Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 III 65



108 III 65

21. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom
11. November 1982 i.S. Konkursmasse Vinzenz Otto Schwizer (Rekurs) Regeste

    Art. 224 SchKG.

    Kompetenzqualität eines zur Berufsausübung notwendigen
Autos. Auswechslung eines luxuriösen Kompetenzstücks durch einen billigeren
Gegenstand.

Sachverhalt

    A.- Am 26. März 1982 wurde über Vinzenz Otto Schwizer zufolge
Insolvenzerklärung der Konkurs eröffnet. Am 6. Mai 1982 ersuchte der
Schuldner um Freigabe seines Personenwagens Marke Peugeot 505, Jahrgang
1982, den er wenige Wochen vor der Konkurseröffnung zum Preise von rund
Fr. 22'000.-- gekauft hatte. Er machte geltend, er benötige das Auto zur
Berufsausübung. Das Konkursamt Willisau als Konkursverwaltung wies das
Gesuch mit Verfügung vom 18. Mai 1982 ab. Eine Beschwerde des Schuldners
gegen diese Verfügung wurde vom Amtsgerichtspräsidenten von Willisau am
4. August 1982 abgewiesen, von der Schuldbetreibungs- und Konkurskommission
des Obergerichts des Kantons Luzern als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde
über Schuldbetreibung und Konkurs dagegen mit Entscheid vom 30. September
1982 gutgeheissen.

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts weist
einen Rekurs der Konkursmasse gegen den Entscheid des Obergerichts ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Vorinstanz hat aufgrund einer telefonischen Befragung
des Arbeitgebers des Schuldners festgestellt, dieser hätte seine
damalige Stellung als "Lüftungsmonteur A" nicht erhalten, wenn er
nicht im Besitz eines eigenen Autos gewesen wäre. Die "A-Monteure"
müssten nämlich in der Lage sein, ihr Kleinwerkzeug im eigenen Auto
mitzuführen. Es entspreche einer allgemein bekannten Übung, dass Monteure
der Heizungs- und Lüftungsbranche mit dem eigenen Wagen an ihre jeweiligen
Montagestellen fahren müssten. Betriebseigene Fahrzeuge würden lediglich
den Service-Monteuren zur Verfügung gestellt. Der Schuldner sei jedoch
nicht als Service-Monteur und auch nicht im Hauptgeschäft in Luzern
beschäftigt, sondern übe seine Tätigkeit auswärts "auf Montage" aus.
Der Weg zur Arbeit führe nicht über die Zentrale in Luzern, sondern direkt
vom Wohnort zur Arbeitsstelle. Für die Benutzung des eigenen Autos zur
Fahrt auf die verschiedenen Montagestellen beziehe der Schuldner eine
Pauschalentschädigung.

    Diese Feststellungen sind tatsächlicher Natur und binden daher
das Bundesgericht (Art. 81 in Verbindung mit Art. 63 Abs. 2 OG). Die
gegenteiligen Ausführungen in der Rekursschrift sind daher nicht
zu hören. Ob die Vorinstanz auf eine telefonisch eingeholte Auskunft
abstellen durfte, ist sodann eine Frage des kantonalen Verfahrensrechtes,
dessen Anwendung das Bundesgericht im Rekursverfahren nicht überprüfen
kann (Art. 81 in Verbindung mit Art. 43 Abs. 1 OG). Geht man aber von
den Feststellungen der Vorinstanz aus, so ist deren Schluss, das Auto sei
für die Berufsausübung des Schuldners im Sinne von Art. 224 in Verbindung
mit Art. 92 Ziff. 3 SchKG unentbehrlich, nicht zu beanstanden. Dass der
Schuldner während des Beschwerdeverfahrens seine Stelle verliess (später
aber wieder zurückkehrte), ist ohne Belang, da es auf die Verhältnisse
im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bzw. der Inventaraufnahme ankommt
(BGE 98 III 32, 97 III 59 E. 3).

Erwägung 3

    3.- Das Konkursamt macht freilich geltend, es handle sich beim
fraglichen Personenwagen um ein Luxusobjekt, das im Zeitpunkt der
Konkurseröffnung praktisch neuwertig gewesen sei. Anderes Massevermögen
sei nicht vorhanden gewesen. Unter diesen Umständen habe das Fahrzeug
nicht einfach freigegeben werden dürfen.

    Die Vorinstanz hat jedoch zutreffend darauf hingewiesen, dass
Kompetenzstücke nach der Rechtsprechung zu Art. 92 SchKG dem Schuldner
grundsätzlich vorbehaltlos zu belassen sind. Eine Ausnahme von diesem
Grundsatz ist nur dann gegeben, wenn der Wert des Kompetenzstücks
infolge kostbarer Ausstattung oder aus irgend einem andern Grunde in
einem offensichtlichen Missverhältnis steht zum Wert eines einfachen
Gegenstandes, der dem gleichen Zwecke dient. In einem solchen Fall kann den
Gläubigern gestattet werden, dem Schuldner ein entsprechendes, billigeres
Ersatzstück zur Verfügung zu stellen (BGE 82 III 152 ff.). Von diesem
Auswechslungsrecht ist jedoch nur mit Zurückhaltung Gebrauch zu machen;
der Schuldner soll dadurch nicht in seiner Persönlichkeit verletzt werden.

    Im vorliegenden Fall hat die Konkursmasse dem Schuldner kein Ersatzauto
angeboten. Dass sie dazu mangels eigener Mittel nicht in der Lage war,
ist unerheblich und ändert an der Kompetenzqualität des Fahrzeugs des
Schuldners nichts. Im übrigen hätten die erforderlichen Mittel zur
Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs auch von den Gläubigern vorgeschossen
werden können. Heute kommt eine Auswechslung des Fahrzeugs nicht mehr in
Frage, da dessen Wert nach den Feststellungen der Vorinstanz infolge der
intensiven Benutzung durch den Schuldner mittlerweile massiv gesunken
ist, so dass von einem offensichtlichen Missverhältnis zum Wert eines
allfälligen Ersatzfahrzeugs nicht mehr gesprochen werden kann. Unter diesen
Umständen hat die Vorinstanz das Fahrzeug zu Recht als Kompetenzstück
freigegeben.

    Es mag freilich stossend erscheinen, dass der Schuldner noch kurz vor
der Insolvenzerklärung seine letzten Mittel in einen neuen, recht teuren
Wagen investierte und dadurch dem Zugriff seiner Gläubiger entzog. Als
geradezu rechtsmissbräuchlich kann indessen sein Verhalten nicht bezeichnet
werden, hätten doch die Gläubiger nach dem Gesagten die Möglichkeit gehabt,
dem Schuldner ein billigeres Ersatzauto zur Verfügung zu stellen, so
dass der Neuwagen zugunsten der Masse hätte verwertet werden können. Im
übrigen handelt es sich bei diesem Wagen entgegen der Ausführungen des
Konkursamtes nicht um ein Luxusobjekt im eigentlichen Sinne, wie dies
etwa bei einem "Mercedes" der Fall wäre.