Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 IB 320



112 Ib 320

51. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 21. Mai 1986 i.S. Müller gegen Bischof AG, Gemeinde Speicher und
Regierungsrat des Kantons Appenzell A.Rh. (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste

    Art. 29 Abs. 1 und 2 der Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz
betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei vom
1. Oktober 1965 (FPolV); Verwaltungsgerichts- oder staatsrechtliche
Beschwerde.

    Abgrenzung des bundesrechtlichen Walderhaltungsgebotes (Art. 29 Abs. 1
FPolV) zu den kantonalrechtlichen Waldabstandsvorschriften (Art. 29 Abs. 2
FPolV) (Ergänzung zu BGE 107 Ia 337) (E. 3a, b).

    Legitimation im kantonalen Verfahren - Art. 103 lit. a OG.

    Das kantonale Recht hat die Einsprache- und Beschwerdebefugnis für
die im Baubewilligungsverfahren aufgeworfene Frage der Vereinbarkeit
des Bauvorhabens mit dem eidgenössischen Forstpolizeirecht mindestens im
gleichen Umfang zu gewähren wie nach Bundesrecht (E. 3c).

Sachverhalt

    A.- Die Firma E. Bischof AG plant im Rahmen einer Sanierung ihrer
Tankanlagen, auf dem Grundstück Nr. 294 ein Tanklager zu erstellen. Gegen
dieses Vorhaben erhob Hans R. Müller erfolglos Einsprache u.a. mit der
Begründung, die geplante Baute sei nicht zonenkonform und unterschreite
den zulässigen Wald- und Gewässerabstand. Gegen den Einsprachentscheid
rekurrierte Hans R. Müller beim Regierungsrat des Kantons Appenzell A.Rh.,
der indessen mangels Legitimation des Rekurrenten auf die Beschwerde
nicht eintrat. Eine dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde weist
das Bundesgericht ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Der Beschwerdeführer macht geltend, Art. 29 Abs. 1 der
Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz betreffend die eidgenössische
Oberaufsicht über die Forstpolizei vom 1. Oktober 1965 (FPolV) sei
verletzt. Art. 29 Abs. 1 FPolV schreibt als Gebot des Bundesrechts vor,
dass Bauten in Waldesnähe, welche die Erhaltung des Waldes beeinträchtigen,
unzulässig seien. Dieses Gebot werde verletzt, weil der beanstandete
Bau unmittelbar an die Waldgrenze zu stehen käme (Abstand null); es seien
sogar widerrechtlich bereits Bäume gefällt worden.

    b) Die Kantone erlassen gemäss Art. 29 Abs. 2 FPolV "Vorschriften über
einen angemessenen Abstand der Bauten vom Waldrand (Art. 686 ZGB)". Diese
Vorschriften haben als kantonales Recht selbständige Bedeutung, auch wenn
sie sich auf das eidgenössische Forstpolizeirecht stützen; ihre Verletzung
wäre mit staatsrechtlicher Beschwerde zu rügen (BGE 107 Ia 337 ff.). Der
Kanton Appenzell A.Rh. besitzt solche Abstandsvorschriften. Offenbar hat
die kantonale Forstdirektion für die Unterschreitung des Waldabstandes eine
Ausnahmebewilligung erteilt (vgl. Umzonungsbeschluss des Regierungsrates
vom 25. Februar 1986, Abschnitt "Formelles"). Auch wenn das kantonale Recht
solche Ausnahmebewilligungen vorsieht, dürfen diese nicht zur Verletzung
des bundesrechtlichen Gebots gemäss Art. 29 Abs. 1 FPolV führen. Wenn
- wie im vorliegenden Fall - die Baute direkt am Waldrand, d.h. mit
einem Waldabstand null, erstellt werden soll und dafür sogar einige
Bäume gefällt werden müssen, wird auf die Einhaltung eines Waldabstandes
überhaupt verzichtet; damit ist das bundesrechtliche Walderhaltungsgebot
gemäss Art. 29 Abs. 1 FPolV gefährdet. Eine Verletzung dieses Gebotes
ist - wie der Beschwerdeführer richtigerweise geltend macht - mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu rügen.

    c) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts hat das kantonale Recht
die Einsprache- und Beschwerdebefugnis für die im Baubewilligungsverfahren
aufgeworfene Frage der Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit dem
eidgenössischen Forstpolizeirecht mindestens im gleichen Umfang zu
gewähren wie nach Bundesrecht (BGE 109 Ib 216 E. 2b mit Hinweisen). Es
bleibt demnach zu prüfen, ob der Beschwerdeführer zur Rüge der Verletzung
von Art. 29 Abs. 1 FPolV gemäss Art. 103 lit. a OG legitimiert ist.