Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 II 471



112 II 471

78. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. Dezember 1986 i.S.
Stiftung L. gegen Z. (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 84 ZGB; Stiftungsaufsicht.

    Die Aufsichtsbehörde, die den Verbleib eines ausgeschlossenen
Mitglieds des Stiftungsrates in diesem anordnet, greift - wenn nicht die
Funktionsfähigkeit der Stiftung in Frage gestellt ist - in unzulässiger
Weise in den Autonomiebereich der Stiftungsorgane ein.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 84 Abs. 2 ZGB hat die Aufsichtsbehörde dafür zu sorgen,
dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird. Diese
Aufsicht, die sowohl über die Anlage als auch über die Verwendung des
Stiftungsvermögens ausgeübt wird, ist umfassend. Sie schliesst auch
Organisationsprobleme ein und ermächtigt die zuständige Aufsichtsbehörde
insbesondere dazu, Stiftungsorgane abzuberufen bzw. abzusetzen und an deren
Stelle andere zu ernennen, sofern das Verhalten eines Stiftungsorganes
solcherart ist, dass es im Hinblick auf eine gesetzes- und stiftungsgemässe
Tätigkeit der Stiftung nicht mehr tragbar ist (BGE 112 II 98 f. E. 3,
105 II 326 ff. E. 5; Kommentar RIEMER, N. 98-102, 109, 111, 148, 150 zu
Art. 84 ZGB).

    Wie das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement in seiner
Vernehmlassung zutreffend ausführt, ist das Eingreifen der Aufsichtsbehörde
auch dort geboten, wo der Ausschluss eines oder mehrerer Mitglieder
des Stiftungsrates durch diesen selber geeignet ist, das ordentliche
Funktionieren der Stiftung in Frage zu stellen. Bei aller Zurückhaltung
gegenüber der Autonomie der Stiftung muss die Aufsichtsbehörde Beschlüsse
überprüfen können, welche die Zusammensetzung der Stiftungsorgane und
damit die Funktionsfähigkeit der Stiftung zum Gegenstand haben. Daran
ändert nichts, wenn auf den Ausschluss eines Mitglieds des Stiftungsrates
die Bestimmungen des Vereinsrechts über die Ausschliessung (Art. 72 ZGB)
sinngemäss angewendet werden; denn die Analogie bezieht sich nur auf
die Voraussetzungen des Ausschlusses, nicht aber auf den Rechtsweg,
der bei dem keiner Aufsicht unterstehenden Verein vorweg nur jener des
Zivilrechts sein kann.

Erwägung 3

    3.- a) Der Streit zwischen der Beschwerdeführerin und Z. ist auf den
Beschluss des Stiftungsrates zurückzuführen, die Liegenschaft in B. - sie
stellt das einzige wesentliche Aktivum der Stiftung dar - an einen Verein
zu verkaufen und sich mit dem Erlös an einem Neubau zu beteiligen. Nach den
Ausführungen in ihrer Vernehmlassung an das Bundesgericht hat die kantonale
Aufsichtsbehörde den Stiftungsrat wissen lassen, dass von ihrer Seite
grundsätzlich keine Einwendungen gegen den Verkauf der Liegenschaft in B.
bestehen. Indessen wurde die Stiftung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass
durch diese Transaktionen das Stiftungsvermögen nicht geschmälert werden
dürfe. Die Stiftung müsse ihren Zweck weiterhin verfolgen können. Auch
wurde die Stiftung von der kantonalen Aufsichtsbehörde daran erinnert,
dass sowohl der Verkauf der ihr jetzt noch gehörenden Liegenschaft
als auch die Errichtung eines Neubaues der vorgängigen Zustimmung der
Aufsichtsbehörde bedürfen. Die Stiftung wurde ersucht, nähere Angaben -
insbesondere zahlenmässig - über das Neubauprojekt zu machen.

    b) Mit diesen Anordnungen der kantonalen Aufsichtsbehörde wird dafür
Sorge getragen, dass das Stiftungsvermögen zweckentsprechend verwendet
wird. Es lässt sich nicht behaupten, dass ohne die Mitwirkung von Z.,
dessen Interventionen nach der Meinung des Regierungsrates auch zur
Wahrung des bestehenden Stiftungszweckes erfolgten, die Verfolgung des
Stiftungszweckes nicht mehr gewährleistet sei. Anderseits ist aber auch
nicht zu übersehen, dass Z. als Mieter in der Liegenschaft in B. ein
besonderes persönliches Interesse daran hat, dass diese weder verkauft noch
abgebrochen wird. Obschon das Justizdepartement Z. bei seiner Bereitschaft
behaftet hat, nach der Wiedereinsetzung als Mitglied des Stiftungsrates
konstruktiv in der Stiftung mitzuarbeiten, ist daher das Andauern von
Meinungsverschiedenheiten nicht auszuschliessen.

    Gewiss ist dennoch, dass die Tätigkeit der Stiftung L. durch die
Tatsache, dass Z. aus dem Stiftungsrat ausgeschlossen wurde, nicht
beeinträchtigt wird. Insofern unterscheidet sich der vorliegende
Rechtsstreit von dem in BGE 112 II 97 ff. veröffentlichten Fall, wo eine
Störung der Stiftungstätigkeit befürchtet und deshalb die Aufsichtsbehörde
als zuständig bezeichnet wurde, über die Frage eines Ausschlusses zu
entscheiden. Durch die (oben E. 3a erwähnten) Anordnungen der kantonalen
Aufsichtsbehörde sind im vorliegenden Fall Vorkehren getroffen worden,
um einer Gefährdung des Stiftungszweckes wie auch des Stiftungsvermögens
zu begegnen. Diese Massnahmen genügen, und es war nicht erforderlich,
dass darüber hinaus die Aufsichtsbehörde auch noch den Verbleib von Z. im
Stiftungsrat anordnete. Mit dieser Anordnung hat die Aufsichtsbehörde
in den Autonomiebereich der Stiftungsorgane eingegriffen, was von der
Rechtsprechung als eine Verletzung von Bundesrecht betrachtet wird
(BGE 108 II 358 E. 5a, 500 E. 5 mit Hinweis). Richtigerweise hätte das
kantonale Justizdepartement auf die bei ihm erhobene Aufsichtsbeschwerde
des Z. nicht eintreten sollen.