Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 II 15



108 II 15

3. Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. Januar 1982 i.S. Fussballclub
Zürich gegen Nationalliga des Schweizerischen Fussballverbandes (Berufung)
Regeste

    Vereinsrecht; Abgrenzung von Spielregeln und Mitgliedschaftspflichten.

    1. Streitigkeiten um die Gültigkeit von Vereinsbeschlüssen sind nicht
vermögensrechtlicher Natur und daher stets berufungsfähig (E. 1a).

    2. Beschlüsse des Vereinsvorstandes können nur dann gerichtlich
angefochten werden, wenn sie in die Mitgliedschaftsrechte der
Vereinsmitglieder eingreifen (E. 2).

    3. Die Frage, ob ein Vereinsorgan eine Spielregel richtig angewendet
habe, ist richterlicher Überprüfung nicht zugänglich, auch nicht unter dem
Gesichtspunkt des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Vereinsmitglieder
(E. 3).

    4. Die Pflicht der in der Nationalliga zusammengeschlossenen
Fussballclubs, gegenüber den Zuschauern für Ordnung auf dem Spielfeld
zu sorgen, kann nicht nur eine Spielregel darstellen, sondern auch eine
mitgliedschaftliche Pflicht, welche die Clubs unabhängig vom Verlauf
der einzelnen Spiele als Verbandsmitglieder trifft. Die Frage, ob diese
Pflicht verletzt sei und ob deswegen gegenüber dem fehlbaren Verein eine
Sanktion ausgesprochen werden müsse, ist richterlicher Überprüfung insoweit
nicht zum vornherein entzogen. Im vorliegenden Fall verstiess das Absehen
von einer Sanktion nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der
Vereinsmitglieder (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Beim Fussballspiel zwischen dem FC Sion und dem FC Zürich
vom 26. April 1980 wurde der dem FC Zürich angehörende Spieler Zappa
schon kurz nach Spielbeginn auf dem Platz des Gegnerclubs durch eine
Flasche, die aus den Zuschauerreihen geschleudert worden war, am Kopf
verletzt. Zappa wurde zufolge der Verletzung vom Spielfeld getragen und
in ärztliche Pflege gebracht. Auf Anraten des Arztes musste er auf die
Teilnahme an einem drei Tage später stattfindenden Länderkampf zwischen
der Schweiz und Irland verzichten.

    Diese Verletzung veranlasste den Spielführer des FC Zürich zu einem
unverzüglichen Protest beim Schiedsrichter. Im Spiel blieb der FC Sion
mit 3:2 Toren siegreich. Am 28. April 1980 verlangte der FC Zürich,
dass das Komitee der Nationalliga des Schweizerischen Fussball-Verbandes
(SFV) das Spiel in Anwendung von Art. 73 Ziff. 3 lit. i in Verbindung mit
Art. 14 des Wettspiel-Reglementes des SFV für den FC Sion 0:3 verloren
(forfait) erkläre.

    Mit Entscheid vom 14. Mai 1980 wies das nach Art. 30 Abs. 2 des
Reglementes für den Spielbetrieb der Nationalliga des SFV endgültig
entscheidende Komitee den Protest des FC Zürich ab. Gleichzeitig wurde
aber der FC Sion in Anwendung von Art. 37 und 38 des Reglementes für den
Spielbetrieb der Nationalliga und von Art. 14 des Wettspiel-Reglementes
mit einem Verweis und einer Busse von Fr. 6'000.-- belegt.

    B.- Am 6. Juni 1980 erhob der FC Zürich beim Gerichtspräsidenten III
von Bern gegen die Nationalliga des SFV Klage mit folgendem Rechtsbegehren:

    "1. Es sei gerichtlich festzustellen, dass der Entscheid des Komitees
   der Nationalliga vom 14. Mai 1980 in Sachen Protest des Fussballclubs

    Zürich zum Spiel FC Sion: FC Zürich vom 26. April 1980 die
Vereinsstatuten
   verletzt (Feststellungsklage).

    2. Der Entscheid des Komitees der Nationalliga vom 14. Mai 1980 in

    Sachen Protest FC Zürich gegen das Spiel FC Sion: FC Zürich vom
26. April

    1980 sei aufzuheben und die Beklagte aufzufordern, einen mängelfreien

    Beschluss zu fassen (Gestaltungsklage)."

    Mit Urteil vom 5. Januar 1981 hiess der Gerichtspräsident die Klage
gut und stellte fest, dass der Entscheid des Komitees der Nationalliga
die Statuten bzw. Reglemente verletze; er hob diesen Entscheid auf und
wies die Sache zur Fällung eines reglementskonformen Entscheids an das
Komitee der Nationalliga zurück.

    In Gutheissung einer Appellation der Beklagten wies der Appellationshof
des Kantons Bern mit Urteil vom 19. Mai 1981 die Klage ohne Prüfung der
Begründetheit zurück.

    C.- Gegen dieses Urteil erhob der Kläger Berufung an das Bundesgericht
mit dem Antrag, es sei die sachliche Zuständigkeit des ordentlichen
Zivilrichters für die materielle Behandlung der Prozessangelegenheit
festzustellen und das Urteil des Gerichtspräsidenten vollumfänglich
zu bestätigen. Für den Fall, dass das Bundesgericht die Sache als
vermögensrechtlich qualifizieren sollte, verlangt er, seine Eingabe sei
als Nichtigkeitsbeschwerde entgegenzunehmen.

    Die Beklagte beantragt, auf die Berufung sei nicht einzutreten,
eventuell sei sie abzuweisen.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Gemäss Art. 1 ihrer Statuten ist die Nationalliga eine als
Verein verselbständigte Abteilung des Schweizerischen Fussball-Verbandes.
Ihre Mitglieder, zu denen auch der Kläger gehört, sind ihrerseits
Vereine. Das Komitee der Nationalliga wird von der Generalversammlung
gewählt und bildet den Vereinsvorstand. Mit der Klage wird geltend gemacht,
der Entscheid des Komitees vom 14. Mai 1980 verstosse im Sinne von Art. 75
ZGB gegen die Vereinsstatuten beziehungsweise -reglemente. Streitigkeiten
um die Gültigkeit von Vereinsbeschlüssen sind nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichts nicht vermögensrechtlicher Natur und daher nach Art. 44
Abs. 1 OG stets berufungsfähig (vgl. BGE 82 II 296, 51 II 527). Ist aber
die Berufung grundsätzlich zulässig, so fällt der Eventualantrag des
Klägers, die Sache sei als Nichtigkeitsbeschwerde entgegenzunehmen, dahin.

    b) Die Beklagte begründet ihren Nichteintretensantrag damit, es fehle
dem Kläger am Rechtsschutzinteresse. Selbst wenn nämlich das Spiel vom
26. April 1980 in Gutheissung der Klage zugunsten des Klägers "forfait"
erklärt würde, hätte dies keine Änderung der Rangierung des Klägers in der
Meisterschaft 1980 zur Folge, ganz abgesehen davon, dass der Ausgang jenes
Spiels und jener Meisterschaft nur noch von sporthistorischem Interesse
sei. Damit vermengt die Beklagte aber das Interesse am Rechtsmittel mit
jenem an der Klage. Dass der Kläger durch den Nichteintretensentscheid
der Vorinstanz beschwert ist und er deshalb ein Interesse an dessen
Anfechtung hat, liegt auf der Hand. Das genügt aber als Voraussetzung für
die Berufung. Ob heute noch ein Interesse an der Gutheissung der Klage
besteht, ist gegebenenfalls bei der materiellen Behandlung der Berufung
zu prüfen.

    c) Auf die Berufung ist somit einzutreten. Der Verweis des Klägers
auf seine Vorbringen im kantonalen Verfahren ist indessen unbeachtlich
(BGE 104 II 192 E. 1). Das gleiche gilt für seine erst nach Ablauf der
Berufungsfrist eingegangene Eingabe vom 9. Dezember 1981.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 75 ZGB können Vereinsbeschlüsse, die das Gesetz oder die
Statuten verletzen, von jedem Vereinsmitglied, das nicht zugestimmt hat,
binnen Monatsfrist beim Richter angefochten werden. Mit dieser Bestimmung
soll nicht nur dem einzelnen Vereinsmitglied Rechtsschutz gegen die
korporative Mehrheit hinsichtlich seiner Mitgliedschaft eingeräumt, sondern
- unbesehen von Marginale und Gesetzessystematik - darüber hinaus ganz
allgemein für die Rechtmässigkeit des korporativen Lebens gesorgt werden
(HEINI, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. II, S. 548/549). Indessen
haben Lehre und Rechtsprechung die beiden Rechtsschutzbereiche insofern
unterschiedlich gewichtet, als dem Schutz der Mitgliedschaftsrecht
zufolge ihrer Personenbezogenheit besondere Bedeutung zukommen soll. Ein
Beschluss, der Mitgliedschaftsrechte verletzt, kann daher auch dann
richterlich überprüft werden, wenn er nicht von der Vereinsversammlung,
dem obersten Organ des Vereins, sondern von einem abschliessend zuständigen
unteren Vereinsorgan gefasst worden ist, während ein Vorstandsbeschluss,
der nicht Mitgliedschaftsrechte betrifft, einer richterlichen Kontrolle
entzogen bleibt (HEINI, aaO S. 549; TUOR/SCHNYDER, Das Schweizerische
Zivilgesetzbuch, 9. Aufl., S. 123). Freilich hat das Bundesgericht in
BGE 76 II 65 bemerkt, es sei nie bezweifelt worden, dass die direkte
gerichtliche Anfechtung von Beschlüssen verwaltender Organe des Vereins
nicht zulässig sei. Diese Bemerkung geht jedoch zu weit und kann sich nur
auf die Anfechtung von Beschlüssen des Vereinsvorstandes beziehen, die
entweder nicht letztinstanzlich sind oder nicht in die mitgliedschaftlichen
Rechte der Vereinsmitglieder eingreifen. Dass Beschlüsse unterer, aber
abschliessend entscheidender Vereinsorgane angefochten werden können,
wenn sie Mitgliedschaftsrechte verletzen, hat das Bundesgericht denn auch
verschiedentlich angenommen (vgl. z. B. BGE 85 II 535 und 70 II 63 ff.
bezüglich der Anfechtung eines durch den Vereinsvorstand letztinstanzlich
verfügten Ausschlusses, BGE 52 I 72 ff. bezüglich der Überprüfbarkeit
einer vom Vorstand gegen ein Vereinsmitglied ausgefällten Vereinsbusse).

    Der Umstand, dass der Beschluss eines der Generalversammlung
untergeordneten Organs der Beklagten angefochten wird, steht dem Eintreten
auf die Klage daher nicht zum vornherein entgegen.

Erwägung 3

    3.- Der vereinsintern nicht weiterziehbare Beschluss des Komitees
der Nationalliga vom 14. Mai 1980 verletzt nach Auffassung des Klägers in
dem Sinne seine Mitgliedschaftsrechte, dass durch eine falsche Anwendung
der Art. 14 und 73 des Wettspiel-Reglementes des SFV beziehungsweise
durch den Verzicht auf eine Forfait-Erklärung des Spieles zwischen
dem FC Sion und dem Kläger vom 26. April 1980 zugunsten des letzteren
unter den in der Nationalliga als Konkurrenten zusammengeschlossenen
Fussballvereinen eine rechtsungleiche Behandlung eingetreten sei. Diese
rechtsungleiche Behandlung habe für den Kläger wie für jedes andere
derart behandelte Mitglied der Nationalliga insofern weittragende Folgen,
als nicht nur Erfolg und Misserfolg im Fussballwettkampf, sondern auch
spürbare finanzielle Auswirkungen im positiven oder negativen Sinn im
Spiele stünden.

    Eine solche Betrachtungsweise müsste aber dazu führen, dass jeder
Fehlentscheid eines Spielrichters in einem einzelnen Wettkampf, der dann
schliesslich über Erfolg oder Misserfolg in diesem Wettkampf entscheidet,
als rechtsungleiche Behandlung angesehen werden könnte und damit unter
dem Gesichtspunkt der Verletzung von Mitgliedschaftsrechten richterlicher
Überprüfung zugänglich würde. Soweit kann aber das Recht nicht in die
Regelung von Spiel und Sport eingreifen, ohne Spiel und Sport am Lebensnerv
zu treffen. Die in Rechtsprechung und Lehre vorgenommene Ausscheidung von
Bereichen, die bei der Abwicklung von Spiel und Sport rechtlicher Regelung
zugänglich oder davon ausgeschlossen bleiben sollen, findet gerade darin
ihre Rechtfertigung, dass das Spiel letztlich nicht dadurch sinnlos wird,
dass es immer wieder durch den Gang zum Richter unterbrochen wird. Auch
wenn ein entsprechender rechtsgeschäftlicher oder korporativer Wille
an sich und unbesehen von Art. 513 OR denkbar wäre und tatsächlich zum
Ausdruck gebracht würde, bliebe eines nicht zu verkennen: Die Regeln,
die das Spiel in seiner konkreten Ausführung auf dem Spielfeld regeln
und insoweit nicht einfach eine bestimmte Spielart abstrakt umschreiben,
auf die sich verschiedene Spieler und Spielervereine verpflichten, lassen
sich nicht in eine privatrechtliche Rechtsbeziehung einkleiden. So weist
KUMMER (Spielregel und Rechtsregel, S. 35 ff.) zu Recht darauf hin, dass
sowohl die rechtliche Ausgestaltung wie auch die rechtliche Durchsetzung
von konkreten Regeln über das Spielverhalten zu Schwierigkeiten Anlass
geben würden. Tatsächlich lässt sich eine rechtzeitige Durchsetzung
von Unterlassungspflichten, die für den korrekten Ablauf eines Spieles
von grosser Bedeutung sind, kaum vorstellen, wie auch eine Sanktion für
"Schlechterfüllung" zu absonderlichen Ergebnissen führen müsste. Für die
Einhaltung der Spielregeln auf dem Spielfeld ist vielmehr regelmässig
ein Spielrichter vorgesehen, der innerhalb des Spielablaufs endgültig
entscheidet und auch grundsätzlich endgültig entscheiden muss, da der
Spielverlauf in ein Ganzes einmündet und sich auch das Spielverhalten der
einzelnen Spieler immer von neuem gegenseitig bedingt. Und dies gilt dem
Grundsatz nach auch dann, wenn dem Spielrichter selber Fehler unterlaufen,
die ihren Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg im Spiel haben können.

    Damit soll indessen nur festgehalten werden, dass es bei Spiel und
Sport einen rechtsfreien Raum gibt, in dem nicht jede Unkorrektheit,
die ohne weitere auf das Spiel bezogene Sanktion bleibt, einer ungleichen
Behandlung von Vereinsmitgliedern gleichkommt (vgl. dazu auch BGE 103 Ia
410 ff. und 97 I 488 ff. sowie die Urteile des Kassationsgerichts Zürich in
SJZ 53/1957 S. 152 ff. und des Obergerichts Luzern in ZBJV 100/1964 S. 550
ff.). Tatsächlich kommt es aber immer wieder vor, dass bestimmte Formen
von Fehlverhalten beim Spiel auch ausserhalb des Spieles und unabhängig von
dessen Ergebnis vereinsintern besonders geahndet werden. Regelmässig sehen
Spielreglemente von Vereinen und Verbänden besondere Sanktionen ausserhalb
des Spieles vor, wenn besonders krass oder wiederholt gegen eine Spielregel
verstossen worden ist. Es handelt sich hier um Massnahmen, mit denen
bezweckt wird, das sportliche Wohlverhalten zu fördern. Dass eine solche
vereinsinterne Massregelung den betroffenen Spieler oder den einzelnen
Mitgliederverein eines Verbandes auch in seiner Person hart treffen und
dass dadurch auch die mitgliedschaftsrechtliche Stellung des Betroffenen
im Verein oder Verband berührt werden kann, leuchtet ohne weiteres ein,
wenn man an Verweis, Busse, Spielverbot und anderes mehr denkt. Es geht
hier um eine mit der Spielregel zwar verknüpfte, aber doch getrennt von
ihr bleibende Vereinsstrafe, die der richterlichen Überprüfung durchaus
zugänglich sein kann (KUMMER, aaO S. 48 ff.). Eine richterliche Überprüfung
von solchen Sanktionen ist auch dort vorzubehalten, wo sich zwar diese
"Strafe" auf das Ergebnis eines Spieles oder eines Wettkampfes bezieht,
der Tatbestand, an den die Sanktion angeknüpft wird, aber nichts mit einem
Spiel, sondern mit allgemeinen Spieler- oder Spielervereinspflichten zu
tun hat. So verhält es sich beispielsweise, wenn die verspätete Bezahlung
von Mitgliederbeiträgen mit einem Abzug von Wettkampfpunkten geahndet
wird (KUMMER, aaO S. 47). Dass der Richter schliesslich auch dort nicht
von vornherein ausgeschlossen werden kann, wo mitgliedschaftsrechtliche
Beziehungen zwischen Spieler und Verein oder Spielerverein und Dachverband
zur Diskussion stehen, bedarf kaum der besonderen Erwähnung.

Erwägung 4

    4.- Mit der Klage wird nun geltend gemacht, das Verhalten eines
Spielzuschauers habe dazu geführt, dass der Spielverlauf im Wettkampf
FC Sion - FC Zürich vom 26. April 1980 in gröbster Weise gestört worden
sei. Der Wettkampf hätte daher entgegen dem Spielergebnis von 3:2 zugunsten
des FC Sion in Anwendung der Art. 14 und 73 des Wettspiel-Reglementes
des SFV zu dessen Ungunsten 0:3 verloren erklärt werden müssen.

    a) Auf begründeten Protest hin ist nach Art. 73 des
Wettspiel-Reglementes ein Wettspiel mit 0:3 Toren forfait für jene
Mannschaft verloren zu erklären, durch deren Verschulden unter anderem die
normale Abwicklung des Spiels beeinträchtigt wird. Das soll gemäss Ziffer 3
lit. i dieser Bestimmung auch dann zutreffen, wenn ein Zuschauer anlässlich
eines Wettspiels einen Spieler mit einem Wurfgeschoss verletzt. Gestützt
auf das bisher Ausgeführte darf nun zur Beantwortung der Frage, ob dem
Richter die Kontrolle einer Anwendung von Art. 73 Ziff. 3 lit. i des
Wettspiel-Reglementes verwehrt bleiben muss, nicht allein auf die Tatsache
abgestellt werden, dass ein Fehlverhalten eines Zuschauers, das seitens des
Fussballverbandes einem Fussballverein zugerechnet wird, mit einer Sanktion
geahndet wird, die ein tatsächlich erzieltes Spielergebnis zuungunsten
des Fehlbaren abändert. Vielmehr gilt es zusätzlich zu prüfen, ob hier
eine Spielstrafe für eine Spielregelverletzung oder eine solche für eine
Verletzung von mitgliedschaftsrechtlichen Pflichten vorgesehen wird. Trifft
letzteres zu, bleibt der Entscheid der Vereinsinstanz der richterlichen
Überprüfung nicht von vornherein entzogen, und in diesem Rahmen ist es
auch nicht ausgeschlossen, den Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der
Vereinsmitglieder miteinzubeziehen (dazu KUMMER, aaO S. 61 mit Verweis
auf MERZ zu entsprechenden Verhältnissen beim Kartell).

    b) Nun hat zwar das Komitee der Nationalliga im Zusammenhang mit dem
Protest des Klägers den fraglichen Art. 73 des Wettspiel-Reglementes
präzisierend ausgelegt: Vom protestierenden Verein wird ein Nachweis
darüber verlangt, dass eine bestimmte Beziehung zwischen dem das Spiel
behindernden Zuschauer und dem im Sinne einer Spielstrafe zur Verantwortung
zu ziehenden Wettkampfteilnehmer besteht. Und dieser Nachweis geht nicht
im Sinne einer Tatsachenvermutung zu Lasten des Platzclubs, solange keine
andern Umstände nachgewiesen sind. Damit ist aber noch nichts darüber
ausgesagt, ob die hier den Wettkampfvereinen zugedachte Ordnungspflicht
als mitgliedschaftliche Pflicht der einzelnen Verbandsmitglieder oder als
reine Spielregel angesehen werden muss. Letzteres bejaht die Vorinstanz
in Übereinstimmung mit KUMMER, der die Pflicht der Wettkampfvereine,
für einen auch seitens der Zuschauer nicht gestörten Spielablauf zu
sorgen, den Spielregeln im weiteren Sinne, und zwar den Regeln über die
technischen Spielbehelfe, zuordnet (aaO S. 76). Die entgegengesetzte
Auffassung vertritt der Gerichtspräsident von Bern, der die Pflicht der
Wettkampfvereine, für Ordnung auf dem Spielfeld auch gegenüber Zuschauern
zu sorgen, als allgemeine, vom einzelnen Spielverlauf unabhängige,
vereinsrechtliche Pflicht ansieht. Es ist in der Tat nicht zu übersehen,
dass eine allgemeine Ordnungspflicht gegenüber Zuschauern sich nicht ohne
weiteres mit Regeln über die technischen Voraussetzungen eines Spiels
vergleichen lässt, wie sie etwa in den Anforderungen an die Ausrüstung
der Spieler und des Spielfeldes zum Ausdruck kommen. Auf der andern Seite
lässt sich nicht leichthin bestreiten, dass die Ordnungspflicht gegenüber
dem Publikum eines Wettkampfes auch zum Zweck hat, dass nicht auf den nach
Spielregeln verlaufenden Wettkampf von Drittseite unzulässig eingegriffen
und damit das Spielergebnis verfälscht wird.

    c) Angesichts dieser Grenzsituation hat das Komitee der Nationalliga
auf die vom Kläger verlangte Spielstrafe gemäss Art. 73 Ziff. 3 lit. i
des Wettspiels-Reglementes verzichtet und gestützt auf Art. 37 und 38
des Reglementes für den Spielbetrieb der Nationalliga und auf Art. 14
des Wettspiel-Reglementes dem Platzclub FC Sion bloss einen Verweis und
eine Busse auferlegt. Derartige Vereinsstrafen sind nach dem Gesagten
einer richterlichen Überprüfung nicht von vornherein entzogen. Sie wurden
indessen im konkreten Fall vom Betroffenen nicht in Frage gestellt. Der
Kläger ist durch sie nicht berührt. Er macht vielmehr geltend, seine
mitgliedschaftsrechtliche Stellung im Rahmen der Nationalliga sei dadurch
verletzt worden, dass das Komitee der Nationalliga in rechtsungleicher
Weise eine Spielstrafe nicht ausgesprochen habe, die im Zusammenhang
mit einer mitgliedschaftsrechtlichen und nicht bloss spielregelmässigen
Pflichtverletzung hätte ausgesprochen werden müssen. Der Prüfung dieser
Frage hätte sich die Vorinstanz nicht grundsätzlich entziehen dürfen. Von
einer Rückweisung der Sache kann indessen abgesehen werden, da jeder
Nachweis fehlt, dass das Komitee der Nationalliga in gleichgelagerten
Fällen einen andern Massstab zur Anwendung gebracht hat, der einer
ungleichen Behandlung verschiedener Wettkampfvereine innerhalb der
Nationalliga gleichkäme. Der Hinweis des Klägers darauf, dass das Komitee
der Nationalliga beabsichtige, Vorfälle wie jenen vom 26. April 1980 in
Sion auch in Zukunft in gleicher Weise zu "regeln", deutet vielmehr in
die entgegengesetzte Richtung.

    Ist aber ein Verstoss gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung
der Vereinsmitglieder nicht dargetan, so ist die Klage zum vornherein
abzuweisen, ohne dass die Reglementskonformität des angefochtenen
Beschlusses geprüft werden müsste. Ein anderweitiger Eingriff in
die Mitgliedschaftsrechte des Klägers ist nicht behauptet worden;
ein Vorstandsbeschluss, der nicht Mitgliedschaftsrechte betrifft,
ist aber nach dem in Erwägung 2 Gesagten der richterlichen Kontrolle
entzogen. Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob der
Richter überhaupt befugt wäre, über die blosse Aufhebung des angefochtenen
Vereinsbeschlusses hinaus einen Verein dazu zu verhalten, gegenüber einem
nicht am Prozess beteiligten Vereinsmitglied eine Sanktion, zumal eine
Spielstrafe, auszusprechen, wie dies der Kläger sinngemäss verlangt.
Ebensowenig braucht entschieden zu werden, ob der Kläger heute noch ein
Interesse an einer solchen Sanktion hat.

    d) Die Berufung erweist sich somit als unbegründet. Indessen kann
das Urteil der Vorinstanz insoweit nicht bestätigt werden, als die Klage
zurückgewiesen statt abgewiesen worden ist.