Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 IB 350



112 Ib 350

57. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 11. Juli 1986 i.S. A.H. gegen Eidg. Justiz- und Polizeidepartement
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen Bundesbeamte.

    Auch im Ermächtigungsverfahren nach Verantwortlichkeitsgesetz
richtet sich die Beschwerdelegitimation nach Art. 103 OG (Änderung der
Rechtsprechung).

Auszug aus den Erwägungen:

                  Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Nach Art. 15 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die
Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten
vom 14. März 1958 (Verantwortlichkeitsgesetz, VG; SR 170.32) bedarf die
Strafverfolgung von Bundesbeamten wegen strafbarer Handlungen, die sich
auf ihre amtliche Tätigkeit oder Stellung beziehen, einer Ermächtigung
des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements.

    Gegen die Verweigerung der Ermächtigung ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht zulässig (Art. 15 Abs. 5
VG; Art. 100 lit. f OG); die Beschwerde steht nur dem Verletzten, der
die Bestrafung des Beamten verlangt, sowie dem öffentlichen Ankläger des
Begehungskantons zu (Art. 15 Abs. 5 VG).

    b) Das Bundesgericht hat in BGE 106 Ib 174 f. ausgeführt, der Begriff
des Verletzten im Sinne von Art. 15 VG stimme nach bundesgerichtlicher
Rechtsprechung mit dem entsprechenden Begriff im Strafrecht
überein. Verletzt sei danach nicht jeder, dessen Interessen durch die
strafbare Handlung irgendwie, namentlich bloss mittelbar, betroffen würden,
sondern nur, wer selber Träger des unmittelbar angegriffenen Rechtsgutes
sei. Es sei daher nicht jeder Anzeiger zugleich auch verletzt im Sinne von
Art. 15 Abs. 5 VG und damit zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert,
sondern nur derjenige, gegen den sich die strafbare Handlung gerichtet
habe, und der durch diese in seinen Rechten verletzt worden sei. Dies
entspreche der Formulierung von Art. 103 Abs. 1 des alten OG, gelte aber
auch nach der Revision des OG im Jahre 1968 weiter; es begründet diese
Auffassung damit, dass mit der OG-Revision zwar die Beschwerdelegitimation
zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Art. 103 lit. a OG weiter gefasst
worden sei, sich aber die Beschwerdebefugnis bei der Verweigerung einer
Ermächtigung zur Strafverfolgung weiterhin nach Art. 15 Abs. 5 VG - als
lex specialis - richte. Anders entscheiden hiesse den Sinn und Zweck des
Ermächtigungsverfahrens verkennen, das den Beamten einen weitergehenden
Rechtsschutz gewähren wolle als den übrigen Rechtsunterworfenen:
Stünden die Rechtsmittel im Ermächtigungsverfahren einem weitergehenden
Personenkreis offen als im nachfolgenden Strafverfahren, wo nur der
Verletzte Parteistellung erlangen und allenfalls Rechtsmittel einlegen
könne, so könnten Personen im Rahmen eines Ermächtigungsverfahrens mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gelangen, denen im
nachfolgenden Strafverfahren keine Parteistellung zukäme; dadurch würde
der Beamte schlechter gestellt als andere Rechtsunterworfene.

    c) An dieser Rechtsprechung kann nicht festgehalten werden. Die
Schlussbestimmungen der Änderungen des OG vom 20. Dezember 1968 bestimmen
in Absatz 2, dass mit dem Inkrafttreten des Gesetzes die Bestimmungen
anderer Erlasse - und damit auch des VG - aufgehoben werden, die dem
revidierten OG widersprechen. Das Bundesgericht hat dies in BGE 106 Ib
173 ff. offenbar übersehen. Das revidierte OG erklärt in Art. 100 lit. f
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verweigerung der Ermächtigung
zur Strafverfolgung gegen Bundespersonal ausdrücklich als zulässig. Ist
aber die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde einmal gegeben, so
beurteilt sich die Legitimation zu derselben allein nach Art. 103 OG; für
allfällige Einschränkungen bleibt kein Raum. Daran ändert auch das Argument
nichts, dass bei anderer Auffassung allenfalls im Ermächtigungsverfahren
ein weiterer Personenkreis legitimiert sein könnte als im nachfolgenden
Strafverfahren. Der Sinn und Zweck des Ermächtigungsverfahrens,
Amtsträger des Bundes vor unbegründeten, insbesondere trölerischen oder
mutwilligen Strafanzeigen zu schützen und dadurch den reibungslosen Gang
der Verwaltung sicherzustellen (BGE 106 Ib 175 f. mit Hinweisen), wird
dadurch in keiner Weise in Frage gestellt: Art. 15 Abs. 3 VG umschreibt
die Voraussetzungen, unter welchen die Ermächtigung verweigert werden
darf; dadurch ist ausreichend Gewähr dafür geboten, dass der Beamte vor
ungerechtfertigten Strafuntersuchungen bewahrt, nicht aber die umfassende
Abklärung eines möglicherweise strafrechtlich relevanten Sachverhaltes -
was Aufgabe des Strafverfahrens ist - verhindert wird.

    Es ist daher auch gegen die Verweigerung der Ermächtigung zur
Strafverfolgung von Bundesbeamten zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde
legitimiert, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein
schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat (Art. 103
lit. a OG); zur Beschwerdeführung genügt dabei auch ein bloss faktisches
Interesse (BGE 106 Ib 175 mit Hinweisen).