Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 IV 18



108 IV 18

5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 15. Januar 1982 i.S. H.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 139 Ziff. 2 StGB. Bedrohung mit dem Tode.

    Ein durch Bedrohung mit dem Tode qualifizierter Raubversuch liegt
nicht erst dann vor, wenn der Täter jemanden tatsächlich mit dem Tode
bedrohte und das Opfer trotz dieser Drohung nicht widerstandsunfähig wurde,
sondern schon dann, wenn der Täter jemanden mit dem Tode bedrohen wollte
(E. 2a). Ob er die ins Auge gefasste Bedrohung notfalls verwirklicht hätte,
ist belanglos (E. 2b). Ist der Qualifikationsgrund der Bedrohung mit dem
Tode gegeben, so braucht nicht untersucht zu werden, ob die Tat noch "auf
andere Weise" die besondere Gefährlichkeit des Räubers offenbarte (E. 2c).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist der
Qualifikationsgrund der Bedrohung mit dem Tode gegeben, wenn der
Täter die Todesdrohung objektiv unmittelbar verwirklichen kann und
das Opfer nach den Umständen, insbesondere nach der Art der Drohung,
tatsächlich einer grossen Todesgefahr ausgesetzt ist (BGE 105 IV 300, 102
IV 18). Der Beschwerdeführer macht geltend, es sei, gehe man von dieser
Umschreibung aus, begrifflich wohl gar nicht möglich, bereits bei einem
blossen Raubversuch die besondere Gefährlichkeit bzw. eine Todesdrohung
anzunehmen. Zur Begründung führt er aus, es fehle im Versuchsstadium
"noch an einer hiefür ausgeschiedenen Person", da zunächst eine Reihe von
zufällig anwesenden Personen als Opfer in Betracht kämen. Im weiteren sei
es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Tat ohne Androhung von
Gewalt gelinge. Insbesondere aber fehle es im Versuchsstadium an einer
Todesdrohung, die unmittelbar verwirklicht werden könne und es fehle
demnach auch die tatsächliche grosse Todesgefahr.

    a) Es trifft zu, dass von einer tatsächlichen Bedrohung mit dem Tode
nicht gesprochen werden kann, wenn der Raub in einem verhältnismässig
frühen Versuchsstadium abgebrochen wurde. Der Qualifikationsgrund der
Bedrohung mit dem Tode ist indessen - nicht anders als die Bedrohung mit
einer Gefahr für Leib und Leben im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 StGB - ein
objektives Tatbestandsmerkmal (s. BGE 105 IV 187 oben). Ein durch Bedrohung
mit dem Tode qualifizierter Raubversuch liegt daher nicht erst dann vor,
wenn der Täter, um einen Diebstahl zu begehen, jemanden tatsächlich mit dem
Tode bedrohte und das Opfer trotz dieser Bedrohung nicht widerstandsunfähig
wurde, sondern schon dann, wenn nach dem Willen des Täters jemand mit dem
Tode bedroht werden sollte, wenn der Täter also etwa auf kurze Distanz eine
schussbereite Waffe (s. BGE 105 IV 302 E. 2) auf einen Menschen richten
wollte. Dass H. bei seinem Überfall auf die Filiale der St. Gallischen
Kantonalbank in X. jemanden ernsthaft mit dem Tode bedrohen wollte,
wird im angefochtenen Urteil unter anderem gestützt auf die Aussagen des
Angeschuldigten selber ausdrücklich festgestellt. Diese Feststellung der
Vorinstanz betreffend den Willen des Täters ist tatsächlicher Natur (BGE
104 IV 36 mit Verweisungen) und daher für den Kassationshof im Verfahren
der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde verbindlich (Art. 273 Abs. 1
lit. b, 277bis BStP).

    b) Ob H. die ins Auge gefasste Bedrohung mit dem Tode notfalls
verwirklicht hätte bzw. verwirklichen wollte, ist belanglos; denn
die Bereitschaft, die Drohung gegebenenfalls wahrzumachen, ist nicht
Voraussetzung für eine Verurteilung wegen qualifizierten Raubes im Sinne
von Art. 139 Ziff. 2 Abs. 2 StGB bzw. des Versuchs dazu (BGE 105 IV 300
mit Verweisungen). Die Ausführungen in der Beschwerde darüber, dass die
Schiessabsicht nicht feststehe und dass der Beweis für eine eventuelle
Verwirklichung der Bedrohung mit dem Tode nicht gelingen könne, gehen
daher an der Sache vorbei.

    c) Der Räuber, der einen Menschen mit dem Tode bedrohen will, ist
gemäss Art. 139 Ziff. 2 StGB besonders gefährlich (s. BGE 105 IV 187 oben,
78 IV 235). Da die Vorinstanz den Qualifikationsgrund der Bedrohung mit
dem Tode bejahte, brauchte sie nicht zu untersuchen, ob die Tat noch "auf
andere Weise" die besondere Gefährlichkeit des H. offenbarte (Art. 139
Ziff. 2 Abs. 4 StGB). Die Ausführungen des Beschwerdeführers zu diesem
Qualifikationsgrund stossen daher ins Leere. Entgegen den Andeutungen in
der Beschwerde kann übrigens der Qualifikationsgrund von Art. 139 Ziff. 2
Abs. 4 StGB (besondere Gefährlichkeit auf andere Weise) auch dann gegeben
sein, wenn es beim Versuch blieb; denn nach der ständigen Rechtsprechung
des Bundesgerichts kann sich die besondere Gefährlichkeit des Täters
auch aus den der Tat vorangehenden oder nachfolgenden Umständen, die mit
dem Tatgeschehen zusammenhängen, ergeben (BGE 106 IV 111, 100 IV 29, 165
E. 2b, 222 E. 3). Ob die Voraussetzungen dieses Qualifikationsgrundes im
vorliegenden Fall erfüllt seien, braucht nicht untersucht zu werden.

    Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Versuchs des
qualifizierten Raubes (Bedrohung mit dem Tode) verstösst nicht gegen
Bundesrecht.