Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 IA 75



112 Ia 75

13. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 21. März 1986 i.S.
Inländische Mission der Schweizer Katholiken gegen Kanton Nidwalden und
Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste

    Befreiung einer ausserkantonalen kirchlichen Institution von der
Erbschaftssteuer auf Grund einer Gegenrechtserklärung.

    Unter welchen Umständen kann sich ein Kanton darauf berufen, die für
ihn handelnde Behörde sei zum Abschluss eines Konkordates bzw. zur Abgabe
einer Gegenrechtserklärung nicht zuständig gewesen? Beurteilung dieser
Frage nach Völkergewohnheitsrecht.

Sachverhalt

    A.- Frau X., die zum Zeitpunkt ihres Todes ihren Wohnsitz im Kanton
Nidwalden hatte, vermachte der Inländischen Mission der Schweizer
Katholiken, einem Verein mit Sitz im Kanton Zug, ein Legat, auf dem das
Kantonale Steueramt Nidwalden eine Erbschaftssteuer von 20% erhob. Das
Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden wies einen Rekurs der Bedachten
gegen den entsprechenden Einsprache-Entscheid im wesentlichen mit der
Begründung ab, die Beschwerdeführerin könne sich nicht auf die von der
Kantonalen Steuerverwaltung am 15. Juni 1954 dem Kanton Zug gegenüber
abgegebene Gegenrechtserklärung über die Befreiung kirchlicher und
gemeinnütziger Institutionen von der Erbschaftssteuer berufen, weil die
Kantonale Steuerverwaltung nicht zur Abgabe solcher Gegenrechtserklärungen
zuständig sei. Das Bundesgericht heisst eine gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden geführte staatsrechtliche
Beschwerde gut aus den folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Vereinbarungen der Kantone über die gegenseitige Befreiung
bestimmter im anderen Kanton ansässiger Institutionen von Erbschafts-
und Schenkungssteuern (Gegenrechtserklärungen) stellen Konkordate dar,
die den betroffenen Steuerpflichtigen unmittelbare Rechte einräumen und
deren Verletzung mit der staatsrechtlichen Beschwerde nach Art. 84 Abs. 1
lit. b OG gerügt werden kann (BGE 109 Ia 338 E. 1; 90 I 46 ff. E. 3,
mit weiteren Nachweisen). Die Beschwerdeführerin, die ihren Sitz im
Kanton Zug hat und von einer Erblasserin mit letztem Wohnsitz im Kanton
Nidwalden testamentarisch begünstigt wurde, ist somit legitimiert, mit
der sogenannten Konkordatsbeschwerde eine Verletzung der zwischen diesen
beiden Kantonen ausgetauschten Gegenrechtserklärung geltend zu machen.

    b) Bei staatsrechtlichen Beschwerden nach Art. 84 Abs. 1
lit. b OG ist die Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzuges nicht
Prozessvoraussetzung (Art. 86 Abs. 2 und 3 OG). Dementsprechend sind
neue Vorbringen unbeschränkt zulässig (BGE 107 Ia 191 E. 2b, mit
Nachweisen). Ausserdem prüft das Bundesgericht die Auslegung und die
Anwendung der Konkordatsbestimmungen durch die kantonalen Behörden frei
(BGE 109 Ia 339 E. 5). Bloss unter dem beschränkten Gesichtswinkel der
Willkür dagegen prüft das Bundesgericht Gegenrechtserklärungen, soweit die
Kantone nur die Anwendung bestimmter Normen des kantonalen Rechts auf im
anderen Kanton ansässige Steuersubjekte zusichern (BGE 109 Ia 341/2 E. 5c).

    Demnach prüft das Bundesgericht frei, ob sich der Kanton Nidwalden
auf die Ungültigkeit der Gegenrechtserklärung vom 15. Juni 1954 berufen
kann oder nicht. Falls diese Frage verneint würde, könnten die weiteren
Voraussetzungen für die Steuerbefreiung, die vom kantonalen Recht
geregelt werden, an sich nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür geprüft
werden. Dies spielt allerdings im vorliegenden Fall keine Rolle, da weder
das Verwaltungsgericht noch das Kantonale Steueramt Nidwalden bestreiten,
dass die Beschwerdeführerin von der Erbschaftssteuer befreit wäre, wenn
sie ihren Sitz im Kanton hätte.

    c) Die Ausführungen der Beschwerdeführerin zur Entstehungsgeschichte
der streitigen Gegenrechtserklärung sind, wegen der grundsätzlichen
Zulässigkeit von Noven bei der Konkordatsbeschwerde, unabhängig davon
beachtlich, wie weit sie bereits im kantonalen Verfahren vorgebracht
wurden.

Erwägung 2

    2.- a) Am 15. Juni 1954 gab die Kantonale Steuerverwaltung Nidwalden
gegenüber der Kantonalen Finanzkanzlei Zug folgende schriftliche
Gegenrechtserklärung ab:

    "Die Kant. Steuerverwaltung Nidwalden hat in der Sitzung vom 11.

    Juni 1954 von Ihrer Zuschrift vom 9. Juni 54 Kenntnis genommen. Wie aus
   diesem Schreiben hervorgeht, verzichtet der Kanton Zug auf eine

    Erbschafts- oder Schenkungssteuer auf Legaten zugunsten gemeinnütziger
   oder kirchlicher Zwecke, wenn der Kanton, in welchem der Empfänger
   sich befindet, Gegenrecht hält.

    Im Interesse der Sache beschliesst die Kant. Steuerverwaltung

    Nidwalden mit dem Kanton Zug in ein Gegenrechts-Verhältnis einzutreten,
   nach welchem der Kanton Nidwalden auf eine Erbschafts- oder

    Schenkungssteuer zu Gunsten gemeinnütziger oder kirchlicher
Institutionen
   verzichtet, wenn die Empfänger im Kanton Zug domiziliert sind."

    Diese Erklärung wurde vom als damaligem Präsidenten der
Steuerverwaltung amtierenden Regierungsrat Wyrsch sowie vom Sekretär der
Steuerverwaltung unterzeichnet. Anlass für die Abgabe dieser Erklärung war
ein konkreter Fall, bei dem der Kanton Zug unter Vorbehalt des Gegenrechts
auf die Besteuerung eines Legates zugunsten des Klosters Maria Rickenbach
verzichtete. Der vorliegende Fall ist der erste, bei dem die Anwendung
der Gegenrechtserklärung zulasten des Kantons Nidwalden in Frage steht.

    b) Das Verwaltungsgericht führt im angefochtenen Urteil aus, gestützt
auf die Kantonsverfassung vom 27. April 1913 und 11. Oktober 1936 sei es
gemäss Art. 57 einzig dem Landrat überlassen gewesen, nach Art. 7 und 9 VG
(recte: BV) mit anderen Kantonen Verträge und Konkordate abzuschliessen,
insofern durch dieselben nicht eine Abänderung bestehender Gesetze bewirkt
worden sei oder dieselben wegen ihrer Wichtigkeit nicht der Landsgemeinde
vorzulegen gewesen wären. Die Kantonale Steuerverwaltung selber sei
lediglich kompetent gewesen, aus besonderen Gründen die Steuerleistungen
durch Verträge mit den Steuerpflichtigen zu bestimmen. Zweifelsohne seien
die Unterzeichner der Gegenrechtserklärung vom 15. Juni 1954 dazu nicht
berechtigt gewesen. Aufgrund dieser Rechtslage sei daher das Steuergesetz
vom 25. April 1982 anwendbar.

    c) Die Beschwerdeführerin wirft dem Verwaltungsgericht vor,
die Berufung auf die Formnichtigkeit der Gegenrechtserklärung
sei rechtsmissbräuchlich. Den Formmangel habe einzig und allein der
Beschwerdegegner - d.h. die Kantonale Steuerverwaltung - zu vertreten. Die
angeblich mangelnde Zuständigkeit der Kantonalen Steuerverwaltung
Nidwalden sei für den Vertragspartner, d.h. den Kanton Zug, nicht erkennbar
gewesen. Der Kanton Zug habe um so weniger Zweifel an der Zuständigkeit
hegen müssen, als der Austausch von Gegenrechtserklärungen im Steuerrecht
häufig nach innerkantonalem Recht auf Departementsstufe erfolgen dürfe. Im
Vertrauen auf den rechtsgültigen Abschluss des Konkordats habe der Kanton
Zug sodann unmittelbar nach dem Vertragsschluss rückwirkend bei einem
hängigen Fall auf die Erhebung der ihm zustehenden Erbschaftssteuer
verzichtet und damit freiwillig seine Vertragsleistung zugunsten eines
Nidwaldner Steuersubjektes erbracht. Die (heutige) Auffassung der
Nidwaldner Behörden verstosse gegen Treu und Glauben.

Erwägung 3

    3.- Fest steht, dass sich die Beschwerdeführerin selbst nicht auf
den Grundsatz von Treu und Glauben und den Vertrauensschutz gegenüber
dem Kanton Nidwalden berufen kann. Eine Rüge, der Kanton Nidwalden habe
ihr gegenüber gegen diese Grundsätze verstossen, wäre offensichtlich
unbegründet.

    Die Beschwerdeführerin erhebt indessen gar keine solche Rüge. Sie
macht vielmehr klar geltend, dass sich der Kanton Nidwalden nicht auf die
Ungültigkeit der Gegenrechtserklärung vom 15. Juni 1954 berufen dürfe und
dass der Kanton Nidwalden diese Gegenrechtserklärung daher zu Unrecht
nicht auf sie angewandt habe. Ihre Ausführungen zum Rechtsmissbrauch,
zum Grundsatz von Treu und Glauben und zum Vertrauensschutz dienen
der substantiierten Begründung der Konkordatsbeschwerde. Dazu ist
die Beschwerdeführerin berechtigt und verpflichtet (Art. 90 Abs. 1
lit. b OG). Gegenstand der Beschwerde ist somit die Frage, ob die
Gegenrechtserklärung vom 15. Juni 1954 Bestand hat oder nicht. Wird
diese Frage bejaht, so steht unbestrittenermassen fest, dass die
Beschwerdeführerin auf dem empfangenen Legat keine Erbschaftssteuern zu
bezahlen hat.

Erwägung 4

    4.- Zu untersuchen ist zunächst, ob und allenfalls unter welchen
Umständen sich ein Kanton darauf berufen kann, die für ihn handelnde
Behörde sei zum Abschluss des in Frage stehenden Konkordates nicht
zuständig gewesen und das Konkordat sei demnach nicht gültig zustande
gekommen.

    a) Auf die interkantonalen Verträge sind, soweit nicht nach
Bundesrecht, Gewohnheitsrecht oder Vereinbarung etwas anderes gilt,
die Grundsätze des Völkerrechts anwendbar. Diese Prinzipien gelten dabei
nicht nur für die Auslegung interkantonaler Verträge, sondern auch, wenn
durch Auslegung von Willensäusserungen zu ermitteln ist, ob überhaupt
ein Konkordat abgeschlossen wurde (BGE 96 I 648 E. 4c, mit zahlreichen
weiteren Nachweisen). Mangels besonderer Grundsätze im Landesrecht über
das Zustandekommen interkantonaler Verträge und über die Situation bei
behaupteten Formmängeln ist daher die von der Beschwerdeführerin erhobene
Rüge nach völkerrechtlichen Regeln zu beurteilen.

    b) Die völkerrechtlichen Regeln über das Vertragsrecht beruhen
weitgehend auf Gewohnheitsrecht. Zahlreiche dieser Regeln wurden in
der Wiener Konvention über das Recht der Verträge (VRK) vom 23. Mai
1969 kodifiziert (vgl. dazu MÜLLER/WILDHABER, Praxis des Völkerrechts,
2. Aufl., S. 91 ff.). Die Schweiz ist zwar dieser Konvention nicht
beigetreten. Dies hat seinen Grund indessen nicht darin, dass sie die
kodifizierten materiellrechtlichen Regeln nicht anerkennen würde; vielmehr
erachtete sie die - im vorliegenden Fall nicht relevante - Regelung
über die Streiterledigung als unbefriedigend (vgl. MÜLLER/WILDHABER,
aaO, S. 91). Soweit die Regeln der Konvention nicht offensichtlich vom
anerkannten Völkergewohnheitsrecht abweichen, können sie somit ohne
weiteres auf interkantonale Verträge angewandt werden.

    c) Gemäss Art. 46 VRK kann sich ein Staat nicht auf den Umstand
berufen, dass seine Zustimmung, durch einen Vertrag gebunden zu sein,
unter Verletzung einer Bestimmung seines innerstaatlichen Rechts über die
Vertragsabschlusskompetenz erfolgt und somit seine Zustimmung ungültig
ist, es sei denn, dass die Verletzung offenkundig ist und eine Regel
seines innerstaatlichen Rechts von grundlegender Bedeutung betrifft. Nach
Ziff. 2 dieser Bestimmung ist eine Verletzung offensichtlich, wenn sie
allen Staaten, die sich diesbezüglich an die normale Praxis halten und
nach Treu und Glauben handeln, objektiv einsehbar ist (vgl. zum Text von
Art. 46 VRK u.a. MÜLLER/WILDHABER, aaO, S. 593/4).

    Diese Regel entspricht der sich im Völkerrecht seit einigen
Jahrzehnten durchsetzenden Ansicht, wonach die fehlende innerstaatliche
Vertragsabschlusskompetenz im internationalen Recht nur unter
einschränkenden Bedingungen relevant ist (vgl. dazu ausführlich WILDHABER,
Treaty-Making Power and Constitution, S. 146 ff.). Die Schweiz hat sich
grundsätzlich zu dieser Regel bekannt, vertraten doch der Bundesrat
(vgl. den Savoyer Frei-Zonen-Fall und die Zustimmung der Schweiz zur
Resolution XI der Washingtoner Konferenz von 1922/3, beide zitiert
bei WILDHABER, aaO, S. 156 f. und S. 160 f.), das Eidgenössische
Politische Departement (heute: Eidgenössisches Departement für
auswärtige Angelegenheiten; vgl. das Kreisschreiben vom 8. Februar 1950,
in Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht XI [1954] S. 229
f.) und die Eidgenössische Justizabteilung (heute: Bundesamt für Justiz;
vgl. die "Aufzeichnung" vom 5. August 1950, in Schweizerisches Jahrbuch
für internationales Recht VIII [1951] S. 201 ff.) die Meinung, dass die
Schweiz durch einen völkerrechtlichen Vertrag auch dann gebunden sei,
wenn die innerstaatliche Zustimmung zum Vertragsschluss fehle.

    Die Bestimmung von Art. 46 VRK kann sodann für den Teilbereich
des Völkervertragsrechts auch als Kodifikation der sogenannten
"estoppel"-Doktrin betrachtet werden, die in der Rechtsprechung
internationaler Schiedsgerichte in den letzten Jahrzehnten zunehmend
an Bedeutung gewonnen hat. Im wesentlichen liegt dieser Doktrin der
Gedanke des Vertrauensschutzes zugrunde; eine Partei ist gebunden an
die Erwartungen, die die andere nach Treu und Glauben in ausdrückliche
oder sogar im Verhalten implizierte Äusserungen der ersten setzen
durfte. In diesem Rahmen besteht auch im Völkerrecht eine Gebundenheit
an das eigene Verhalten, ein Verbot des venire contra factum proprium
(MÜLLER, Vertrauensschutz im Völkerrecht, S. 5 ff., speziell S. 9/10,
mit zahlreichen Nachweisen; vgl. auch BGE 106 Ib 169). Dieser Grundgedanke
fand in der Rechtsprechung internationaler Gerichte sogar dann Anwendung,
wenn nicht ein Vertrag, sondern bloss einseitige Erklärungen - etwa
eines Aussenministers (vgl. den bei MÜLLER, aaO, S. 13 ff., zitierten
Ostgrönland-Fall) - zu beurteilen waren.

    d) Im Lichte dieser Grundsätze ist zu prüfen, ob sich das Kantonale
Steueramt Nidwalden und das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden auf
die fehlende Kompetenz der damaligen Unterzeichner der Gegenrechtserklärung
berufen dürfen.

Erwägung 5

    5.- Das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden äussert sich im
angefochtenen Urteil nicht zur Frage, welche innerkantonale Behörde zur
Abgabe der streitigen Gegenrechtserklärung im Jahre 1954 zuständig gewesen
wäre. Es unterscheidet in seinem Urteil auch nicht zwischen der Befugnis,
eine solche Vereinbarung mit einem anderen Kanton abzuschliessen, und
der Kompetenz, das zuständige (Exekutiv-)Organ zur Abgabe einer solchen
Erklärung zu ermächtigen. Diese Unterscheidung ist jedoch im Völkerrecht
wesentlich, werden doch üblicherweise völkerrechtliche Verträge von
irgendwelchen Exekutivorganen - Regierungen oder Verwaltungsabteilungen
- im Namen des von ihnen vertretenen Staates geschlossen, wobei diese
Organe je nach innerstaatlichem Recht und Bedeutung der Sache von
weiteren Entscheidträgern - Parlament oder Volk - die Genehmigung zum
Vertragsabschluss erhalten müssen.

    a) Wie es sich in dieser Hinsicht im Kanton Nidwalden verhalten
hat, ist nicht ohne weiteres klar. Das Verwaltungsgericht verweist
zwar auf Art. 57 der Kantonsverfassung von 1913/1936, wonach der
Landrat Konkordate mit anderen Kantonen "abschliesst", insofern durch
dieselben nicht eine Abänderung bestehender Gesetze bewirkt wird oder
dieselben wegen ihrer Wichtigkeit nicht der Landsgemeinde vorzulegen
sind (vgl. auch Art. 60 Abs. 3 der KV 1965). Ob damit der Landrat selbst
von der kantonalen Verfassung als eigentliches Vertragsabschlussorgan
bestimmt wird oder ob er nur die Kompetenz erhält, die Regierung oder
einzelne Verwaltungsabteilungen zum Konkordatsabschluss zu ermächtigen,
scheint selbst im Kanton Nidwalden nicht klar zu sein, wurde doch die
in der Gesetzessammlung des Kantons publizierte Gegenrechtserklärung
gegenüber Deutschland vom 24. November 1926/30. Juli 1927 nach deren
Wortlaut vom Landrat selbst abgegeben (GS 522.2), während die ebenfalls
in der kantonalen Gesetzessammlung publizierte Gegenrechtserklärung
gegenüber dem Kanton Graubünden vom 19. Dezember 1955/23. Januar 1956
vom Regierungsrat ausging (GS 522.3). Moderner Auffassung dürfte es wohl
entsprechen anzunehmen, dass dem Landrat gemäss Art. 57 KV 1913/1936 und
Art. 60 Abs. 3 KV 1965 nicht die eigentliche Vertragsabschlusskompetenz,
sondern nur die Ermächtigungskompetenz zustand bzw. zusteht.

    b) Nicht ohne weiteres klar ist sodann, ob 1954 Regierung
oder Verwaltung überhaupt einer Ermächtigung für die Abgabe der
Gegenrechtserklärung bedurft hätten und wer zur Erteilung einer solchen
Ermächtigung zuständig gewesen wäre. Soweit eine Gegenrechtserklärung
über die Befreiung ausserkantonaler Begünstigter von Erbschaftssteuern
nicht weiter geht als das kantonale Steuerrecht, hat sie im wesentlichen
nur deklaratorische Bedeutung. Diesfalls fällt es schwer anzunehmen,
Regierung oder Verwaltung bedürften für die Abgabe einer solchen
Erklärung einer Ermächtigung z.B. durch den Landrat. Soweit aber eine
Gegenrechtsvereinbarung weiter geht als das kantonale Steuerrecht,
wäre nach dem Wortlaut von Art. 57 Ziff. 4 KV 1913/1936 nicht einmal der
Landrat zur Ermächtigung zuständig gewesen (vgl. heute ebenso Art. 60 Abs.
3 KV 1965); das könnte wohl nur bedeuten, dass eine derartige Ermächtigung
von der Landsgemeinde als der höchsten souveränen gesetzgebenden Behörde
des Kantons (Art. 43 KV 1913/1936) hätte ausgehen müssen. Zieht man in
Betracht, dass Gegenrechtserklärungen im allgemeinen für einen Kanton
nicht von erheblicher Bedeutung sind und dass sie recht häufig abgegeben
werden, so erschiene eine derartige Zuständigkeitsordnung allerdings
als merkwürdig.

    Soweit ersichtlich, lässt sich aus dem Verhalten der politischen
Instanzen des Kantons Nidwalden zur Frage der Zuständigkeit zur Abgabe
einer Gegenrechtserklärung über die Befreiung gemeinnütziger oder
kirchlicher Institutionen von der Erbschaftssteuer nichts ableiten. Von
den beiden einzigen in der systematischen Gesetzessammlung des Kantons
Nidwalden publizierten Gegenrechtserklärungen wurde diejenige gegenüber
Deutschland vom Landrat ohne Ermächtigung der Landsgemeinde (GS 522.2)
und diejenige gegenüber dem Kanton Graubünden vom Regierungsrat
ohne Ermächtigung des Landrates oder der Landsgemeinde (GS 522.3)
abgegeben. Für den vorliegenden Fall von besonderer Bedeutung ist dabei,
dass der Regierungsrat im Jahre 1955/56 - also nur ca. eineinhalb Jahre
nach der Erklärung gegenüber dem Kanton Zug - der Ansicht war, er könne
ohne Ermächtigung durch den Landrat oder gar durch die Landsgemeinde mit
einem anderen Schweizer Kanton eine Gegenrechtsvereinbarung abschliessen.

Erwägung 6

    6.- a) Gegenrechtsvereinbarungen über die Befreiung bestimmter
Institutionen von den Erbschaftssteuern sind im interkantonalen
Steuerrecht häufig (vgl. z.B. die Übersichten bei GRÜNINGER/STUDER,
Kommentar zum Basler Steuergesetz, 2. Aufl., S. 58 ff., und im Zürcher
Steuerbuch, Interkantonales und Internationales Steuerrecht, Nr. 75/10
ff.). Ihre Bedeutung für die beteiligten Kantone ist jedoch gering; sie
können am ehesten mit Verwaltungsvereinbarungen (vgl. dazu BGE 97 I 244
ff.) verglichen werden, die meist auf Regierungs- oder Verwaltungsebene
abgeschlossen werden. Wohl werden Gegenrechtserklärungen meist von den
Regierungsräten der betroffenen Kantone abgegeben (vgl. dazu z.B. Zürcher
Steuerbuch, aaO, Nr. 75/10 ff.), doch erscheint es angesichts ihrer
untergeordneten Bedeutung und der höchst unterschiedlich ausgestalteten
kantonalen Kompetenzordnungen hinsichtlich der Vertragsschlussbefugnis
und der Ermächtigung zum Vertragsabschluss (vgl. dazu etwa SCHWEIZER,
Kantonale Kompetenzordnung und interkantonale Vereinbarungen, in
Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1973, S. 131 ff., besonders
S. 146) nicht aussergewöhnlich, dass eine Gegenrechtserklärung durch ein
einzelnes Regierungsratsmitglied in seiner Eigenschaft als Vorsteher
eines Finanzdepartements oder einer Steuerverwaltung ausgesprochen
wird. Jedenfalls kann nicht leichthin angenommen werden, dass der eine
solche Gegenrechtserklärung entgegennehmende Kanton hätte merken müssen,
dass das für den erklärenden Kanton handelnde Regierungsratsmitglied
dazu nicht befugt war oder vorerst einer Ermächtigung durch eine andere
Behörde seines Kantons bedurft hätte.

    b) Unter diesen Umständen kann sich der Kanton Nidwalden nicht darauf
berufen, der damalige Regierungsrat Wyrsch als Präsident der Kantonalen
Steuerverwaltung sei zur Abgabe der fraglichen Gegenrechtserklärung nicht
befugt oder nicht ermächtigt gewesen. Angesichts der untergeordneten
Bedeutung dieser Erklärung durfte der Kanton Zug darauf vertrauen, dass
sie von einem Nidwaldner Regierungsmitglied in amtlicher Funktion und
im Zusammenhang mit einem konkreten Anwendungsfall abgegeben werden
durfte. Vom Kanton Zug konnte auch nicht erwartet werden, dass er
abgeklärt hätte, ob diese Erklärung allenfalls gegen Nidwaldner Steuerrecht
verstossen könnte - was das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden erst
ca. 31 Jahre später durch eine extensive Auslegung des inzwischen mehrfach
geänderten Steuergesetzes in einem konkreten Anwendungsfall annahm -
und welches Staatsorgan im Kanton Nidwalden daher zur Ermächtigung zum
Vertragsschluss zuständig gewesen wäre. Derartige Abklärungen, die der
Kanton Zug notgedrungenermassen bei den Behörden des Kantons Nidwalden
hätte vornehmen müssen, wären von diesen wohl als Verstoss gegen die
zwischen den Behörden verschiedener Kantone geübten Gepflogenheiten
gewertet worden und hätten angesichts der komplexen Rechtslage (vgl. dazu
vorne E. 5) ohnehin kaum zu einem zweifelsfreien Ergebnis geführt.

    Der Kanton Zug war zudem auch deshalb nicht zu besonderen
Abklärungen über die Zuständigkeitsfrage verpflichtet, weil die
streitige Gegenrechtserklärung im Jahre 1954 keineswegs dem damals
geltenden Nidwaldner Erbschaftssteuerrecht in offensichtlicher Weise
widersprach. Die ganze Erbschaftssteuer des Kantons Nidwalden war damals
in einem einzigen Paragraphen (§ 30 des Armengesetzes vom 28. April
1912) äusserst rudimentär geregelt. Bestimmungen über die subjektive
Steuerpflicht - und über die Befreiung davon - fehlten vollkommen. Das
ganze Erbschaftssteuerrecht beruhte offensichtlich weitgehend auf der
Praxis der Steuerbehörden, weshalb Erklärungen dieser Behörden naturgemäss
ein besonderes Gewicht zukam.

    c) Die Auffassung des Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden
und des Kantonalen Steueramtes verstösst somit gegen die in Art. 46
VRK kodifizierte Regel des von der Schweiz anerkannten und auch
im Konkordatsrecht anwendbaren Völkergewohnheitsrechts. Der Kanton
Nidwalden kann sich nicht auf die Ungültigkeit der Gegenrechtserklärung
vom 15. Juni 1954 berufen. Das Verwaltungsgericht hat daher den Bestand
dieser Gegenrechtserklärung zu Unrecht verneint. Damit erweist sich die
Konkordatsbeschwerde als begründet.