Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 IB 371



112 Ib 371

60. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 7.
November 1986 i.S. Georges Jahn gegen Regierungsrat des Kantons Luzern
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die baulichen Massnahmen
im Zivilschutz (BMG) und Art. 2 Abs. 1 der Verordnung zum BMG (BMV):
Ersatzbeitrag bei Neubauten (Anbau) und Umbauten.

    Die auf dem angebauten Hallenbad eines Hotels errichteten
Kongressräume sind weder als Anbau an das Hotelgebäude noch als Umbau
(Aufbau) des Hallenbades anzusehen, sondern als Umbau des Hotelgebäudes als
Ganzes. Voraussetzungen eines im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BMG wesentlichen
Umbaus.

Sachverhalt

    A.- Das Kantonale Amt für Zivilschutz Luzern unterstellte den Aufbau
von Kongressräumen auf den Hallenbadtrakt des Hotels Hertenstein und den
Einbau einer Suite der Schutzraumbaupflicht bzw. der Ersatzbeitragspflicht
gemäss dem Bundesgesetz über die baulichen Massnahmen im Zivilschutz
(Schutzbautengesetz (BMG); SR 520.2).

    Georges Jahn erhob dagegen als Eigentümer des Hotels Hertenstein
Beschwerde an den Regierungsrat des Kantons Luzern. In seinem
Beschwerdeentscheid ging der Regierungsrat davon aus, dass der Einbau
einer Suite nicht der Schutzraumbaupflicht unterstehe; hingegen sei für
die Kongressräume - entsprechend ihrer Qualifikation als Anbau an das
Hotelgebäude - eine Baupflicht bzw. eine Ersatzbeitragspflicht gegeben.

    Eine gegen den Regierungsratsentscheid gerichtete
Verwaltungsgerichtsbeschwerde heisst das Bundesgericht gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- a) Der Bundesrat hat gestützt auf seine Ausführungskompetenz in
der Schutzbautenverordnung eine Konkretisierung der in Art. 2 Abs. 1 BMG
umschriebenen Schutzraumbaupflicht der Hauseigentümer vorgenommen. Gemäss
Art. 2 Abs. 1 BMV ("Anbauten gelten als Neubauten, Aufbauten als Umbauten")
soll bei Anbauten - wie bei den Neubauten - eine Schutzraumbaupflicht
entstehen, wenn sie üblicherweise unterkellert sind. Bei Aufbauten hingegen
richtet sich die Schutzraumbaupflicht - wie bei den Umbauten - danach, ob
das Umbauvorhaben im Verhältnis zum bestehenden, mit einem Kellergeschoss
versehenen Gebäude wesentlich ist.

    Das Bundesgericht hat im Urteil über eine mit heutigem Datum
entschiedene Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Sachen Baugenossenschaft
H. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich festgestellt, dass sich
aus dieser Unterscheidung - insbesondere aus den vom Bundesamt für
Zivilschutz in der Praxis daran geknüpften Konsequenzen - dem Ziel des
Schutzbautengesetzes geradezu zuwiderlaufende Ergebnisse und Art. 4
BV widersprechende Ungleichbehandlungen der Hauseigentümer ergeben
können. So erscheint es nicht verständlich, wenn die Hauseigentümer bei
jeder Erweiterung durch einen Anbau, wo der Einbau eines Schutzraumes durch
eine geeignete Unterkellerung verhältnismässig leicht verwirklicht werden
kann, Schutzräume nur für die Bewohner des Anbaus alleine zu errichten
oder abzugelten haben, hingegen bei einer umfangmässig gleichen Erweiterung
durch einen Umbau - beispielsweise durch einen Aufbau (Art. 2 Abs. 1 BMV)
- entweder gar nicht oder gleich für die Bewohner des ganzen Gebäudes.

    Für die Beurteilung der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde
ergeben sich aus diesen Feststellungen keine Konsequenzen; wie die
nachfolgenden Erwägungen zeigen, können die zur Diskussion stehenden
Bauten weder als Neubau (Anbau) noch als wesentlicher Umbau (Aufbau)
im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BMG angesehen werden.

    b) Die Qualifikation einer Baute als Anbau setzt begriffsnotwendig
voraus, dass auf einer bisher nicht beanspruchten Fläche eine Erweiterung
eines bestehenden Gebäudes errichtet wird; wie bei einem Neubau wird
bisher vom Gebäude nicht beanspruchtes Land überbaut. Aufgrund dieser
Überlegung ging der Bundesrat als Verordnungsgeber bei der Schaffung
von Art. 2 Abs. 1 BMV wohl davon aus, dass bei einem Anbau - wie bei
einem Neubau -, wo ein geeignetes Kellergeschoss in der Regel ohne grosse
Schwierigkeiten erstellt werden kann, die Schutzraumbaupflicht generell bei
allen üblicherweise mit Kellergeschossen versehenen Bauten vorzusehen sei.

    Die zur Diskussion stehenden Kongressräume wurden auf dem seit
1966 bestehenden Hallenbad erstellt. Das Bauvorhaben hat nach der vom
Regierungsrat nicht bestrittenen Darstellung des Beschwerdeführers keine
Vergrösserung des Grundrisses der bestehenden Liegenschaft bzw. Nutzung
bisher nicht überbauten oder durch Abbruch freigemachten Bodens mit
sich gebracht. Die bei den Akten liegenden Pläne bestätigen dies im
wesentlichen. Eine Qualifikation als Anbau an das bestehende Hotelgebäude
fällt folglich ausser Betracht. Daran vermag auch die funktionale Beziehung
der Gebäudeteile zueinander nichts zu ändern. Dass die Kongressräume und
das Hallenbad in funktionaler Hinsicht nichts miteinander zu tun haben,
dass vielmehr beide dem Hotelbetrieb dienen, kann nicht dazu führen,
die Kongressräume als Anbau an das Hotelgebäude zu verstehen und
darüber hinwegzusehen, dass sie baulich als Aufbau auf das Hallenbad
realisiert worden sind. Ob das Ergebnis anders ausfallen müsste, wenn
nicht 1966 das Hallenbad erstellt worden wäre, hat für die Beurteilung
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde keine Bedeutung. Massgebend ist einzig,
was und wie effektiv gebaut worden ist und nicht, wie allenfalls ein
abweichendes Bauvorhaben zu bewerten wäre.

    Der Regierungsrat macht in seiner Vernehmlassung geltend, es möge
zutreffen, dass in den meisten Fällen bei einem Anbau eine unüberbaute
Grundstücksfläche beansprucht werde, doch wäre zum Beispiel die Errichtung
einer Wohnung auf einer grösseren Sammelgarage auch nicht ein Aufbau,
sondern in klarer Weise ein Neubau, obwohl das Erdreich bereits beansprucht
worden sei. Andernfalls könnte mit der Errichtung einer grösseren Garage
eine spätere Schutzraumbaupflicht beim Bau einer Wohnung über dem Unterbau
umgangen werden, was nicht den Intentionen des Gesetzgebers entspräche. Wie
es sich mit der Schutzraumbaupflicht in einem solchen Fall verhielte,
braucht hier nicht untersucht zu werden. Er lässt sich mit dem vorliegenden
nicht vergleichen und ist als ausgesprochener Spezialfall nicht geeignet,
den Grundsatz zu widerlegen, dass ein Anbau oder Neubau nur dann vorliegt,
wenn für das Gebäude nicht überbauter Boden in Anspruch genommen wird.

    Diese Erwägungen führen zum Schluss, dass der Aufbau von Kongressräumen
auf das Hallenbad des Hotels Hertenstein nicht als Anbau qualifiziert
werden kann.

    c) Es bleibt im weiteren zu prüfen, ob der Aufbau der Kongressräume als
wesentlicher Umbau in Sinne von Art. 2 Abs. 1 BMG angesehen werden muss.

    aa) An erster Stelle ist die Frage zu beantworten, ob bei der
Beurteilung der Wesentlichkeit des Bauvorhabens auf das Hallenbad alleine
oder - entsprechend der Ansicht des Beschwerdeführers - auf das gesamte
Hotel abzustellen ist. Der Regierungsrat macht gegen eine derartige
"ganzheitliche Betrachtungsweise" geltend, das Hallenbad sei zwar mit dem
Hotelgebäude verbunden, ansonsten bilde es jedoch einen selbständigen
Baukörper; es weise eine eigene Gebäudeversicherungsnummer und einen
eigenen Gebäudeversicherungswert auf.

    Derartige formelle Kriterien können jedoch nicht entscheidend
sein. Vielmehr ist auf die tatsächlichen baulichen Gegebenheiten
abzustellen. Das Hallenbad bildet kein selbständiges Gebäude; es ist
mit dem Hauptgebäude fest verbunden, und die darin untergebrachten
Einrichtungen dienen einzig und allein dem Hotelbetrieb. Sie sind von den
Hotelräumen her zugänglich und bilden zusammen mit dem Hauptgebäude eine
Einheit. Die Beurteilung der Wesentlichkeit der neu erstellten Bauten
ist folglich im Verhältnis zu diesem Hotelgebäude als Ganzem vorzunehmen.

    bb) Zur Beurteilung der Wesentlichkeit ist einzig Art. 2 BMV in der
Fassung vom 27. November 1978 massgebend. Die am 30. September 1985
revidierte Fassung der Schutzbautenverordnung (AS 1985, S. 1672) ist
nicht anwendbar auf eine Abgabe, die vom Beschwerdeführer mit Verfügung
vom 19. Dezember 1984 gefordert worden ist.

    Nach Art. 2 Abs. 2 BMV in der Fassung von 1978 gelten Umbauten
als wesentlich, wenn die Baukosten 30% des Brandversicherungswertes
des Gebäudes mindestens jedoch das 50fache der durchschnittlichen
Mehrkosten für einen Schutzplatz (kantonaler Gesamtdurchschnitt der
privaten Schutzräume) übersteigen. Besteht keine Brandversicherung,
so ist auf den Verkehrswert des Gebäudes abzustellen.

    Diese quantitativen Voraussetzungen sind für die neu erstellten
Kongressräume nicht erfüllt. Die vom Regierungsrat festgestellten
provisorischen Baukosten von Fr. 500'000.-- sind weit geringer als 30% des
Brandversicherungswertes des gesamten Hotelgebäudes von Fr. 7'157'000.--
(Brandversicherungswert Hotel: Fr. 6'349'000.-- + Brandversicherungswert
Hallenbad: Fr. 808'000.--). Selbst der Einbezug der Baukosten für
die gleichzeitig errichtete Suite könnte zu keinem anderen Ergebnis
führen. Auch in diesem Fall (vom Regierungsrat festgestellt Gesamtbaukosten
in der Höhe von ca. Fr. 750'000.--) würden die Umbaukosten weit unter
der für die Wesentlichkeit erforderlichen 30%-Grenze liegen.

    cc) Das Bundesgericht hat es im Urteil über die mit heutigem Datum
entschiedene Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Sachen Baugenossenschaft
H. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich als fraglich angesehen, ob
die in Art. 2 Abs. 2 BMV umschriebenen quantitativen Voraussetzungen
alleine genügen, um einen Umbau als wesentlich im Sinne von Art. 2 Abs. 1
BMG qualifizieren zu können. Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung des
Schutzbautengesetzes im Jahre 1963 eine umfassende Pflicht zum Bau von
Schutzplätzen bei allen Umbauten von üblicherweise mit Kellergeschossen
versehenen Gebäuden (vgl. Art. 2 Abs. 1 des bundesrätlichen Entwurfs,
BBl. 1962 II 712) ausdrücklich abgelehnt; er hat vielmehr die
einschränkendere Fassung des Gesetzes gewählt und damit als Voraussetzungen
für die Schutzraumbaupflicht sowohl das Vorhandensein eines Kellers, wie
auch einen im Verhältnis zum ganzen Gebäude wesentlichen Umbau verlangt
(Amtl.Bull. NR 1963, S. 408, vgl. auch S. 27 f.; StR 1963, S. 160 ff.). In
diesem Zusammenhang wurde erwähnt, dass ein (An- und) Umbau nicht etwa
schon dann wesentlich sei, wenn nur der Dachstock ausgebaut oder einzelne
Zimmer eingebaut würden, sondern erst wenn im Verhältnis zum bisher
vorhandenen ins Gewicht fallender neuer Wohnraum in grösserem Ausmass
geschaffen wird (Amtl.Bull. NR 1963, S. 28 und 408; StR 1963, S. 161 f.).

    In analoger Anwendung dieses Grundsatzes müsste auch beim zur
Diskussion stehenden Hotelgebäude verlangt werden, dass durch den Umbau
bzw. Aufbau im Verhältnis zum Gesamtbetrieb eine wesentlich grössere
Aufnahmekapazität geschaffen wird. Wie der Beschwerdeführer geltend
macht, wurde lediglich durch die neu erstellte Suite, nicht aber durch
den Aufbau der Kongressräume, die Aufnahmekapazität des Hotels erhöht. Der
Regierungsrat bestreitet dies in seiner Vernehmlassung nicht, auch wenn er
eine erhöhte Kapazität des Betriebs insofern erkennen will, als dass sich
das Angebot des Hotels nicht nur an den Reise- und Ferientourismus, sondern
auch an den Kongresstourismus richtet. Es ist davon auszugehen, dass die
Benützer der Kongressräume zugleich auch Hotelgäste sind. Die Kongressräume
stellen demnach nicht eine eigentliche Erweiterung des Hotelbetriebs dar,
sondern sie ermöglichen lediglich eine Diversifikation; es kann damit eine
bessere Auslastung zum Ausgleich saisonaler Schwankungen erreicht werden.

    d) Sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht sind
die Voraussetzungen nicht gegeben, um den Aufbau der Kongressräume als
schutzraumbaupflichtigen Umbau im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BMG anzusehen. Da
keine Schutzraumbaupflicht besteht, wurde der Beschwerdeführer zu
Unrecht zur Leistung eines Ersatzbeitrages verpflichtet. Die gegen
den Entscheid des Regierungsrates des Kantons Luzern gerichtete
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher in vollem Umfang zu schützen und
der angefochtene Entscheid aufzuheben.