Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 II 362



112 II 362

60. Urteil der I. Zivilabteilung vom 31. Oktober 1986 i.S. X. & Co. AG
gegen Y. (Berufung) Regeste

    Markenschutz, unlauterer Wettbewerb.

    1. Art. 6 Abs. 1 MSchG. Unterscheidbarkeit der Marke "ESCOLINO"
von dem markenmässig gebrauchten Zeichen "SECCOLINO" trotz Bezeichnung
gleichartiger Waren (Wäschetrockner) bejaht; Massgeblichkeit des
Gesamteindrucks beim kaufenden Publikum (E. 2).

    2. Markenrechtlich erlaubtes Verhalten stellt grundsätzlich keinen
Verstoss gegen Treu und Glauben im Sinne der allgemeinen Vorschrift von
Art. 1 UWG dar (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Die X. & Co. AG hinterlegte am 22. September 1983 unter Nr. 327 116
die Marke "ESCOLINO" für Elektrohaushaltgeräte wie Wäschetrockenschränke
und Wäschetrockner. Sie stellt letztere unter der erwähnten Marke in
verschiedenen Ausführungen her. Ein solches Gerät wurde Y. anlässlich
einer Fachmesse für "Altbaumodernisierung" in Luzern in Konsignation
gegeben. Seit 1982 oder 1983 bietet Y. in der Schweiz einen Wäschetrockner
unter der Bezeichnung "SECCOLINO" an.

    B.- Die X. & Co. AG klagte am 22. April 1985 gegen Y. beim Obergericht
des Kantons Luzern auf Feststellung, dass der Beklagte ihre Rechte an der
CH-Marke 327 116 verletze und unlauteren Wettbewerb begehe, indem er für
seine Wäschetrockner die Bezeichnung "SECCOLINO" verwende und damit Werbung
betreibe (Rechtsbegehren Ziffer 1); ferner verlangte die Klägerin, dem
Beklagten jeden weiteren Gebrauch der Bezeichnung unter Strafandrohung zu
verbieten (Rechtsbegehren Ziffer 2), diesen zu Schadenersatz zu verurteilen
(Rechtsbegehren Ziffer 3) und die Klägerin zur Veröffentlichung des
Urteilsspruchs auf Kosten des Beklagten zu ermächtigen (Rechtsbegehren
Ziffer 4). Mit Urteil vom 5. Mai 1986 wies das Obergericht die Klage ab.

    C.- Die Klägerin hat gegen das Urteil des Obergerichts Berufung
eingereicht und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, Ziffern 1
und 2 des Klagebegehrens gutzuheissen und den Prozess zur Neuentscheidung
über Ziffern 3 und 4 des Klagebegehrens an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Der Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung und Bestätigung
des angefochtenen Urteils.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Das Obergericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen,
"SECCOLINO" sei eine gemeinfreie Sachbezeichnung, deren Verwendung weder
unlauteren Wettbewerb noch eine Markenrechtsverletzung darstelle. Dem hält
die Klägerin entgegen, "SECCOLINO" sei keine Sachangabe des Gemeinguts;
selbst wenn die Bestandteile "secco" und "lino" beschreibend wären, läge
in deren Verbindung eine unlautere Handlung im Sinne des UWG, sei doch die
Kombination erkennbar nur deshalb gewählt worden, um zu einer Bezeichnung
zu kommen, die mit der Marke "ESCOLINO" verwechselt werden könne.

Erwägung 2

    2.- Der Beklagte hat das Zeichen "SECCOLINO" nicht als Marke eintragen
lassen. Das schliesst indes eine Verletzung von älteren Drittrechten nicht
aus, wenn das Zeichen wie im vorliegenden Fall tatsächlich wie eine Marke
gebraucht worden ist. Nicht streitig ist die Gleichartigkeit der mit
"ESCOLINO" und "SECCOLINO" bezeichneten Waren. Das zweite Zeichen ist
trotzdem zulässig, wenn es sich durch wesentliche Merkmale von der Marke
der Klägerin unterscheidet (Art. 6 Abs. 1 MSchG). Ob diese Voraussetzung
erfüllt ist, hängt vom Gesamteindruck ab, den die streitigen Zeichen
insbesondere beim kaufenden Publikum hinterlassen, der jedoch durch einen
einzelnen Bestandteil entscheidend beeinflusst werden kann (BGE 102 II
125 E. 2, 101 II 291 f. je mit Hinweisen).

    Zwar ist der Wortbestandteil "lino" bei beiden Zeichen identisch. Er
hinterlässt jedoch nur einen schwachen Eindruck, da die Endung "lino"
häufig vorkommt und schon nach allgemeinem Empfinden keine besondere
Kennzeichnungskraft besitzt. Demnach kommt es darauf an, ob sich die
wesentlichen Bestandteile "esco" und "secco" hinreichend voneinander
unterscheiden. Das ist ohne weiteres zu bejahen. Sowohl der Wortklang als
auch das Schriftbild schliessen beim Publikum die Verwechslungsgefahr,
der Art. 6 Abs. 1 MSchG begegnen soll, aus. Dazu kommt, dass der Ausdruck
"secco" im Italienischen "trocken" bedeutet, was auch in weiten Kreisen der
anderen Sprachgebiete bekannt sein dürfte. Demgegenüber ruft der Ausdruck
"esco" keinerlei Gedankenverbindung mit der Bedeutung "trocken" hervor;
Italienisch sprechende Personen werden allenfalls an das Verb "uscire"
(1. Person Singular Präsens) denken.

    Hält somit das Zeichen "SECCOLINO" markenrechtlich vor dem
Ausdruck "ESCOLINO" stand, werden die Ausführungen der Klägerin gegen
den vom Obergericht angenommenen Gemeingutscharakter von "SECCOLINO"
gegenstandslos. Ebensowenig braucht der auch im Berufungsverfahren vom
Beklagten erhobene Einwand geprüft zu werden, die ältere Marke "ESKOLINE"
habe die Nichtigkeit der klägerischen Marke zur Folge.

Erwägung 3

    3.- Lässt sich die Verwendung des Ausdrucks "SECCOLINO" für
das Trockengerät des Beklagten mangels Verwechselbarkeit mit der
Spezialvorschrift von Art. 6 Abs. 1 MSchG vereinbaren, so kann darin
grundsätzlich auch kein Verstoss gegen Treu und Glauben im Sinne der
allgemeinen Vorschrift des Art. 1 UWG liegen, da nicht auf dem Umweg
über das UWG als widerrechtlich bezeichnet werden darf, was nach den
Spezialgesetzen des gewerblichen Rechtsschutzes erlaubt ist (BGE 104 II
332 E. 5a). Das gälte grundsätzlich selbst dann, wenn man den Ausdruck
"SECCOLINO" als verwechselbare Sachbezeichnung betrachten würde (BGE 80
II 174 E. 1a). Nur ganz besondere Umstände könnten ein spezialrechtlich
erlaubtes Verhalten als missbräuchlich im Sinne von Art. 1 UWG erscheinen
lassen (BGE 104 II 334 E. 5b, vgl. BGE 90 II 54/58 E. 4-6). Solche
Umstände gehen aus den Feststellungen der Vorinstanz jedoch nicht
hervor. Der dem Beklagten vorgeworfene Beweggrund für die Wahl der
Kombination ist eine unbewiesene Behauptung.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des
Kantons Luzern vom 5. Mai 1986 bestätigt.