Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 II 381



108 II 381

73. Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. September 1982 i.S. X. gegen X.
(Berufung) Regeste

    Forderungsklage einer verheirateten Frau aus eingebrachtem Gut während
der Rechtshängigkeit des Scheidungsprozesses; sachliche Zuständigkeit.

    1. Zulässigkeit der Berufung gemäss Art. 49 OG gegen einen
selbständigen Vorentscheid über die Zuständigkeit (E. 1).

    2. Für die Beurteilung einer Forderung aus eingebrachtem Gut, die eine
verheiratete Frau während der Rechtshängigkeit des Ehescheidungsprozesses
gegenüber dem Ehemann gerichtlich geltend macht, ist ausschliesslich
der Scheidungsrichter zuständig. Wurde die Forderungsklage bei einem
unzuständigen Gericht eingereicht und ist der Scheidungsprozess in
der Zwischenzeit abgeschlossen worden, so ist ein Nachverfahren zum
Scheidungsprozess durchzuführen (E. 2-4).

Sachverhalt

    A.- Während der Hängigkeit des Ehescheidungsprozesses erhob
A. X.-Y. beim Bezirksgericht am Wohnort ihres Ehemannes gegen diesen eine
Forderungsklage. Sie verlangte von ihm die Bezahlung eines Betrages von Fr.
37'331.80 nebst Zins zu 5% seit 25. Mai 1978. Nach der Darstellung der
Klägerin handelt es sich bei dieser Forderung um einen von ihr geerbten
restlichen Honoraranspruch, der ihrem 1976 verstorbenen Vater gegenüber
dem Beklagten aus Architekturauftrag zugestanden habe; der Beklagte habe
seinerzeit seinen Schwiegervater mit der Erstellung eines Ferienhauses
beauftragt; daraus habe noch eine restliche Honorarforderung in der
eingeklagten Höhe resultiert, auf welche die Klägerin als Universalerbin
nie verzichtet habe. Der Beklagte widersetzte sich der Klage und machte
zudem geltend, diese sei nicht zulässig.

    Mit Beschluss vom 11. November 1981 wies das Bezirksgericht die Klage
mit der Begründung von der Hand, dass ihr das Zwangsvollstreckungsverbot
unter Ehegatten gemäss Art. 173 Abs. 1 ZGB entgegenstehe. Das Obergericht
hiess am 2. Februar 1982 einen Rekurs der Klägerin gegen diesen Beschluss
gut. Es hob den angefochtenen Entscheid auf und wies das Bezirksgericht
an, den Prozess materiell zu behandeln.

    Dagegen hat der Beklagte Berufung an das Bundesgericht erhoben. Er
stellt den Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei
auf die Klage nicht einzutreten. Die Klägerin beantragt die Abweisung
der Berufung und die Bestätigung des obergerichtlichen Entscheides.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Beklagte leitet die Zulässigkeit der Berufung aus
Art. 50 Abs. 1 OG ab, wonach gegen materielle selbständige Vor- oder
Zwischenentscheide ausnahmsweise die Berufung zulässig ist, wenn dadurch
sofort ein Endentscheid herbeigeführt und ein so bedeutender Aufwand
an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart werden
kann, dass die gesonderte Anrufung des Bundesgerichts gerechtfertigt
erscheint. Es kann jedoch offen gelassen werden, ob die Voraussetzungen
dieser Bestimmung im vorliegenden Fall erfüllt sind. Nach Art. 49 OG ist
nämlich die Berufung an das Bundesgericht gegen selbständige Vor- oder
Zwischenentscheide über die Zuständigkeit zulässig, wenn wie hier eine
Verletzung bundesrechtlicher Bestimmungen über die sachliche oder örtliche
Zuständigkeit gerügt wird. Der Beklagte macht geltend, für die Beurteilung
der von der Klägerin eingeklagten Forderung sei auf Grund des Bundesrechts
nur der Scheidungsrichter zuständig. Damit rügt er die Verletzung einer
bundesrechtlichen Vorschrift über die sachliche Zuständigkeit. Die
Berufung ist daher nach Art. 49 OG zulässig. Nicht mehr streitig ist,
dass das Verbot der Zwangsvollstreckung unter Ehegatten gemäss Art. 173
Abs. 1 ZGB der gerichtlichen Belangung des Beklagten nicht entgegensteht.

Erwägung 2

    2.- Auszugehen ist davon, dass die Parteien unter dem Güterstand der
Güterverbindung lebten. Die Vorinstanz hat zutreffend angenommen, dass
es sich bei der eingeklagten Forderung um eingebrachtes Gut der Klägerin
handle. Nach Art. 195 Abs. 1 ZGB ist eingebrachtes Gut der Ehefrau und
bleibt ihr Eigentum, was ihr während der Ehe infolge von Erbgang oder auf
andere Weise unentgeltlich zufällt. Dem Ehemann steht daran die Verwaltung
und Nutzung zu (Art. 200 Abs. 1 und 201 Abs. 1 ZGB). Eine von der Ehefrau
in die Ehe eingebrachte Forderung gegen den Ehemann geht indessen nicht
etwa infolge Vereinigung unter, weil diesem Verwaltung und Nutzung daran
zusteht (LEMP, N. 10 zu Art. 195 ZGB mit Hinweisen). Das Nutzungsrecht des
Mannes führt einzig dazu, dass die Forderung während der Dauer der Nutzung
unverzinslich ist (LEMP, N. 11 zu Art. 201 ZGB mit Hinweisen). Kontrovers
ist, ob Geldforderungen der Ehefrau gegen den Mann sich mit dem Einbringen
oder - im Falle noch nicht fälliger Forderungen - mit dem Eintritt der
Fälligkeit in Ersatzforderungen im Sinne von Art. 201 Abs. 3 ZGB verwandeln
(vgl. dazu LEMP, N. 51 zu Art. 201 ZGB und die dort angeführten Zitate). Zu
dieser Frage muss indessen hier nicht näher Stellung genommen werden.

Erwägung 3

    3.- Im angefochtenen Beschluss wird ausgeführt, Ansprüche aus
eingebrachtem Gut und Ersatzforderungen seien grundsätzlich im Rahmen
der güterrechtlichen Auseinandersetzung im Scheidungsprozess geltend zu
machen. Die Klägerin habe dies im vorliegenden Fall unterlassen. Zwar
sei das Scheidungsverfahren noch hängig. Auf den 8. Dezember 1981 sei
die Schlussverhandlung vor Bezirksgericht ... angesetzt gewesen und
es sei damit zu rechnen, dass die Sache erneut an das Obergericht als
Berufungsinstanz weitergezogen werde. Die Klägerin habe schon angedeutet,
es sei zu überlegen, ob die hier in Frage stehende Forderung allenfalls
im zweitinstanzlichen Scheidungsverfahren geltend zu machen sei. Dies
sei indessen nach zürcherischem Prozessrecht ausgeschlossen, da trotz der
grundsätzlichen Zulassung von Klageänderungen im Berufungsverfahren durch §
200 der kantonalen Zivilprozessordnung (ZPO) auch in familienrechtlichen
Prozessen die sich aus § 61 ZPO ergebenden Schranken der Klageänderung
zu beachten seien. Wie es sich damit genau verhält, ist eine Frage des
kantonalen Prozessrechts, die im Berufungsverfahren vor Bundesgericht
nicht geprüft werden kann.

    Obwohl die Vorinstanz davon ausgeht, dass die Nebenfolgen einer
Scheidung grundsätzlich im Scheidungsurteil geregelt werden müssten,
nimmt sie an, die Klägerin müsse die strittige Forderung ausserhalb
des Scheidungsprozesses noch gerichtlich geltend machen können. Es
frage sich nur, ob dies auf dem Wege des Nachverfahrens als Ergänzung
zum Scheidungsurteil oder auf dem Wege des ordentlichen Verfahrens zu
geschehen habe. Ein Nachverfahren sei insbesondere dann erforderlich, wenn
der Scheidungsrichter aus Versehen oder Unkenntnis eine notwendigerweise zu
ordnende Frage zu regeln unterlassen habe; es sei auch für güterrechtliche
Ansprüche zulässig. Für die Ergänzung des Scheidungsurteils auf dem Wege
eines solchen Verfahrens sei unbekümmert um den Wohnsitz der Parteien das
Scheidungsgericht zuständig. Diese Regelung beruhe auf dem Gedanken, dass
der Scheidungsrichter, der das unvollständige Urteil gefällt habe, nicht
nur bereits die Verhältnisse kenne, sondern auch am ehesten in der Lage sei
zu beurteilen, ob es sich um eine unvollständige Ordnung der Nebenfolgen
handle. Im vorliegenden Fall gehe es jedoch nicht um eine notwendige
und unumgängliche Ergänzung eines lückenhaften Scheidungsurteils, die
beim Scheidungsrichter zu verlangen sei, sondern um einen Sachverhalt,
der nicht notwendigerweise mit dem Scheidungsprozess zusammenhänge. Der
von der Klägerin erhobene Anspruch könne deshalb auch zum Gegenstand
eines ordentlichen Verfahrens gemacht werden.

    In dieser Auffassung der Vorinstanz erblickt der Beklagte eine
Verletzung des bundesrechtlichen Grundsatzes der notwendigen Einheit
des Scheidungsurteils. Eine Forderung, wie sie hier in Frage stehe,
könne nur beim Scheidungsrichter geltend gemacht werden.

Erwägung 4

    4.- Die Frage, ob einer Ehefrau aus eingebrachtem Gut eine fällige
Forderung gegen den Ehemann zustehe, gehört zur güterrechtlichen
Auseinandersetzung, über die als Nebenfolge der Ehescheidung in der Regel
im Scheidungsurteil zu entscheiden ist. Obwohl die Vorinstanz zunächst
ebenfalls davon ausgeht, dass ein solcher Anspruch grundsätzlich im
Scheidungsprozess geltend gemacht werden müsse, gelangt sie schliesslich
dazu, den notwendigen Zusammenhang des betreffenden Anspruchs mit der
Scheidung zu verneinen und die Zuständigkeit des ordentlichen Richters
zur Beurteilung der Forderung zu bejahen. Dieser Auffassung kann nicht
gefolgt werden. Wird die güterrechtliche Auseinandersetzung nicht als
Ganzes in ein gesondertes Verfahren verwiesen..., so muss über alle
güterrechtlichen Ansprüche entweder im Scheidungsurteil selber oder dann
allenfalls in einem beim Scheidungsrichter anzuhebenden Nachverfahren
entschieden werden. Nur so besteht Gewähr dafür, dass die durch die
Scheidung aufgeworfenen Fragen möglichst widerspruchslos und einheitlich
geregelt werden. Würde zugelassen, dass einzelne güterrechtliche
Ansprüche losgelöst vom Scheidungsprozess bei einem andern Richter
geltend gemacht werden könnten, entstünde die Gefahr nicht aufeinander
abgestimmter oder sogar widersprüchlicher Urteile. Aus diesem Grund hat
die Rechtsprechung mit Billigung der Lehre die Möglichkeit eingeräumt,
dass lückenhafte Scheidungsurteile in einem vom Gesetz nicht vorgesehenen
Nachverfahren durch den Scheidungsrichter ergänzt werden können (vgl. BGE
104 II 291 mit Hinweisen; COMMENT, Actions du droit de famille suisse non
expressément prévues, ZBJV 1935, S. 547 ff.; BÜHLER/SPÜHLER, N. 87 ff. der
Vorbemerkungen zu den Art. 149-157 ZGB). Ein solches Nachverfahren hat
nicht nur Platz zu greifen, wenn die Lücke im Scheidungsurteil eine Frage
betrifft, die der Scheidungsrichter von Amtes wegen und ohne Rücksicht auf
die Parteianträge hätte regeln sollen, sondern auch bei unterbliebener
Beurteilung von Ansprüchen, die der Parteidisposition unterstehen (BGE
104 II 291 f.).

    Das Gesagte darf indessen nicht dazu führen, dass nach Abschluss
eines Scheidungsprozesses in einem Nachverfahren leichthin güterrechtliche
Ansprüche geltend gemacht werden können, deren Beurteilung im Rahmen des
Scheidungsprozesses wegen Nachlässigkeit einer Partei unterblieben ist. Das
Bundesgericht hat bereits in einem Entscheid aus dem Jahre 1918 erklärt,
dass Scheidungsurteile, welche auch die güterrechtliche Auseinandersetzung
der Ehegatten umfassen, im Zweifel als erschöpfende Regelung zu betrachten
und dass nachträgliche Ansprüche daher in der Regel ausgeschlossen sind;
ausgenommen wurde der Fall, dass im Scheidungsprozess ein Vorbehalt gemacht
worden war, wonach das Schicksal einzelner Vermögenswerte einer späteren
Entscheidung überlassen bleiben sollte (Pr. 8/1919, Nr. 28, S. 76 f.;
im gleichen Sinne HINDERLING, Das schweizerische Ehescheidungsrecht,
3. Aufl., S. 226; vgl. auch BÜHLER/SPÜHLER, N. 99 zu Art. 154 ZGB). Im
vorliegenden Fall hat die Klägerin mit der Klageerhebung ... vor Abschluss
des Scheidungsprozesses zu erkennen gegeben, dass ihr eine von ihrem Vater
geerbte fällige Forderung gegen den Beklagten zustehe. Es darf daher aus
dem Umstand, dass sie im Scheidungsprozess keinen entsprechenden Anspruch
geltend gemacht hat, nicht leichthin auf einen Verzicht geschlossen
werden. Sollte es prozessual nicht mehr möglich sein, dass im Rahmen des
noch hängigen Scheidungsprozesses über diese Forderung entschieden wird, so
müsste ein entsprechendes Nachverfahren beim Scheidungsrichter zugelassen
werden. Dass ein solches Nachverfahren ebenfalls güterrechtliche Ansprüche
zum Gegenstand haben kann, wird im angefochtenen Beschluss denn auch mit
Recht anerkannt. Zu Unrecht nimmt die Vorinstanz auf Grund einer in Zürich
bestehenden Praxis (vgl. ZR 50/1951, Nr. 74, S. 146 ff., insb. S. 149)
dagegen an, dass der Scheidungsrichter dafür nicht ausschliesslich
zuständig sei, sondern dass Ansprüche wie der vorliegende daneben auch im
ordentlichen Verfahren bei dem für Forderungsklagen zuständigen Richter
geltend gemacht werden könnten.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    In Gutheissung der Berufung wird der Beschluss des Obergerichts
(I. Zivilkammer) des Kantons Zürich vom 2. Februar 1982 aufgehoben;
auf die Klage wird (mangels Zuständigkeit des angerufenen Richters)
nicht eingetreten.