Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 III 14



112 III 14

5. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
vom 12. Juni 1986 i.S. X. (Rekurs) Regeste

    Vollzug der Pfändung bei Abwesenheit des Schuldners.

    Findet sich der Schuldner zum ordnungsgemäss angekündigten
Pfändungsvollzug nicht ein, ist das Betreibungsamt befugt, die Pfändung
in seiner Abwesenheit zu vollziehen, indem es Vermögenswerte, von denen
es aus einer früheren Betreibung Kenntnis hat, mit Beschlag belegt. Die
Pfändung entfaltet ihre Wirkungen jedoch erst mit der Zustellung der
Pfändungsurkunde an den Schuldner. Dass die Pfändungsurkunde während der
Betreibungsferien aufgenommen wurde, ist in einem solchen Fall unerheblich,
vorausgesetzt, dass sie erst nach dem Betreibungsstillstand zugestellt
wurde.

Sachverhalt

    A.- In drei beim Betreibungsamt A. gegen ihn hängigen Betreibungen
wurden X. am 2. September 1985 die Pfändungsankündigungen zugestellt,
worin die Pfändung auf den 6. September 1985, um 19.00 Uhr, angesetzt
worden war. An diesem Tag traf der Betreibungsbeamte den Schuldner in
dessen Wohnung jedoch nicht an. Er erstellte die Pfändungsurkunde in der
Folge in seinem Büro, wobei er gestützt auf seine Kenntnisse aus einer
früheren Betreibung als Pfändungsobjekt die X. gehörende Liegenschaft in
A. anführte. Als Datum des Pfändungsvollzuges wurde der 12. September 1985
vermerkt. Die Pfändungsurkunde wurde am 23. September 1985 bei der Post
aufgegeben. Der Post-Zustellbeamte konnte sie X. jedoch nicht aushändigen,
und dieser liess die ihm bis zum 1. Oktober 1985 angesetzte Abholfrist
ungenützt verstreichen. Der Betreibungsbeamte legte ihm die Urkunde am
2. Oktober 1985 schliesslich in den Briefkasten.

    Durch Eingabe vom 5. Oktober 1985 erhob X. bei der unteren
Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen Beschwerde mit dem
Antrag, die Pfändung sei aufzuheben. Zur Begründung wies er darauf hin,
dass der Vollzug der Pfändung in die Bettags-Betreibungsferien gefallen
sei und dass die Pfändung ausserdem auch insofern ungültig sei, als sie
auf 19.00 Uhr angesetzt gewesen sei.

    Am 22. Januar 1986 hiess die untere Aufsichtsbehörde die Beschwerde
teilweise gut; sie änderte die Pfändungsurkunde dahin ab, dass die Pfändung
nicht am 12., sondern am 7. September 1985 vollzogen worden sei.

    X. zog diesen Entscheid an die obere kantonale Aufsichtsbehörde weiter,
welche die Beschwerde am 20. März 1986 abwies.

    Unter Erneuerung des im kantonalen Verfahren gestellten Antrages
um Aufhebung der Pfändung hat X. gegen diesen Entscheid an die
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts rekurriert.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Wesentliches Element der Pfändung ist die Erklärung des
Betreibungsbeamten an den Schuldner, dass dieser sich bei Straffolge
jeder nicht bewilligten Verfügung über den mit Beschlag belegten
Vermögenswert zu enthalten habe (vgl. Art. 96 Abs. 1 SchKG). Solange
der Betreibungsschuldner nicht ausdrücklich auf diese gesetzliche
Unterlassungspflicht hingewiesen wurde, ist die Pfändung nicht wirksam
und auch nicht rechtsgültig vollzogen (vgl. BGE 110 III 59 mit Hinweisen;
107 III 69 f. E. 1).

Erwägung 4

    4.- Im vorliegenden Fall steht fest, dass sich Betreibungsbeamter und
Rekurrent am 6. September 1985, auf den die Pfändung angekündigt worden
war, nicht trafen, und zwar weder um 19.00 Uhr noch zu einem andern
Zeitpunkt. Der Betreibungsbeamte konnte den Rekurrenten somit nicht auf
die Verfügungsbeschränkung aufmerksam machen, die mit einer Pfändung
verbunden ist. Eine solche ist nach dem Gesagten am 6. September 1985
gar nicht vollzogen worden. Die von den kantonalen Aufsichtsbehörden
angeführte Rechtsprechung (BGE 79 III 152 E. 1 mit Hinweisen), wonach
eine in Missachtung von Art. 56 Ziff. 1 SchKG nach 19.00 Uhr vollzogene
Pfändung ihre Wirkungen am nächstfolgenden Tag entfaltet, kam deshalb von
vornherein nicht zum Tragen. Der Entscheid der unteren Aufsichtsbehörde,
die Pfändungsurkunde dahin zu berichtigen, dass die Pfändung am
7. September 1985 vollzogen worden sei, war demnach falsch. Da diese
Verfügung durch den angefochtenen Entscheid bestätigt wurde, ist dieser -
von Amtes wegen - zu berichtigen. Das Gesagte führt indessen nicht ohne
weiteres zu der vom Rekurrenten beantragten Aufhebung der Pfändung.

Erwägung 5

    5.- a) Der Betreibungsschuldner, dem die Pfändung ordnungsgemäss
angekündigt worden ist, kann deren Vollzug nicht dadurch vereiteln, dass
er sich zum festgesetzten Zeitpunkt nicht am angegebenen Ort einfindet
(vgl. AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 3.
Aufl., § 22 Rz. 23; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach
schweizerischem Recht, I. Bd., § 23 Rz. 16; JAEGER, N. 4 zu Art. 89
und N. 4 zu Art. 91 SchKG). Hat der Betreibungsbeamte - etwa von einer
früheren Betreibung her - Kenntnis von pfändbaren Vermögenswerten des
Betriebenen, so ist er befugt, eine entsprechende Pfändungsurkunde
aufzunehmen (vgl. BGE 38 I 189 E. 1 mit Hinweis). Allerdings entfaltet
diese Massnahme keine Wirkungen, bevor dem Schuldner mitgeteilt wurde,
dass einzelne seiner Vermögenswerte mit Beschlag belegt worden seien und
dass er darüber nicht unerlaubtermassen verfügen dürfe. Diesem Erfordernis
wird mit der Zustellung der Pfändungsurkunde Genüge geleistet (vgl. FAVRE,
SJK Nr. 763, S. 6 Ziff. 5).

    b) Die Pfändungsurkunde vom 12. September 1985, worin als
Pfändungsobjekt die Liegenschaft des Rekurrenten angeführt wurde (von
welcher der Betreibungsbeamte aus einer früheren Betreibung Kenntnis
hatte), verstösst aus der Sicht des Gesagten nicht gegen Bundesrecht. Dass
die Urkunde nicht am erwähnten Tag, sondern schon am 6. September 1985
(d.h. gleich im Anschluss an den Pfändungsversuch in der Wohnung des
Rekurrenten) aufgenommen worden wäre, ist in keiner Weise dargetan. Indem
die untere kantonale Aufsichtsbehörde das Pfändungsdatum unter Hinweis
auf die Rechtsprechung zu Art. 56 Ziff. 1 SchKG (Pfändungsvollzug nach
19.00 Uhr) auf den 7. September 1985 festlegte, hat sie deshalb Art. 9
Abs. 1 ZGB missachtet, wonach eine öffentliche Urkunde für die durch sie
bezeugten Tatsachen vollen Beweis erbringt, solange nicht die Unrichtigkeit
ihres Inhalts nachgewiesen ist.

    Es trifft zu, dass der 12. September 1985 in die
Bettags-Betreibungsferien fiel, in denen grundsätzlich keine
Betreibungshandlungen vorgenommen werden durften (Art. 56 Ziff. 3
SchKG). Die Errichtung der Pfändungsurkunde war unter den Umständen,
wie sie hier vorlagen, indessen eine rein interne Massnahme, und nicht
eine Betreibungshandlung im Sinne der erwähnten Bestimmung. Die weiteren
Vorkehren traf das Betreibungsamt erst am 23. September 1985, dem ersten
Tag nach den Betreibungsferien. An jenem Tag wurde die Pfändungsurkunde an
den Rekurrenten versandt und die Verfügungsbeschränkung zur Vormerkung im
Grundbuch erlassen. Für die hier in Frage stehenden Betreibungen ... trat
die Anweisung an den Mieter bzw. Pächter der gepfändeten Liegenschaft,
den Zins an das Betreibungsamt zu zahlen, gemäss der strittigen
Pfändungsurkunde im übrigen erst auf den 30. Januar 1986 in Kraft.

    Der Post-Zustellbeamte konnte die am 23. September 1985 aufgegebene
Pfändungsurkunde dem Rekurrenten nicht aushändigen, weshalb diesem im
Sinne von Art. 169 Abs. 1 lit. d der Verordnung (1) vom 1. September 1967
zum Postverkehrsgesetz eine - bis zum 1. Oktober 1985 laufende - Frist von
sieben Tagen zur Abholung auf dem Postamt angesetzt wurde. Der Rekurrent
liess die Frist ungenützt verstreichen, was nach ständiger Rechtsprechung
zur Folge hatte, dass die Pfändungsurkunde als am letzten Tag zugestellt
galt (vgl. BGE 100 III 5 E. 2 mit Hinweisen). Der 1. Oktober 1985 lag
ebenso wie das Versand-Datum ausserhalb der Betreibungsferien. Eine
Aufhebung der Pfändung kommt somit nicht in Frage.