Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 II 366



112 II 366

61. Urteil der I. Zivilabteilung vom 8. Dezember 1986 i.S. X. gegen
Versicherungs-Gesellschaft Z. (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 68 Abs. 1 lit. b OG.

    1. Art. 84 SVG enthält eine bundesrechtliche Zuständigkeitsvorschrift;
Voraussetzungen, unter denen schon der Entscheid einer untern kantonalen
Behörde wegen Verletzung dieser Vorschrift mit der Nichtigkeitsbeschwerde
angefochten werden kann (E. 1).

    2. Umstände, die einer Umdeutung der Nichtigkeitsbeschwerde in eine
staatsrechtliche Beschwerde entgegenstehen (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Frau X. klagte am 11. April 1986 beim Bezirksgericht Zürich
gegen die Versicherungs-Gesellschaft Z. auf Zahlung von Fr. 3718.85
nebst Zins. Sie verlangte damit Ersatz von Sachschaden, den angeblich
ein bei der Beklagten versicherter Fahrzeuglenker in Gams (SG) an ihrem
Personenwagen verursacht hatte.

    Das Bezirksgericht trat mit Beschluss vom 19. Juni 1986 wegen örtlicher
Unzuständigkeit auf die Klage nicht ein; es hielt der Klägerin entgegen,
dass sie gemäss Art. 84 SVG nur im Einverständnis mit dem beschuldigten
Fahrzeuglenker an einem anderen als dem Unfallort hätte klagen können.

    Eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde der Klägerin gegen diesen
Entscheid wies das Obergericht des Kantons Zürich am 5. September 1986
mit der Begründung ab, der angefochtene Beschluss verletze jedenfalls
kein klares Recht.

    B.- Mit Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 68 OG beantragt die
Klägerin dem Bundesgericht, den Entscheid des Obergerichts aufzuheben
und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Klägerin macht geltend, entgegen der Meinung des Obergerichts
sei durch die falsche Auslegung von Art. 84 SVG klares materielles Recht
verletzt worden.

    Bei Art. 84 SVG handelt es sich um eine bundesrechtliche
Zuständigkeitsvorschrift, deren Verletzung gemäss Art. 68 Abs. 1
lit. b OG unter Vorbehalt der Berufung mit der Nichtigkeitsbeschwerde
gerügt werden kann (BGE 105 II 310 E. 1 und 93 II 217 E. 2 und 3 mit
Hinweisen). Der Vorbehalt gilt für Fälle, in denen ein selbständiger
Vor- oder Zwischenentscheid im Sinne von Art. 49 OG über die
Zuständigkeitsfrage vorliegt (BGE 98 II 90 E. 1 mit Hinweisen) oder die
letzte kantonale Instanz diese Frage zusammen mit einer berufungsfähigen
Hauptsache beurteilt hat (BGE 97 II 407 E. 1a mit Hinweisen). Die
Nichtigkeitsbeschwerde setzt im Unterschied zur Berufung dagegen weder
einen Endentscheid noch einen Entscheid einer obern kantonalen Behörde im
Sinne von Art. 48 OG voraus. In nicht berufungsfähigen Zivilsachen ist sie
gemäss Art. 68 Abs. 1 OG vielmehr auch gegen Entscheide anderer Art und
einer untern kantonalen Behörde zulässig, wenn diese Behörde als letzte
Instanz mit freier Prüfungsbefugnis über die Streitfrage befunden hat (BGE
96 II 269, 95 II 71 E. 1, 93 II 217 E. 3; BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege,
N. 5 zu Art. 68 OG).

    Die Klägerin hat den Beschluss des Bezirksgerichts mit der kantonalen
Nichtigkeitsbeschwerde angefochten, obwohl sie die Verletzung einer
bundesrechtlichen Zuständigkeitsvorschrift gerügt wissen wollte
(vgl. STRÄULI/MESSMER, N. 15 zu § 285 ZPO/ZH). Sie geht zudem noch
in der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde von einer beschränkten
Kognitionsbefugnis des Obergerichts in der Streitfrage aus. Bei dieser
Auslegung kantonalen Verfahrensrechts, dessen Anwendung das Bundesgericht
nicht zu überprüfen hat (vgl. immerhin STRÄULI/MESSMER, N. 16/17 zu §
281 Ziff. 1 ZPO/ZH), hätte die Klägerin aber schon den Beschluss des
Bezirksgerichts und nicht erst den Kassationsentscheid des Obergerichts
mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde anfechten müssen. Gegen
jenen Beschluss ist diese Beschwerde verspätet.

Erwägung 2

    2.- Das stände bezüglich des genannten Beschlusses auch einer Umdeutung
der Nichtigkeitsbeschwerde in eine staatsrechtliche Beschwerde entgegen;
diese hätte gegenüber jener zudem bloss subsidiären Charakter (Art. 84
Abs. 2 OG). Gegen den Kassationsentscheid sodann wäre eine staatsrechtliche
Beschwerde an sich zulässig; diesfalls würde die Umdeutung aber am Mangel
tauglicher Rügen scheitern, da in der Beschwerdebegründung mit keinem
Wort gesagt wird, dass durch den Kassationsentscheid verfassungsmässige
Rechte der Klägerin verletzt worden seien. Selbst wenn man über diesen
Mangel hinwegsehen und den Vorwurf, das Obergericht habe klares Recht
verletzt, als ausreichende Willkürrüge gelten lassen wollte, könnte auf
das Rechtsmittel wegen Verwirkung der Beschwerdefrist nicht eingetreten
werden. Die Beschwerde ist am letzten Tag der 30tägigen Frist, nämlich
am 9. Oktober 1986, beim Obergericht eingereicht, von diesem aber erst
am 15. Oktober 1986 zuhanden des Bundesgerichts der Post übergeben worden
(BGE 103 Ia 53).

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten.