FRITZ FALB, Das bernische Strafverfahren, Vorlesungsskriptum,
3. Aufl. 1975, S. 57 ff.). Indes kann dahingestellt bleiben, ob sich
dieser Grundsatz aus der die Prinzipien der Öffentlichkeit und Mündlichkeit
gewährleistenden Bestimmung des Art. 50 KV ergibt. Wäre dies der Fall,
so könnte die Gesetzgebung gemäss der erwähnten kantonalen Verfassungsnorm
auch insoweit Ausnahmen vorsehen, wie dies der Kassationshof des Kantons
Bern im soeben angeführten Urteil vom 26. August 1983 selber - zutreffend -
festgestellt hat (ZBJV 1984, S. 423; s. auch BGE vom 11. November 1983 in
ZBJV 1984, S. 433 ff.). Aus diesem Urteil vermögen die Beschwerdeführer
daher im vorliegenden Zusammenhang entgegen ihrer Auffassung nichts zu
ihren Gunsten abzuleiten. Ausnahmen der genannten Art sind denn auch
bereits in der bisherigen Fassung des Strafverfahrens vorgesehen, so
beispielsweise bezüglich der Verlesung von Abhörungsprotokollen (Art. 249
StrV). Solche Ausnahmen stellen aber auch die Vorschriften von Art. 296
Abs. 2 Ziff. 1 und 2 nStrV dar. Da Ziff. 1 dieser Bestimmung schon in
der Fassung des Strafverfahrens vom 7. Mai 1980 im damaligen Art. 295
enthalten war, ist es fraglich, ob diese Teilbestimmung überhaupt noch
Gegenstand des vorliegenden Normenkontrollverfahrens bilden kann. Diese
Frage kann hier jedoch letztlich offenbleiben, da sich Art. 296 Abs. 2
nStrV insgesamt weder als bundesverfassungs- noch als konventionswidrig
erweist, hat doch der Beschuldigte weder nach der Verfassung noch
nach der Europäischen Menschenrechtskonvention einen Anspruch darauf,
dass das Unmittelbarkeitsprinzip im Beweisverfahren schrankenlos zum
Tragen kommt (vgl. JOCHEN FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, aaO, N. 71 ff. zu
Art. 6 EMRK; ARTHUR HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze
gleich, Bern 1985, S. 246). Die gesetzlich vorgesehene Einschränkung
des Unmittelbarkeitsgrundsatzes für das Beweisverfahren im Rahmen der
Hauptverhandlung bei der Kriminalkammer und beim Wirtschaftsstrafgericht
erfolgt nicht deshalb, um - wie die Beschwerdeführer behaupten -
dieses "Prinzip in sein Gegenteil" zu "verkehren" und "es praktisch
auszuhöhlen", sondern aus dem einzigen Grund, bei den komplexen und
äusserst umfangreichen Wirtschaftsstraffällen die Durchführung einer
Strafgerichtsverhandlung in vernünftigem Rahmen und in angemessener
Zeitdauer überhaupt zu ermöglichen. Damit erfolgt diese Einschränkung
des Grundsatzes der Unmittelbarkeit nicht nur im Interesse der Justiz
und der Rechtspflege an sich, deren Lahmlegung es zu verhindern gilt,
sondern insbesondere auch im Interesse des Beschuldigten selber. Dass
die Strafuntersuchung innert angemessener Frist zu Ende geführt wird,
gehört auch zu den Rechten eines Beschuldigten; das in diesem Zusammenhang
zu beachtende Beschleunigungsgebot ist vom Bundesgericht aus Art. 4 BV
abgeleitet worden (vgl. BGE 103 V 190 ff., s. auch BGE 107 Ib 165),
und es ist in Art. 6 Ziff. 1 EMRK ebenfalls ausdrücklich enthalten
(vgl. hiezu auch ROLF KÜNG-HOFER, aaO, insbesondere S. 78 ff., und S. 99
ff.; JOCHEN FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, aaO, N. 98 ff. zu Art. 6 EMRK;
WOLFGANG PEUKERT, Die überlange Verfahrensdauer (Art. 6 Abs. 1 EMRK)
in der Rechtsprechung der Strassburger Instanzen, EuGRZ 1979 S. 261 ff.;
JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, aaO, S. 232). Im Lichte dieses Gebotes
darf ein Kanton prozessuale Bestimmungen, die es verunmöglichen, eine
Strafuntersuchung innert vernünftiger Frist zu beenden, nicht gelten
lassen. Dementsprechend und in Anbetracht der grossen Probleme, welche
die bisherige bernische Regelung der Wirtschaftskriminalkammer mit sich
brachte, ist nicht zu beanstanden, dass der bernische Gesetzgeber das
Abänderungsgesetz vom 10. September 1985 besser als die frühere Regelung
nach dem Beschleunigungsgebot ausrichtete. Im übrigen wird die Einvernahme
eines Zeugen in der Hauptverhandlung durch Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV
weder ausdrücklich noch durch die Praxis ausgeschlossen. Nur dort, wo
der Angeschuldigte oder sein Verteidiger schon in der Voruntersuchung die
Gelegenheit hatte, einem Zeugen oder Sachverständigen Fragen zu stellen,
steht es im Ermessen des Gerichts, diese Person zur Hauptverhandlung
vorzuladen und abzuhören (was, wie nachfolgend [lit. c] aufzuzeigen ist,
auch keine Verletzung von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK darstellt); bestand
diese Möglichkeit der Fragestellung aber in der Voruntersuchung nicht,
so muss in der Hauptverhandlung vor dem Strafgericht dafür Gelegenheit
eingeräumt werden. Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführer
steht dem Richter somit nicht das "generelle und unbeschränkte Recht
auf Verweigerung der Zeugenabhörungen in der Hauptverhandlung"
zu. Vielmehr hat er sein Ermessen nach allgemeinen Grundsätzen
pflichtgemäss auszuüben. Das Unmittelbarkeitsprinzip darf also nur dann im
dargelegten Umfang eingeschränkt werden, wenn die genannten gesetzlichen
Voraussetzungen hiefür erfüllt sind. Als gesetzmässige Beschränkung des
Unmittelbarkeitsprinzips hält die Regelung gemäss Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2
nStrV aber - wie ausgeführt - vor der Verfassung und vor der Europäischen
Menschenrechtskonvention stand.

    b) Die Beschwerdeführer machen ferner geltend, die durch das
Abänderungsgesetz vom 10. September 1985 vorgesehene Einschränkung
des Unmittelbarkeitsprinzips verstosse auch gegen das Grundrecht
des "fair trial", also gegen den Grundsatz des fairen bzw. gerechten
Verfahrens. Dieser Grundsatz ergibt sich namentlich aus Art. 6 Ziff. 1
EMRK, wonach - wie schon erwähnt worden ist - jedermann Anspruch darauf
hat, dass seine Sache in billiger Weise gehört wird, und nebstdem ist
er auch durch Art. 6 Ziff. 3 EMRK garantiert (vgl. dazu insbesondere:
JOCHEN FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, aaO, N. 1 und N. 54 ff. zu Art. 6 EMRK;
ROBERT HAUSER, aaO, S. 153 f.; WOLFGANG PEUKERT, Die Garantie des "fair
trial" in der Strassburger Rechtsprechung, EuGRZ 1980, S. 247 ff.; STEFAN
TRECHSEL, Die Verteidigungsrechte in der Praxis zur Europäischen MRK,
ZStrR 1979, S. 375 ff.). Die Beschwerdeführer rufen in diesem Zusammenhang
indes nicht Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention an,
sondern sie machen geltend, der Grundsatz des fairen Verfahrens sei als
ungeschriebener Verfassungsgrundsatz in der Bundesverfassung enthalten
oder ergebe sich allenfalls aus Art. 58 Abs. 1 BV. Allerdings begründen
sie diese Behauptung nicht näher.

    Der Grundsatz des fairen oder gerechten Verfahrens ist im
schweizerischen Verfassungsrecht zwar nicht ausdrücklich, jedoch der Sache
nach garantiert; es sind damit dem Gehalte nach im wesentlichen die vom
Bundesgericht in seiner Rechtsprechung zu Art. 4 BV entwickelten Prinzipien
eines rechtsstaatlichen Verfahrens gemeint (vgl. hiezu: PETER SALADIN, Das
Verfassungsprinzip der Fairness, in: Erhaltung und Entfaltung des Rechts
in der Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts, Basel 1975,
S. 41 ff., insbesondere S. 81 ff.; s. auch JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER,
aaO, S. 227 ff. und 259 ff.). Konkret rügen die Beschwerdeführer unter dem
Titel des fairen Verfahrens allerdings nur, dass aufgrund der Bestimmungen
des Abänderungsgesetzes vom 10. September 1985 keine Waffengleichheit
bestehe, indem der Beschuldigte in verschiedener Hinsicht gegenüber
dem Untersuchungsrichter als Anklagevertreter erheblich benachteiligt
würde. Diese Rüge der Verletzung des Gebotes der Waffengleichheit ist indes
nicht rechtsgenüglich substantiiert (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG); auch der
insoweit erfolgte Hinweis auf andernorts in der Beschwerdeschrift gemachte
Ausführungen vermag keine hinreichende Begründung dafür abzugeben. Es
ist daher nicht weiter darauf einzugehen.

    c) Weiter machen die Beschwerdeführer geltend, die Einschränkung des
Unmittelbarkeitsprinzips gemäss Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV verstosse
ebenfalls gegen Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK. Gemäss dieser Bestimmung steht
jedem Angeklagten das Recht zu, Fragen an die Belastungszeugen zu stellen
oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung der Entlastungszeugen
unter denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken. Nach
der Rechtsprechung ist dem Beschuldigten gestützt auf Art. 6 Ziff. 3 lit. d
EMRK unabhängig von der Ausgestaltung des kantonalen Prozessrechtes
mindestens einmal während des Verfahrens Gelegenheit zu geben, der
Einvernahme von Zeugen, die ihn belasten, beizuwohnen und Ergänzungsfragen
zu stellen oder aber, sofern er der Vernehmung nicht beiwohnen kann, nach
Einsicht in die Aussagen schriftlich ergänzende Fragen anzubringen (BGE
105 Ia 397, 104 Ia 319). Aus Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK lässt sich jedoch
nicht ableiten, dass dem Beschuldigten mehrmals Gelegenheit geboten werden
müsse, zu verlangen, dass Zeugen in seiner Gegenwart oder ein zweites
Mal ergänzend befragt werden (BGE 104 Ia 319). Insbesondere lässt sich
aus dieser Bestimmung auch nicht ableiten, dass alle Zeugeneinvernahmen
vor dem Richter in der Hauptverhandlung vor dem Strafgericht zu erfolgen
haben. Vielmehr will diese Bestimmung lediglich ausschliessen, dass ein
Strafurteil auf Aussagen von Zeugen abgestützt werde, ohne dass dem
Beschuldigten wenigstens einmal Gelegenheit geboten worden ist, nach
deren Vernehmung oder nach Einsicht in deren Aussagen Ergänzungsfragen
zu stellen (s. die soeben zitierten Urteile). Dabei genügt es, wenn diese
Möglichkeit irgend einmal im Laufe des Verfahrens gewährt wird (vgl. STEFAN
TRECHSEL, aaO, S. 371; s. auch JOCHEN FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, aaO, N.
137 f. zu Art. 6 EMRK; vgl. ferner JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, aaO, S.
239). Dieses Recht wird durch Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV klarerweise
nicht beeinträchtigt. Demnach erweist sich die Beschwerde auch insoweit
als unbegründet, als damit eine Verletzung des Unmittelbarkeitsprinzips
gerügt wird.

Erwägung 4

    4.- (Das Wirtschaftsstrafgericht laut Abänderungsgesetz vom
10. September 1985 widerspricht der bernischen Kantonsverfassung nicht;
vielmehr stellt diese klarerweise eine hinreichende verfassungsmässige
Grundlage zu seiner Schaffung dar.)

Erwägung 5

    5.- a) Die Schaffung eines Wirtschaftsstrafgerichts verstösst entgegen
der Auffassung der Beschwerdeführer auch nicht gegen Art. 58 Abs. 1
BV. Laut dieser Bestimmung darf niemand seinem verfassungsmässigen
Richter entzogen werden, und es dürfen keine Ausnahmegerichte
eingeführt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gelten
als Ausnahmegerichte Gerichte, die ausserhalb der verfassungsmässigen
Gerichtsorganisation stehen und nur für einen oder mehrere konkrete
Fälle gebildet werden (BGE 110 Ib 281 E. 5). Keine Ausnahmegerichte
sind demgegenüber ständige Spezialgerichte, die für zum voraus
generell bestimmte Sachbereiche zuständig sind (so z.B. die Handels-
und Gewerbegerichte gemäss kantonalen Prozessgesetzen, ebenso die
Militärgerichte gemäss Militärstrafprozessordnung, vgl. hiezu die bereits
erwähnten Entscheide der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom
1. Dezember 1986). Voraussetzung ist allerdings, dass die Zuständigkeit
derartiger Spezialgerichte durch Gesetz festgelegt und die Errichtung
sachlich begründet ist (vgl. JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, aaO, S. 272;
JÖRG PAUL MÜLLER, Die Garantie des verfassungsmässigen Richters in der
Bundesverfassung, ZBJV 1970, S. 257).

    Wie festgestellt worden ist, wurde das Wirtschaftsstrafgericht
gemäss Abänderungsgesetz vom 10. September 1985 für einen zum voraus
generell festgelegten Sachbereich geschaffen, nämlich für Straffälle,
bei welchen zur Hauptsache strafbare Handlungen gegen das Vermögen oder
Urkundenfälschungen in Frage stehen und deren Beurteilung besondere
wirtschaftliche Kenntnisse oder die Würdigung einer grossen Zahl
schriftlicher Beweismittel voraussetzt. Wirtschaftliche Kenntnisse gelten
allgemein als sachliche Begründung von Spezialgerichten (Fachgerichten),
wie dies die Schaffung von Handelsgerichten in verschiedenen Kantonen
belegt. Ebenso lässt es sich vertreten, Wirtschaftsstrafsachen, bei
welchen zahlreiche schriftliche Beweismittel zu würdigen sind, einem
solchen Spezialgericht mit für derart umfangreiche Verfahren geeigneten
Prozessbestimmungen zu unterstellen. Davon, die Schaffung des bernischen
Wirtschaftsstrafgerichts verletze Art. 58 Abs. 1 BV, kann demnach nicht
die Rede sein.

    b) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer wird
Art. 58 Abs. 1 BV auch nicht durch die die Überweisung an das
Wirtschaftsstrafgericht regelnde Bestimmung von Art. 208b nStrV
verletzt. Diese Zuweisungsregel ist notwendig, um den Sachbereich
der Zuständigkeit des Wirtschaftsstrafgerichts generell festzulegen,
und sie ist - wie ausgeführt worden ist - auch durch sachliche Gründe
gerechtfertigt. Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführer ist der
Zuständigkeitsbereich in sachlicher Hinsicht ohne weiteres bestimmbar,
und nebstdem steht diese sachliche Zuständigkeit keineswegs im Widerspruch
zur übrigen sachlichen Zuständigkeitsordnung der bernischen Strafgerichte.

    Darin und auch in den Verfahrensvorschriften von
Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV liegt im übrigen entgegen der
Darstellung der Beschwerdeführer ebenfalls kein Verstoss gegen das
Rechtsgleichheitsgebot. Diesen Grundsatz verletzt ein Erlass, der sich
nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützt, sinn- und zwecklos ist
oder rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund
in den zu regelnden tatsächlichen Verhältnissen nicht ersichtlich ist
(BGE 112 Ia 243 f. E. 4a und 258 E. 4b, 111 Ia 91 E. 3a, mit Hinweisen;
ARTHUR HAEFLIGER, aaO, S. 62; s. auch JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER,
aaO, S. 191 ff.). Dass die genannten Vorschriften durchaus sinnvoll
und zweckmässig sind, ist bereits dargelegt worden. Es werden jedoch
durch sie auch nicht rechtliche. Unterschiede getroffen, für die ein
vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht zu finden ist
(vgl. ARTHUR HAEFLIGER, aaO, S. 63). Vielmehr weist Art. 208b nStrV klare
Kriterien auf, aufgrund welcher die Zuweisung erfolgt, und diese Regelung -
wie übrigens auch diejenige der speziellen Verfahrensvorschriften gemäss
Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV - ist sachlich vernünftig begründet durch
die Notwendigkeit, komplexe und umfangreiche Strafprozesse zu beschleunigen
und durch kompetente Richter mit besonderen Fach- und Personenkenntnissen
beurteilen zu lassen. Im übrigen entsteht dadurch keine Benachteiligung
des Beschuldigten. So werden insbesondere auch die Verteidigungsrechte
durch die Neuregelung nicht beeinträchtigt.

Erwägung 6

    6.- Art. 398 nStrV entspricht mit Ausnahme kleinerer Präzisierungen
dem bisherigen Art. 398 StrV. Die Beschwerdeführer machen geltend, die
Regelung gemäss Art. 398 nStrV sei willkürlich, indem darin bestimmt
werde: "... doch gilt betreffend Beweiswürdigung, Wiederaufnahme des
Verfahrens (bzw. Rechtsmittel), Vollstreckung und Begnadigung das
neue Recht, ebenso, wenn die Sache zur neuen Verhandlung an die erste
Instanz zurückgewiesen wird." Sie rügen, diese Vorschrift bezwecke,
rückwirkend die Verteidigungsrechte zu beschneiden und die Anwendbarkeit
des Abänderungsgesetzes vom 10. September 1985 auf den - bereits an
anderer Stelle erwähnten - Fall Gasser zu ermöglichen. Damit rügen die
Beschwerdeführer jedoch gerade den Passus der genannten Bestimmung als
willkürlich, welcher mit der früheren Regelung praktisch übereinstimmt.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts liegt eine Rückwirkung
eines Erlasses dann vor, wenn bei der Anwendung des neuen Rechts an ein
Ereignis angeknüpft wird, das in der Vergangenheit liegt und vor Erlass
des Gesetzes abgeschlossen wurde (BGE 107 Ib 196 E. 3b mit Hinweisen). Es
lässt in seiner Rechtsprechung zu Art. 4 BV die Rückwirkung regelmässig nur
dann zu, wenn sie ausdrücklich angeordnet oder nach dem Sinn des Erlasses
klar gewollt ist, in zeitlicher Beziehung mässig ist, zu keinen stossenden
Rechtsungleichheiten führt, sich durch beachtenswerte Gründe rechtfertigen
lässt und nicht in wohlerworbene Rechte eingreift (BGE 102 Ia 72 E. 3 mit
Hinweisen, 102 Ib 338 E. 2b). Keine - bzw. eine sog. unechte - Rückwirkung
ist dann gegeben, wenn der Gesetzgeber lediglich auf Verhältnisse abstellt,
die zwar noch unter der Herrschaft des alten Rechts entstanden sind,
beim Inkrafttreten des neuen Rechts aber noch andauern (BGE 107 Ib 196
E. 3b, 203 E. 7b/aa, mit Hinweisen; s. auch ALFRED KÖLZ, Intertemporales
Verwaltungsrecht, ZSR 1983 Bd. II, S. 164 ff.). Im Verfahrensrecht das
neue Recht auf alle pendenten Angelegenheiten anzuwenden, gilt in der
Praxis nicht als eigentliche Rückwirkung im aufgezeigten Sinne (BGE 79 I
87 E. 1; vgl. auch MAX IMBODEN/RENE A. RHINOW, Verwaltungsrechtsprechung,
6. Aufl. 1986, Bd. I, S. 106 f.). Ganz allgemein kommt der Grundsatz der
Nichtrückwirkung im Verfahrensrecht und damit auch im Falle einer Revision
einer Strafprozessordnung nicht zum Tragen (vgl. BGE 112 Ib 584 f. E. 2;
s. auch HANS SCHULTZ, Das schweizerische Auslieferungsrecht, Basel 1953,
S. 323).

    Nur eine sog. unechte Rückwirkung ist denn auch für die im
Abänderungsgesetz vom 10. September 1985 vorgesehenen Übergangsbestimmungen
- wie übrigens auch schon für die bisherigen - ausdrücklich vorgesehen. Es
werden lediglich gewisse Einschränkungen für die Anwendbarkeit des
neuen Rechts im Hinblick auf Strafprozesse festgelegt, welche sich
in einem bestimmten Verfahrensstadium befinden, wobei aber auch für
die betreffenden Strafprozesse teilweise wieder das neue Recht als
anwendbar erklärt wird. Inwiefern diese Regelung verfassungswidrig sein
soll, haben die Beschwerdeführer nicht dargetan und ist denn auch nicht
ersichtlich. Vor allem gilt das neue Recht, soweit es gestützt auf die
von den Beschwerdeführern beanstandete Regelung von Art. 398 Ziff. 1 und
2 nStrV anzuwenden ist, nicht nur für den Fall Gasser, sondern auch für
die anderen im selben Verfahrensstadium befindlichen Strafprozesse.

    Demnach erweist sich die Beschwerde ebenfalls insoweit als unbegründet.