Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 III 114



108 III 114

32. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 17. Dezember
1982 i.S. Schweizerische Kreditanstalt (Rekurs) Regeste

    Arrestvollzug; Legitimation zur Beschwerde.

    Beschwerde gegen die Arrestierung von Vermögenswerten, von denen der
Gläubiger selbst nicht behauptet, dass sie dem Schuldner gehören.

    Die Bank ist als Drittinhaberin der mit Arrest belegten Vermögensstücke
zur Beschwerde legitimiert, selbst wenn sie die Auskunft über das
Vorhandensein von Arrestgegenständen verweigert, da insoweit eine
Auskunftspflicht nicht besteht (E. 2).

    Materielle Prüfung der Beschwerde (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Am 26. Januar 1982 erwirkte die Parabole S.A. beim Einzelrichter
im summarischen Verfahren am Bezirksgericht Zürich gegen die Société
Siag Hôtels-Tourisme einen Arrestbefehl. Gestützt darauf arrestierte
das Betreibungsamt Zürich 1 am folgenden Tag bei der Schweizerischen
Kreditanstalt

    "sämtliche Vermögenswerte der Arrestschuldnerin oder eines ihrer

    Stellvertreter oder Treuhänder, insbesondere der Herren Elie Siag,
Waguih

    Siag oder R. Siag, insbesondere ... bereits eingereichte oder
künftig noch
   einzureichende Akkreditivdokumente, gegenwärtige oder zukünftige
   Ansprüche aus Akkreditiven, ... alle sonstigen Konten und Ansprüche,
   soweit auf den

    Namen der Arrestschuldnerin oder der Herren Elie, Waguih oder
R. Siag oder
   auf Nummern oder Decknamen bzw. Codebezeichnung lautend, über welche die

    Arrestschuldnerin oder die Herren Elie, Waguih oder R. Siag
bevollmächtigt
   sind oder von denen der Bank sonst bekannt ist oder bekannt sein müsste,
   dass sie der Arrestschuldnerin zustehen."

    B.- Gegen den Arrestvollzug beschwerten sich die Schweizerische
Kreditanstalt einerseits sowie Elie, Waguih und R. Siag anderseits
beim Bezirksgericht Zürich als unterer kantonaler Aufsichtsbehörde über
Schuldbetreibung und Konkurs. Sie machten im wesentlichen geltend, der
Arrest erfasse nicht nur Vermögenswerte der Arrestschuldnerin, sondern
auch solche Dritter. Insbesondere seien Vermögenswerte arrestiert worden,
die Elie, Waguih und R. Siag persönlich gehörten. Die Schweizerische
Kreditanstalt beanstandete überdies die Umschreibung des Arrestgegenstands,
soweit dieser Akkreditvdokumente und Ansprüche aus Akkreditiven
betrifft. Mit Entscheid vom 11. Juni 1982 wies das Bezirksgericht die
Beschwerden ab.

    Gegen diesen Entscheid rekurrierte die Schweizerische
Kreditanstalt an das Obergericht des Kantons Zürich als obere kantonale
Aufsichtsbehörde. Dieses wies den Rekurs mit Entscheid vom 20. September
1982 ab und trat auf die Beschwerde nicht ein.

    C.- Die Schweizerische Kreditanstalt hat den Entscheid des Obergerichts
mit Rekurs bei der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts
angefochten. Sie stellt folgenden Antrag:

    "1. Es sei der Beschluss II. ZK. Nr. 31 SchK/82 aufzuheben und es
sei die

    Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    2. Eventuell: Es sei der Beschluss II. ZK. Nr. 31 SchK/82 aufzuheben
   und es sei der Vollzug des Arrests Nr. 18 des Betreibungsamtes Zürich
   1 vom

    26. Januar 1982 als nichtig zu erklären bzw. als ungültig aufzuheben,
   soweit der Arrestvollzug

    a) Vermögenswerte erfasst, die einem Stellvertreter oder einem

    Treuhänder der Arrestschuldnerin gehören;

    b) sonstige Konten und Ansprüche erfasst, über welche die

    Arrestschuldnerin oder die Herren Elie Siag, Waguih Siag bzw. R. Siag
   bevollmächtigt sind;

    c) bereits eingereichte oder künftig noch einzureichende

    Akkreditivdokumente erfasst, denen kein Wert- bzw. Warenpapiercharakter
   zukommt und die nicht zusammen mit Wert- bzw. Warenpapieren
   verarrestiert werden, die sich auf dasselbe Akkreditiv beziehen."

    Die Gläubigerin sowie das Betreibungsamt Zürich 1 haben sich nicht
vernehmen lassen.

    Mit Verfügung vom 19. Oktober 1982 wurde dem Rekurs aufschiebende
Wirkung zuerkannt.

Auszug aus den Erwägungen:

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Vorinstanz hat ihren Entscheid damit begründet, die Rekurrentin
habe trotz ausdrücklicher Aufforderung durch das Betreibungsamt jegliche
Auskunft darüber verweigert, ob und welche Arrestgegenstände sie in ihrem
Gewahrsam halte. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass sich bei
ihr gar keine Vermögenswerte der Arrestschuldnerin befänden. Sollte dies
zutreffen, hätte sie kein rechtliches Interesse daran, die Zulässigkeit
des Arrestvollzugs überprüfen zu lassen. Indem die Rekurrentin ihrer
gesetzlichen Auskunftspflicht nicht nachgekommen sei, habe sie den
Aufsichtsbehörden verunmöglicht, die Frage des Rechtsschutzinteresses
zu prüfen. Es sei rechtsmissbräuchlich, einen Entscheid über einen
möglicherweise gar nicht existierenden Streitgegenstand zu verlangen,
weshalb auf die Beschwerde nicht einzutreten sei.

Erwägung 2

    2.- Soweit mit der Beschwerde geltend gemacht wird, der Arrest erfasse
auch Vermögenswerte, von denen die Gläubigerin selbst nicht behaupte,
dass sie rechtlich der Arrestschuldnerin gehörten, kann dieser Begründung
nicht gefolgt werden. Zwar ist richtig, dass sich Banken als Drittinhaber
von mit Arrest belegten Vermögensstücken der Auskunftspflicht gegenüber
den Betreibungsbehörden nach der Rechtsprechung grundsätzlich nicht
unter Berufung auf das Bankgeheimnis widersetzen dürfen (BGE 104 III
50, 103 III 92 E. 1, mit Hinweisen). Behauptet jedoch eine Bank wie im
vorliegenden Fall, es seien Vermögensstücke beschlagnahmt worden, die ganz
offensichtlich, nach der eigenen Darstellung der Arrestgläubigerin, nicht
dem Arrestschuldner gehörten, so kann von ihr nicht verlangt werden, über
das Vorhandensein von solchen Vermögensstücken Auskunft zu erteilen. Die
Auskunftspflicht der Bank kann sich nicht auf Vermögen beziehen, das
Drittpersonen gehört, die nicht in das Betreibungsverfahren einbezogen
sind, es sei denn, das Vermögen stehe in Wirklichkeit dem Schuldner
zu und laute nur dem Namen nach auf den Dritten. Gewahrsamsinhaber
von mit Arrest belegten Vermögensstücken haben ein schützenswertes
Interesse daran, ihre Geschäftsbeziehungen zu Dritten, gegen die im
Arrestbewilligungsverfahren keine Forderung glaubhaft gemacht worden
ist, nicht aufdecken zu müssen. Geht man aber davon aus, so ist der
Argumentation der Vorinstanz der Boden entzogen. Trifft es nämlich zu,
dass vom Arrest auch Vermögensstücke Dritter erfasst werden, wie die
Rekurrentin geltend macht, so ist diese nach dem Gesagten insoweit nicht
auskunftspflichtig. Alsdann kann ihr aber auch kein rechtsmissbräuchliches
Verhalten zur Last gelegt werden, wenn sie die Auskunft über das
Vorhandensein von Arrestgegenständen verweigert, gleichzeitig aber die
Aufhebung des Arrestvollzugs verlangt, soweit er Vermögenswerte Dritter
erfasst. Die Vorinstanz hätte daher diesbezüglich auf die Beschwerde
eintreten müssen (vgl. auch BGE 103 III 37 E. 1). Dazu hätte um so
mehr Anlass bestanden, als die Arrestierung von Vermögenswerten, die vom
Gläubiger selbst als Eigentum Dritter bezeichnet werden, wie dies nach
der Behauptung der Rekurrentin hier der Fall ist, nach der Rechtsprechung
schlechthin nichtig ist (BGE 107 III 38 und 102, mit Hinweisen).

    Anders verhält es sich indessen, soweit mit der Beschwerde die Frage
aufgeworfen wird, wie weit Akkreditivdokumente mit Arrest belegt werden
dürfen. Diese Frage lässt sich ohne Kenntnis der in Betracht fallenden
Dokumente nicht beantworten. Die Rekurrentin hat jedoch die Auskunft über
die allenfalls vom Arrest erfassten Akkreditivdokumente verweigert, ohne
hiefür ein schutzwürdiges Interesse anführen zu können. Damit hat sie
die Beurteilung der Frage des Arrestierbarkeit dieser Dokumente selbst
verunmöglicht. In dieser Beziehung ist die Vorinstanz daher zu Recht
nicht auf die Beschwerde eingetreten.

Erwägung 3

    3.- Soweit auf die Beschwerde einzutreten ist, erweist sie sich
indessen als unbegründet. Die Umschreibung der Arrestgegenstände in der
Arresturkunde ist freilich missverständlich. Sie verleitet auf den ersten
Blick zur Annahme, der Arrest erfasse auch Vermögen von Stellvertretern
oder Treuhändern der Arrestschuldnerin, was offensichtlich unzulässig wäre
(vgl. BGE 107 III 104/105, 106 III 89). Das ist jedoch nicht der Sinn
der Urkunde. Zwar ist am Anfang ganz allgemein von den Vermögenswerten
der Stellvertreter oder Treuhänder der Arrestschuldnerin die Rede. Am
Schluss heisst es jedoch, der Arrest beschlage "alle sonstigen Konten und
Ansprüche, soweit auf den Namen der Arrestschuldnerin oder der Herren Elie,
Waguih oder R. Siag oder auf Nummern oder Decknamen bzw. Codebezeichnungen
lautend, über welche die Arretschuldnerin oder die Herren Elie, Waguih
oder R. Siag bevollmächtigt sind oder von denen der Bank sonst bekannt ist
oder bekannt sein müsste, dass sie der Arrestschuldnerin zustehen". Dieser
Formulierung lässt sich entnehmen, dass die Gläubigerin nicht das Vermögen
der Treuhänder und Bevollmächtigten der Arrestschuldnerin als solches
mit Arrest belegen lassen wollte, sondern dass sie dieses auf den Namen
Dritter lautende Vermögen als in Wirklichkeit der Arrestschuldnerin
zugehörig betrachtet. Jedenfalls kann nicht gesagt werden, es wolle
offensichtlich und auch nach Meinung der Gläubigerin Drittvermögen
beschlagnahmt werden. Was die Stellung der Rekurrentin anbetrifft,
so wird von ihr im Ergebnis wie in BGE 96 III 110 E. 3 nur verlangt,
dass sie jene Guthaben sperre, von denen sie weiss oder wissen muss,
dass sie der Arrestschuldnerin gehören, auch wenn sie auf den Namen eines
Dritten lauten. Es besteht daher kein Anlass, den Arrestvollzug in dem
von der Rekurrentin beantragten Sinn einzuschränken. Immerhin ist dem
Betreibungsamt zu empfehlen, bei der Umschreibung der Arrestgegenstände
in Zukunft eine weniger missverständliche Formulierung zu wählen.

Entscheid:

    Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.