Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 IV 139



112 IV 139

41. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 11. November 1986 i.S.
Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen gegen Staatsanwaltschaften
der Kantone Zürich, St. Gallen und Thurgau Regeste

    Art. 263 BStP, Art. 349/350 StGB; Bestimmung des Gerichtsstandes.

    1. Voraussetzung für die Teilung des Gerichtsstandes beim
Zusammentreffen vieler durch mehrere Täter begangener Straftaten in casu
verneint (E. 3).

    2. Vorgehen im Sinne des "forum secundum praeventionis" (E. 4).

Sachverhalt

    A.- B., C. und E. wurden vom Bezirksgericht St. Gallen am 10.
November 1983 für in die Zeit von April bis Anfang Dezember 1982
fallende Delikte u.a. wegen gewerbs- und bandenmässigen Diebstahls
verurteilt. Später ergab sich, dass B. zusammen mit C. und Fräulein
D. zuvor Ende Januar 1983 einen Einbruchdiebstahl im Kanton Zürich und
am 3./4. Februar 1983 zwei gleiche Delikte im Kanton Schaffhausen verübt
hatten und dass C. und dessen nunmehrige Ehefrau C.-D. am 16. März und
11. Mai 1983 im Kanton St. Gallen in einen Massagesalon eingebrochen
waren. Zudem gestand B., im November und Dezember 1984 zusammen mit
F., G. und Frau H. und überdies vor und nach seiner Verurteilung vom
10. November 1983 zahlreiche weitere Diebstahlsdelikte begangen zu haben,
an denen zum Teil I., K. und L. beteiligt waren.

    Im Zusammenhang mit einem im Fürstentum Liechtenstein ausgeführten
Diebstahl, bei welchem als Täter A. in Betracht fiel, ergab sich der
Verdacht, dass dieser in der Zeit von Juli bis November 1984 zusammen
mit C. und überdies in den Jahren 1983 und 1984 zusammen mit E., M.,
N., Frau O. und Frau P. an zahlreichen Einbruchdiebstählen teilgenommen
habe. Der Verdacht wurde schliesslich durch das Geständnis erhärtet,
das A. am 19. Februar 1986 ablegte, nachdem er zusammen mit Q. verhaftet
worden war und letzterer zugegeben hatte, mit A. von Mitte Oktober 1985
bis zur Verhaftung eine Reihe von Diebstählen verübt zu haben, wobei sie
zum Teil bewaffnet waren.

    Von den durch die verschiedenen Tätergruppen in der Schweiz begangenen
Diebstahlsdelikten entfallen

    37 auf den Kanton SG

    24 auf den Kanton TG
      9 auf den Kanton ZH 8 auf den Kanton SH 6 auf den Kanton BE 5 auf
      den Kanton SZ 4 auf den Kanton AR 4 auf den Kanton AI 3 auf den
      Kanton AG 3 auf den Kanton FR 3 auf den Kanton UR 2 auf den Kanton
      VS 1 auf den Kanton GR 1 auf den Kanton TI

    In der Folge geführte Gerichtsstandsverhandlungen verliefen erfolglos,
so dass die Anklagebehörde des Kantons Schaffhausen am 18. September
1986 mit dem Begehren an die Anklagekammer des Bundesgerichts gelangte,
es seien die Behörden des Kantons Zürich mit der weiteren Verfolgung und
Beurteilung der genannten Verdächtigten zu befassen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen hat in ihrer
Eingabe eventualiter eine Aufteilung des Verfahrens nach Tätergruppen
vorgeschlagen. Eine solche Lösung wurde von der Rechtsprechung bisweilen
namentlich dann als möglich erachtet, wenn zwei oder mehrere Tätergruppen
zur Hauptsache unabhängig voneinander gehandelt hatten und nur wenige
Querverbindungen bestanden, so dass sich eine geteilte Verfolgung und
Beurteilung ohne zu grosse Schwierigkeiten durchführen liess und sich
eine solche Regelung auch unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie
aufdrängte; denn von der Möglichkeit der Trennung des Verfahrens ist
zurückhaltend Gebrauch zu machen (BGE 69 IV 47/48). Im vorliegenden Fall
ergibt eine nähere Prüfung der Akten, dass zwar zwei Tätergruppen (A. und
Kons. und B. und Kons.) das Bild beherrschen, dass jedoch zwischen ihnen
vielfache, über den Mittäter C. laufende Querverbindungen bestehen,
so dass eine Aufteilung des Verfahrens dem in Art. 349 StGB zum Ausdruck
gebrachten Willen des Gesetzgebers, alle Tatbeteiligten wenn möglich am
gleichen Ort zu verfolgen und zu beurteilen, zuwiderliefe.

Erwägung 4

    4.- Eine Lösung, die einerseits dem Bestreben nach Zweckmässigkeit
und anderseits dem Grundgedanken des Gesetzes entgegenkommt, bietet im
vorliegenden Fall ein von der Rechtsprechung in besonderen Fällen erprobtes
Vorgehen im Sinne des sogenannten forum secundum praeventionis. Die Liste
der hier in Betracht fallenden Straftaten zeigt, dass von den rund 110
Deliktsfällen mehr als die Hälfte (61) auf die Kantone St. Gallen und
Thurgau entfallen, während sich der Rest auf insgesamt 12 Kantone
verteilt. Bei dieser Sachlage, die ein Schwergewicht in den Kantonen
St. Gallen und Thurgau ergibt, rechtfertigt es sich, den Gerichtsstand in
einem von ihnen festzulegen, wobei unter ihnen die Zuständigkeit analog
der gesetzlichen Norm des Art. 350 StGB zu bestimmen ist.

    Die ersten in einem der beiden Kantone zur Anzeige
gebrachten Deliktsfälle sind die Einbrüche von C. und Frau C.-D. in
Rorschach/SG. Nachdem die beiden Angeschuldigten bereits Ende Januar und
Anfang Februar 1983 zusammen mit B. Einbruchdiebstähle verübt hatten,
für welche die Bandenmässigkeit nach der Aktenlage nicht auszuschliessen
ist, was im Rahmen der Gerichtsstandsbestimmung ausreicht, ist dieser
Schluss auch für die in Rorschach verübten Einbruchdiebstähle begründet,
zumal C. und Frau C.-D. inzwischen am 3. März 1983 geheiratet hatten und
deshalb ein konkludenter Wille, die finanziellen Schwierigkeiten weiterhin
vermittels Einbruchdiebstählen zu beheben und in diesem Sinne jederzeit
zusammenzuwirken, in vermehrtem Masse begründet erscheint. Angesichts
dessen ist deshalb der Gerichtsstand insgesamt im Kanton St. Gallen
festzulegen.