Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 IA 322



112 Ia 322

50. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 12. Dezember 1986 i.S. Delta Optik AG gegen Sanitätsdepartement
und Appellationsgericht (als Verwaltungsgericht) des Kantons Basel-Stadt
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Handels- und Gewerbefreiheit; eidgenössisches Meisterdiplom als
Voraussetzung für eine Bewilligung zur selbständigen Führung eines
Augenoptikergeschäftes.

    1. Unter welchen Voraussetzungen darf ein Kanton die Erteilung einer
Bewilligung zur selbständigen Führung eines eigenen Geschäftsbetriebes vom
Bestehen einer Fachausbildung und einer Prüfung abhängig machen? (E. 4.)

    2. Im heutigen Zeitpunkt ist es unverhältnismässig, für das Führen
eines auf die Herstellung und den Verkauf von Brillen nach ärztlichem
Rezept beschränkten Augenoptikerbetriebes das eidgenössische Meisterdiplom
zu verlangen (E. 5).

Sachverhalt

    A.- Die Delta Optik AG, die sich selbst als "Brillendiscounter
Nr. 1 in der Schweiz" bezeichnet, plante im Jahre 1983 die Eröffnung
eines Brillenverkaufsgeschäftes im Warenhaus Rheinbrücke in Basel.
Als verantwortlicher Geschäftsführer war Alfred Waldenmeyer vorgesehen,
der im Besitze des Fähigkeitszeugnisses als Augenoptiker im Sinne von
Art. 43 des Bundesgesetzes über die Berufsbildung vom 19. April 1978 (BBG;
SR 412.10) und des "Vorläufigen Reglementes über die Stufenausbildung
und die Lehrabschlussprüfungen in den Optikerberufen" vom 9. Mai 1975
(auf den 1. Januar 1986 abgelöst durch das "Reglement über die Ausbildung
und die Lehrabschlussprüfung der Augenoptiker" vom 18. September 1985) ist.

    Mit Gesuch vom 23. Juni 1983 verlangte die Delta Optik AG vom
Sanitätsdepartement des Kantons Basel-Stadt die Erteilung der Bewilligung
zur Anfertigung und zum Verkauf von Brillen und anderen Sehhilfen nach
ärztlicher Verordnung im Bereich des Kantons Basel-Stadt, wobei die
Bewilligung die Vornahme der objektiven Refraktometrie bzw. Skiaskopie,
der subjektiven Brillenglasbestimmung und der Kontaktlinsenanpassung nicht
umfassen sollte. Das Sanitätsdepartement des Kantons Basel-Stadt wies
das Gesuch am 22. Juli 1983 mit der Begründung ab, gemäss § 4 lit. b der
baselstädtischen Verordnung betreffend die Augenoptiker vom 29. Februar
1972 (im folgenden: Augenoptikerverordnung) sei zur selbständigen
Führung eines Optikergeschäftes das eidgenössische Meisterdiplom als
Augenoptiker erforderlich. Dafür umfasse die Augenoptikerbewilligung auch
die Bewilligung zur Vornahme der objektiven Refraktometrie bzw. Skiaskopie,
der subjektiven Brillenglasbestimmung und der Kontaktlinsenanpassung. Eine
auf die Anfertigung und den Verkauf von Brillen beschränkte Teilbewilligung
sehe die Augenoptikerverordnung nicht vor.

    Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht
wies einen Rekurs der Delta Optik AG gegen die Verfügung des
Sanitätsdepartementes ab. Das Bundesgericht heisst die staatsrechtliche
Beschwerde der Delta Optik AG gegen das Urteil des Appellationsgerichtes
wegen Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit gut aus den folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Wie das Bundesgericht in dem der Beschwerdeführerin bekannten
Urteil vom 2. Juli 1985 i.S. V. festgehalten hat, bilden die §§ 2 und
2a des baselstädtischen Gesetzes betreffend Ausübung des Berufs der
Medizinalpersonen vom 26. Mai 1879 (SG 310.100) eine genügende gesetzliche
Grundlage für die Augenoptikerverordnung und die darin vorgesehene
Bewilligungspflicht für die Führung eines Augenoptikerbetriebes. Davon
abzugehen besteht im vorliegenden Fall kein Anlass.

    Die Kritik der Beschwerdeführerin, die §§ 2 und 2a des Gesetzes würden
den heutigen Anforderungen an eine Delegationsnorm nicht genügen, ist nicht
stichhaltig. § 2a des Gesetzes ermächtigt im Gegenteil den Regierungsrat
ausdrücklich, die Erteilung einer Bewilligung vom Nachweis der
erforderlichen Fähigkeiten abhängig zu machen. Darin liegt eine genügende
gesetzliche Grundlage für die in der Augenoptikerverordnung enthaltene
Regelung, wonach die verantwortliche Führung des Augenoptikerbetriebes in
den Händen eines Inhabers des Diploms für die bestandene höhere Fachprüfung
(Meisterdiplom) liegen muss. Ob der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt
verpflichtet gewesen wäre, die Verordnung so auszugestalten, dass unter
gewissen Umständen auch ein Inhaber des blossen Fähigkeitszeugnisses
eine Bewilligung erhält - wie die Beschwerdeführerin geltend macht -,
ist nicht eine Frage der gesetzlichen Grundlage.

    b) Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass ein gewisses
öffentliches Interesse an der Reglementierung des Augenoptikerberufes
besteht. Sie wirft zwar die Frage auf, wo das öffentliche Interesse daran
liege, schon den Verkauf von Brillengläsern nach ärztlicher Verordnung
sowie von Brillengestellen solchen Berufsleuten vorzubehalten, die
darüber hinaus zur Vornahme der objektiven Refraktometrie bzw. Skiaskopie,
subjektiven Brillenglasbestimmung und Kontaktlinsenanpassung ausgebildet
seien; eine eigentliche Rüge, die den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1
lit. b OG genügen würde, erhebt sie in diesem Zusammenhang allerdings
nicht, weshalb darauf nicht näher einzugehen ist. Im übrigen fällt diese
Frage im wesentlichen mit dem Problem zusammen, ob die Bestimmungen der
§§ 1 und 4 der Augenoptikerverordnung diesbezüglich dem Grundsatz der
Verhältnismässigkeit entsprechen.

Erwägung 4

    4.- a) Wird die Erteilung einer Bewilligung zur Führung eines eigenen
Geschäftsbetriebes vom Bestehen einer Fachausbildung und einer Prüfung
abhängig gemacht, so schränkt dies den Zugang zum betreffenden Gewerbe
erheblich ein. Ein beruflicher Fähigkeitsausweis kann daher ohne Verletzung
von Art. 31 BV nur verlangt werden, wenn die Prüfungsanforderungen
überwiegend den zu schützenden polizeilichen Rechtsgütern dienen (MARTI,
Die Wirtschaftsfreiheit der schweizerischen Bundesverfassung, S. 108/9;
vgl. auch BGE 103 Ia 602).

    b) Auf dem Gebiet der beruflichen Fähigkeitsausweise und -diplome kommt
dem Grundsatz der Verhältnissmässigkeit in hohem Masse die Bedeutung zu,
vor unnötigen und übertriebenen, vielfach gewerbe- oder standespolitisch
(konkurrenzschützend) motivierten Erfordernissen zu bewahren, aber
auch den Schutzbedürfnissen des Publikums wirksam Rechnung zu tragen
(GYGI, Wirtschaftsverfassungsrecht, S. 89). Dieses Spannungsfeld hat das
Bundesgericht im Rahmen einer reichhaltigen Rechtsprechung zu Art. 31 BV
abzustecken versucht.

    Dabei hat es zwar den Kantonen das Recht zuerkannt, die Ausübung
gewisser Tätigkeiten vom Besitze eines Meisterdiploms oder eines
Fähigkeitsausweises abhängig zu machen (vgl. die Zusammenfassung der Praxis
in BGE 103 Ia 262/3 E. 2a). Doch wurden solche Beschränkungen der Handels-
und Gewerbefreiheit nur als zulässig erachtet, wenn die fragliche Tätigkeit
Gefahren für das Publikum mit sich bringt, die nur durch beruflich
besonders befähigte Personen in erheblichem Masse vermindert werden können
(BGE 103 Ia 262; 100 Ia 175/6 E. 3a, mit zahlreichen Hinweisen).

    Sodann hat sich das Bundesgericht unter dem Gesichtspunkt der
Verhältnismässigkeit insbesondere auch mit dem Problem befasst, ob und
inwieweit allenfalls Kantone und Gemeinden, die die Erteilung einer
Bewilligung vom Besitze eines beruflichen Fähigkeitsausweises oder
eines Diploms abhängig machen, die gesetzliche Regelung differenziert
auszugestalten haben, indem sie nötigenfalls weniger strenge Anforderungen
an den Nachweis beruflicher Kenntnisse stellen, wenn ein Gesuchsteller in
seinem Geschäftsbetrieb nur einen Teil der sonst in der Branche üblichen
Tätigkeiten ausüben will. Es hat ausgeführt, ein Gemeinwesen sei zwar
nicht grundsätzlich verpflichtet, eine Teilbewilligung vorzusehen; anders
verhalte es sich aber, wenn in klarer und praktikabler Weise einzelne
Zweige einer beruflichen Tätigkeit bezeichnet werden können, für welche
es sich aufdränge, geringere Anforderungen an die notwendige Fachkunde zu
stellen (BGE 103 Ia 600 E. 3b). Eine Verfeinerung gewerbepolizeilicher
Zulassungsbestimmungen dränge sich dagegen dann nicht auf, wenn es sich
bei dem vom Gesuchsteller geplanten eingeschränkten Geschäftsbetrieb um
einen ausgesprochen seltenen Sonderfall handle (Urteil vom 7. Juli 1984,
in ZBl 86/1985 S. 118 ff., speziell S. 120).

    c) Diese allgemeinen Überlegungen gelten grundsätzlich auch für
den gesamten Bereich des Gesundheitswesens. Einerseits dürfen - in
diesem Bereich nicht seltene - standespolitische Überlegungen wie die
wirtschaftliche Sicherung der Angehörigen einzelner Medizinalberufe nicht
dazu führen, dass mit Hilfe von unverhältnismässigen Anforderungen an
berufliche Fähigkeitsausweise einzelne Angehörige dieser Berufe von einer
selbständigen Tätigkeit praktisch ausgeschlossen werden (BGE 111 Ia 186
E. 2b, mit Nachweisen). Andererseits besteht ein erhebliches öffentliches
Interesse daran, dass in den Berufen des Gesundheitswesens nur fähige
Leute tätig sind, handelt es sich doch gerade bei der Gesundheit um ein
Rechtsgut, das des gewerbepolizeilichen Schutzes in hohem Masse bedarf. Aus
diesem Grund hat es etwa das Bundesgericht als zulässig erachtet,
die Anpassung von Kontaktlinsen den Inhabern des Meisterdiploms als
Augenoptiker vorzubehalten (BGE 103 Ia 272 ff.). Demgegenüber bezeichnete
es das Bundesgericht im aufgezeigten Spannungsfeld zwischen polizeilich
motiviertem Schutz der Gesundheit und standespolitischen Überlegungen als
unverhältnismässig und mit Art. 31 BV nicht vereinbar, den diplomierten
Optikermeistern die Anpassung von Kontaktlinsen nur auf ärztliches Rezept
hin zu gestatten (BGE 110 Ia 99 ff.).

    d) Im Bereiche des Gesundheitswesens können nun allerdings im
Zusammenhang mit dem Erfordernis beruflicher Fähigkeitsausweise weitere
Einschränkungen der Handels- und Gewerbefreiheit in Betracht fallen,
die nicht bloss auf den unmittelbaren Schutz der Gesundheit des mit
einer bestimmten Medizinalperson verkehrenden Kunden oder Patienten
abzielen. Im Hinblick darauf, dass die genügende Versorgung bestimmter
Gebiete mit Ärzten, Apothekern und anderen Angehörigen medizinischer
(Hilfs-)Berufe ein erhebliches öffentliches Interesse darstellt, dürfen
die Kantone im Rahmen eines gesundheitspolitischen Gesamtkonzepts
unter Umständen gewisse, beruflich an sich befähigte Medizinalpersonen
von der Führung bestimmter Geschäftszweige ausschliessen. So hat das
Bundesgericht etwa das Verbot der Selbstdispensation von Medikamenten
durch praktizierende Ärzte als mit der Handels- und Gewerbefreiheit
vereinbar bezeichnet, wenn dadurch die Versorgung einer bestimmten
Region mit Apotheken gesichert werden kann, die ein breiteres Sortiment
als die Ärzte führen (BGE 111 Ia 184 ff.). Es wäre eventuell denkbar,
im gleichen Sinne auch die Führung von Optikergeschäften den Inhabern
des Meisterdiploms vorzubehalten, wenn sich aufgrund einer überzeugenden
gesundheitspolitischen Planung zeigen würde, dass ohne diese Massnahme
in einem bestimmten Gebiet die Anzahl von Augenoptikern, die nicht bloss
Brillen nach ärztlichem Rezept herstellen und verkaufen können, sondern
auch in der Lage sind, qualifiziertere Arbeiten wie Refraktometrien,
Brillenglasbestimmungen und Kontaktlinsenanpassungen auszuführen,
zu gering zu werden droht. Angesichts der hohen Versorgungsdichte mit
Optikergeschäften in der Schweiz (vgl. dazu "Die Wettbewerbsverhältnisse
im Bereich der Optikerbranche", Veröffentlichungen der Schweizerischen
Kartellkommission 1984, S. 265 und S. 294/5) ist dies allerdings schwer
vorstellbar. Derartige gesundheitspolitische Bedenken macht denn auch
das Sanitätsdepartement des Kantons Basel-Stadt in seiner Vernehmlassung
nicht geltend.

Erwägung 5

    5.- a) Die Beschwerdeführerin bestreitet zu Recht nicht, dass
ein Kanton die selbständige Führung eines Optikergeschäftes aus
gesundheitspolizeilichen Gründen ohne Verletzung des Grundsatzes der
Verhältnismässigkeit vom Besitze eines Fähigkeitsausweises abhängig machen
darf, auch wenn nur Brillen nach ärztlichem Rezept hergestellt und verkauft
werden. Sie macht jedoch geltend, dass für die selbständige Führung eines
solchen Betriebes das Meisterdiplom nicht verlangt werden könne.

    b) Die baselstädtische Augenoptikerverordnung geht im Grunde
selbst davon aus, dass ein Augenoptiker mit Fähigkeitszeugnis in der
Lage ist, den Kunden Brillen nach Rezeptangabe zu verkaufen. Denn § 2
der Augenoptikerverordnung sieht ausdrücklich vor, dass mit der Abgabe
von Korrekturbrillen und geschliffenen Gläsern betraut werden darf, wer
sich über den erfolgreichen Lehrabschluss als Augenoptiker ausweisen kann
oder im Besitze eines anderen gleichwertigen Ausweises ist; die Aufsicht
des verantwortlichen Bewilligungsinhabers mit Meisterdiplom ist dafür -
im Gegensatz zur Brillenglasbestimmung und zur Kontaktlinsenanpassung
durch einen Angestellten (vgl. § 3 der Augenoptikerverordnung) - nicht
erforderlich.

    Das Sanitätsdepartement wies das Gesuch der Beschwerdeführerin
denn auch nur deshalb ab, weil die Augenoptikerverordnung eine auf
die Herstellung und den Verkauf von Brillen nach ärztlichem Rezept
beschränkte Bewilligung zur selbständigen Führung eines Optikergeschäftes
nicht vorsieht. In seiner Vernehmlassung vor Bundesgericht begründet
das Departement diese Regelung damit, dass die als Voraussetzung zur
Bewilligungserteilung verlangte höhere Fachprüfung (d.h. das Meisterdiplom)
aus Gründen des Publikumsschutzes und einer einfachen Kontrolle der
Augenoptikergeschäfte sinnvoll sei. Dem potentiellen Kunden werde
damit Gewähr geboten, dass er umfassend und fachlich einwandfrei beraten
werde. In Basel erwarte das Publikum von jedem Bewilligungsinhaber, dass er
umfassend augenoptisch tätig sei, d.h. dass er z.B. auch Refraktometrien
durchführe. Sodann würden beim Vorhandensein verschieden qualifizierter
Augenoptikergeschäfte wirksame Kontrollen schwierig sein; der Anwendung
zweifelhafter bzw. unstatthafter Kontrollmethoden könnte Vorschub geleistet
werden. Der Kanton Basel-Stadt habe sich für eine praktikablere und besser
kontrollierbare strengere Lösung als zum Teil andere Kantone entschieden.

    c) In seinem Bericht vom 17. Februar 1972 an den Regierungsrat des
Kantons Basel-Stadt zum damals vorgelegten Verordnungsentwurf führte das
Sanitätsdepartement zur vorgeschlagenen Regelung aus:

    "... ist ein Augenoptiker nach 3 1/2-jähriger, erfolgreich
   abgeschlossener Lehrzeit noch nicht zur selbständigen Berufsausübung
   fähig, da der angehende Optiker während der Lehrlingsausbildung
   in erster

    Linie manuell ausgebildet wird und vorwiegend in der Werkstatt des

    Betriebes arbeitet. In dieser Zeit führt er keine vom Augenarzt
   verschriebenen Brillenrezepte aus und hat auch keinerlei Kontakt mit der

    Kundschaft. Die für die spätere verantwortliche Geschäftsführung
   notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen hingegen erlangt er erst in
   der dem

    Lehrabschluss folgenden, mindestens 4-jährigen Vorbereitungstätigkeit
zur

    Erlangung des Meistertitels. Während im Ausland zum Erwerb dieses

    Meistertitels eigentliche Optikerfachschulen bestehen, können in der

    Schweiz Augenoptiker mit erfolgreich abgeschlossener
Lehrabschlussprüfung
   nach 4-jähriger praktischer Tätigkeit bei einem Augenoptikermeister
   und gleichzeitiger Absolvierung zusätzlicher Kurse im Rahmen der gemäss

    Bundesgesetz über die Berufsbildung
   vom 20. September 1963 durchgeführten höheren Fachprüfungen den Titel
   eines Augenoptikermeisters erwerben. ..."

    Ob es im Jahre 1972 mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit
vereinbar war, für die selbständige Führung eines Augenoptikergeschäftes
das Meisterdiplom zu verlangen, auch wenn sich der Betrieb auf die
Herstellung und den Verkauf von Brillen nach ärztlichem Rezept beschränkt,
ist heute nicht zu prüfen. Die vom Sanitätsdepartement in seinem Bericht
an den Regierungsrat dargelegten Gründe für die vorgeschlagene und vom
Regierungsrat daraufhin verabschiedete Regelung dürften im damaligen
Zeitpunkt möglicherweise zutreffend gewesen sein.

    d) In der Zwischenzeit haben sich indessen die Anforderungen für den
Erwerb des Fähigkeitszeugnisses und des Meisterdiploms im Augenoptikerberuf
wesentlich verändert.

    aa) Sowohl das "Vorläufige Reglement über die Stufenausbildung
und die Lehrabschlussprüfungen in den Optikerberufen" vom 9. Mai 1975,
unter dessen Geltungsbereich Alfred Waldenmeyer seinen Fähigkeitsausweis
erworben hat, als auch das seit dem 1. Januar 1986 geltende "Reglement
über die Ausbildung und die Lehrabschlussprüfung der Augenoptiker" vom
18. September 1985 zeigen, dass bei der Ausbildung und der Prüfung der
Augenoptikerlehrlinge jetzt grosses Gewicht auf die Herstellung und den
Verkauf von Brillen nach ärztlichem Rezept gelegt wird (vgl. etwa Art. 1
Abs. 1 Stufe 2, Art. 2 Abs. 2, Art. 5 Stufe 2 und Art. 11 Stufe 2 des
Reglementes von 1975; Art. 1 Abs. 2, Art. 5 und insbesondere Art. 11 Abs. 2
lit. b des Reglementes von 1985). Insbesondere der Verkauf von Brillen
nach Rezeptvorschrift und die - damit zusammenhängende - Kundenberatung
nehmen bei den Prüfungen eine herausragende Stellung ein, wird doch dieses
"Prüfungsfach" bei der Notengebung doppelt gezählt (vgl. Art. 13 Abs. 2
Stufe 2 Pos. 3 des Reglementes von 1975 und Art. 12 Abs. 1 [Prüfungsfach
Kundenberatung und Brillenverkauf] des Reglementes von 1985). Das
"Reglement über die Lehrlingsausbildung und die Lehrabschlussprüfung
im Augenoptikerberuf" vom 30. Dezember 1955, das noch in Kraft war, als
die baselstädtische Augenoptikerverordnung im Jahre 1972 erlassen wurde,
hatte demgegenüber dieses Fach überhaupt nicht gekannt.

    Auch in den übrigen Bereichen der Lehrlingsausbildung und der
Lehrabschlussprüfungen scheinen - wie eine Durchsicht der Reglemente
zeigt - die Anforderungen sowohl in qualitativer (Umschreibung der
Fächer) als auch in quantitativer (Erhöhung der Lehrzeit von 3 1/2 auf
4 Jahre) Hinsicht seit 1975 höher zu sein als zum Zeitpunkt, in dem
der Kanton Basel-Stadt seine Verordnung erliess. Andere Kantone, die
später Regelungen über die Ausübung des Augenoptikerberufes getroffen
haben, scheinen dieser Entwicklung Rechnung getragen zu haben, indem sie
den gelernten Augenoptikern gestatten, Brillen nach ärztlichem Rezept
anzufertigen und zu verkaufen, während sie Brillenglasbestimmungen und
Kontaktlinsenanpassungen den Inhabern des Meisterdiploms vorbehalten
(Art. 35 der sanktgallischen Verordnung über die Ausübung von Berufen der
Gesundheitspflege vom 2. Februar 1982 sowie § 17 lit. b der zugerischen
Verordnung I zum Gesundheitsgesetz [medizinische und pharmazeutische
Berufe, Hilfsberufe sowie wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungen]
vom 22. Dezember 1981; vgl. aber auch bereits schon Art. 3 der bernischen
Verordnung über die Augenoptiker vom 1. Mai 1974).

    bb) Eine ähnliche Entwicklung wie bei den Fähigkeitsausweisen
haben die Anforderungen an die höhere Fachprüfung (Meisterdiplom)
durchgemacht. Im "Reglement über die Durchführung der höheren
Fachprüfung im Augenoptikerberuf und die Zusatzprüfung in der
Kontaktlinsen-Anpassung" vom 5. Juli 1972, das kurze Zeit nach der
baselstädtischen Augenoptikerverordnung in Kraft trat, nahm das Fach
"Praktisches Arbeiten" - bei dem es vor allem um das Schneiden,
Schleifen und Montieren von Brillengläsern nach Rezeptangabe ging -
mit 5 von insgesamt 26 Prüfungsstunden einen erheblichen Anteil ein
(Art. 15 und 16). Im heute geltenden "Reglement über die Durchführung
der höheren Fachprüfung im Augenoptikerberuf" vom 12. Januar 1981 ist
dieses Fach nicht mehr aufgeführt (vgl. Art. 15); das Beherrschen dieser
Fähigkeiten wird offenbar vom vorangehenden Lehrabschluss und der daran
anschliessenden mindestens vierjährigen praktischen Tätigkeit (vgl. dazu
Art. 9 lit. c des Reglementes von 1981) her vorausgesetzt. Das Reglement
von 1981 legt im Vergleich zum Reglement von 1972 mehr Gewicht auf das
Fach "Refraktionsbestimmung und Binokularsehen" (4 von insgesamt 26 1/2
Prüfungsstunden statt 1 1/2 von insgesamt 26 Prüfungsstunden). Ausserdem
hat die höhere Fachprüfung heute mit Fächern wie "Anatomie und Physiologie
des Sehorgans", "Physiologische Optik und Brillenlehre" und "Pathologie des
Sehorgans" mehr den Charakter einer theoretisch-wissenschaftlichen Prüfung
als unter dem Reglement von 1972, das diesen Stoff nur teilweise in der
für den Erwerb des Meisterdiploms nicht obligatorischen "Zusatzprüfung
in der Kontaktlinsen-Anpassung" vorsah (Art. 17 f. und Art. 25 f.).

    Diese Tendenz zur vermehrt theoretischen Ausbildung zeigt sich
im übrigen auch darin, dass im Reglement von 1981 der Besuch einer
höheren Fachschule für Augenoptik als "Praxiszeit" angerechnet wird
(Art. 9 lit. c), während im Reglement von 1972 eine solche Anrechnung
nicht ausdrücklich vorgesehen war (Art. 9 Abs. 1 lit. c). Nach Auskunft
des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit melden sich heute
zu den höheren Fachprüfungen denn auch praktisch nur noch Kandidaten
an, die die Höhere Fachschule für Augenoptik in Olten absolviert
haben. Im Hinblick auf diese Tatsache sowie auf den Umstand, dass
der Prüfungskommission unter anderem Mitglieder des Schweizerischen
Optikerverbandes angehören (Reglement 1981, Art. 4 Abs. 2), dessen Stiftung
Trägerin der Höheren Fachschule in Olten ist, dürfte es heute schwierig
sein, die Meisterprüfung ohne Besuch dieser Schule nach der Absolvierung
bloss berufsbegleitender Kurse zu bestehen, wie das Sanitätsdepartement
noch in seinem Bericht an den Regierungsrat von 1972 meinte. Besonders
problematisch ist diesbezüglich auch der faktische Numerus clausus, der
aufgrund der beschränkten Kapazität und der restriktiven Aufnahmepraxis
bei dieser Schule besteht (vgl. "Die Wettbewerbsverhältnisse im Bereich
der Optikerbranche", aaO, S. 280, S. 295/6 und S. 301/2).

    cc) Im Lichte dieser Entwicklung kann auf jeden Fall im heutigen
Zeitpunkt das für einen gelernten Augenoptiker trotz Berufserfahrung nur
schwer zu erwerbende Meisterdiplom nicht mehr als angemessener Ausweis
über den Erwerb der nötigen praktischen Fähigkeiten zum blossen Herstellen
und Verkaufen von Brillen nach ärztlichem Rezept betrachtet werden. Für
diese beschränkten Tätigkeiten stellt das Meisterdiplom einen Ausweis dar,
der über das Erforderliche hinausgeht.

    In den verschiedenen Kantonen, welche die selbständige Führung eines
Augenoptikergeschäfts von einem Fähigkeitsausweis abhängig machen, wird
im allgemeinen der erfolgreiche Lehrabschluss als genügend anerkannt
und ein weitergehender Befähigungsausweis (Meisterdiplom) nur für die
Refraktionsbestimmung und Kontaktlinsenanpassung verlangt (vgl. "Die
Wettbewerbsverhältnisse im Bereich der Optikerbranche", aaO, S. 265 f.,
und vorne lit. aa). Das heisst nicht, dass ein Kanton nicht auch für die
selbständige Führung eines derart beschränkten Betriebes, nebst einem unter
den Reglementen von 1975 und 1985 erlangten Fähigkeitszeugnis, unter dem
Gesichtspunkt von Art. 31 BV mehr verlangen dürfte, wie etwa eine bestimmte
Dauer praktischer Tätigkeit im Beruf nach dem Lehrabschluss oder eventuell
eine vom Kanton selbst abgenommene Fähigkeitsprüfung. Doch müssten sich
die entsprechenden Anforderungen auf das Erforderliche beschränken.

Erwägung 6

    6.- (Dem Kanton Basel-Stadt kann zugemutet werden, die vom Grundsatz
der Verhältnismässigkeit geforderte differenzierte Regelung zu schaffen,
die eine auf die Herstellung und den Verkauf von Brillen nach ärztlichem
Rezept beschränkte Teilbewilligung ermöglicht. Eine solche differenzierte
Regelung wird nicht bloss für einen seltenen Sonderfall von Bedeutung
sein. Gewichtige Gründe, die dagegen sprechen würden, sind nicht
ersichtlich.)