Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 II 241



108 II 241

51. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 1. Dezember 1982 i.S.
Compagnie Internationale des Wagons-Lits et du Tourisme gegen Biregg
Verlag AG in Nachlassliquidation (Berufung) Regeste

    Namensrecht, Verletzung in den persönlichen Verhältnissen.

    Reproduktion alter Plakate eines Unternehmens im Postkartenformat. Dass
dabei auch die Firma des Unternehmens wiedergegeben wird, verletzt dessen
Namensrecht nicht (E. 5).

    Die Reproduktion verletzt das Unternehmen unter den gegebenen Umständen
auch nicht in seinen persönlichen Verhältnissen (E. 6).

Sachverhalt

    A.- Die Compagnie Internationale des Wagons-Lits et du Tourisme (im
folgenden CIWLT genannt) wurde im Jahre 1876 unter der Firma "Compagnie
Internationale des Wagons-Lits et de Grands Express Européens" in Bruxelles
gegründet, wo sie auch heute noch ihren Sitz hat. Sie schuf sich in der
Vor- und Zwischenkriegszeit einen Namen als bedeutendes Unternehmen
der Eisenbahnverkehrsbranche. Auf vielen Strecken des europäischen
Eisenbahnnetzes betrieb sie, zum Teil in weltberühmten Eisenbahnzügen,
ihre Schlaf-, Speise- und Salonwagen; zu diesem Zweck gab sie anfänglich
sogar eigene Billette, Fahrpläne und Reservationskarten heraus. Seit
Ende des zweiten Weltkrieges bemühte sie sich um eine Erweiterung ihres
Leistungsangebotes und baute vor allem den touristischen Bereich ihres
Unternehmens aus. Neben ihrer hergebrachten Tätigkeit führt sie heute
auf der ganzen Welt Reisebüros, Restaurations- und Hotelbetriebe. Im
Zusammenhang damit erfolgte auch die Änderung der ursprünglichen
Firmenbezeichnung in die heutige Firma.

    Um die Jahrhundertwende hatte die CIWLT eine Reihe von Plakaten
anfertigen lassen, um für einzelne Züge zu werben, so für den
Orientexpress, den Simplonexpress, den Engadinexpress, den "Club
Train Paris-Londres", etc. Exemplare dieser für die damalige Zeit
charakteristischen Plakate befinden sich in der Plakatsammlung des
Kunstgewerbemuseums Zürich; fast alle enthalten in gut sichtbarer Weise
die (frühere) Firmenbezeichnung der CIWLT.

    Die Biregg Verlag AG, die in Luzern einen Verlag mit Presse-
und Bildagentur betreibt, reproduzierte die alten Plakate der CIWLT in
Postkartenformat und verkaufte diese in der Schweiz sowie in beschränktem
Ausmass auch in Frankreich. Die CIWLT fühlte sich durch die Wiedergabe
ihrer früheren Firma auf den Postkarten in ihrem Persönlichkeitsrecht,
insbesondere in ihrem Namensrecht, verletzt.

    B.- Mit Klage gegen die Biregg Verlag AG vom 5. März 1981 stellte
die CIWLT beim Amtsgericht Luzern-Stadt folgende Rechtsbegehren:

    "1) Die Beklagte habe den Druck, Nachdruck und Vertrieb von
   alten Plakaten der Klägerin in Postkartenform zu unterlassen.

    2) Die sich noch im Umlauf befindlichen Postkarten habe die

    Beklagte einzuziehen und zu vernichten.

    3) Die Beklagte habe der Klägerin einen Schadenersatz von

    Fr. 10'000.-- zu bezahlen.

    4) Die Beklagte habe der Klägerin eine Genugtuung von

    Fr. 4'000.-- zu bezahlen.

    5) Die Beklagte habe der Klägerin Fr. 5'000.-- zu bezahlen
   als Gewinn aus dem Druck und Vertrieb der Postkarten.

    6) Die Klägerin sei zu ermächtigen, das Urteil in drei von
   ihr zu bestimmenden schweizerischen Tageszeitungen im Umfang von je
   einer Viertelseite auf Kosten der Beklagten veröffentlichen zu lassen."

    Die Beklagte widersetzte sich der Klage.

    Mit Urteil vom 16. Dezember 1981 wies das Amtsgericht die Klage ab.

    Auf Berufung der Klägerin hin bestätigte das Obergericht des Kantons
Luzern das amtsgerichtliche Urteil mit Entscheid vom 27. April 1982.

    C.- Gegen den obergerichtlichen Entscheid erhob die Klägerin Berufung
an das Bundesgericht wobei sie das Klagebegehren 2 fallen liess und die
geltendgemachten Geldbeträge herabsetzte.

    Die Beklagte beantragt die Abweisung der Berufung.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

    5.- Die Klägerin erblickt eine Verletzung ihres Namensrechts darin,
dass Bestandteil der von der Beklagten reproduzierten Plakate ihr
(früherer) Name bildet. Eine Namensanmassung im Sinne von Art. 29
Abs. 2 ZGB liegt indessen nur vor, wenn jemand den Namen eines
andern unbefugterweise zur Bezeichnung seiner eigenen Person oder
zur Kennzeichnung einer Sache (z.B. einer Zeitschrift, eines Gerätes
oder eines Geschäftsbetriebs) verwendet (BGE 102 II 165 f. E. 3 und 307
f. E. 2 mit Hinweisen). Die Anwendbarkeit von Art. 29 Abs. 2 ZGB setzt
somit voraus, dass die Kennzeichnungswirkung eines fremden Namens für
eigene Zwecke missbraucht wird. An dieser Voraussetzung fehlt es hier
offensichtlich. Mit der Wiedergabe der früheren Plakate der Klägerin hat
die Beklagte in keiner Weise den Anschein erweckt, der darauf befindliche
Name habe etwas mit ihr selber zu tun. Ob in der Öffentlichkeit allenfalls
der Eindruck entstehen konnte, dass die Klägerin mit der Beklagten in
Geschäftsverbindungen stehe oder dass die Klägerin die Postkarten als
Mittel zur Werbung verwende, wie in der Berufung geltend gemacht wird,
ist keine Frage des Namensschutzes. In der ungerechtfertigten Erweckung
eines falschen Eindrucks könnte höchstens eine (andere) Verletzung der
Klägerin in ihren persönlichen Verhältnissen im Sinne von Art. 28 Abs. 1
ZGB erblickt werden. Die Vorinstanz hat daher Art. 29 ZGB richtig auf
den hier zu beurteilenden Sachverhalt angewendet, indem sie das Vorliegen
einer Namensanmassung verneinte.

Erwägung 6

    6.- Eine Persönlichkeitsverletzung im Sinne von Art. 28 Abs.
1 ZGB liegt nur vor, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Es
muss sich um einen Eingriff in die persönlichen Verhältnisse eines
Rechtssubjekts handeln, und dieser Eingriff muss widerrechtlich sein
(was das Gesetz mit dem Wort "unbefugterweise" zum Ausdruck bringt). Ob
diese beiden Voraussetzungen im vorliegenden Fall zutreffen, ist im
folgenden näher zu prüfen. Mit Recht nicht streitig ist hingegen, dass
der Persönlichkeitsschutz des Art. 28 ZGB auch einer juristischen Person
wie der Klägerin zusteht (vgl. dazu vor allem BGE 95 II 488 ff. E. 4).

    a) Die Vorinstanz hat verneint, dass die um die Jahrhundertwende
entstandenen Plakate bereits wegen ihrer Eigenschaft als Mittel
der Werbung für die Klägerin unter den Schutz des Art. 28 Abs. 1 ZGB
fallen. Sie hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, es könnten nicht alle
Güter, die einen nur irgendwie gearteten Bezug zu einer Person hätten,
automatisch der durch Art. 28 ZGB geschützten Persönlichkeitssphäre
zugerechnet werden; andernfalls würde das Persönlichkeitsrecht eine
uferlose Ausdehnung erfahren; die in Frage stehenden Plakate hätten durch
den Zeitablauf ihren ursprünglichen Charakter als Kennzeichnungsmittel
der Klägerin längst eingebüsst; der Grundgedanke, dass nach Ablauf einer
gewissen Frist bestimmte Werke zum Allgemeingut würden, müsse auch für
Kennzeichnungsmittel gelten.

    Dieser Auffassung ist entgegen der Berufung grundsätzlich
beizupflichten. Insbesondere trifft der Vorwurf nicht zu, die Vorinstanz
habe den Gedanken der zeitlichen Begrenztheit des durch das Urheberrecht
garantierten Schutzes in unzulässiger Weise auch auf das Gebiet des
Persönlichkeitsrechts übertragen. Die Vorinstanz wollte lediglich zum
Ausdruck bringen, dass Werbemittel die für den Persönlichkeitsschutz
erforderliche enge Beziehung zu einer bestimmten Person mit der Zeit
verlieren können, selbst wenn sie ursprünglich den Charakter eines nach
Art. 28 ZGB geschützten Gutes aufgewiesen haben sollten. Diese Überlegung
steht nicht im Widerspruch zum Wesen des Persönlichkeitsschutzes. Es muss
hier nicht näher geprüft werden, inwieweit die Wiedergabe von Werbeplakaten
einer Geschäftsfirma durch eine mit dieser nicht in direktem Wettbewerb
stehende Person überhaupt als Verletzung in den persönlichen Verhältnissen
im Sinne von Art. 28 Abs. 1 ZGB zu betrachten ist. Es ist nicht völlig
auszuschliessen, dass sehr individuell gestaltete Werbemittel unter
Umständen zum Kreis der persönlichkeitsrechtlich geschützten Güter
gezählt werden können, mit der Wirkung, dass sie ohne Zustimmung des
Berechtigten nicht reproduziert werden dürfen. Die Schutzwürdigkeit
wäre aber höchstens für jene Zeit zu bejahen, während der solche Mittel
tatsächlich für die Werbung eingesetzt werden und damit zum ideellen
Bestandteil des betreffenden Wirtschaftsunternehmens werden. Dies
trifft indessen für die streitigen Plakate nicht zu. Diese sind für die
Klägerin nur noch von historischer Bedeutung. Ihre Reproduktion könnte
somit, wie die Vorinstanz mit Recht angenommen hat, nur dann als ein
Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin betrachtet werden,
wenn sie geeignet wären, einen falschen Anschein von der gegenwärtigen
Tätigkeit der Klägerin zu erwecken oder deren Bild in der Öffentlichkeit
sonstwie zu verfälschen. Dies ist nach Auffassung der Klägerin der Fall,
weil durch den Vertrieb der von der Beklagten hergestellten Postkarten
der Eindruck erweckt werde, die Klägerin betreibe mit veralteten Mitteln
Werbung für veraltete Dienstleistungen. Die Vorinstanz hat demgegenüber
ausgeführt, der durchschnittliche Betrachter der Postkarten werde diese
ohne weiteres als kleinformatige Wiedergabe von Werbeplakaten aus längst
vergangener Zeit, die keine Rückschlüsse auf das heutige Unternehmen
der Klägerin zuliessen, erkennen. In der Berufung wird diese Würdigung
als offensichtlich unrichtig gerügt. Da es sich dabei um eine Frage
der allgemeinen Lebenserfahrung und nicht um eine für das Bundesgericht
verbindliche Tatsachenfeststellung handelt, ist auf diese Rüge einzutreten.

    Gegen die Auffassung der Klägerin, dass die streitigen Reproduktionen
den Eindruck eines Werbemittels erweckten, spricht bereits deren
Ausgestaltung als Postkarten. Wer an einem Kiosk eine solche Karte erwirbt,
nimmt ebensowenig wie der Empfänger der Karte an, dass diese der aktuellen
Werbung für die Firma der Klägerin diene. Anders verhielte es sich
höchstens, wenn die Klägerin selber solche Karten zum Versand brächte,
was hier jedoch ausser Betracht fällt. Gegen den Werbezweck spricht auch,
wie im angefochtenen Urteil mit Recht hervorgehoben, der Umstand, dass
auf der Kartenrückseite angegeben ist, es handle sich bei der Abbildung
um ein altes Plakat aus der Plakatsammlung des Kunstgewerbemuseums
Zürich. Entgegen den Ausführungen in der Berufung verstärkt dieser Hinweis
den Eindruck, dass das abgebildete Plakat wegen seines für eine vergangene
Zeit typischen Charakters als Kartenmotiv gewählt wurde und in keinem
Zusammenhang mit der heutigen Tätigkeit der betreffenden Firma steht.
Die Wiedergabe des (früheren) Namens der Klägerin auf den Postkarten ändert
daran nichts. Die Firmenbezeichnung erscheint als natürlicher Bestandteil
des Plakats und erlaubt im Rahmen des Gesamtbildes keinen Rückschluss des
Betrachters auf die heutigen Aktivitäten der Klägerin. Ebenso trifft es
nicht zu, dass die Wiedergabe des Namens der Beklagten auf der Rückseite
der Postkarten die falsche Vorstellung hervorrufen könnte, die Klägerin
stehe mit der Beklagten in Geschäftsverbindungen.

    Erweckt aber die Wiedergabe der in Frage stehenden Plakate in
Postkartenform keinen falschen Eindruck hinsichtlich der Klägerin, so ist
nicht einzusehen, worin denn sonst eine Verletzung in den persönlichen
Verhältnissen bestehen sollte. Es ginge zu weit, aus Art. 28 Abs. 1 ZGB
ein ausschliessliches Verfügungsrecht der Klägerin über die Wiedergabe
ihrer früheren Werbeerzeugnisse ableiten zu wollen, sofern ihr Ruf und ihr
heutiges Erscheinungsbild wie hier durch die Reproduktion nicht betroffen
werden. Fehlt es aber an einem Eingriff in die persönlichen Verhältnisse
der Klägerin, kann von einer Persönlichkeitsverletzung schon aus diesem
Grunde nicht die Rede sein.

    b) Selbst wenn jedoch die in Frage stehenden Plakate entgegen dem
bisher Ausgeführten zum Kreis der nach Art. 28 ZGB geschützten Güter zu
rechnen wären, müsste das Verhalten der Beklagten einen widerrechtlichen
Charakter aufweisen, damit die Klägerin Ansprüche aus der Verletzung
ihres Persönlichkeitsrechts geltend machen könnte. Die Vorinstanz hat
angenommen, die für den Entscheid über die Widerrechtlichkeit typische
Güterabwägung ergebe, dass die Betätigungsfreiheit der Beklagten schwerer
wiege als das Interesse der Klägerin. Dies sei um so mehr der Fall, als
die schönen alten Plakate bereits als Teil des abendländischen Kulturguts
zu betrachten seien und das Interesse der Öffentlichkeit am unbeschwerten
Zugang zu den Zeugen einer längst vergangenen Plakatkunst das von der
Klägerin geltend gemachte Interesse bei weitem überwiege.

    Der Klägerin mag zugestimmt werden, wenn sie bezweifelt, ob der
künstlerische Wert der Plakate so hoch zu veranschlagen sei, dass ein
erhebliches öffentliches Interesse daran bestehe. Auch wenn man nicht
so weit gehen will, die betreffenden Plakate geradezu als Teil des
abendländischen Kulturgutes zu betrachten, ist das Interesse an deren
Wiedergabe dennoch nicht als gering zu betrachten. So wie alte Bilder
nach Erlöschen des urheberrechtlichen Schutzes frei reproduzierbar sind,
sollten auch alte Plakate grundsätzlich ohne Beschränkung wiedergegeben
werden können. Um das Rechtsgut der Betätigungsfreiheit aufwiegen zu
können, müsste auf der andern Seite ein privates Interesse von einigem
Gewicht vorhanden sein. Ein höherwertiges Interesse der Klägerin an der
Nichtwiedergabe ihrer alten Plakate in Postkartenform ist indessen nicht
erkennbar. Wie bereits in anderem Zusammenhang dargelegt, sind die von
der Beklagten herausgegebenen Postkarten nicht geeignet, zum Nachteil der
Klägerin einen falschen Eindruck zu erwecken. Insbesondere erscheint
die Befürchtung der Klägerin, durch den Vertrieb der streitigen
Postkarten entstehe in der Öffentlichkeit ein unzutreffendes Bild
über ihre heutige Tätigkeit, als unbegründet, da die Abbildungen ohne
weiteres als Plakate aus einer vergangenen Zeit erkennbar sind. Selbst
wenn die auf den Postkarten wiedergegebenen Plakate nicht in das heutige
Werbekonzept der Klägerin passen sollten, wäre die darin zu erblickende
Behinderung der Werbetätigkeit der Klägerin so gering, dass sie das
Interesse der Beklagten an der freien Wiedergabe der alten Plakate nicht
aufzuwiegen vermöchte. Anders verhielte es sich allenfalls dann, wenn die
reproduzierten Plakate die Erinnerung an frühere Aktivitäten der Klägerin
wecken würden, von denen diese sich inzwischen nicht nur völlig gelöst
hätte, sondern die auch ihrem Ansehen schaden könnten. Davon kann hier
indessen keine Rede sein. Ist das Interesse der Beklagten aber höher
zu bewerten als jenes der Klägerin, fehlt es an der Voraussetzung der
Widerrechtlichkeit. Auch unter diesem Gesichtspunkt hat die Vorinstanz
deshalb mit Recht verneint, dass eine Persönlichkeitsverletzung vorliege.