Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 IB 78



108 Ib 78

14. Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. März 1982 i.S. Bank X. gegen Eidg.
Bankenkommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 4 und 4bis BankG, Art. 12 und 21 BankV; Aufsicht über die Banken.

    1. Pflicht der Banken, für ein angemessenes Verhältnis zwischen
ihren Mitteln und Verbindlichkeiten zu sorgen, konsolidierte Bilanzen zu
erstellen, wenn sie insbesondere Tochtergesellschaften haben, und bestimmte
Geschäfte zwecks Kontrolle der Risikoverteilung zu melden (E. 2 und 3).

    2. Die Bankenkommission kann einen Bankkonzern nicht auf dem Umweg über
Art. 12 Abs. 2 BankV zu einer konsolidierten Risikoverteilung verhalten,
von ihm aber gestützt auf Art. 23bis BankG sachdienliche Aufschlüsse über
diese Verteilung innerhalb des Konzerns verlangen (E. 4 und 5).

Auszug aus den Erwägungen:

                         Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Bank X. ist eine international tätige Handelsbank mit Sitz in
der Schweiz. Sie hat Tochtergesellschaften in São Paulo, Zürich und London,
von denen vor allem letztere internationale Handelsgeschäfte finanziert.

    Mit Verfügung der Eidg. Bankenkommission vom 21. Oktober 1981 wurde
die Bank X. angewiesen, die Meldepflicht gemäss Art. 21 Abs. 1 BankV
inskünftig nicht nur für sich allein, sondern für die ganze Gruppe zu
erfüllen. Die Bankenkommission berief sich dabei auf ihr Rundschreiben
vom 17. März 1978, dessen Richtlinien über die Konsolidierung der Bilanzen
sinngemäss auch für die Tochtergesellschaften gälten.

    Gegen diese Verfügung hat die Bank X. Verwaltungsgerichtsbeschwerde
eingereicht mit dem Antrag, sie aufzuheben. Sie macht geltend, die ihr
auferlegte Meldepflicht finde weder im Gesetz noch in der Verordnung
eine Stütze und sei auch sachlich nicht gerechtfertigt; sie widerspreche
vielmehr dem klaren Wortlaut und Sinn der Vorschriften, gehe über den
Geltungsbereich des Gesetzes hinaus und sei daher willkürlich.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 4 Abs. 1 BankG haben die Banken für ein
angemessenes Verhältnis zwischen ihren eigenen Mitteln und ihren
gesamten Verbindlichkeiten zu sorgen (lit. a); das gilt auch für das
Verhältnis zwischen ihren greifbaren Mitteln und leicht verwertbaren
Aktiven einerseits und ihren kurzfristigen Verbindlichkeiten anderseits
(lit. b). Art. 4 bestimmt ferner, dass die Verordnung hierüber unter
Berücksichtigung der Geschäftstätigkeit und der Art der Banken Richtlinien
festsetzt, die erwähnten Begriffe näher umschreibt (Abs. 2) und dass die
Bankenkommission in besonderen Fällen Erleichterungen von den Richtlinien
zulassen oder Verschärfungen anordnen kann (Abs. 3). Ein angemessenes
Verhältnis zu ihren eigenen Mitteln hat eine Bank gemäss Art. 4bis auch
bei Ausleihungen an einen einzelnen Kunden und bei Beteiligungen an
einem einzelnen Unternehmen einzuhalten (Abs. 1); dieses Verhältnis wird
ebenfalls von der Verordnung festgesetzt (Abs. 2).

    Was unter eigenen und greifbaren Mitteln, unter leicht verwertbaren
Aktiven und kurzfristigen Verbindlichkeiten im Sinne des Gesetzes zu
verstehen und wieviel diese Mittel und Aktiven mindestens betragen
müssen, wird in den Art. 11 bis 19 der Verordnung gesagt. In deren
Art. 21 sodann werden die Banken unter der Überschrift "Risikoverteilung"
zur Meldung von Geschäften angehalten, durch welche die Verpflichtungen
eines einzelnen Kunden gegenüber der Bank über bestimmte Prozentsätze
ihrer eigenen Mittel angehoben werden (Abs. 1). Beteiligungen der Bank
sind gleich zu behandeln wie die ungedeckten Verpflichtungen eines Kunden
(Abs. 3). Rechtlich selbständige Gesellschaften und Personen, die über
das Beteiligungskapital zu mehr als 50% miteinander verflochten sind,
gelten als Einheit (Abs. 5). Die Bankenkommission kann verlangen, dass
Verpflichtungen und Beteiligungen, welche die zulässigen Höchstgrenzen
übersteigen, gesenkt werden (Abs. 6).

    Durch BRB vom 1. Dezember 1980 wurden die Art. 11 bis 13 der Verordnung
zum Teil revidiert, Art. 12 insbesondere durch einen Abs. 2 ergänzt (AS
1980 S. 1814). Danach haben die Banken konsolidierte Bilanzen der von
ihnen direkt oder indirekt beherrschten, im Bank- oder Finanzbereich
tätigen Unternehmungen und Immobiliengesellschaften mit Sitz im In-
oder Ausland zu erstellen und die Anforderungen an Eigenmitteln sowohl
aufgrund ihrer eigenen als auch der konsolidierten Bilanz zu erfüllen. An
den Vorschriften des Art. 21, die seit dem 1. Juli 1972 gelten (BBl. 1972
I S. 821 ff.), wurde durch den BRB dagegen nichts geändert.

    Schon vor Inkrafttreten der Novelle stellte die Bankenkommission in
einem Rundschreiben vom 17. März 1978 Richtlinien für die Konsolidierung
von Bilanzen auf. Sie befürchtete, dass bei Konzernverhältnissen die im
Interesse der Gläubiger erlassenen Vorschriften, insbesondere solche
über den Mindestsatz eigener Mittel und über die Risikoverteilung
unter den Banken, ihre Wirksamkeit verlieren würden, wenn bei
der Frage nach der Angemessenheit dieser Mittel die Aktiven und
Passiven der Tochtergesellschaften auszunehmen wären (B. MÜLLER, Die
Internationalisierung der Banken als aufsichtsrechtliches Problem, in
Schweizerische Aktiengesellschaft (SAG) 1979 S. 5/6; B. MÜLLER in ZBJV
115/1979 S. 499 und in ZSR 1980 S. 421; E. SIGRIST, Das Bankbilanzrecht,
in SAG 1980 S. 152; BODMER/KLEINER/LUTZ, N. 54 ff. zu Art. 4 BankG).

Erwägung 3

    3.- Es ist daher vorweg zu prüfen, ob die Banken durch eine
Verordnungsvorschrift verpflichtet werden können, konsolidierte Bilanzen
zu erstellen, in die auch von ihnen direkt oder indirekt beherrschte
Unternehmungen und Gesellschaften im Sinne von Art. 12 Abs. 2 BankV
einzubeziehen sind.

    Diese Bestimmung der Verordnung stützt sich nicht auf die allgemeine
Vollmacht des Bundesrates für Vollzugsvorschriften (Art. 56 BankG);
sie ergibt sich vielmehr aus der in Art. 4 Abs. 2 BankG ausdrücklich
erwähnten Befugnis des Bundesrates, Richtlinien darüber zu erlassen, wie
die Banken für ein angemessenes Verhältnis zwischen den eigenen Mitteln
und ihren gesamten Verbindlichkeiten zu sorgen haben. Sie kann daher
vom Bundesgericht nicht auf ihre Verfassungsmässigkeit (Art. 113 Abs. 3
und Art. 114bis Abs. 3 BV), sondern bloss darauf hin überprüft werden,
ob sie sich im Rahmen der dem Bundesrat eingeräumten Ermächtigung hält
und auch sonst als rechtmässig anzusehen ist. Das ist zu bejahen, wenn
der mit Art. 4 Abs. 1 BankG verfolgte Zweck mit den vorgesehenen Mitteln
erreicht werden kann und diese nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit
nicht zu beanstanden sind (BGE 105 Ib 369/70, 104 Ib 425/26).

    Das BankG dient vor allem dem Schutz der Gläubiger; das ist noch
anlässlich der Revision von 1971, aus der insbesondere die Art. 4
Abs. 2 und 3 sowie Art. 4bis hervorgegangen sind (AS 1971 S. 811),
betont worden (BGE 103 Ib 356, 99 Ib 110 und 411 mit Hinweisen). Aus
der in Art. 4 Abs. 2 BankG enthaltenen Delegationsbestimmung erhellt,
dass der Gesetzgeber es angesichts der Vielfalt von Banken vorgezogen
hat, den Erlass von Richtlinien dem Bundesrat vorzubehalten, der dabei
die Art und die Geschäftstätigkeit der Banken mitzuberücksichtigen
hat. Die Eigenart gewisser Banken besteht nun gerade darin, dass sie sich
namentlich an anderen, ebenfalls im Finanzbereich tätigen Unternehmungen
beteiligen, weshalb die Frage nach ihren eigenen Mitteln eine ungleich
grössere Bedeutung erhalten kann. Nichts lässt darauf schliessen,
dass der Gesetzgeber den Bundesrat daran hätte hindern wollen, diesem
Umstand durch besondere Normen Rechnung zu tragen; andernfalls würde
die Delegationsbefugnis entgegen ihrem Zweck und dem klaren Wortlaut des
Art. 4bis Abs. 1 BankG erheblich eingeschränkt. Nach dieser Bestimmung
müssen auch die Beteiligungen der Banken an einem andern Unternehmen in
einem angemessenen Verhältnis zu ihren eigenen Mitteln stehen; das kann
nur heissen, dass der Gesetzgeber dem Bundesrat einen weiten Spielraum
einräumen wollte (BGE 99 Ib 411).

    Die den Banken mit Art. 12 Abs. 2 BankV auferlegte Pflicht, für den
internen Gebrauch eine konsolidierte Bilanz zu erstellen und gestützt
darauf ihr notwendiges Eigenkapital zu errechnen, lässt sich weder als
untaugliches noch als unangemessenes Mittel zu dem damit verfolgten Zweck
ausgeben. Die Pflicht ist dem Gesetz auch nicht fremd oder gar neu, soll
mit der geforderten Bilanz doch bloss die Bedeutung des Eigenkapitals
und der Beteiligung an anderen, von einer Bank direkt oder indirekt
beherrschten Unternehmungen aufgezeigt werden, damit die Aufsichtsorgane
ihre Aufgabe erfüllen können. Sie ist deshalb als gesetzmässig anzusehen,
was von der Beschwerdeführerin übrigens nicht bestritten wird.

Erwägung 4

    4.- Nach der angefochtenen Verfügung hat die Beschwerdeführerin
Geschäfte, durch welche die gesamten Verpflichtungen eines einzigen
Kunden ihr gegenüber die in Art. 21 Abs. 1 BankV vorgesehenen Prozentsätze
übersteigen, in die Konsolidierung einzubeziehen und die Bankenkommission
darüber zu unterrichten.

    a) Eine solche Meldepflicht lässt sich nicht auf Art. 12 Abs. 2
BankV stützen, weil sie über die darin enthaltenen Vorschriften, eine
konsolidierte Bilanz zu erstellen und die Anforderungen an das Eigenkapital
auch auf Grund dieser Bilanz zu erfüllen, hinausgeht. Diese Vorschriften
sind zudem, wie aus ihrem Wortlaut und ihrer Einordnung erhellt, einzig
als Ausführungsbestimmungen zu Art. 4 Abs. 1 BankG zu verstehen. Art. 21
BankV verweist denn auch nicht auf Art. 12, sondern bloss auf die in
Art. 11 BankV umschriebenen eigenen Mittel, die für die Ermittlung der
höchstzulässigen Prozentsätze massgebend sind.

    b) Die Argumentation der Bankenkommission besteht im wesentlichen
darin, dass die BankV über die konsolidierte Risikoverteilung keine
ausdrückliche Bestimmung enthalte und diese Lücke von der Verwaltung und
vom Richter auszufüllen sei, indem Art. 21 sinngemäss auf die in Art. 12
BankV vorgesehene konsolidierte Bilanz angewendet werde.

    Eine echte Gesetzeslücke liegt nur dann vor, wenn der Gesetzgeber
etwas zu regeln unterlassen hat, was er hätte regeln sollen, und dem Gesetz
weder nach seinem Wortlaut noch nach dem durch Auslegung zu ermittelnden
Inhalt eine Vorschrift entnommen werden kann (BGE 103 Ia 503 mit Zitaten).

    Die Bankenkommission vermag de lege ferenda ernsthafte Gründe
dafür anzuführen, dass die Fragen des minimalen Eigenkapitals und
der Risikoverteilung bei Bankkonzernen zusammen geregelt werden, weil
die entsprechenden Vorschriften einander angeblich notwendigerweise
ergänzen. Es ist zudem nicht ausgeschlossen, dass der Bundesrat die Frage
der konsolidierten Risikoverteilung, die durch einen Verweis von Art. 21
auf Art. 12 Abs. 2 BankV geklärt worden wäre, für Konzernverhältnisse aus
Versehen nicht gelöst hat. Es ist aber auch denkbar, dass der Bundesrat die
Konsolidierung auf das Eigenkapital beschränken, die Risikoverteilung also
nicht einbeziehen wollte. Dafür liesse sich insbesondere anführen,
dass mit den Konsolidierungsrichtlinien gemäss Rundschreiben der
Bankenkommission vom 17. März 1978 bloss die Prüfung ermöglicht werden
soll, ob eine Bank "auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise über
genügend eigene Mittel verfügt". Dass die Banken eine konsolidierte Bilanz
zu erstellen haben, heisst aber nicht notwendig, dieses Erfordernis
sei unmittelbar auch in den für sie geltenden Vorschriften über die
Risikoverteilung enthalten. Nach einigen ausländischen Regelungen soll
mit der Konsolidierung denn auch nicht eine Berechnungsgrundlage für
das minimale Eigenkapital geschaffen, sondern bloss die Information
der Bankaufsichtsbehörden verbessert werden, um ihnen die Kontrolle zu
erleichtern (BODMER/KLEINER/LUTZ, N. 54 zu Art. 4 BankG). Regeln über eine
konsolidierte Risikoverteilung können sich zudem nach besondern Kriterien
richten (vgl. BGE 99 Ib 412). Schliesslich hat die Bankenkommission selber
die Konsolidierungsvorschriften bis Herbst 1981 nicht in diesem Sinne
ausgelegt (BODMER/KLEINER/LUTZ, N. 57 ad Art. 4 BankG). Es geht ihr im
vorliegenden Fall vielmehr um die künftige Anwendung der Vorschriften,
die sie nunmehr sinngemäss auch auf die Risikoverteilung beziehen
möchte. Umsoweniger lässt sich sagen, der Bundesrat habe eine Frage,
die sich angeblich aufdrängte, in der Novelle aus Versehen nicht geregelt.

    Der Vollziehungsverordnung, auf die in Art. 4bis Abs. 2 BankG verwiesen
wird, ist daher keine Regel für eine Konsolidierung der Risikoverteilung
zu entnehmen. Das Rundschreiben vom 17. März 1978 sodann taugt mangels
Gesetzeskraft zum vorneherein nicht als Grundlage für eine solche Regel.

Erwägung 5

    5.- Nach den Erwägungen der angefochtenen Verfügung will die
Bankenkommission die Vorschriften des Art. 21 BankV analog auf die
konsolidierte Bilanz angewendet wissen. Der Entscheid selber beschränkt
sich dagegen auf die Weisung, dass die Beschwerdeführerin inskünftig auch
gewisse Verpflichtungen der Gruppe, die sie beherrscht, zu melden hat. Die
Weisung lässt sich zwangslos auf Art. 23bis Abs. 2 BankG stützen, wonach
die Kommission von den Banken alle Auskünfte und Unterlagen verlangen
kann, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgabe benötigt. Die Auskunftspflicht
der Banken geht sehr weit; die Begehren der Kommission müssen aber dem
Zweck der Bankenaufsicht dienen, insbesondere sachlich gerechtfertigt und
angemessen sein (vgl. BODMER/KLEINER/LUTZ, N. 3 zu Art. 23bis; B. MÜLLER,
in ZBJV 115/1979 S. 499).

    Doch selbst wenn die Kommission sich zur Zeit nicht auf Art. 21 BankV
berufen kann, um die von ihr "angestrebte konsolidierte Risikoverteilung"
durchzusetzen, ist ihr Begehren um sachdienliche Aufschlüsse über diese
Verteilung innerhalb der Gruppe gerechtfertigt; nur so ist sie in der
Lage, die zum Schutze der Gläubiger notwendigen Mittel zu ergreifen,
insbesondere die Anforderungen an das Eigenkapital gemäss Art. 4 Abs. 3
BankG zu verschärfen, wenn dazu nach den erhaltenen Informationen Anlass
besteht. Ihr Verweis auf Art. 21 Abs. 1 BankV, den sie analog für anwendbar
hält, ist zudem jedenfalls insofern berechtigt, als damit die streitigen
Verpflichtungen näher umschrieben werden.

    Der angefochtene Entscheid verletzt auch den Grundsatz
der Verhältnismässigkeit nicht; angesichts des Widerstandes der
Beschwerdeführerin ist nicht zu ersehen, wie die Bankenkommission die
verlangte Auskunft mit einer milderen Zwangsmassnahme erhalten könnte. Die
Wahl einer solchen Massnahme ist ferner im wesentlichen eine Frage des
Ermessens, in das auf Beschwerde hin nur einzugreifen ist, wenn die
Vorinstanz es überschreitet oder missbraucht (Art. 104 Abs. 1 lit. a
OG). Davon kann hier keine Rede sein.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.