Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 II 474



112 II 474

79. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. September
1986 i.S. T. gegen S. (Berufung) Regeste

    Güterrechtliche Auseinandersetzung.

    Eine von der Ehefrau während der Ehe nur gegen Schuldübernahme
erworbene und auf ihren Namen im Grundbuch eingetragene Liegenschaft
ist bei der Auflösung der Güterverbindung wertmässig der Errungenschaft
zuzurechnen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Das Obergericht hat auch die güterrechtliche Auseinandersetzung
zwischen den Parteien durchgeführt, die von diesen anerkannt worden
ist, ausgenommen die güterrechtliche Behandlung der Liegenschaft in H.
In der Berufungsschrift stellt sich der Beklagte auf den Standpunkt,
die Vorinstanz habe in dieser Hinsicht Bundesrecht verletzt.

    Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen
des Obergerichts hat die Klägerin die umstrittene Liegenschaft auf
ihren Namen aus dem Nachlass ihrer Eltern gegen einen Kaufpreis
von Fr. 110'000.-- erworben. Gemäss einer öffentlich beurkundeten
Vereinbarung vom 12. September 1977 wurde dieser Preis durch Übernahme
der bestehenden Grundpfandschulden von Fr. 65'000.-- sowie durch eine
Barzahlung von Fr. 45'000.-- an die Miterben von der Klägerin erlegt. Die
Vorinstanz musste dann diese Feststellungen insofern korrigieren,
als sich aus dem Erbteilungsprozess der Klägerin mit ihren Miterben
ergab, dass die Grundpfandbelastung nur Fr. 60'000.-- ausmachte und die
Klägerin somit ihren Miterben noch den Betrag von Fr. 5'000.-- schuldete.
Im Grundbuch wurde sie in der Folge als Alleineigentümerin der Liegenschaft
eingetragen. Die Darlehenskasse H. hat der Klägerin am 6. Oktober 1982
ein Hypothekardarlehen im Betrag von Fr. 140'000.-- gewährt. Damit hat
sie die Barzahlung von Fr. 45'000.-- an ihre Miterben geleistet und
mit dem Restbetrag von Fr. 95'000.-- in der Liegenschaft Renovationen
ausgeführt. Sowohl dieses Hypothekardarlehen von Fr. 140'000.-- als auch
die Hypothek von Fr. 60'000.-- der Kantonalbank stellen Schulden der
Klägerin dar.

    a) Gestützt auf diese tatsächlichen Feststellungen ist die Vorinstanz
davon ausgegangen, dass unter dem Güterstand der Güterverbindung die
während der Ehe von der Ehefrau entgeltlich erworbene Liegenschaft
weder zu ihrem Sondergut gehöre, noch eine Ersatzanschaffung für
eingebrachtes Gut oder Sondergut darstelle. Grundsätzlich müsste daher
die Liegenschaft in H. in die Errungenschaft des Ehemannes fallen. Damit
sei aber nicht vereinbar, dass die Ehefrau im Grundbuch als Eigentümerin
der Liegenschaft eingetragen sei. In BGE 97 II 295 habe das Bundesgericht
erklärt, dass eine auf diese Weise erworbene Liegenschaft während der Ehe
grundsätzlich zum eingebrachten Gut der Ehefrau gehöre. Allerdings habe das
Bundesgericht in BGE 102 II 72 ff. wieder Zweifel an dieser Rechtsprechung
geäussert. Zudem sei aufgrund der beiden angeführten Urteile nicht klar,
ob das Bundesgericht an den Entscheidungen BGE 74 II 147 und 91 II 86
festhalten wolle, wonach während der Ehe entstandene konjunkturelle
Mehrwerte bei Auflösung der Güterverbindung der Errungenschaft
zuzurechnen seien. Angesichts dieser wenig gefestigten Rechtsprechung
des Bundesgerichts rechtfertige es sich - wie die Vorinstanz ausführte -,
der von Merz in ZBJV 109 (1973) S. 66 vertretenen Auffassung zu folgen,
der von einem erweiterten Begriff des eingebrachten Gutes der Ehefrau
ausgehe und den durch blosse Schuldübernahme begründeten entgeltlichen
Erwerb einer Liegenschaft auf den Namen der Frau als Ersatzanschaffung
für eingebrachtes Gut betrachte. Das habe zur Folge, dass der gleiche
Vermögenswert sowohl während wie auch bei Auflösung der Ehe gleich
behandelt werde und ein späterer Ausgleich eines Mehrwertes zugunsten
der Errungenschaft ausgeschlossen sei.

    b) Der Beklagte hält der Betrachtungsweise des Obergerichts
entgegen, dass die im angefochtenen Urteil vorgenommene Erweiterung des
Anwendungsbereichs des eingebrachten Gutes bzw. der Ersatzanschaffung
sich mit der gesetzlichen Ordnung der Güterverbindung und insbesondere
mit Art. 195 ZGB nicht vereinbaren lasse. Nach dieser Vorschrift gehöre
zur Errungenschaft, was nicht eingebrachtes Gut oder Sondergut der Ehefrau
sei. Das sei auch vom Bundesgericht in BGE 102 II 72 ff. anerkannt worden.

    Dem Beklagten ist insofern beizupflichten, dass unter dem Güterstand
der Güterverbindung in jenen Fällen Schwierigkeiten auftreten, in denen
die Ehefrau während der Ehe eine Liegenschaft gegen Entgelt erworben
hat, ohne dass es sich um eine Ersatzanschaffung für eingebrachtes Gut
oder für Sondergut handelt, sondern der Kauf nur gegen Schuldübernahme
erfolgt ist. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte es unter
der Güterverbindung einen durch blosse Schuldenbegründung der
Ehefrau finanzierten und auf ihren Namen lautenden Erwerb gar nicht
geben (HAUSHEER, Grundeigentum und Ehescheidung aus zivilrechtlicher
Sicht, ZBGR 65 (1984) S. 268, HAUSHEER, Vom alten zum neuen Eherecht,
Abhandlungen zum schweiz. Recht 1986 S. 58, und PIOTET, Le statut des
biens acquis à titre onéreux et sans subrogation par la femme mariée dans
le régime de l'union des biens, JdT 1977 I S. 153 f.). Vielmehr gehört
alles zur Errungenschaft des Ehemannes, was nicht den engen gesetzlichen
Voraussetzungen für eine andere Gütermasse entspricht, so dass während der
Ehe eine offensichtliche Spaltung zwischen der güterrechtlichen Zuordnung
der Liegenschaft und der sachenrechtlichen Ordnung besteht. Aus diesem
Grunde hat das Bundesgericht in BGE 97 II 289 ff. eine von der Ehefrau
entgeltlich erworbene Liegenschaft während der Ehe ihrem eingebrachten
Gut zugeordnet. Dies konnte allerdings nur auf dem Wege einer erweiterten
Umschreibung des eingebrachten Gutes geschehen (HAUSHEER in ZBJV 114 (1978)
S. 171 ff.), was das Bundesgericht in BGE 102 II 72 ff. auch anerkannt hat.

    Ob an der Rechtsprechung in BGE 97 II 289 ff. festzuhalten sei,
ist weder im vorliegenden Fall noch war dies in BGE 102 II 72 ff. zu
entscheiden; denn es geht hier wie dort nur um die Frage, wie der
entgeltliche Erwerb der Ehefrau während der Ehe in der güterrechtlichen
Auseinandersetzung zu behandeln sei. In BGE 102 II 72 ff. hat das
Bundesgericht - was die Vorinstanz übersieht - an seiner früheren
Rechtsprechung in BGE 74 II 145 und im Urteil Waltisperger, publiziert in
ZBGR 35 (1954) S. 319 ff., festgehalten. Danach bleibt zwar die Zuordnung
des entsprechenden Vermögenswertes zum Eigentum der Ehefrau bestehen,
doch ist bei Auflösung der Güterverbindung dieser Vermögenswert in die
Vorschlagsteilung einzubeziehen, wie wenn er zur Errungenschaft des
Ehemannes gehören würde. Irrtümlicherweise verweist die Vorinstanz in
diesem Zusammenhang auf BGE 91 II 86 ff., in welchem Entscheid ein teils
entgeltlicher, teils unentgeltlicher Erwerb des Ehemannes während der Ehe
zu beurteilen war. Es stellen sich daher hinsichtlich der Errungenschaft
andere Rechtsfragen. Soweit sich das Obergericht auf die Kritik von
HAUSHEER in ZBJV 114 (1978) S. 175 ff. an BGE 102 II 72 ff. beruft,
um daraus die Aufgabe der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung
abzuleiten, übersieht es, dass in jenem Fall noch zusätzlich die Frage
von Sondergut bei der Ausübung eines Gewerbes zu behandeln war. Bleibt
aber nach der Klärung der Frage nach dem Sondergut noch Raum für weiteres
Vermögen der Ehefrau, so ist auch nach Auffassung dieses Autors bei der
Auflösung der Güterverbindung die Rechtsprechung des Bundesgerichts in
BGE 102 II 72 ff., 74 II 145 und ZBGR 35 (1954) S. 319 ff. massgebend.

    c) Auch im vorliegenden Fall besteht entgegen der Auffassung
der Vorinstanz kein Anlass, auf die dargelegte Rechtsprechung des
Bundesgerichts zurückzukommen. Das Obergericht stützt sich auf die
abweichende Meinung von MERZ in ZBJV 109 (1973) S. 66, der auch
PIOTET, aaO, JdT 1977 I S. 154 und in ZBGR 63 (1982) S. 261 ff.,
folgt und die bei REY, Gemeinschaftliches Eigentum unter Ehegatten,
ZBGR 62 (1981) S. 342, auf Verständnis stösst. In BGE 102 II 76 hat
das Bundesgericht darauf hingewiesen, dass die von MERZ vertretene
Auffassung der gesetzlichen Umschreibung des eingebrachten Gutes und dem
unentgeltlichen Charakter jeder Bildung von eingebrachtem Gut während
der Ehe nicht Rechnung trage. Dabei wurde aber übersehen, dass in jedem
Fall von den ursprünglichen Vorstellungen über die Güterverbindung
abgewichen werden muss, wenn für den vom Gesetzgeber nicht geregelten
Fall des entgeltlichen Eigentumserwerbs der Ehefrau ohne Ersatzanschaffung
während der Ehe eine Lösung gefunden werden muss (vgl. HAUSHEER, ZBJV 114
(1978) S. 174 f.). Indessen gilt es, eine Lösung anzustreben, die sich
von den tragenden Grundgedanken des heute noch geltenden ordentlichen
Güterstandes so wenig als möglich entfernt. Dabei ist darauf zu achten,
dass die Interessen beider Ehegatten gleichmässig gewahrt werden
und nicht der eine dem andern gegenüber in ungerechtfertigter Weise
bevorzugt wird. Eine solche Privilegierung der Ehefrau wäre aber gerade
dann gegeben, wenn sie allein darüber befinden könnte, ob sie sich über
den Rahmen ihres Sondergutes oder ihres eingebrachten Gutes hinaus durch
blosse Schuldenbegründung verpflichten wolle, um dadurch konjunkturelle
Mehrwerte der Errungenschaft zu entziehen. Die Ehefrau könnte auf diese
Weise allein darüber bestimmen, in welchem Umfang sie für sich im Ergebnis
Gütertrennung beanspruchen wolle. Bei der Auflösung des Güterstandes
sollten vielmehr die eingebrachten Güter beider Ehegatten gleich behandelt
werden. Dass aber ein Liegenschaftenerwerb in der vorliegenden Art,
der durch den Ehemann erfolgt, der Errungenschaft zugerechnet würde,
kann nicht zweifelhaft sein. Dann kann es aber auch nicht angehen,
dass für die Ehefrau wenigstens wertmässig etwas anderes gelten soll
(HAUSHEER, Grundeigentum und Ehescheidung aus zivilrechtlicher Sicht,
ZBGR 65 (1984) S. 268 f.; unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts
vom 7. März 1985 in Sachen Qu. gegen C.). Gegenüber beiden Ehegatten in
gleicher Weise einen erweiterten Begriff der Ersatzanschaffung zuzulassen,
wäre mit der Grundidee der Güterverbindung nicht vereinbar, würde doch der
Gemeinschaftscharakter dieses Güterstandes dadurch erheblich an Bedeutung
verlieren (HAUSHEER, ZBJV 114 (1978) S. 174 f.). Es ist daher der von
Merz vorgeschlagenen Lösung, welche von der Vorinstanz übernommen wurde,
nicht zu folgen.

    d) Soweit also die Klägerin die Liegenschaft in H. gegen
Entgelt erworben hat, ohne dass eine Ersatzanschaffung vorliegt,
indem Vermögenswerte ihres eingebrachten Gutes bzw. ihres Sondergutes
dafür verwendet worden wären, ist die Liegenschaft bei Auflösung der
Güterverbindung wertmässig der Errungenschaft zuzurechnen. Die Berufung ist
daher teilweise gutzuheissen, und Dispositiv Ziffer 4 lit. a, b und c des
angefochtenen Urteils ist aufzuheben. Die Sache ist an das Obergericht
zurückzuweisen, damit es die Höhe der Errungenschaft und insbesondere
den Vorschlagsanteil des Beklagten neu feststelle. Die Vorinstanz hat
daher den Verkehrswert der Liegenschaft im Zeitpunkt der güterrechtlichen
Auseinandersetzung zu ermitteln und davon den ursprünglichen Kaufpreis und
die wertvermehrenden Investitionen in Abzug zu bringen, d.h. insgesamt
Fr. 200'000.--. Allerdings bleibt noch abzuklären, ob der Erwerb der
Klägerin teilweise unentgeltlich war. In der öffentlichen Urkunde vom
12. September 1977 wurde nämlich als amtlicher Wert der Liegenschaft im
Jahre 1976 der Betrag von Fr. 160'000.-- genannt, während der Kaufpreis nur
Fr. 110'000.-- betrug. Dieser Umstand könnte darauf hindeuten, dass es sich
beim Erwerb der Liegenschaft um ein gemischtes Rechtsgeschäft gehandelt
haben könnte, indem neben dem tatsächlichen Erwerbspreis auch noch der
Anteil der Klägerin an der Erbengemeinschaft berücksichtigt worden wäre,
welcher zu ihrem eingebrachten Gut gehört. Dann wäre aber die eingetretene
Wertvermehrung der Liegenschaft, welche sich nach Abzug der beim Erwerb
übernommenen Schulden (einschliesslich für wertvermehrende Investitionen)
vom heutigen Verkehrswert ergibt, proportional auf die Errungenschaft und
das eingebrachte Gut der Klägerin aufzuteilen (BGE 74 II 145; vgl. auch
BGE 50 II 432 ff. und 91 II 90 ff.).

    Erst wenn diese sich stellenden weitern Fragen abgeklärt und die
entsprechenden tatsächlichen Feststellungen getroffen sind, wird das
Obergericht die güterrechtliche Auseinandersetzung zwischen den Parteien
zu Ende führen können.