Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 II 326



112 II 326

55. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. Oktober 1986
i.S. Z. Inc. gegen X. AG (Berufung) Regeste

    Kauf. Vertragsschluss durch Austausch von Telexmeldungen (Art. 1,
13, 16 Abs. 1 OR).

    Der Austausch übereinstimmender Telexerklärungen, die das Ergebnis
telefonischer Vertragsverhandlungen bestätigen, erfüllt zwar nicht die
Voraussetzungen des Art. 13 OR, jedoch eine Beweisfunktion, die der eines
schriftlichen Vertrags nahekommt (E. 3a). Vertragsschluss durch Austausch
von Telexmeldungen trotz allenfalls vorbehaltener Schriftform bejaht
(E. 3a und b).

Sachverhalt

    A.- Im Juli 1984 bot die X. AG mit Sitz in Y. ein Flugzeug des Typs
Q. zum Verkaufe an. Neben anderen Firmen interessierte sich dafür die in
den USA domizilierte Z. Inc., die über ihren aeronautischen Berater in Genf
P. mit der X. AG in Verbindung trat. Nach Besichtigung des Flugzeugs am 12.
Juli 1984 in Y. unterbreitete P. am 16. Juli 1984 der X. AG per Telex
namens der Z. Inc. eine Kaufofferte, die jedoch ebensowenig angenommen
wurde wie eine Gegenofferte vom 19. Juli 1984.

    Am 31. Juli 1984 liess die Z. Inc. durch P. der X. AG, vertreten
durch B., mit Telex Nr. 2360 ein Angebot zum Kauf des Flugzeugs für US$
1'220'000.-- übermitteln. Dieser Telex nannte verschiedene Kaufbedingungen
wie eine Anzahlung von US$ 50'000.--, die nach schriftlicher Fixierung
des Kaufes nicht mehr rückzahlbar sein sollte, und Einzelheiten über die
Lieferung, Zahlung und Abnahme des Flugzeugs. Es folgte ein Telefongespräch
zwischen P. und B., in dem vor allem über die Höhe des Kaufpreises
gesprochen wurde. Ebenfalls am 31. Juli erklärte P. der X. AG mit Telex
Nr. 2364, der angebotene Kaufpreis werde auf US$ 1'250'000.-- erhöht,
die übrigen Bedingungen blieben unverändert und es werde um Bestätigung
der bereits mündlich erteilten Zusage zum Verkauf des Flugzeugs an die
Z. Inc. ersucht. Mit Telex Nr. 1850 vom gleichen Tag bestätigte die X. AG,
vertreten durch A. und B., die Annahme der Offerte gemäss Telex Nr. 2364
und forderte die Z. Inc. auf, die US$ 50'000.-- unverzüglich an eine
Korrespondenzbank der Schweizerischen Bankgesellschaft zu überweisen. Mit
einem weiteren Telex vom 31. Juli bestätigte die Z. Inc. daraufhin der
X. AG das Zustandekommen des Vertrages und teilte dieser mit, sie habe
die Überweisung der Anzahlung veranlasst.

    Mit Telex Nr. 1854 vom 31. Juli 1984 teilte die X. AG der Z. Inc. mit,
Telex Nr. 1850 beruhe auf einem Missverständnis, das Flugzeug sei bereits
anderweitig verkauft und bezahlt worden.

    Es kam zum Streit darüber, ob am 31. Juli 1984 aufgrund der
Telexmeldungen und der Telefongespräche zwischen P. und B. ein Kaufvertrag
zustande gekommen war.

    B.- Am 15. Oktober 1984 klagte die Z. Inc. beim Handelsgericht des
Kantons St. Gallen gegen die X. AG auf Zahlung von US$ 146'000.-- sowie
von Fr. 5'903.95, je nebst Zins als Ersatz des Erfüllungsinteresses. Am
11. Dezember 1985 hiess das Handelsgericht die Klage gut. Die von
der Beklagten gegen dieses Urteil eingereichte Berufung weist das
Bundesgericht ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Die Beklagte macht geltend, die Parteien hätten jedenfalls einen
Formvorbehalt im Sinne von Art. 16 Abs. 1 OR angebracht, weshalb eine
von der Vorinstanz zu Unrecht als widerlegt betrachtete Vermutung dafür
spreche, dass die Parteien vor Abschluss eines schriftlichen Vertrags
nicht gebunden sein wollten. Zur Begründung beruft sich die Beklagte vor
allem auf drei Telexmeldungen der Klägerin. Im Telex Nr. 2360 sei unter
Ziffer 2 ausdrücklich von einem durch die Parteien an einem der beiden
folgenden Tage in Y. zu unterzeichnenden Vertrag die Rede. Im Telex vom
31. Juli, mit dem die Klägerin die Annahme ihrer Kaufofferte durch die
Beklagte bestätigte, werde von einem schriftlichen Vertrag gesprochen,
den P. für die Klägerin unterzeichnen solle. Schliesslich werde P. in
einem weiteren Telex vom gleichen Tag ermächtigt, den Vertrag zwischen
der Klägerin und der Muttergesellschaft der Beklagten auszuhandeln und
zu unterzeichnen. Damit habe die Klägerin ihre Offerte selbst mit dem
Vorbehalt eines schriftlichen Kaufvertrages versehen, weshalb die Annahme
der Vorinstanz, es fehle an einem vertraglichen Vorbehalt der Schriftform,
unhaltbar sei.

    a) Zwar zeigen die genannten Telexmeldungen, dass die Klägerin davon
ausgegangen ist, es werde noch ein schriftlicher Kaufvertrag abgeschlossen.
Daraus folgt jedoch nicht, dass die Klägerin erst mit dem Abschluss eines
schriftlichen Kaufvertrags gebunden sein wollte. Mit dem Handelsgericht ist
vielmehr auf das gesamte Vorgehen abzustellen. Zunächst wurden Angebote
per Telex übermittelt, dann führten die Vertreter der Parteien ein
Telefongespräch, dessen wesentlicher Inhalt, die erfolgte Einigung über
den Kaufpreis, schliesslich beidseitig per Telex bestätigt wurde. Dieses
Vorgehen weist darauf hin, dass mit dem Austausch der Telexmeldungen über
das Ergebnis der telefonischen Besprechung ein Vertrag zustande gekommen
ist und dass der für den nächsten oder übernächsten Tag vorgesehene
schriftliche Kaufvertrag nicht konstitutiv sein sollte.

    Mit Hilfe des Telex können Telefongespräche, unmittelbar
nachdem sie stattgefunden haben, schriftlich bestätigt werden. Durch
den Austausch übereinstimmender Telexerklärungen über das Ergebnis
telefonischer Vertragsverhandlungen lassen sich deshalb unterschiedliche
Auffassungen beseitigen, die zwischen den Parteien über den Inhalt
eines Telefongesprächs bestehen können. Zwar kommt dem Austausch von
Telexerklärungen nicht die Bedeutung der Schriftlichkeit im Sinne von
Art. 13 OR zu, weil solche Erklärungen nicht die Unterschriften der
verpflichteten Personen tragen (ebenso SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N. 72 zu
Art. 13 OR; SCHMIDLIN, N. 29 ff. zu Art. 13 OR; AMONN, ZBJV 112 (1976)
S. 502 oben; Frage für den Fall, dass der Absender den von seiner Maschine
ausgedruckten Text unterzeichnet, offengelassen von GAUCH/SCHLUEP/JÄGGI,
N. 422 S. 82; eher bejahend BGE 101 III 66 f. E. 4 - Stellungnahme vom
13. Juni 1975 - zum Schriftlichkeitserfordernis nach Art. 34 SchKG bei
der Übermittlung von Arrestbefehlen per Telex). Dennoch erfüllen derartige
Telexmeldungen eine Beweisfunktion, die der eines schriftlichen Vertrages
im Sinne von Art. 13 OR nahekommt.

    Es entspricht demnach den Gepflogenheiten namentlich im internationalen
Geschäftsverkehr, dass die Parteien mit dem Austausch inhaltlich
übereinstimmender Telexmeldungen auch eine vertragliche Verpflichtung
eingehen wollen, selbst wenn sie nachträglich noch eine Vertragsurkunde
zu erstellen beabsichtigen, in der gegebenenfalls weitere, für das
Zustandekommen des Vertrages jedoch nicht wesentliche Nebenpunkte
geregelt werden sollen. Eine nach dem vertragsbegründenden Austausch
von Telexmeldungen erstellte deklaratorische Vertragsurkunde kann
entgegen den Ausführungen der Beklagten durchaus sinnvoll sein. Neben der
Regelung untergeordneter Vertragspunkte kann dadurch namentlich späteren
Streitigkeiten über die Authentizität der ausgetauschten Telexmeldungen
vorgebeugt werden.

    b) Als entscheidend erachtet das Handelsgericht die ausgetauschten
Telexmeldungen vom 31. Juli, denen sich entnehmen lasse, dass die Beklagte
damals selbst von einem gültig zustande gekommenen Vertrag ausgegangen sei.
Tatsächlich können die mit Telex Nr. 1850 ausdrücklich erklärte Annahme
der Offerte über US$ 1'250'000.-- und die gleichzeitige Aufforderung
zur Überweisung der US$ 50'000.-- vernünftigerweise nicht als unter
dem Vorbehalt einer künftigen Regelung stehende Erklärungen angesehen
werden. Wäre die Beklagte damals wirklich der Auffassung gewesen, sie
betrachte sich trotz der vorangegangenen telefonischen Einigung zwischen
P. und B. und trotz der Telexmeldungen, die diese Einigung bestätigten,
nicht als gebunden, hätte sie ausdrücklich einen Vorbehalt anbringen
müssen. Das ist derart offensichtlich, dass die Einwände gegen die
Folgerungen des Handelsgerichts aus dem Telex Nr. 1854 und aus den
Umständen beim Verkauf des gleichen Flugzeugs an einen Dritten nicht
geprüft zu werden brauchen. Auch der Hinweis auf Telex Nr. 2366 vom 1.
August 1984 hilft der Beklagten nicht, hält P. doch in jenem Telex
ausdrücklich fest, dass eine Vereinbarung bestehe, die es zu honorieren
gelte.