Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 II 510



112 II 510

87. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. Oktober 1986
i.S. S. gegen R. (Berufung) Regeste

    Art. 47 Abs. 3 OG. Zulässigkeit der Berufung.

    Beurteilt das obere kantonale Gericht eine Klage auf Erhöhung und eine
Widerklage auf Herabsetzung des Mietzinses in zwei getrennten Urteilen,
so sind diese für die Frage der Berufungsfähigkeit wie ein einheitliches
Urteil zu behandeln (E. 1b).

Sachverhalt

    A.- S. mietete von R. eine 3-Zimmer-Wohnung. Mit Formular vom 2. März
1984 zeigte der Vermieter eine Mietzinsanpassung per 1. Juli 1984 von
bisher Fr. 767.-- auf neu Fr. 792.-- an. Die Zinserhöhung begründete er
mit "Kaufkraftsicherung des risikotragenden Kapitals ausgeglichen auf
128.0 Punkte".

    B.- Diese Mietzinserhöhung focht S. bei der staatlichen
Schlichtungsstelle an. Da die Parteien sich nicht einigen konnten, erhob
R. am 6. Juni 1984 Klage beim Zivilgerichtspräsidenten in Mietsachen des
Kantons Basel-Stadt und verlangte die Feststellung der Zulässigkeit der
angezeigten Mietzinserhöhung. S. begehrte widerklageweise, der Mietzins
sei per 1. Oktober 1983 um Fr. 52.-- herabzusetzen.

    Mit Urteil vom 3. Juni 1985 wies der Zivilgerichtspräsident Klage
und Widerklage ab, auferlegte die entsprechenden ordentlichen Kosten
der jeweils unterliegenden Partei und schlug die ausserordentlichen
Kosten wett.

    Gegen dieses Urteil erhoben beide Parteien beim Ausschuss des
Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt Beschwerde. Diese Instanz
wies die beiden Beschwerden in zwei getrennten Urteilen am 26. September
1985 ab.

    C.- S. hat gegen das ihre Beschwerde betreffende Urteil des
Appellationsgerichts (S./R.) Berufung eingereicht. R. hat sich der
Berufung angeschlossen.

    Das Bundesgericht lässt die Anschlussberufung zu.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- b) Während der Zivilgerichtspräsident über Klage und Widerklage
in einem einzigen Urteil entschieden hat, hat das Appellationsgericht
formal zwei getrennte Entscheide erlassen. Mit Urteil I hat es die
Beschwerde bezüglich der Widerklage und mit Urteil II jene bezüglich der
Klage abgewiesen. Die Berufung der Beklagten richtet sich nur gegen das
Urteil I. Es stellt sich somit die Frage, ob der Kläger dennoch mittels
Anschlussberufung die durch Urteil II erfolgte Abweisung seiner Beschwerde
anfechten kann.

    Das ist zu bejahen. Der enge Zusammenhang zwischen Klage und
Widerklage ergibt sich bereits daraus, dass der Zivilgerichtspräsident
nur ein einziges Urteil gefällt hat. Hätte das Appellationsgericht
beide Beschwerden gutgeheissen und gemäss § 244 ZPO/BS selbst ein neues
Urteil gesprochen, so hätte es den neuen Mietzins auch in einem einzigen
Entscheid festlegen müssen. Schon dieser Umstand zeigt, dass materiell
von einem einheitlichen Urteil auszugehen ist, das Klage und Widerklage
abweist. Andernfalls hätte es der kantonale Richter in der Hand, durch
die Behandlung der Streitsache entweder in einem oder in zwei Urteilen
die Anschlussberufung oder sogar die selbständige Berufung zu ermöglichen
oder zu verhindern. Dass in diesem Sinn die getrennt ergangenen Urteile
zusammen als Endentscheid gemäss Art. 48 Abs. 1 OG behandelt werden,
entspricht im übrigen auch der Rechtsprechung in bezug auf die Berufung
gegen Teilurteile (BGE 107 II 352 E. 2 mit Hinweisen).