Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 III 36



112 III 36

11. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
vom 14. Januar 1986 i.S. Süllhöfer (Rekurs) Regeste

    Kollokationsrechtliche Behandlung einer im Konkurs angemeldeten
Forderung, die im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bereits Gegenstand eines
Prozesses gebildet hatte (Art. 63 Abs. 1 KOV).

    Eine solche Forderung ist grundsätzlich lediglich pro memoria im
Kollokationsplan vorzumerken (E. 3).

    Bevor die Konkursverwaltung die Vormerkung ausführt, hat sie zu prüfen,
ob die angemeldete Forderung mit der beim Gericht eingeklagten identisch
sei; waren die beim Gericht eingeklagten Ansprüche betragsmässig nicht
festgelegt worden, hat aber der Gläubiger die angemeldete Forderung im
Hinblick auf die kollokationsrechtlichen Bedürfnisse beziffert, so darf
die Konkursverwaltung die Vormerkung nur dann verweigern, wenn der vom
Gläubiger angerufene Richter den genannten Betrag offensichtlich nicht
wird zusprechen können (E. 4).

Sachverhalt

    A.- In dem vom Konkursamt Leuk geführten Konkurs der Trisol AG
meldeten Heinz Süllhöfer und die Süllhöfer & Co. KG eine Forderung
von 4 Mio. Franken an. Sie verwiesen dabei auf einen beim Landgericht
Düsseldorf gegen die Trisol AG hängigen Prozess betreffend Herausgabe sowie
Forderungen aus Lizenzvertrag und Patentverletzung. Mit Klageschrift vom
29. November 1977 hatte Heinz Süllhöfer beim erwähnten Gericht beantragt,
es sei

    "1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger die vom Kläger
   gezeichneten 100 Stück Aktien der Trisol AG vormals Süllotherm AG im

    Nennwert von 1'000.-- Schweizer Franken das Stück herauszugeben;

    2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 50'000.-- Schweizer

    Franken als Restbetrag auf die gemäss Art. 13a des Lizenz-Vertrages vom

    28.3.1973 vereinbarte Lizenz-Gebühr zu zahlen zuzüglich 7% Zinsen seit
   dem 30.7.1974;

    3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger die laut Schreiben vom

    10.1.1975 und 10.4.1975 abgerechneten Lizenz-Gebühren für das Jahr 1974
   und für das erste Quartal 1975 in Höhe von insgesamt 18'560.50 Schweizer

    Franken zu zahlen zuzüglich 7% Zinsen für den Betrag von 15'981.20

    Schweizer Franken seit dem 10.1.1975 und für den Betrag von 2'579.30

    Schweizer Franken seit dem 10.4.1975;

    4. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Vorlage eines

    Verzeichnisses darüber Abrechnung zu erteilen, in welchem Umfang und zu
   welchem Preis, kalendervierteljährlich aufgeschlüsselt und unter

    Beifügung der jeweiligen Rechnungen, die Beklagte beiderseitig
kaschierte

    Polyurethan-Schaum-Bauelemente, insbesondere endlose Platten,
   entsprechend dem Süllhöfer-System seit dem 1.4.1975 gewerbsmässig in den

    Verkehr gebracht hat;

    5. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger einen Betrag in Höhe von

    5% des absoluten bis zum 30.10.1976 erzielten Netto-Verkaufserlöses der
   zu 4. bezeichneten kaschierten Polyurethan-Hartschaum-Platten als

    Produktions-Lizenz und ab dem 1.11.1976 als Schadenersatz zu zahlen
   zuzüglich Zinsen in Höhe von 3 1/2% über dem jeweiligen Diskontsatz der

    Deutschen Bundesbank, berechnet von 5% des kalendervierteljährlich
   aufgeschlüsselten absoluten Netto-Verkaufserlöses und ab dem 10. des
   auf das jeweilige Kalendervierteljahr folgenden Monats;

    ..."

    Auf eine entsprechende Anfrage hin teilte das Landgericht Düsseldorf
dem Konkursamt Leuk mit, dass der Streitwert bezüglich der gegen die
Trisol AG eingeleiteten Klage mit DM 150'000.-- angenommen worden sei.

    Unter Ord. Nr. 03 des Kollokationsplanes behandelte das Konkursamt Leuk
die Forderung von Heinz Süllhöfer und der Süllhöfer & Co. KG alsdann wie
folgt: Als angemeldet führte es den Betrag von 4 Mio. Franken auf. In
seiner Verfügung Nr. 2 (zu Ord. Nr. 03) hielt es jedoch fest, die
Forderung sei nicht belegt und werde deshalb abgewiesen. Sodann merkte
das Konkursamt in Anwendung von Art. 63 KOV pro memoria vor, dass sich
der Streitwert des beim Landgericht Düsseldorf hängigen Prozesses auf
DM 150'000.-- bzw. (bei einem Konventions-Devisen-Mittelkurs von 81.14)
auf Fr. 121'710.-- belaufe. Schliesslich verfügte das Konkursamt, dass
die Forderung als anerkannt gelte, falls der Prozess weder von der Masse
noch von einzelnen Gläubigern fortgeführt werde.

    Eine von Heinz Süllhöfer gegen die Behandlung seiner Forderung im
Kollokationsplan erhobene Beschwerde wiesen der Instruktionsrichter
der Bezirke Leuk und Westlich-Raron als untere und das Kantonsgericht
Wallis als obere kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen durch Entscheide vom 26. Juni bzw. vom 25. Oktober 1985 ab.

    Den kantonsgerichtlichen Entscheid hat Heinz Süllhöfer mit Rekurs
an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts
weitergezogen. Wie im kantonalen Verfahren stellt er folgende
Rechtsbegehren:

    "Der Entscheid der Vorinstanz sei aufzuheben und das Konkursamt
   anzuweisen,

    - bei Ord. Nr. 03 des Kollokationsplans pro memoria gemäss Art. 63

    KV vorzumerken, dass diese Forderung in einem Prozess vor dem
Landgericht

    Düsseldorf eingeklagt wurde, wobei sich aus den Akten ergebe, dass sich
   die Höhe der Forderung auf Fr. 4'000'000.-- belaufe (Hauptantrag);

    - eventuell bei Ord. Nr. 03 des Kollokationsplans (ohne Bezifferung
   eines Streitwerts) pro memoria gemäss Art. 63 KV vorzumerken, dass diese

    Forderung in einem Prozess vor Landgericht Düsseldorf eingeklagt wurde,
   wobei die Berechnung der Höhe der Forderung erst im Laufe des weiteren

    Konkursverfahrens möglich sei (Eventualantrag);

    - subeventuell als separate neue Ord. Nr. 06 die Forderungen des

    Heinz Süllhöfer gemäss Klage vom 29.11.1977 an das Landgericht
Düsseldorf
   wegen Ansprüchen aus Lizenzvertrag und Patentverletzung pro memoria
   gemäss Art. 63 KV aufzunehmen, wobei die Höhe der Forderung mit

    Fr. 4'000'000.-- zu beziffern sei, oder eventuell - mit der Bemerkung,
sie
   bleibe späterer Berechnung durch das Konkursamt vorbehalten - offen
   zu lassen sei (Subeventualantrag)."

    Das Konkursamt Leuk schliesst auf Abweisung des Rekurses.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Gemäss Art. 244 SchKG prüft die Konkursverwaltung die
eingegebene Forderung und macht die zu ihrer Erwahrung nötigen Erhebungen.
Gegebenenfalls setzt sie dem Ansprecher zur Einreichung von Beweismitteln
Frist an (Art. 59 Abs. 1 KOV). Sie holt ferner eine Stellungnahme des
Gemeinschuldners ein, an die sie freilich nicht gebunden ist (Art. 244
und 245 SchKG). Der anschliessende Entscheid der Konkursverwaltung
über die Zulassung der Forderung mit entsprechender Kollokation ist
insofern nicht endgültig, als ein Gläubiger den Kollokationsplan
mit vollstreckungsrechtlicher Aufsichtsbeschwerde, namentlich aber
auch klageweise, anfechten kann (Art. 250 SchKG). Wo - wie hier - die
eingegebene Forderung Gegenstand eines bereits hängigen Rechtsstreites
ist, liefe die Durchführung eines Kollokationsprozesses vor dem
Konkursgericht dem Grundsatz der Prozessökonomie zuwider (vgl. BGE 88
III 44 f.; FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Auflage, 2. Band,
S. 147). Für solche Fälle hat das Bundesgericht (Schuldbetreibungs-
und Konkurskammer) in Art. 63 Abs. 1 KOV deshalb festgelegt, dass die
Forderung im Kollokationsplan zunächst ohne Verfügung der Konkursverwaltung
lediglich pro memoria vorzumerken sei. Wird der Prozess weder von der
Masse noch von einzelnen Gläubigern nach Art. 260 SchKG fortgeführt,
so gilt die Forderung als anerkannt, und die Gläubiger haben kein Recht
mehr, ihre Kollokation nach Art. 250 SchKG anzufechten (Art. 63 Abs. 2
KOV). Treten Masse oder einzelne Gläubiger in das Verfahren ein, wird
dieses dem Sinn nach zu einem Kollokationsprozess, dessen Endentscheid für
alle Gläubiger verbindlich wird (vgl. GILLIÉRON, Poursuite pour dettes,
faillite et concordat, Lausanne 1985, S. 277 unten).

    b) In der Anmeldung seiner Forderung von 4 Mio. Franken hat sich der
Rekurrent ausdrücklich und ausschliesslich auf den in Düsseldorf gegen die
Trisol AG angehobenen Prozess berufen, und er gab in der Folge auch ein
Exemplar der Klageschrift zu den Konkursakten. Mit der Abweisung dieser
Forderung hat das Konkursamt nach dem Gesagten klar gegen Art. 63 Abs. 1
KOV verstossen. Der Abweisungsentscheid lässt sich im übrigen ohnehin
nicht mit der weiteren Verfügung der Konkursverwaltung vereinbaren,
den Betrag von Fr. 121'710.-- (DM 150'000.--) im Sinne der erwähnten
Bestimmung vorzumerken. Es geht nicht an, einerseits eine angemeldete
Forderung vollumfänglich abzuweisen, andererseits aber gleichwohl einen
Teilbetrag vormerkungsweise in den Kollokationsplan aufzunehmen.

Erwägung 4

    4.- a) Bevor die Konkursverwaltung die Forderung eines Gläubigers
im Sinne von Art. 63 Abs. 1 KOV vormerkt, hat sie zu prüfen, ob diese
mit der bei einem Gericht bereits eingeklagten Forderung identisch sei.
Sie hat abzuklären, ob die beiden Forderungen auf dem gleichen Rechtsgrund
beruhen und ob der eingeklagte mit dem im Konkurs angemeldeten Betrag
übereinstimmt. Hiezu benötigt die Konkursverwaltung die einschlägigen
Schriftstücke des hängigen Prozesses, die sie, soweit nicht schon bei
den Unterlagen des Gemeinschuldners vorhanden, in analoger Anwendung von
Art. 59 Abs. 1 KOV vom betreffenden Gläubiger einfordern kann. Hat sich
die Konkursverwaltung einmal von der erwähnten Identität überzeugt, ist
sie grundsätzlich gehalten, die angemeldete Forderung vorzumerken. Sie ist
nicht befugt, die Aussichten der hängigen Klage zu beurteilen. Vorbehalten
sind einzig Fälle, da sich aus den Akten mit Offensichtlichkeit ergibt,
dass dem Gläubiger die Forderung im hängigen Prozess nicht oder jedenfalls
nicht im angemeldeten Umfang zugesprochen werden kann. Es ist jedoch
grösste Zurückhaltung geboten, kann doch die Vormerkung nur in einem
Teilbetrag zu einer Benachteiligung der übrigen Konkursgläubiger führen.
Verzichten nämlich Masse oder einzelne Gläubiger in Anbetracht des
vorgemerkten Forderungsbetrages, in den hängigen Rechtsstreit einzutreten,
könnte sich die Masse nach dessen Abschluss unter Umständen verurteilt
sehen, einen grösseren als den vorgemerkten Betrag zahlen zu müssen,
ohne dass sie bzw. die betroffenen Gläubiger Gelegenheit gehabt hätten,
sich im gerichtlichen Verfahren zur eingeklagten Forderung zu äussern.

    b) Eine dem Betrag nach nicht bestimmte Forderung auch nur
vormerkungsweise in den Kollokationsplan aufzunehmen, wäre mit dessen
Zweck unvereinbar. Der Kollokationsplan soll allen Beteiligten über die
Behandlung der angemeldeten Forderungen klar Aufschluss geben, um ihnen
einen Entscheid betreffend eine allfällige Anfechtung zu ermöglichen;
ausserdem bildet er die Grundlage für die spätere Verteilung (vgl. AMONN,
Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 3. Auflage, N. 9 zu §
46; FRITZSCHE, aaO, S. 146). So sind denn auch bloss bedingte Zulassungen
bzw. Abweisungen von Forderungen unstatthaft (Art. 59 Abs. 2 KOV).

    Der Rekurrent hat diesen Bedürfnissen Rechnung getragen, indem er die
unter dem Titel Lizenzgebühren und Schadenersatz wegen Patentverletzung
angemeldeten Ansprüche gesamthaft auf 4 Mio. Franken festgelegt
hat. Die Angabe eines bestimmten Betrages änderte freilich nichts
daran, dass die vor dem Landgericht Düsseldorf geltend gemachten
lizenz- bzw. patentrechtlichen Ansprüche nicht beziffert worden
waren. Es ging jedoch trotzdem nicht an, gestützt auf die bei jenem
Gericht eingeholte Auskunft zum Streitwert im hängigen Prozess nur
den Betrag von Fr. 121'710.-- (DM 150'000.--) vorzumerken. Nach den
oben dargelegten Grundsätzen hätte das Konkursamt diese Verfügung
nur dann treffen dürfen, wenn aus den Unterlagen klar und eindeutig
hervorgegangen wäre, dass das Gericht dem Rekurrenten unter keinen
Umständen 4 Mio. Franken, sondern höchstens den vorgemerkten Betrag werde
zusprechen können. Davon konnte angesichts der Begehren 4 und 5 der beim
Landgericht Düsseldorf eingereichten Klageschrift indessen keine Rede
sein. Mit dem Klagebegehren 4 hatte der Rekurrent beantragt, die Trisol
AG sei zu verpflichten, offenzulegen, in welchem Umfang sie nach dem
Süllhöfer-System hergestellte Polyurethan-Hartschaum-Bauelemente seit
dem 1. April 1975 gewerbsmässig in den Verkehr gebracht habe, und unter
Ziffer 5 enthält die Klageschrift sodann den Antrag, die Trisol AG sei zu
verpflichten, dem Rekurrenten 5% des erzielten Nettoerlöses aus dem Verkauf
der erwähnten Produkte zu bezahlen, für die Zeit bis zum 30. Oktober 1976
als Produktions-Lizenz-Gebühr und ab 1. November 1976 als Schadenersatz
(wegen Patentverletzung). Wohl weist die Konkursverwaltung darauf hin, dass
die Trisol AG nicht das Ausschliesslichkeitsrecht für die Schweiz gehabt
und dass der Rekurrent den Lizenzvertrag am 21. Oktober 1976 gekündigt
habe. Hierbei handelt es sich indessen um Fragen materiell-rechtlicher
Natur, die zu beurteilen einzig der Richter zuständig ist.

    c) Zusammengefasst ergibt sich, dass das Konkursamt mit seiner
Verfügung, die angemeldete Forderung von 4 Mio. Franken nur in einem
Teilbetrag im Sinne von Art. 63 Abs. 1 KOV vorzumerken, seine Befugnisse
überschritten hat. Die vom Rekurrenten beanstandete Kollokationsverfügung
verstösst mithin auch in dieser Hinsicht gegen Bundesrecht. Der
vorinstanzliche Entscheid ist demnach aufzuheben, und das Konkursamt ist
anzuweisen, unter Ord. Nr. 03 des Kollokationsplanes pro memoria gemäss
Art. 63 KOV vorzumerken, dass die Forderung des Rekurrenten sich auf
4 Mio. Franken belaufe und dass sie Gegenstand eines Prozesses vor dem
Landgericht Düsseldorf bilde. Verbunden mit der entsprechenden Publikation
wird die Konkursverwaltung den so berichtigten Kollokationsplan alsdann
neu aufzulegen haben. Den von den Gläubigern gestützt auf die nunmehr
aufgehobene Kollokationsverfügung gefassten Beschlüssen wird nach dem
Gesagten die Grundlage entzogen, und die sich aufgrund von Art. 63 Abs. 2
KOV aufdrängenden Entscheidungen werden deshalb neu zu treffen sein.