Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 II 95



112 II 95

17. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. April 1986
i.S. G. AG gegen S. (Berufung) Regeste

    Berufungsfähiger Endentscheid, Überprüfungsbefugnis (Art. 48 Abs. 1
sowie Art. 63 Abs. 1 und 3 OG; Art. 336 ff. ZPO/GL).

    Entscheidet die kantonale Behörde aufgrund eines ausserordentlichen
Rechtsmittels neu in der Sache selbst, so fällt sie einen berufungsfähigen
Endentscheid. Sie hat dabei in rechtlicher Hinsicht die nämliche volle
Kognition wie das Bundesgericht auf Berufung hin (E. 2).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Am 29. April 1985 hat das Obergericht des Kantons Glarus die
Nichtigkeitsbeschwerde teilweise gutgeheissen, die von der beklagten G.
Aktiengesellschaft gegen den Moderationsentscheid des Zivilgerichts des
Kantons Glarus vom 20. Oktober 1983 eingelegt worden ist.

    Dieses Urteil des Obergerichts ist von der Beklagten mit Berufung
angefochten worden. Zudem haben der Kläger S. und die Beklagte dagegen
staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV geführt
(vgl. BGE 112 Ia 25 ff.).

Erwägung 2

    2.- Das Urteil des Obergerichts ist nach Ansicht der Beklagten
ein Endentscheid im Sinn von Art. 48 Abs. 1 OG, weil er in einer
vermögensrechtlichen Zivilrechtsstreitigkeit mit einem Fr. 8'000.--
übersteigenden Streitwert ergangen sei. Der Kläger bestreitet dies
und wendet ein, das Obergericht könne nicht durch Verletzung der ihm
auferlegten beschränkten Kognition einen Endentscheid im Sinn von Art. 48
Abs. 1 OG herbeiführen.

    Nach ständiger Rechtsprechung gelten Entscheide, die aufgrund
eines ausserordentlichen kantonalen Rechtsmittels ergangen sind, nicht
als berufungsfähige Endurteile, es sei denn, die Rechtsmittelinstanz
entscheide neu in der Sache selbst (BGE 93 II 284 E. 1, 84 II 139 f.;
GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Auflage 1979, S. 543
A. 15, WURZBURGER, Les conditions objectives du recours en réforme au
Tribunal fédéral, Thèse, Lausanne 1964, S. 188, BIRCHMEIER, Organisation
der Bundesrechtspflege, S. 170). Der angefochtene Entscheid ist auf eine
Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 336 ff. ZPO/GL ergangen, also auf
ein ausserordentliches Rechtsmittel mit beschränkter Kognition im Sinn
der zitierten Rechtsprechung. Das Obergericht ist bei Gutheissung der
Nichtigkeitsbeschwerde befugt, anstelle des aufgehobenen ein neues Urteil
zu fällen, wenn die Akten vollständig sind und der Fall spruchreif ist
(Art. 345 Abs. 1 ZPO/GL).

    Fällt die Kassationsinstanz einen neuen Sachentscheid anstelle
des aufgehobenen Urteils, steht ihr insoweit von Bundesrechts wegen in
rechtlicher Hinsicht die nämliche volle Kognition wie dem Bundesgericht zu
(BGE 107 II 122 E. 2a und namentlich hinsichtlich Zuständigkeitsschranken
BGE 92 II 312 E. 5, 91 II 65 E. 2). Es fragt sich, ob das Obergericht
dies übersehen hat, da es den angefochtenen Entscheid durchwegs nur
auf Verletzung klaren Rechts prüft und gewisse Rügen ausdrücklich
für das Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren ausschliesst, die in einem
Appellationsverfahren allenfalls zulässig wären. Das könnte, wenn über die
Berufung zu entscheiden wäre, eine Aufhebung des angefochtenen Urteils
und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz im Sinn von Art. 52 OG
rechtfertigen.

Erwägung 3

    3.- Die I. Zivilabteilung hat indes in ihrer heutigen Sitzung die
staatsrechtliche Beschwerde der Beklagten teilweise, diejenige des Klägers
gänzlich gutgeheissen und das angefochtene Urteil aufgehoben (BGE 112 Ia
25 ff.). Dadurch ist die vorliegende Berufung gegenstandslos geworden.