Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 II 177



108 II 177

36. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 31. März 1982 i.S. X.
und Mitbeteiligte gegen Z. (Berufung) Regeste

    Bäuerliches Erbrecht (Art. 621bis ZGB).

    Verhältnis zwischen der Nutzniessung am ganzen Nachlass gemäss
Art. 473 ZGB, die der Erblasser seiner hinterbliebenen Ehefrau, welche
zur Selbstbewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebes weder
geeignet noch willens ist, testamentarisch zugewiesen hat, und dem Anspruch
eines seiner Kinder auf ungeteilte Zuweisung des zum Nachlass gehörenden
landwirtschaftlichen Heimwesens zum Ertragswert.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Am 15. Februar 1973 trat die Gesetzesnovelle betreffend das
bäuerliche Erbrecht (darunter auch Art. 621bis ZGB) in Kraft. Besondere
übergangsrechtliche Bestimmungen brachte sie nicht. Es ist deshalb
Art. 15 SchlTZGB heranzuziehen, woraus sich ergibt, dass für das Erbrecht
grundsätzlich das im Zeitpunkt der Eröffnung des Erbganges, d.h. des Todes
des Erblassers, geltende Recht massgebend ist, und nicht dasjenige zur Zeit
der Errichtung einer letztwilligen Verfügung. Obschon das Testament des
Erblassers von 1969 datiert, ist somit das neue Recht auf den vorliegenden
Fall anwendbar, zumal der Erblasser im Jahre 1977 starb.

    Gemäss Art. 621bis ZGB kann einem Erben, der ein zur Erbschaft
gehörendes landwirtschaftliches Gewerbe selbst bewirtschaften will und
hiefür geeignet erscheint, das Recht auf ungeteilte Zuweisung weder
durch letztwillige Verfügung noch durch Erbvertrag entzogen werden
(Abs. 1). Vorbehalten bleiben Enterbung und Erbverzicht (Abs. 2). Im
Sinne einer Teilungsanordnung kann bei einer Vielzahl von Erben, die die
gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, durch Verfügung von Todes wegen
einer davon als Übernehmer bestimmt werden (Abs. 3).

    In seiner Ergänzungsbotschaft zum Entwurf eines Bundesgesetzes
über Änderungen des bäuerlichen Zivilrechts vom 8. März 1971 (BBl
1971 I S. 737 ff.) hatte der Bundesrat hinsichtlich der Änderungen im
Bereiche des Erbrechts ausdrücklich festgehalten, dass das Vorrecht auf
ungeteilte Zuweisung noch klarer als früher dem Willen und der Fähigkeit
zur Selbstbewirtschaftung untergeordnet werden soll (S. 748). Zum neuen
Art. 621bis ZGB im besonderen führte er aus, dass diese Bestimmung
verhindern soll, dass ein Testament oder ein Erbvertrag nur zu dem
Zweck errichtet werde, einen zur Selbstbewirtschaftung fähigen und
geeigneten Erben um sein Vorzugsrecht zu bringen. Wo die Fähigkeit zur
Selbstbewirtschaftung und der entsprechende Wille dazu grundsätzlich
vorhanden sind, soll mithin nach dem neuen Recht nur noch eine freie
Vereinbarung der Erben unter sich, nicht mehr aber der Wille des
Erblassers, die Selbstbewirtschaftung durch einen teilungsrechtlich
bevorzugten Erben verhindern können (vgl. auch ESCHER, N. 7 zu Art. 621bis
ZGB; ESCHER, Ergänzungslieferung zum landwirtschaftlichen Erbrecht, N. 7
zu Art. 621bis ZGB; TUOR/SCHNYDER, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch,
9. Aufl., Nachdruck 1979, S. 478 f.).

Erwägung 4

    4.- Dass die Klägerin und ihr Ehemann willens und auch fähig sind,
den ...hof selber zu bewirtschaften, wird von den Berufungsklägern
nicht in Abrede gestellt. Bei der inzwischen 76 Jahre alt gewordenen
R. X.-Y. sind diese Voraussetzungen dagegen nicht erfüllt. Wenn
ihr gestützt auf das Testament des Erblassers vom 12. März 1969 der
...hof zu voller Nutzniessung zugewiesen würde, käme dies demnach einer
Missachtung des Grundsatzes der Selbstbewirtschaftung gleich. Die mit
der Nutzniessung verbundene Nutzung und Verwaltung könnte darüber hinaus
auch dazu führen, dass S. Z.-X., der den landwirtschaftlichen Betrieb seit
1963 als Pächter bewirtschaftet, gezwungen wäre, die Pacht innerhalb der
gesetzlich vorgesehenen Frist aufzugeben. Dies ungeachtet der Tatsache,
dass seine Ehefrau, die Klägerin, spätestens nach dem Tode ihrer Mutter
das landwirtschaftliche Heimwesen ungeteilt zugewiesen erhalten soll. Auch
aus dieser Sicht würde dem Anliegen der Selbstbewirtschaftung in einem
unzulässigen Ausmass Abbruch getan.

    Die Hinweise der Berufungskläger auf Rechtsprechung und Lehre
beziehen sich weitgehend auf die Zeit vor Inkrafttreten der neuen
Bestimmungen zum bäuerlichen Erbrecht. Indessen wurde dem Gesichtspunkt
der Selbstbewirtschaftung schon unter dem früheren Recht grosses Gewicht
beigemessen (vgl. BGE 92 II 313 ff., insbesondere 321 E. 3, wo darauf
abgestellt wurde, ob die überlebende Ehefrau - der gemäss Art. 462 Abs. 2
ZGB ein Viertel des Nachlasses zu Eigentum und drei Viertel zu Nutzniessung
zustanden - zur Selbstbewirtschaftung des zur Erbschaft gehörenden
landwirtschaftlichen Gewerbes geeignet und willens war; dazu auch ESCHER,
N. 46 zu Art. 620 ZGB). Es war auch in der herrschenden Lehre anerkannt,
dass der Nutzniessungsanspruch des überlebenden Ehegatten mit Rücksicht
auf die Sondervorschriften der Art. 620 ff. ZGB gewisse Einschränkungen
erleiden müsse, beispielsweise im Sinne einer Beschränkung der Nutzniessung
auf eine blosse Ertragsbeteiligung, d.h. unter Ausschluss einer auch die
Bewirtschaftung umfassenden Verwaltung des landwirtschaftlichen Gewerbes
(vgl. ESCHER, N. 47 zu Art. 620 ZGB mit Hinweisen).

    Auch der Hinweis der Berufungskläger darauf, dass der Erblasser neben
der Zuwendung an seine Ehefrau auch noch einen Teilungsaufschub bis zu
deren Tod verfügte, ist nicht geeignet, den angefochtenen Entscheid als
bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen. Ein Teilungsaufschub würde
die Ziele des bäuerlichen Erbrechts gefährden, die nicht nur in der
Verhinderung einer übermässigen Zerstückelung des landwirtschaftlichen
Bodens und in der Vermeidung einer Überschuldung liegen, sondern vor allem
auch in der Erhaltung eines landwirtschaftlichen Gewerbes in der Familie.

Erwägung 5

    5.- Zur Verwirklichung der Ziele des bäuerlichen Erbrechts
genügt es, eine allfällige Nutzniessung auf eine Ertragsbeteiligung
zu beschränken. Ob diese Ertragsbeteiligung als Kapitalabfindung zu
gestalten sei, wie die Vorinstanz unter Hinweis auf PIOTET (Erbrecht,
in: Schweizerisches Privatrecht Bd. IV/2, S. 1070) anzunehmen scheint,
braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Nach den vor
Bundesgericht nicht bestrittenen Feststellungen der Vorinstanz steht
dem Ertragswert des landwirtschaftlichen Heimwesens von Fr. 184'349.--
eine Grundpfandbelastung von Fr. 172'000.-- gegenüber. Ausserdem sind als
Passiven auch die Wohnrechte zu Gunsten von R. X.-Y. sowie zu Gunsten
von T. und U. X. einzusetzen, die mit Fr. 12'765.-- bzw. Fr. 2'164.--
bewertet wurden. Es liegt somit ein geringfügiger Passivsaldo vor,
der eine in der Nutzniessung begründete Ertragsbeteiligung von
R. X.-Y. mindestens zur Zeit ausschliesst.