Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 II 327



108 II 327

64. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. Juli 1982 i.S. Lego
Spielwaren Aktiengesellschaft gegen Suchard-Tobler AG (Berufung) Regeste

    Art. 1 Abs. 1 und 2 lit. d UWG. Wettbewerbsverhältnis.
Verwechslungsgefahr.

    1. Frage offen gelassen, ob ein Wettbewerbsverhältnis schon anzunehmen
ist, wenn die Ware eines Unternehmens nur durch die von einem andern
verwendete Verpackung konkurrenziert wird (E. 3).

    2. Ob zwei Erzeugnisse miteinander verwechselbar sind, hängt vom
Gesamteindruck ihrer Aufmachung ab, mit der sie in den Handel gebracht
und Interessenten angeboten werden (E. 4).

    3. Die blosse Nachahmung einer spezialrechtlich ungeschützten fremden
Ware ist nicht wettbewerbswidrig, wenn der Verwechslungsgefahr auf andere
Weise vorgebeugt wird und keine besonderen Umstände vorliegen (E. 5).

Sachverhalt

    A.- Die Lego Spielwaren Aktiengesellschaft, Baar, vertreibt "Lego
Technik-Elemente" für Konstruktionsspiele. Die aus Kunststoff bestehenden
Bauelemente werden in Dänemark hergestellt und seit Frühjahr 1957 auch
in der Schweiz von Spielwarengeschäften, Warenhäusern und Papeterien
verkauft; ihr Markterfolg hat ständig zugenommen und den Lego-Spielen
seit Jahren eine aussergewöhnliche Bekanntheit verschafft. Sortimente
für einfache Spiele enthalten vor allem Bausteine von Längen zwischen 8
und 80 mm, 16 mm Breite und knapp 10 mm Höhe; einzelne kommen zudem in
halber Breite vor, die z.B. auch ein quadratischer Stein von 48 x 48 mm
hat. Die Bausteine haben auf der Oberseite parallel angeordnete Nocken,
auf der Unterseite dazu passende Hohlräume mit Ringen, die so angebracht
sind, dass die Steine aufeinandergeklemmt werden können. Sie werden in
den Grundfarben rot, gelb, blau, weiss und schwarz hergestellt und unter
der Marke "LEGO" vertrieben. Das Warenzeichen steht nicht nur auf der
Verpackung, sondern in Kleinschrift auch auf den Nocken der Steine.

    Die Suchard-Tobler AG, Bern, handelt mit Lebensmitteln. Seit März 1980
vertreibt sie unter der Marke "ipso" Erfrischungspastillen mit den Aromen
Citron, Orange, Framboise und Mint. Sie bezieht die Pastillen von der
Nicholas Pty Ldt. in Irland und lässt sie in vier Plastikschachteln, die
rosa-, orangenfarbig, grün oder hellblau sind, verkaufen. Auf der Ober-
und Unterseite der Schachteln ist je eine Klebeetiquette angebracht,
die neben der Marke Angaben über den Inhalt oder die Herkunft und die
Zusammensetzung der Pastillen enthalten. Alle Schachteln haben das gleiche
Format (48 x 48 x 16 mm) und sind auf zwei Schmalseiten mit Nocken, auf
den beiden andern mit Klemmringen versehen; frei davon ist nur ein 16 mm
langer Deckel, der die Schüttöffnung schliesst.

    B.- Im Februar 1981 klagte die Lego Spielwaren Aktiengesellschaft
gegen die Suchard-Tobler AG wegen unlauteren Wettbewerbs. Sie beantragte
dem Handelsgericht des Kantons Bern, der Beklagten den Vertrieb von
Erfrischungspastillen der Marke "ipso" oder von anderen Süsswaren in
Plastikschachteln, die wegen ihrer Nocken und Klemmvorrichtung wie
Lego-Bausteine zusammengesteckt werden können, mit sofortiger Wirkung
bei Strafe zu verbieten.

    Die Beklagte widersetzte sich diesem Begehren, weil ihr Vorgehen
wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden sei.

    Das Handelsgericht wies die Klage am 22. Oktober 1981 ab. Es fand,
dass eine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG zu
verneinen und ein anderer Missbrauch des wirtschaftlichen Wettbewerbs
durch die Beklagte nicht belegt sei.

    C.- Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, mit der
sie an ihrem Rechtsbegehren festhält.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt das angefochtene
Urteil.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Das Handelsgericht ist der Auffassung, dass zwischen den Parteien
ein Wettbewerbsverhältnis im Sinne von Art. 1 UWG besteht, das allerdings
nur wenig Bedeutung habe. Die Klägerin hält die Gegenpartei ebenfalls für
eine Konkurrentin, während die Beklagte ohne nähere Begründung behauptet,
von einem Konkurrenzverhältnis zwischen den Parteien könne keine Rede sein.

    Zwei Unternehmen stehen nur dann im wirtschaftlichen Wettbewerb,
wenn sie mit gleichartigen Waren oder Leistungen gleiche oder ähnliche
Bedürfnisse befriedigen, sich also an den gleichen Abnehmerkreis
wenden (BGE 98 II 60 E. 2, 92 II 308 E. 1 mit Hinweisen; TROLLER,
Immaterialgüterrecht, 2. Aufl. Bd. II S. 1035). Das Handelsgericht hält
ein solches Konkurrenzverhältnis für gegeben, weil die Beklagte Süsswaren
in einer als Spielsache gedachten Schachtel vertreibt. Es fragt sich indes,
ob Wettbewerb schon darin liegt, dass die Ware eines andern Unternehmens
nicht durch ein gleichartiges Erzeugnis, sondern einzig durch dessen
Verpackung konkurrenziert wird. Das dürfte insbesondere davon abhangen,
wieweit die Interessenten für die Süsswaren der Beklagten von dieser
Verpackung beeinflusst werden und damit zum potentiellen Kundenkreis
der Klägerin zu rechnen sind. Wie es sich damit verhält, kann vorliegend
offen bleiben, wenn sich die Berufung der Klägerin ohnehin als unbegründet
erweist.

Erwägung 4

    4.- Nach Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG begeht unlauteren Wettbewerb,
wer Massnahmen trifft, die bestimmt oder geeignet sind, Verwechslungen
mit den Waren, Werken, Leistungen oder dem Geschäftsbetrieb eines
andern herbeizuführen. Die Bestimmung setzt voraus, dass die Ware eines
Konkurrenten wegen ihrer äusseren Ausstattung für das bereits auf dem
Markte befindliche Erzeugnis eines andern gehalten werden kann. Ob
eine solche Verwechselbarkeit zweier Erzeugnisse vorliege, ist nach
dem Gesamteindruck zu beurteilen, den sie dem kaufenden Publikum bieten
(BGE 103 II 213 E. 2 mit Hinweisen).

    a) Nach Auffassung der Klägerin hat das Handelsgericht die
Verwechslungsgefahr im vorliegenden Fall zu Unrecht verneint, weil
die beanstandeten Schachteln der Beklagten wie die Lego-Steine
verschiedenfarbig und aus Kunststoff seien, auf zwei der schmalen
Seiten wie die Oberseiten der Lego-Steine Nocken und auf den beiden
andern schmalen Seiten wie die hohlen Unterseiten der Lego-Steine
Klemmringe aufwiesen, so dass sie nicht nur unter sich, sondern auch mit
Lego-Steinen zusammengefügt werden könnten. Damit habe die Beklagte alle
charakteristischen Merkmale übernommen, welche den Gesamteindruck der
Lego-Steine bestimmten. Statt dessen vergleiche das Handelsgericht die
streitigen Erzeugnisse bis in alle Einzelheiten und stelle auf Unterschiede
ab, die nicht ins Gewicht fielen oder überhaupt unerheblich seien.

    Das Handelsgericht anerkennt, dass zwischen den Ipso-Packungen der
Beklagten und Lego-Steinen der Klägerin eine gewisse Ähnlichkeit besteht,
dass Nocken und Klemmringe mit dem Inhalt der Schachteln nichts zu tun
haben, dass die Klebeetiketten von den Packungen leicht entfernt und
die Schachteln mit Lego-Steinen verbaut werden können. Es hat entgegen
dem Einwand der Klägerin auch nicht übersehen, dass zwei Lego-Steine
mit den Ausmassen 48 x 48 x 8 mm zusammengefügt werden müssen, um einen
quaderförmigen Körper zu erhalten, der genau der Grösse einer Ipso-Packung
entspricht. Weitere Körper der gleichen Grösse lassen sich übrigens auch
mit andern Lego-Steinen herstellen, die 8 mm lang sind oder das Mehrfache
dieser Länge haben und sich ebenfalls bei den Akten befinden. Das
Handelsgericht hält die streitigen Erzeugnisse "in Berücksichtigung
aller Umstände" aber nicht für verwechselbar und meint, dass sich seine
Auffassung vor allem mit den Lego-Entscheiden des Bundesgerichts von 1960
und 1962 decke.

    b) Diese Entscheide, die in Schweizerische Mitteilungen für
gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (SMGR 1961 S. 71 ff. und
1962 S. 157 ff.) veröffentlicht worden sind, werden zur Begründung
ihres Antrages auch von der Beklagten angerufen, während die Klägerin
nur Erwägungen aus dem ersten zitiert und den zweiten übergeht. Sie
sind für die Beurteilung des vorliegenden Klagebegehrens schon deshalb
nicht schlüssig, weil es in jenen Fällen um zwei Bausteinspiele und ihre
Verpackungen ging, hier dagegen eine Verwechslungsgefahr zwischen zwei
Erzeugnissen behauptet wird, von denen nur das eine als Bausteinspiel,
das andere aber als Packung für Süsswaren auf dem Markt erscheint. Die
Bedeutung dieses Unterschiedes wird nicht nur von den Parteien, sondern
auch vom Handelsgericht verkannt. Was von Ipso-Schachteln zu halten ist,
wenn sie als Verpackung ausgedient haben und dann, statt weggeworfen,
von Kindern bei Lego-Spielen als Bausteine verwendet werden, kann nicht
entscheidend sein für die Frage, ob unlauterer Wettbewerb gemäss Art. 1
Abs. 2 lit. d UWG vorliege. Dies hängt vielmehr davon ab, ob die streitigen
Erzeugnisse, so wie sie in den Handel gebracht und Interessenten angeboten
werden, als miteinander verwechselbar angesehen werden können.

    Davon kann im Ernst nicht die Rede sein. Die Ipso-Packungen sind
vom kaufenden Publikum schon bei oberflächlicher Betrachtung als
Schachteln erkennbar, in denen, wie aus den aufgeklebten Etiketten
erhellt, Erfrischungspastillen der Marke "ipso" feilgehalten werden. Als
Schachteln unterscheiden sie sich aber deutlich von Lego-Steinen, zumal
die Klägerin keine Bauelemente gleicher Grösse, Art oder Ausgestaltung
auf den Markt bringt und nicht behauptet, die Beklagte verkaufe auch
leere Packungen. Aus den Etiketten ergibt sich ferner, wer die Pastillen
herstellt und wer sie in der Schweiz vertreibt. Damit wird einem Irrtum
über die Herkunft von Ware und Verpackung sowie über die Berechtigung zu
ihrem Vertrieb zusätzlich vorgebeugt. Die Lego-Spiele werden ebenfalls
unter einer Marke vertrieben, die in Kleinschrift sogar auf allen Nocken
der Bausteine angebracht und seit vielen Jahren in weiten Volkskreisen
bekannt ist. Umsoweniger lässt sich sagen, durch die Ausgestaltung der
Ipso-Packungen werde der Eindruck erweckt, die Schachteln stammten von
der Klägerin oder der Hersteller der Lego-Steine wolle damit ein Sortiment
ergänzen lassen. Die Annahme des Handelsgerichts, eine Verwechslungsgefahr
im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG sei nicht gegeben, ist daher im
Ergebnis nicht zu beanstanden.

Erwägung 5

    5.- Eine andere Frage ist, ob das Verhalten der Beklagten von der
Generalklausel des Art. 1 Abs. 1 UWG erfasst werde, wonach jeder Missbrauch
des wirtschaftlichen Wettbewerbs durch täuschende oder andere Mittel,
die gegen Treu und Glauben verstossen, als unlauter gilt.

    a) Nach ständiger Rechtsprechung ist die blosse Nachahmung einer
fremden Ware für sich allein wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden,
wenn die nachgeahmte Ware von den Sondergesetzen über den gewerblichen
Rechtsschutz (PatG, MSchG und MMG) nicht oder nicht mehr erfasst
wird und ihre äussere Ausstattung keine Kennzeichnungskraft besitzt,
um ihre Herkunft von gleichartigen Erzeugnissen anderer Konkurrenten
zu unterscheiden. Die Nachahmung einer Ware kann ferner insbesondere
durch deren Herstellungsweise oder Gebrauchszweck technisch bedingt
und schon deshalb gerechtfertigt sein. Diese Rechtsprechung beruht auf
der Überlegung, dass jedermann seine Ware auf technisch einfachste und
billigste Weise herstellen und mit dem grössten Nutzeffekt ausgestalten
darf, selbst wenn sie dadurch der Ware eines andern gleich oder ähnlich
wird (BGE 108 II 73 E. 2b, 104 II 328 E. 3b und 332 E. 5a mit Hinweisen).

    Dabei darf ein Konkurrent seine Ware einem fremden Erzeugnis sogar
so anpassen, dass sie zusammen mit diesem oder an dessen Stelle verwendet
werden kann, unbekümmert darum ob er dadurch aus fremder Mühe, Arbeit und
Werbung Nutzen zieht; es genügt, dass er auf andere Weise (z.B. durch
eine deutlich abweichende Bezeichnung und Verpackung) dem Eindruck
vorbeugt, seine Ware stamme vom gleichen Hersteller. Deswegen fiel der
zweite Lego-Entscheid des Bundesgerichts denn auch anders aus als der
erste, und durften die Beklagten damals an der massgetreuen Nachbildung
der Bausteine und deren Klemmvorrichtung festhalten, so dass die beiden
Spiele weiterhin zusammen benutzt werden konnten (SMGR 1961 S. 74 ff. und
1962 S. 159 ff. je E. 4 und 5). Aus gleichen Erwägungen wurde als zulässig
erachtet, dass ein Fabrikant von Rasierklingen die Masse und das Stanzbild
der (spezialrechtlich ungeschützten) "Gillette"-Klinge übernahm, um seine
Klingen für Gillette-Apparate verwendbar zu machen (BGE 73 II 194 ff.),
und dass eine Firma ihre Türscharniere nicht nur dem Erzeugnis eines
Konkurrenten, sondern auch dessen Montage-Werkzeugen anpasste, um diese
ebenfalls gebrauchen zu können (BGE 87 II 54 ff.).

    Anders verhält es sich nach der Rechtsprechung nur, wenn besondere
Umstände ein solches Vorgehen gleichwohl als wettbewerbswidrig erscheinen
lassen und daher die Anwendung der Generalklausel rechtfertigen. Das hat
das Bundesgericht z.B. aus einer Bestellung von Stoffmustern gefolgert,
welche eine Firma sich nicht nur zum Zwecke der Prüfung, sondern in
der Absicht verschafft hat, die eigenartigen Stoffe eines Konkurrenten
nachzuahmen (BGE 90 II 56 E. 6). Es hat dies unter Hinweis auf die
Lehre ferner für den Fall bejaht, dass ein Mitbewerber sich planmässig
an eine fremde Ausstattung heranschleicht, um dadurch den guten Ruf oder
Markterfolg von Konkurrenzerzeugnissen schmarotzerisch auszubeuten (BGE
108 II 75 E. 2c am Ende, 105 II 302 und 104 II 334 je mit Hinweisen).

    b) Was die Klägerin in dieser Hinsicht vorbringt, rechtfertigt einen
solchen Rückgriff auf die Generalklausel nicht. Zwar liegt es auf der Hand,
dass die Ipso-Schachteln an die Lego-Bausteine angepasst wurden, um deren
Bekanntheit zu nutzen und damit einen zusätzlichen Anreiz zu schaffen. Das
genügt nach den dargelegten Grundsätzen für sich allein aber nicht, um
im Sinn von Art. 1 Abs. 1 UWG einen Verstoss gegen Treu und Glauben zu
bejahen, da die Beklagte zugleich der Verwechslungsgefahr vorgebeugt hat.