Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 II 493



112 II 493

82. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. Dezember
1986 i.S. Gschwend und Sager AG gegen Baugenossenschaft "im Zöpfli"
(Berufung) Regeste

    Bauhandwerkerpfandrecht; Art. 839 ff. ZGB.

    Die nach Art. 839 Abs. 1 ZGB pfandberechtigten Bauhandwerker und
Unternehmer können sich gegenüber andern Baugläubigern, die durch
ihre Dienstleistungen oder ihre Materiallieferungen zur Schaffung von
den Bodenwert des Grundstücks übersteigenden Mehrwerten beigetragen
haben, nicht auf ihr Privileg von Art. 841 Abs. 1 ZGB berufen. Auf den
wertsteigernden, aber nicht von Bauhandwerkern erbrachten Bauleistungen
sind im Rahmen von Art. 841 Abs. 1 ZGB auch Zinsen zu berücksichtigen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

    5.- Das Handelsgericht hat als bestimmungsgemässe Verwendung des
Baukredits, die eine Benachteiligung der Bauhandwerker ausschliesst,
auch Leistungen an Baugläubiger betrachtet, die nicht zu den gemäss
Art. 839 Abs. 1 ZGB pfandberechtigten Handwerkern und Unternehmern
gehören. Entscheidend ist für die Vorinstanz allein, dass diese
Baugläubiger an der Schaffung der den Bodenwert des Grundstücks
übersteigenden Mehrwerte beteiligt sind, was offensichtlich für
die Leistungen der Architekten und Ingenieure, aber auch für weitere
Dienstleistungen und sogar für blosse Materiallieferungen zutreffe. Die
Vorinstanz stützt sich hiefür auf die vorherrschende Lehrmeinung (ZOBL,
Das Bauhandwerkerpfandrecht de lege lata und de lege ferenda, ZSR 101
(1982) II S. 1 ff., insb. S. 177 mit weiteren Hinweisen; TUOR/SCHNYDER,
Das schweizerische Zivilgesetzbuch, 10. Aufl., S. 754).

    Nach Auffassung der Klägerin hat das Handelsgericht mit dieser
Auslegung von Art. 841 Abs. 1 ZGB die vom Gesetzgeber gewollte
Privilegierung der durch das gesetzliche Pfandrecht geschützten
Bauhandwerker missachtet. Dieser Ansicht kann indessen nicht
beigepflichtet werden. Zwar ist es richtig, dass das Bundesgericht
in BGE 53 II 481 Zahlungen an blosse Materiallieferanten nicht als
zweckkonforme Verwendung des pfandgesicherten Baukredits zur Schaffung
von Mehrwerten auf dem belasteten Grundstück betrachtet hat. Doch hat
das Bundesgericht diese Rechtsprechung in BGE 86 II 153 f. insofern
aufgegeben, als es unter Hinweis auf ein nicht veröffentlichtes
Urteil bei der Berechnung des Anteils des einzelnen Bauhandwerkers
an den gesamten, zu Mehrwerten führenden Baukosten auch die nicht
pfandgesicherten reinen Materiallieferungen berücksichtigt hat. Ist aber
damit bei der Anwendung von Art. 841 Abs. 1 ZGB eine Benachteiligung
der blossen Materiallieferung gegenüber der Verbindung von Material und
Arbeit mit Recht abgelehnt worden, ist nicht einzusehen, weshalb etwas
anderes gelten sollte, wenn das Verhältnis der reinen Dienstleistung zur
Verbindung von Arbeit und Materiallieferung, wie sie der Bauhandwerker
erbringt, zur Diskussion steht. Ausschlaggebend kann nur die Schaffung
von Mehrwerten durch Bautätigkeit sein, und zwar über den aktuellen
Bodenwert hinaus. Diese Mehrwerte entstehen aber heute unzweifelhaft
durch das Zusammenwirken von Bautätigkeiten, die den Anwendungsbereich
des Bauhandwerkerpfandrechts überschreiten. Es besteht um so weniger
Anlass, den Bauhandwerker gegenüber den andern Baugläubigern im Rahmen
von Art. 841 Abs. 1 ZGB zu privilegieren, als der Bauhandwerker selber
alles Interesse am Zusammenwirken der verschiedenen Baugläubiger hat. Nur
durch dieses Zusammenwirken kann letztlich das Bauziel erreicht werden,
das zu einem einheitlichen Mehrwert führt. Werden aber bei der Verteilung
des Verwertungserlöses Baugläubiger berücksichtigt, deren Leistungen am
Mehrwert teilhaben und die durch den grundpfandgesicherten Baukredit
ermöglicht worden sind, so kann nicht von einer Benachteiligung der
Bauhandwerker im Sinne von Art. 841 Abs. 1 ZGB gesprochen werden. Dass
die von der Vorinstanz aufgerechneten Dienstleistungen nicht zu solchen
wertvermehrenden Bautätigkeiten gehören sollten, ist nicht ersichtlich. Ein
besonderer Nachweis der konkreten Wertsteigerung, wie ihn die Klägerin
verlangt, ist daher überflüssig.

Erwägung 6

    6.- Aus der Tatsache, dass bei der Zwangsverwertung der
Liegenschaft der Verwertungserlös die über den aktuellen Bodenwert
hinaus neu entstandenen Mehrwerte nicht zu decken vermochte, kann
nichts anderes gefolgert werden; auf keinen Fall kann aber allein
daraus auf eine Benachteiligung der Bauhandwerker durch den vorgehenden
grundpfandgesicherten Baukreditgeber geschlossen werden. Dieser hat mit dem
Bauhandwerker das gemeinsame, rangmässig allerdings nicht gleiche Risiko
zu tragen, dass der Verwertungserlös die Kosten für den Bauaufwand nicht
erreiche. Gemäss Art. 841 Abs. 1 ZGB folgt er dem Bauhandwerker nur dann
nach, wenn er den durch das Grundpfand mobilisierten Geldwert nicht der
Bautätigkeit auf dem Grundstück hat zukommen lassen, d.h. wenn er zu den
geschaffenen Mehrwerten nicht beigetragen hat. Soweit aber der Baukredit
des grundpfandgesicherten Kreditgebers nicht zweckentfremdet worden ist,
ist die privilegierte Stellung des Grundpfandgläubigers zu wahren. Die
Vorinstanz hat daher zu Recht entschieden, dass die Beklagte ihren den
Bodenwert übersteigenden Verwertungsanteil behalten könne, sofern keine
Zweckentfremdung des Baukredites erfolgt sei.

Erwägung 7

    7.- Die Klägerin anerkennt grundsätzlich unter Hinweis auf BGE 86
II 152 E. 3, dass auf den wertsteigernden, aber nicht von Bauhandwerkern
erbrachten Bauleistungen Zinsen zu berechnen sind. Wenn sie die von der
Vorinstanz zugelassenen Zinsen dennoch weitgehend in Frage stellt, so
deshalb, weil sie nur solche Zahlungen des vorgehenden Pfandgläubigers im
Rahmen von Art. 841 Abs. 1 ZGB berücksichtigen möchte, die an Handwerker
und Unternehmer im Sinne von Art. 839 Abs. 1 ZGB ausgerichtet worden
sind. Dieser Standpunkt ist jedoch nach dem Ausgeführten unzutreffend,
so dass auch diese Kritik der Klägerin dahinfällt.

Erwägung 8

    8.- Da nachgewiesen ist, dass der Baukredit, der den Baugläubigern
mit wertsteigernden Leistungen zugekommen ist, den diesen zustehenden
Verwertungsanteil übersteigt, ist auch nicht einzusehen, inwiefern die
Klägerin etwas zu ihren Gunsten aus dem Umstand ableiten könnte, dass der
Baukredit anscheinend nicht gross genug bemessen war, um die Baukosten
insgesamt abzudecken. Entscheidend ist allein, dass das Entgelt für das
vorrangige Grundpfandrecht für wertsteigernde Bauleistungen verwendet
worden ist und zwar wenigstens im Ausmass des Verwertungsanteils des
vorrangigen Grundpfandgläubigers. Inwiefern Art. 841 Abs. 1 ZGB dem
Handwerker und Unternehmer einen Anspruch auf einen ausreichenden Baukredit
gewähren sollte, ist nicht ersichtlich. Diese Bestimmung befasst sich
ausschliesslich mit dem Rangverhältnis der verschiedenen Pfandgläubiger
für den Fall, dass eine Zwangsverwertung diese nicht in vollem Umfang zu
befriedigen vermag.

    Damit erweist sich die Berufung als unbegründet und ist demzufolge
abzuweisen.