Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 IV 74



112 IV 74

22. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 3. Dezember 1986 i.S. X.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 58bis StGB.

    Dem auf Art. 58bis StGB gestützten Begehren eines Entführten auf
Aushändigung des Lösegelds bleibt der Erfolg versagt, wenn der Täter das
Geld (Lire-Betrag) bei einer Bank gewechselt und im übrigen mit eigenem
Geld vermengt hat (E. 3b).

    Es ist fraglich, ob dem Anspruch auf Aushändigung i.S. des
Art. 58bis Abs. 1 StGB eine bereits rechtskräftig zu Gunsten des Kantons
ausgesprochene Einziehung i.S. von Art. 58 StGB entgegensteht. Frage
offengelassen (E. 3c).

Sachverhalt

    A.- Am 17. Juni 1977 verurteilte das Geschworenengericht des Kantons
Zürich den (inzwischen verstorbenen) französischen Staatsangehörigen F.
wegen eines Raubüberfalls auf die Migros-Bank in Zürich 1, wiederholter und
fortgesetzter Urkundenfälschung, einfacher Körperverletzung und Gewalt und
Drohung gegen Beamte zu zwölf Jahren Zuchthaus, Fr. 3'000.-- Busse und 15
Jahren Landesverweisung. Gleichentags beschloss das Geschworenengericht
die definitive Beschlagnahme von insgesamt Fr. 589'529.10 samt Zinsen,
welche anlässlich der Verhaftung von F. und seiner Begleiterin Frau
R. sichergestellt worden waren. Von diesem Geld wurden rund Fr. 116'900.--
für die Geschädigte SECURA-Versicherungsgesellschaft (anstelle der
überfallenen Migros-Bank) und rund Fr. 133.-- für einen andern Geschädigten
verwendet. Ein weiterer Betrag wurde zur Deckung der Busse sowie der
Untersuchungs- und Gerichtskosten herangezogen und der Rest des Geldes
im Sinne von Art. 58 StGB zuhanden des Kantons Zürich eingezogen. Durch
Verfügung des stellvertretenden Geschworenengerichtspräsidenten vom
21. Juli 1977 wurden weitere, bei F. sichergestellte Barvermögenswerte im
Betrag von insgesamt rund Fr. 54'600.-- samt Zinsen eingezogen. Am 21. Mai
1979 sprach das Obergericht des Kantons Zürich in Anwendung von Art. 60
StGB der SECURA-Versicherungsgesellschaft zusätzlich ca. Fr. 37'800.--
und ca. Fr. 151'150.-- samt Zinsen zu.

    Am 28. September 1984 stellte der italienische Staatsangehörige X.,
der von einer Bande, bei welcher F. und Frau R. Mitglieder gewesen sein
sollen, angeblich am 10. Juni 1975 entführt und ca. zehn Tage später
gegen ein Lösegeld von einer Milliarde Lire freigelassen wurde, beim
Obergericht des Kantons Zürich ein Gesuch mit dem Begehren,

    "es sei der durch Urteil des Geschworenengerichtes des Kantons Zürich
   vom 17. Juni 1977 bzw. dessen Beschluss vom 17. Juni/21. Juli 1977 in

    Sachen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen F. beschlagnahmte

    Geldbetrag von insgesamt Fr. 589'529.10 zuzüglich die seit 23. Juni

    1975 aufgelaufenen Zinsen dem Gesuchsteller X. auszuzahlen".  Er machte
geltend, das bei F. und Frau R. sichergestellte, vom Geschworenengericht
definitiv beschlagnahmte und eingezogene Geld stamme von dem seinen
Entführern bezahlten Lösegeld.

    Am 1. April 1986 wies das Obergericht des Kantons Zürich das von X. am
28. September 1984 gestellte Gesuch ab, soweit darauf eingetreten wurde.

    X. ficht diesen Entscheid mit der eidgenössischen
Nichtigkeitsbeschwerde an. Er beantragt, der Beschluss des Obergerichts
vom 1. April 1986 sei aufzuheben und es sei das Gesuch gutzuheissen
bzw. die Sache zur Gutheissung desselben an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Die Vorinstanz wies das Gesuch des Beschwerdeführers ab, weil
nicht abschliessend habe festgestellt werden können, woher die bei F. und
Frau R. beschlagnahmten Geldbeträge in verschiedenen Währungen stammten;
insbesondere habe sich die Ausscheidung des von X. bezahlten Lösegeldes als
unmöglich erwiesen, weil der Vater von X. sich geweigert habe, den grössten
Teil der Seriennummern den Untersuchungsbehörden bekanntzugeben. Das
Geschworenengericht habe unter den gegebenen Umständen nicht davon
ausgehen müssen, dass die beschlagnahmten Gelder Eigentum des X. seien,
zumal ein allfälliges Eigentumsrecht desselben am beschlagnahmten Geld
jedenfalls durch Vermischung und Wechseln der Lire-Beträge untergegangen
wäre. Selbst wenn also über die Herkunft des beschlagnahmten Geldes
Klarheit bestanden hätte, wäre X. nicht als anspruchsberechtigter
Eigentümer im Sinne von Art. 58bis StGB anzusehen. Nachdem überdies das
Geschworenengericht und später das Obergericht zugunsten der Geschädigten
(SECURA-Versicherungsgesellschaft und Migros-Bank) und des Staates
rechtskräftig über das Geld verfügt hätten, fehle dem Gesuch des X. auch
unter diesem Gesichtspunkt die gesetzliche Grundlage. Art. 58bis StGB
spreche von "einzuziehenden" und nicht von bereits eingezogenen Werten.
Das vorliegende Verfahren könne nicht dazu dienen, X. sein allfälliges
früheres Recht wieder zu verschaffen. Das widerspräche Art. 58bis StGB
und den in der Sache rechtskräftig ergangenen Entscheiden, in die das
Gericht nicht eingreifen könne.

    b) Muss es bei der Feststellung der Vorinstanz sein Bewenden haben,
dass F. und Frau R. das durch die Entführung des X. erlangte Lösegeld,
soweit es sich um Lire-Beträge handelte, bei einer Bank gewechselt
und im übrigen mit eigenem Geld vermengt haben, dann ist damit aber
auch gesagt, dass der Beschwerdeführer an dem beschlagnahmten und von
den Zürcher Gerichten eingezogenen Geldbetrag kein zivilrechtliches
Eigentum besass, da dieses, sofern es einst bestanden haben sollte, durch
jene Handlungen der Täter untergegangen war (s. BGE 101 IV 380 E. b;
HAAB/SIMONIUS, Zürcher Kommentar, N. 84 ff. zu Art. 727 ZGB). Da aber
nach Art. 58bis Abs. 1 StGB die Aushändigung einzuziehender Gegenstände
oder Vermögenswerte, die durch eine strafbare Handlung erlangt wurden,
an Dritte nur möglich ist, wenn sie anspruchsberechtigte Eigentümer sind
oder in Unkenntnis der strafbaren Handlung einen Anspruch auf Verschaffung
von Eigentum erworben haben (s. den vorgenannten Bundesgerichtsentscheid
sowie J. REHBERG, Strafrecht II, 3. Aufl. S. 86; SCHULTZ, Einführung in
den allgemeinen Teil des Strafrechts II, 4. Aufl. S. 214 f.), kann sich
der Beschwerdeführer nicht auf diese Bestimmung berufen; das Begehren um
Aushändigung der Sache kommt nämlich einer rei vindicatio gleich, die nur
dem dinglich Berechtigten zusteht (Art. 641 Abs. 2 ZGB). Darüber hilft auch
der Hinweis auf BGE 108 IV 154 nicht hinweg. In dem damals behandelten
Fall stand einzig zur Entscheidung, ob der Generalprokurator des Kantons
Genf Richter im Sinne der Art. 58 ff. StGB sei. Dagegen hatte sich das
Bundesgericht nicht darüber auszusprechen, ob die Voraussetzungen des Art.
58bis Abs. 1 StGB gegeben seien.

    c) Ob schliesslich die Auffassung des Obergerichts zutrifft, wonach
dem Anspruch auf Aushändigung im Sinne des Art. 58bis Abs. 1 StGB eine
bereits rechtskräftig ausgesprochene Einziehung entgegenstehe, dürfte
höchst zweifelhaft sein. Wohl spricht diese Bestimmung von "einzuziehenden"
Gegenständen und Vermögenswerten und hat damit den Fall im Auge, dass
der an der Sache berechtigte Dritte im Zeitpunkt des Entscheides über die
Einziehung bekannt ist. Indessen lässt Art. 58bis Abs. 3 StGB die Ansprüche
Dritter "auf Grund dieses Artikels" ausdrücklich erst in fünf Jahren
"seit der amtlichen Bekanntmachung der Einziehung" erlöschen. Eine solche
Bekanntgabe kann aber nur einen Sinn haben, wenn dem Drittberechtigten die
Möglichkeit offensteht, seinen Anspruch noch nach angeordneter Einziehung
geltend zu machen. Auch wenn die Frage heute nicht endgültig entschieden
werden muss, weil die Beschwerde aus den vorhergehenden Erwägungen (lit. b)
abzuweisen ist, lässt doch das Gesagte die Meinung der Vorinstanz im
letztgenannten Punkt als wenig überzeugend erscheinen.