Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 III 36



108 III 36

15. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 29. April 1982
i.S. Vogel (Rekurs) Regeste

    Arrest, Frist für die Arrestprosequierungsklage (Art. 278 SchKG).

    Der Fristenlauf für die Einleitung der Arrestprosequierungsklage wird
durch ein hängiges Widerspruchsverfahren jedenfalls dann gehemmt, wenn es
sich um einen sogenannten Ausländerarrest (Art. 271 Ziff. 4 SchKG) handelt
und der Gerichtsstand für die Klage vom Ausgang dieses Verfahrens abhängt.

Sachverhalt

    A.- Auf Begehren von Peter Vogel belegte das Bezirksgerichtspräsidium
Werdenberg am 14. April 1981 für eine Forderung von Fr. 20'943.60
nebst Zins und Kosten gegen die in Vaduz domizilierte Transva Company
Establishment gestützt auf Art. 271 Ziff. 4 SchKG einen Lastwagenaufleger
mit Arrest. Am 16. April 1981 machte Wilfried Görg das Eigentum am
Arrestgegenstand geltend, und am 7. Mai 1981 erhob er nach erfolgter
Bestreitung seines Drittanspruchs rechtzeitig Klage gemäss Art. 107
SchKG. Inzwischen hatte der Gläubiger am 28. April 1981 die Betreibung
gegen die Arrestschuldnerin eingeleitet. Nachdem diese am 13. Mai 1981
Rechtsvorschlag erhoben hatte, prosequierte er indessen den Arrest nicht
mehr weiter.

    Am 4. Dezember 1981 verlangte die Arrestschuldnerin die Freigabe
des arrestierten Gegenstandes. Der Gläubiger widersetzte sich diesem
Begehren mit der Begründung, die Prosequierung des Arrestes sei wegen des
hängigen Widerspruchsprozesses nicht notwendig gewesen. Mit Verfügung vom
29. Dezember 1981 wies das Betreibungsamt Buchs das Begehren ab. Eine
Beschwerde der Arrestschuldnerin gegen diese Verfügung wurde vom
Bezirksgerichtspräsidenten von Werdenberg als unterer Aufsichtsbehörde
für Schuldbetreibung und Konkurs am 29. Januar 1982 abgewiesen, von
der kantonalen Aufsichtsbehörde St. Gallen dagegen am 10. März 1982
gutgeheissen und der arrestierte Gegenstand freigegeben.

    B.- Mit dem vorliegenden Rekurs an die Schuldbetreibungs-
und Konkurskammer beantragt Peter Vogel, der Entscheid der
kantonalen Aufsichtsbehörde sei aufzuheben und derjenige des
Bezirksgerichtspräsidenten von Werdenberg zu bestätigen.

    Die Arrestschuldnerin beantragt die Abweisung des Rekurses.

    Mit Verfügung vom 31. März 1982 wurde dem Rekurs aufschiebende
Wirkung zuerkannt.

Auszug aus den Erwägungen:

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 278 Abs. 1 SchKG hat der Arrestgläubiger, der nicht
schon vor der Bewilligung des Arrestes Betreibung oder Klage angehoben
hat, binnen 10 Tagen nach Zustellung der Arresturkunde die Betreibung
anzuheben. Schlägt der Schuldner Recht vor, so hat der Gläubiger
nach Abs. 2 dieser Bestimmung binnen 10 Tagen seit Mitteilung des
Rechtsvorschlags Rechtsöffnung zu verlangen oder die Klage auf Anerkennung
seines Forderungsrechts einzuleiten. Kommt er einer dieser Obliegenheiten
nicht fristgerecht nach, so fällt der Arrest dahin (Art. 278 Abs. 4 SchKG).

    Im vorliegenden Fall hat der Rekurrent zwar rechtzeitig die
Betreibung eingeleitet. Er hat es jedoch unterlassen, fristgerecht
Rechtsöffnung zu verlangen oder die Anerkennungsklage anzuheben, nachdem
die Rekursgegnerin am 13. Mai 1981 Recht vorgeschlagen hatte. Der Arrest
ist daher dahingefallen, sofern der Fristenlauf des Art. 278 Abs. 2 SchKG
durch die Widerspruchsklage vom 7. Mai 1981 nicht gehemmt worden ist.

Erwägung 2

    2.- Wie die Vorinstanz zutreffend darlegt, kann die Antwort auf
diese Frage entgegen der Ansicht der unteren Aufsichtsbehörde nicht
Art. 107 Abs. 2 SchKG entnommen werden. Wohl ist diese Bestimmung,
die vorschreibt, dass die Betreibung hinsichtlich des streitigen
Gegenstandes bis zur Erledigung des Widerspruchsverfahrens einzustellen
ist, gemäss der Verweisung des Art. 275 SchKG auch im Arrestverfahren
anwendbar. Mit der Einstellung der Betreibung soll jedoch nur verhindert
werden, dass ein gepfändetes Vermögensstück verwertet wird, bevor im
Widerspruchsverfahren über die von einem Dritten behaupteten Rechte
entschieden worden ist. Abgesehen davon wird der Gang der Betreibung
durch die Erhebung eines Drittanspruchs nicht berührt (vgl. BGE 84 III
103). Da bei der Betreibung auf Pfändung das Widerspruchsverfahren an die
Pfändung anschliesst, kann sich die Bestimmung zum vornherein nicht auf
Fristen oder Betreibungshandlungen beziehen, die in ein früheres Stadium
des Betreibungsverfahrens fallen. Art. 107 Abs. 2 SchKG sieht denn auch
lediglich vor, dass während des Widerspruchsverfahrens der Lauf der für
die Stellung des Verwertungsbegehrens (Art. 116 SchKG) geltenden Fristen
gehemmt ist. Hinsichtlich des Laufs der Arrestprosequierungsfristen
lässt sich daraus nichts ableiten.

Erwägung 3

    3.- Wird das Eigentum des Drittansprechers am Arrestgegenstand im
Widerspruchsverfahren anerkannt, so fällt der Arrest dahin. Damit wird
die Frage, ob der Arrest rechtzeitig und erfolgreich prosequiert worden
ist, gegenstandslos. Umgekehrt wird aber auch das Widerspruchsverfahren
gegenstandslos, wenn der Arrest mangels rechtzeitiger Prosequierung
dahinfällt oder wenn die Arrestprosequierungsklage abgewiesen wird. Das
Gesetz spricht sich nicht darüber aus, in welcher zeitlichen Reihenfolge
die Frage nach dem Eigentum am Arrestgegenstand und diejenige nach dem
Bestand der Arrestforderung geklärt werden müssen. Es enthält jedoch
eine Lösung für die analoge Frage, ob der Arrest prosequiert werden
muss, solange nicht feststeht, ob überhaupt ein Arrestgrund gegeben
ist. Art. 279 Abs. 2 SchKG schreibt nämlich ausdrücklich vor, dass während
des Arrestaufhebungsprozesses die in Art. 278 SchKG vorgesehenen Fristen
nicht laufen. Das Gesetz geht somit davon aus, dass dem Arrestgläubiger
nicht zugemutet werden kann, den Arrest zu prosequieren, bevor Klarheit
darüber besteht, dass die Bestreitung des Arrestgrundes durch den
Arrestschuldner unbegründet ist und der Arrest deshalb Bestand haben wird.

    Es ist nun nicht einzusehen, weshalb etwas anderes gelten soll, wenn
nicht der Arrestgrund, sondern das Vorhandensein von dem Arrestschuldner
gehörenden Arrestgegenständen streitig ist. Auch in diesem Fall hat der
Arrestgläubiger ein schützenswertes Interesse daran, mit der Prosequierung
des Arrestes zuzuwarten, bis Klarheit über den Bestand des Arrestes
besteht. Das Bundesgericht hat dieses Interesse in anderem Zusammenhang
ausdrücklich anerkannt. So hat es in BGE 104 III 46 ff. E. 4 ausgeführt,
der Gläubiger habe auch im Arrestverfahren ein erhebliches Interesse
daran, dass über Drittansprachen in einem möglichst frühzeitigen Stadium
des Betreibungsverfahrens befunden werde; andernfalls müsste er damit
rechnen, dass das Vollstreckungssubstrat nachträglich wegfalle, so dass
er die Umtriebe des Arrestprosequierungsprozesses, der unter Umständen
jahrelang dauern und grosse Kosten verursachen könne, umsonst auf sich
genommen hätte. Es hat unter anderem aus diesem Grund daran festgehalten,
dass das Widerspruchsverfahren schon im Anschluss an den Arrest und nicht
erst nach erfolgter Pfändung in Gang gesetzt werden sollte.

    Die Vorinstanz weist freilich zu Recht darauf hin, dass Art. 278 SchKG
in erster Linie die Interessen des Arrestschuldners schützen soll. Die
kurzen Fristen, innert welchen der Gläubiger den Arrest zu prosequieren
hat, sollen gewährleisten, dass die Beschlagnahme der schuldnerischen
Vermögensstücke nicht länger aufrechterhalten wird, als es mit dem
Sicherungszweck des Arrestes vereinbar ist (vgl. BGE 107 III 31/32). Würde
der Lauf der Arrestprosequierungsfristen durch eine allfällige
Widerspruchsklage gehemmt, so hätte dies jedoch - jedenfalls in einem Fall
wie dem vorliegenden - kaum eine Verlängerung der Dauer der Beschlagnahme
zur Folge. Während des Widerspruchsprozesses ist dem Schuldner das Recht,
über den Arrestgegenstand zu verfügen, so oder so entzogen. Anderseits
hängt es vom Ausgang des Widerspruchsverfahrens ab, ob der Arrest Bestand
hat und ob deshalb der besondere Gerichtsstand des Arrestortes gegeben ist,
den die kantonalen Zivilprozessordnungen jedenfalls für den Ausländerarrest
vorsehen (vgl. GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl.,
S. 90 N. 40). Wie auch die Vorinstanz anerkennt, bliebe dem Richter
somit nichts anderes übrig, als den Arrestprosequierungsprozess bis
zur Erledigung des Widerspruchsverfahrens zu sistieren, wenn die Klage
sofort eingeleitet werden müsste. Ein Zeitgewinn wäre demnach mit diesem
Vorgehen nicht verbunden. Die Interessen des Schuldners, die durch
Art. 278 SchKG geschützt werden sollen, verbieten deshalb nicht, die
Arrestprosequierungsfristen während der Dauer des Widerspruchsverfahrens
stillstehen zu lassen. Im übrigen hat der Gesetzgeber in Art. 279 Abs. 2
SchKG das Interesse des Gläubigers, den Arrest nicht prosequieren zu
müssen, bevor nicht Klarheit über das Bestehen des Arrestgrundes besteht,
höher eingeschätzt als dasjenige des Schuldners an einer möglichst kurzen
Dauer des Arrestbeschlags. Es besteht kein Grund, weshalb es sich anders
verhalten sollte, wenn nicht der Arrestgrund, sondern das Vorhandensein
eines Arrestgegenstandes streitig ist. Den Interessen des Schuldners
kann durch eine entsprechend erhöhte Arrestkaution im Sinne von Art.
273 Abs. 1 SchKG Rechnung getragen werden.

    Der Fristenlauf für die Einleitung der Arrestprosequierungsklage wird
somit durch ein hängiges Widerspruchsverfahren jedenfalls dann gehemmt,
wenn der Gerichtsstand für die Klage vom Ausgang dieses Verfahrens
abhängt. Wie es sich in den übrigen Fällen verhält, ist einstweilen nicht
zu entscheiden.

Erwägung 4

    4.- Geht man davon aus, so ist der Arrest im vorliegenden Fall
entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht dahingefallen. Der Rekurrent
erhielt erst am 13. Mai 1981 Kenntnis vom Rechtsvorschlag. In diesem
Zeitpunkt war aber der Prozess über das von einem Dritten beanspruchte
Eigentum am einzigen Arrestgegenstand, dessen Ausgang für das Bestehen
eines schweizerischen Gerichtsstandes für die Arrestprosequierungsklage
präjudiziell ist, bereits im Gang. Unter diesen Umständen durfte der
Rekurrent mit der Einleitung der Arrestprosequierungsklage zuwarten,
ohne den Hinfall des Arrestes in Kauf nehmen zu müssen. Da die Frist für
die Klageerhebung noch gar nicht zu laufen begonnen hatte, als der den
Fristenlauf hemmende Widerspruchsprozess eingeleitet wurde, steht sie ihm
nach Erledigung dieses Prozesses immer noch in vollem Umfang zur Verfügung.

    Der Rekurs erweist sich somit als begründet.