Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 II 214



112 II 214

36. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. Juni 1986 i.S.
Steiger und Mitbeteiligte gegen Zurmühle AG (Berufung) Regeste

    Frist zur Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts im Falle von
Stockwerkeigentum (Art. 839 Abs. 2 ZGB).

    Für sämtliche Arbeiten und Materiallieferungen, die der Unternehmer
zu Gunsten der einzelnen Stockwerkeinheiten erbracht hat, beginnt die
Eintragungsfrist jedenfalls dann mit dem Abschluss der Leistungen in
den jeweiligen Wohnungen zu laufen, wenn das Stockwerkeigentum schon vor
deren Beginn begründet worden war.

Sachverhalt

    A.- Die Intercap S.A. liess im Jahre 1982 auf ihrem Grundstück
Nr. 1247 des Grundbuches Luzern-Stadt ein Terrassenhaus erstellen.
Am 18. Januar 1982, d.h. noch vor Beginn der Bauarbeiten, wurde an der
geplanten Liegenschaft Stockwerkeigentum begründet. Zwei der insgesamt
acht Stockwerkeinheiten gingen an Zeno Steiger, eine (je zur Hälfte)
an Alois und Verena Amstad-Portmann.

    Gestützt auf einen mit der Intercap S.A. abgeschlossenen schriftlichen
Werkvertrag vom 8./12. Juli 1982 (mit späteren Ergänzungen) führte
die A. Huber AG, Rechtsvorgängerin der Zurmühle AG, am Terrassenhaus
verschiedene Schreinerarbeiten aus. Namentlich baute sie in den einzelnen
Wohnungen Wandschränke ein.

    Durch superprovisorische Verfügung vom 17. Februar 1983 und
Bestätigungsentscheid vom 22. März 1983 ordnete der Amtsgerichtspräsident
I von Luzern-Stadt in Gutheissung eines Gesuchs der A. Huber AG vom
16. Februar 1983 an, dass zu deren Gunsten ein Bauhandwerkerpfandrecht im
Gesamtbetrag von Fr. 30'081.-- nebst Zins zu 5% seit 19. Dezember 1982,
aufgeteilt auf die einzelnen Stockwerkeinheiten nach Massgabe des Wertes
der geleisteten Arbeit, vorläufig eingetragen werde.

    Die von der A. Huber AG in der Folge gegen die Stockwerkeigentümer
erhobene Klage auf definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts
hiess das Amtsgericht Luzern-Stadt (I. Abteilung) durch Urteil vom
14. Mai 1984 teilweise gut, indem es das Pfandrecht für eine Summe von
Fr. 10'485.95 zusprach. Das Obergericht (I. Kammer) des Kantons Luzern
hat diesen Entscheid am 2. Dezember 1985 bestätigt.

    Gegen das obergerichtliche Urteil haben die Beklagten Zeno Steiger
sowie Alois und Verena Amstad-Portmann, welche die Klage im Umfang
von Fr. 47.35 je Stockwerkeinheit anerkannt hatten, beim Bundesgericht
Berufung erhoben.

    Die Zurmühle AG schliesst auf Abweisung der Berufung.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB besteht ein Anspruch auf
Errichtung eines gesetzlichen Grundpfandes für die Forderungen der
Handwerker oder Unternehmer, die zu Bauten oder andern Werken auf einem
Grundstück Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert haben. Die
Eintragung des Pfandrechts hat bis spätestens drei Monate nach Vollendung
der Arbeit zu geschehen (Art. 839 Abs. 2 ZGB).

    Die Vorinstanz legte den Beginn der Frist zur Eintragung der vorliegend
strittigen Bauhandwerkerpfandrechte bezüglich aller Stockwerkeigentümer
einheitlich auf denjenigen Zeitpunkt fest, da die A. Huber AG ihre Arbeiten
in sämtlichen Wohnungen des Terrassenhauses abgeschlossen hatte. Nach
den obergerichtlichen Feststellungen wurden noch am 19. November 1982
Abschlussarbeiten ausgeführt, so dass die am 16. Februar 1983 beantragte
und am darauffolgenden Tag superprovisorisch verfügte Eintragung
der Pfandrechte rechtzeitig gewesen sei. Die Berufungskläger halten
demgegenüber dafür, dass die Eintragungsfrist für jede Stockwerkeinheit
gesondert zu laufen begonnen habe, und zwar mit dem Abschluss der
Arbeiten in den entsprechenden Wohnungen. Da die A. Huber AG nach dem
10. November 1982 in ihren Wohnungen keine in Betracht fallenden Arbeiten
mehr ausgeführt habe, sei der Anspruch auf das Pfandrecht verwirkt.

Erwägung 2

    2.- Wie das Bundesgericht schon in BGE 111 II 35 E. 4 festhielt,
hat der schweizerische Gesetzgeber das durch Bundesgesetz vom 19.
Dezember 1963 eingeführte Stockwerkeigentum so ausgestaltet, dass jedem
Stockwerkeigentümer ein Miteigentumsanteil am Grundstück insgesamt -
d.h. an allen seinen Bestandteilen und somit auch an den sich darauf
befindenden Gebäuden - zusteht. Hinzu kommt ein Sonderrecht, wonach der
einzelne Miteigentümer bestimmte Teile eines Gebäudes ausschliesslich
benutzen und innen ausbauen darf (vgl. Art. 712 a Abs. 1 ZGB). Gewisse
Gebäudeteile, die der Gemeinschaft dienen, sind von Gesetzes wegen
von der Zuteilung zu Sonderrecht ausgeschlossen bzw. können durch den
Begründungsakt oder durch nachherige Vereinbarung der Stockwerkeigentümer
davon ausgeschlossen werden (vgl. Art. 712 b Abs. 2 und 3 ZGB).

    Aus der dargelegten gesetzlichen Ordnung hat das Bundesgericht
geschlossen, dass ungeachtet der dem Grundeigentum angenäherten
Ausgestaltung von Sonderrechten an einzelnen Gebäudeteilen grundsätzlich
alle Bestandteile und Gebäude des in Stockwerkeigentum aufgeteilten
Grundstücks zu einer Einheit verbunden würden, so dass Arbeitsleistungen
und Materiallieferungen des Bauhandwerkers wertmässig unmittelbar
der im Miteigentum der Stockwerkeigentümer stehenden Liegenschaft
anwüchsen. Welchen unmittelbaren Nutzen durch Gebrauch die einzelnen
Stockwerkeigentümer aus den Leistungen des Bauhandwerkers zögen,
sei dabei unerheblich. Das Bauhandwerkerpfandrecht, das die Ansprüche
derjenigen Gläubiger in besonderer Weise sichern solle, die mit den
erbrachten Leistungen den Wert des überbauten Grundstücks vermehrt
hätten, müsse deshalb grundsätzlich bei der im Miteigentum stehenden
Sache bzw. bei den Miteigentumsanteilen insgesamt anknüpfen (vgl. BGE
111 II 35 f. E. a). Vorbehalten wurde dann allerdings der Fall, da die
Leistungen des Bauhandwerkers ausschliesslich der Ausstattung von im
Sonderrecht eines Stockwerkeigentümers stehenden Gebäudeteilen dienen. In
Einklang mit der Lehre (vgl. SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht,
2. A., S. 96, Rz. 379; ZOBL, Das Bauhandwerkerpfandrecht de lege lata
und de lege ferenda, in: ZSR 101/1982 II S. 1 ff., insbesondere S. 127;
DE HALLER, L'hypothèque légale de l'entrepreneur, in: ZSR 101/1982
II S. 189 ff., insbesondere S. 264) hat das Bundesgericht entschieden,
dass die entsprechenden Forderungen durch ein Bauhandwerkerpfandrecht auf
dem betreffenden Miteigentumsanteil gesichert werden könnten, sofern die
bauliche Ausstattung der im Sonderrecht stehenden Räume ein wesentliches
Element des dem gemeinschaftlichen Eigentum entgegenstehenden Sonderrechts
ausmache (vgl. BGE 111 II 36 E. b).

Erwägung 3

    3.- a) Diese bundesgerichtliche Rechtsprechung zur
Baugläubigerpfand-Belastung bei Stockwerkeigentum trägt dem Umstand
Rechnung, dass nicht jeder Mehrwert, den ein Bauhandwerker durch seine
Arbeit oder durch geliefertes Material an einem der im Sonderrecht eines
Stockwerkeigentümers stehenden Gebäudeteil schafft, auch in gleichem
Masse eine Wertvermehrung für die Liegenschaft insgesamt bedeuten
muss. Die Vorinstanz hat dies nicht übersehen. Sie schliesst eine
selbständige Behandlung der einzelnen Stockwerkeinheiten hinsichtlich
der dreimonatigen Eintragungsfrist für Fälle der vorliegenden Art denn
auch nicht generell aus. Indessen hält sie dafür, dass eine gestaffelte
Auslösung der erwähnten Frist nach Massgabe der Vollendung der Arbeiten
in den einzelnen Wohnungen nur insoweit in Frage kommen könne, als der -
über die Normausrüstung hinausgehende - Sonderausbau betroffen sei. Für
Leistungen der Bauhandwerker, die auf einem einheitlichen Werkvertrag
beruhten und zum Standardausbau der Stockwerkeinheiten gehörten, werde
die Frist dagegen erst dann (einheitlich) ausgelöst, wenn die Arbeiten im
ganzen Haus, d.h. in allen Wohnungen, abgeschlossen seien. Seine Ansicht
begründet das Obergericht damit, dass dem Unternehmer gerade bei grossen
Überbauungen nicht generell zugemutet werden könne, eine Kontrolle über den
Abschluss der Arbeiten in den einzelnen Stockwerkeinheiten zu führen. Die
Vorinstanz hält sodann fest, dass die den strittigen Pfandrechten zugrunde
liegenden Arbeiten eindeutig zum Standardausbau gezählt hätten; es sei
deshalb für alle Stockwerkeigentümer von einem einheitlichen Fristbeginn
auszugehen.

    b) Im Schrifttum wird die hier gestellte Frage unterschiedlich
beantwortet. ZOBL (aaO S. 149) hält dafür, dass bei Arbeiten an
Bauteilen, die Gegenstand des Sonderrechts eines Stockwerkeigentümers
bildeten, der Beginn der Frist auf den Zeitpunkt des Abschlusses dieser
Arbeiten falle, zumal der Stockwerkeigentumsanteil das Pfandobjekt
darstelle. SCHUMACHER (aaO S. 195, Rz. 682 f.) räumt zwar ein,
dass die Struktur des Stockwerkeigentums dafür sprechen würde, die
einzelnen Stockwerkeinheiten auch bezüglich der Dreimonatefrist für
die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts möglichst selbständig zu
behandeln. Unter Hinweis auf die - auch von der Vorinstanz erwähnten -
Gründe der Praktikabilität und auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes
vertritt dieser Autor aber dann gleichwohl die Ansicht, die Frist sei in
einem Fall wie dem vorliegenden für alle Stockwerkeigentümer gleichzeitig
mit der letzten Arbeit des Unternehmers im ganzen Haus beginnen zu lassen.

Erwägung 4

    4.- a) Die Befristung der Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts
dient in erster Linie dem Schutz des Grundeigentümers, der möglichst
grosse und rasche Rechtssicherheit geniessen soll (vgl. BGE 53 II 219;
SCHUMACHER, aaO S. 170, Rz. 603 mit weiteren Hinweisen; dazu auch BGE
102 Ia 85 E. aa). Zu schützen gilt es namentlich den Grundeigentümer,
der selbst nicht Besteller der vom Unternehmer erbrachten Leistungen
gewesen war und sich durch die Eintragung eines Baugläubigerpfandrechts
erst hinterher in die mit nicht geringen Risiken verbundene Stellung
eines Drittpfandschuldners versetzt sehen kann.

    Der Bauhandwerker befindet sich demgegenüber in einer günstigeren
Lage. So kann er dem Baufortschritt entsprechende Abschlagszahlungen
verlangen. Vor allem aber ist er insofern wirksam geschützt, als er gemäss
Art. 839 Abs. 1 ZGB das ihm zustehende Pfandrecht bereits von dem Zeitpunkt
an eintragen lassen kann, da er sich zur Arbeitsleistung verpflichtet
hat. Dass in der Praxis freilich oft Hemmungen bestehen dürften, sich in
dieser Weise abzusichern, vermag an der grundsätzlichen Besserstellung
des Unternehmers nichts zu ändern. Das Abschätzen des Risikos wird für
diesen allerdings dann erschwert, wenn bei Überbauungen der vorliegenden
Art das Stockwerkeigentum erst nach Beginn oder gar nach Abschluss der
Arbeiten begründet wird. Wie es sich mit der Eintragungsfrist unter solchen
Umständen verhalten würde, braucht indessen nicht entschieden zu werden,
da hier das Stockwerkeigentum bereits bestanden hatte, als die A. Huber
AG ihre Arbeiten aufnahm. Denkbar wäre allerdings, dass ein Bauherr das
Bestehen von Stockwerkeigentum verschweigt, doch kann der Unternehmer
durch Einsicht in das Grundbuch davon Kenntnis erlangen.

    b) In Anbetracht der dargelegten Stellung des Bauhandwerkers und seiner
Möglichkeiten, sich gegen eine allfällige Insolvenz des Werkbestellers
rechtzeitig und wirksam abzusichern, erscheint es als ungerechtfertigt, den
Beginn der Frist zur Eintragung eines Baugläubigerpfandrechts einheitlich
auf denjenigen Zeitpunkt anzusetzen, da die Arbeiten in sämtlichen
Wohnungen abgeschlossen sind. Es kann namentlich dem Erwerber einer
fertiggestellten Stockwerkeinheit nicht zugemutet werden, dass noch drei
Monate nach der - unter Umständen viel späteren - Vollendung der Arbeiten
in einer andern Wohnung auf seinem Grundstück ein Bauhandwerkerpfandrecht
eingetragen wird. Das Risiko einer Doppelleistung (Zahlung des Preises
an den Verkäufer, der das Werk bestellt hatte, einerseits und an den
Bauhandwerker andererseits) soll mindestens in zeitlicher Hinsicht
überblickbar sein. Eine einheitliche Fristauslösung im obenerwähnten
Sinn ist aber auch deshalb abzulehnen, weil sie eine Privilegierung des
Bauhandwerkers zur Folge hätte, die über das Ziel des Gesetzes hinausginge:
Der Unternehmer könnte für den durch seine Leistungen geschaffenen
Mehrwert an einer bestimmten Stockwerkeinheit auch noch nach Ablauf der
dreimonatigen Frist seit Arbeitsvollendung das gesetzliche Pfandrecht
eintragen lassen. In Würdigung der auf beiden Seiten in Betracht zu
ziehenden Interessen ist es dem Bauhandwerker entgegen der Ansicht der
Vorinstanz schliesslich durchaus zuzumuten, dass er bei Überbauungen der
vorliegenden Art über seine Arbeiten und Materiallieferungen generell
eine nach Stockwerkeinheiten getrennte Kontrolle führe. Die individuelle
Rechnungstellung an die einzelnen Stockwerkeigentümer verlangt ohnehin
ein solches Vorgehen.

    c) Aufgrund der vorstehenden Erwägungen geht es nicht an, die
gestaffelte Fristauslösung nach Massgabe der Vollendung der Arbeiten
an den einzelnen Stockwerkeinheiten mit dem Obergericht nur bezüglich
derjenigen Leistungen gelten zu lassen, die der Unternehmer im Rahmen
eines Sonderausbaus der Wohnungen, d.h. über die Normausrüstung hinaus,
erbracht hat. Bei einer solchen Lösung würden übrigens in vielen Fällen
erhebliche Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen Standard- und
Sonderausbau auftreten.

    d) Begann die Frist zur Eintragung der strittigen
Bauhandwerkerpfandrechte somit in jedem Fall mit der jeweiligen Vollendung
der Arbeiten der A. Huber AG in den Wohnungen der Berufungskläger zu
laufen, ist unerheblich, ob jene zum Standard- oder zum Sonderausbau zu
zählen seien. Die Rüge der Berufungskläger, die vorinstanzliche Annahme,
wonach es sich um Leistungen im Rahmen des Standardausbaus gehandelt habe,
verstosse gegen Art. 8 ZGB (da die Klägerin dies nie geltend gemacht habe),
wird mithin gegenstandslos.

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