Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 IB 71



108 Ib 71

13. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 19. März 1982 i.S. Jost Barmettler-Frei und Mitbeteiligte gegen
Einwohnergemeinde Alpnach und Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Überwälzung von Kosten für den Bau von Erschliessungsanlagen auf
die Grundeigentümer.

    1. Haben sich die Grundeigentümer gegen die Auferlegung von Kosten
an Erschliessungsanlagen mit staatsrechtlicher Beschwerde oder mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zur Wehr zu setzen (E. 1)?

    2. Das Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetz vom 4. Oktober 1974
(WEG; SR 843) sowie dessen Verordnung vom 20. August 1975 (VWEG; SR 843.1)
legen den Rahmen fest, innert welchem den Grundeigentümern die Kosten der
sogenannten Grob- und Feinerschliessung ihrer Grundstücke zu überbinden
sind; dem kantonalen bzw. dem kommunalen Recht kann in diesem Bereich nur
noch die Aufgabe der Feinregulierung der effektiv zu erhebenden Kosten
zukommen (E. 2).

    3. Das sog. Erschliessungskostenreglement der Gemeinde Alpnach vom 14.
Dezember 1973 (ER) hält sich jedenfalls insofern an den vom Bundesrecht
gegebenen Rahmen, als es die Kosten der Erschliessungs- und Sammelleitungen
vollumfänglich auf die Grundeigentümer abwälzt (E. 3a).

Sachverhalt

    A.- Während die Dorfbezirke Dorf, Stad und Grund über
Kanalisationsanlagen verfügen, war dies beim Alpnacher Aussenbezirk
Schoried bisher noch nicht der Fall. Die Einwohnergemeinde Alpnach
liess daher eine Hauptleitung nach Schoried erstellen. Sie übernahm es
auch, in Schoried ein System von Erschliessungs- und Sammelleitungen zu
errichten, welche die Abwässer von den Grundstücken in den Hauptkanal
führen. Die Kosten für das Zuleitungssystem zum Hauptkanal beabsichtigte
die Einwohnergemeinde aufgrund des Perimeterprinzips vollständig auf die
Grundeigentümer abzuwälzen.

    Gegen den von der Gemeinde erstellten Perimeterplan mit Kostenverteiler
erhoben alle in den Perimeter einbezogenen Grundeigentümer Einsprache.

    Nachdem die Einwohnergemeinde alle Einsprachen abgewiesen hatte,
erhoben die betroffenen Grundeigentümer Beschwerde an den Regierungsrat,
der diese ebenfalls abwies. Auch das Verwaltungsgericht des Kantons
Obwalden, das von 24 Grundeigentümern in der Folge angerufen wurde,
wies die Beschwerden ab, soweit es auf sie eintreten konnte. Es führte
dazu aus, die Gemeinde hätte ihr Engagement auf die Erstellung der im
Alpnacher Erschliessungskostenreglement vom 14.12.1973 aufgezählten
Hauptleitungen beschränken können, was zur Folge gehabt hätte, dass
die anschlusspflichtigen Grundeigentümer die Kanalisationsanlagen von
den Grundstücken bis zu den Hauptleitungen selber hätten erstellen und
finanzieren müssen. Die Gemeinde habe nun aber in Schoried die Erstellung
der Erschliessungs- und Sammelleitungen bis zur Hauptleitung selber an
die Hand genommen. Die Überwälzung sämtlicher Kosten der Erschliessungs-
und Sammelleitungen im Perimeterprinzip auf die Anstösser, wie es das
Erschliessungskostenreglement vorsehe, sei deshalb so wenig zu beanstanden,
als die Grundeigentümer noch nicht erschlossener und ausserhalb des
Perimeters gelegener, aber eingezonter Grundstücke den Anschluss privat
und vollständig auf eigene Kosten herstellen müssten.

    Hiegegen erhoben 22 Schorieder Grundeigentümer gestützt auf Art. 4
BV staatsrechtliche Beschwerde mit folgenden Anträgen:

    "1. Die Beschwerde sei gutzuheissen;

    2. Das Urteil des Verwaltungsgerichtes Obwalden vom 14.12.1979 sei
   (...) aufzuheben;

    3. Der aufgelegte Perimeterplan Kanalisation Schoried samt

    Kostenverteiler sei zu kassieren;

    4. Art. 25 des Reglementes über Erschliessungskostenbeiträge der

    Einwohnergemeinde Alpnach sei aufzuheben, soweit 100%

    Erschliessungskostenbeiträge statuiert werden;

    5. Der Beschwerde sei aufschiebende Wirkung zu erteilen;

    6. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des

    Beschwerdegegners."

    Dem Antrag Ziff. 5 auf Erteilung der aufschiebenden Wirkung hat das
Bundesgericht mit Verfügung vom 11. April 1980 entsprochen. Auf die
einzelnen Vorbringen der Beschwerdeführer wird, soweit erforderlich,
in den Erwägungen eingegangen.

    Die Einwohnergemeinde Alpnach sowie das Verwaltungsgericht des
Kantons Obwalden haben in ihren Vernehmlassungen Abweisung der Beschwerden
beantragt.

Auszug aus den Erwägungen:

Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Gemäss Art. 84 Abs. 2 OG ist eine staatsrechtliche Beschwerde
nur zulässig, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie durch
Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht gerügt werden kann. Kann ein
letztinstanzlicher kantonaler Entscheid mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
angefochten werden, so ist die als staatsrechtliche Beschwerde bezeichnete
Eingabe als Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu behandeln, mit entsprechend
erweiterter Kognition des Bundesgerichtes (Art. 104 OG; BGE 102 Ib 68
E. 2b mit Hinweisen).

    Das Bundesgericht beurteilt nach Art. 97 Abs. 1 OG letztinstanzlich
Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne von Art. 5
VwVG, die von einer in Art. 98 OG aufgezählten Vorinstanz ausgehen
und die unter keine der Ausnahmebestimmungen der Art. 99-102 OG
fallen. Nach der Begriffsbestimmung des Art. 5 VwVG gelten als
Verfügungen "Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf
öffentliches Recht des Bundes stützen" oder die - wie das Bundesgericht
wiederholt entschieden hat - sich richtigerweise auf öffentliches Recht
des Bundes hätten stützen müssen (BGE 105 Ib 107 E. 1a mit zahlreichen
Hinweisen). Verfügungen, die richtigerweise sowohl auf kantonales bzw.
kommunales Recht als auch auf Bundesrecht hätten abgestützt werden
sollen, können dementsprechend, soweit eine Verletzung von Bundesrecht
in Frage steht, mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden
(BGE 103 Ib 213 E. 1a, 100 Ib 448 E. 2b mit Hinweisen). Dabei kann mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde jede "Verletzung von Bundesrecht" gerügt
werden, einschliesslich der Rüge der Verletzung von Bundesverfassungsrecht,
soweit diese eine Angelegenheit betrifft, die in die Sachzuständigkeit
der eidgenössischen Verwaltungsrechtspflegeinstanz fällt (BGE 104 Ib 120
E. 1 mit zahlreichen Hinweisen).

    b) Die Beschwerdeführer haben den Entscheid des Verwaltungsgerichtes
mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten und dementsprechend
ausschliesslich Verfassungsrügen erhoben. Das Bundesgericht prüft jedoch
von Amtes wegen, ob das im einzelnen Fall ergriffene Rechtsmittel zulässig
ist. Im übrigen schadet eine unrichtige Rechtsmittelbezeichnung dem
Beschwerdeführer nicht, sofern die Eingabe die formellen Anforderungen
des zutreffenden Rechtsmittels erfüllt.

    Die Kostenverteilung beim Bau von Erschliessungsanlagen wird
sowohl durch Bundesrecht als auch durch kantonales bzw. kommunales
Recht geregelt. Da die Beschwerdeführer nicht eine unrichtige Anwendung
des kantonalen oder kommunalen Rechts rügen, was mit staatsrechtlicher
Beschwerde geltend zu machen wäre, kann es sich nur noch fragen, ob das
Verwaltungsgericht durch seinen Entscheid das Bundesverwaltungsrecht
verletzte: Dies ist aber mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend
zu machen. Inwieweit den von den Beschwerdeführern erhobenen
Verfassungsrügen eine selbständige Bedeutung zukommt, ist im Rahmen
der materiellen Beurteilung des Falles zu entscheiden. Die Eingabe der
Beschwerdeführer erfüllt im übrigen die formellen Anforderungen einer
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Verwaltungsgericht ist eine Vorinstanz
im Sinne von Art. 98 lit. g OG; schliesslich greift vorliegend auch
keine Ausnahmevorschrift der Art. 99-102 OG Platz, weshalb die Eingabe
des Beschwerdeführers als Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu behandeln ist.

Erwägung 2

    2.- a) Das Bundesrecht enthält verschiedene Bestimmungen, die sich
mit der Erschliessung von Bauland und der Regelung der Finanzierung
befassen. Im vorliegenden Fall interessieren nur diejenigen Rechtsnormen,
die die Überwälzung von Kosten für den Bau von Erschliessungsanlagen auf
die Grundeigentümer zum Gegenstand haben.

    Solche Normen enthält zunächst das Gewässerschutzgesetz (SR
814.20). Bei der Behandlung der "Grundsätze der Abwassersanierung"
ermächtigt es zwar in Art. 17 Abs. 4 die "Inhaber von Anlagen und
Einrichtungen zur Erfüllung öffentlichrechtlicher Aufgaben auf dem Gebiet
des Gewässerschutzes" zur Erhebung von "Beiträgen und Gebühren"; es lässt
aber die Frage offen, in welchem Masse die privaten Grundeigentümer mit
den durch den Bau der Anlagen entstandenen Kosten zu belasten sind.

    Das Bundesgesetz über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 bestimmt in
Art. 19 Abs. 2, dass das kantonale Recht "die Beiträge der Grundeigentümer"
an den in Art. 19 Abs. 1 umschriebenen Erschliessungsanlagen, zu denen auch
die Abwasserleitungen gehören, zu regeln habe. Bundesrechtlich wird dagegen
in Art. 6 Abs. 1 und 2 des Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetzes vom
4. Oktober 1974 (WEG; SR 843) sowie in Art. 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung
zum Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetz vom 20. August 1975 (VWEG;
SR 843.1) festgelegt, in welchem Rahmen den Grundeigentümern die Kosten
der sogenannten Grob- und Feinerschliessung zu überbinden sind.
   b) Art. 6 WEG bestimmt:

    "Erschliessungsbeiträge

    1 Die nach kantonalem Recht zuständigen öffentlichtrechtlichen

    Körperschaften erheben von den Grundeigentümern angemessene Beiträge
an die

    Kosten der Groberschliessung; die Beiträge werden kurz nach
Fertigstellung
   der Anlagen fällig.

    2 Die Kosten der Feinerschliessung sind ganz oder zum überwiegenden

    Teil den Grundeigentümern zu überbinden.

    3 Der Bundesrat erlässt Rahmenbestimmungen insbesondere über Höhe und

    Fälligkeit der Beitragsleistungen."

    Art. 5 VWEG präzisiert:

    "Grundeigentümerbeiträge

    1 Der Grundeigentümer hat für jede Erschliessungsanlage der

    Groberschliessung mindestens 50% der Kosten zu übernehmen.

    2 Die Kosten der Feinerschliessung gehen in der Regel vollständig zu

    Lasten der Grundeigentümer.

    3 (...)"

    Es fragt sich, welche Bedeutung der bundesrechtlichen Ordnung der
Kostenverteilung bei Erschliessungsanlagen zukommt und in welchem Masse
die Regelungskompetenz in diesem Bereich den Kantonen bzw. den Gemeinden
zufällt.

    Die Regelung der Kostenverteilung im WEG bezieht sich zunächst nur
auf die für "den Wohnungsbau bestimmten Bauzonen" (Art. 5 Abs. 1 WEG;
Erläuterungen zum BG über die Raumplanung des Eidgenössischen Justiz-
und Polizeidepartementes, 1981, S. 250, N. 453). In diesem Bereich ist
die Regelung der Kostenverteilung im WEG aber unmittelbar anwendbares
Bundesrecht, die damit unvereinbares kantonales Recht verdrängt
(R. STÜDELI, Kantonal-, Regional- und Gemeindeplanung in das BG über die
Raumplanung, Bern 1980, S. 117; LEO SCHÜRMANN, Bau- und Planungsrecht,
Bern 1981, S. 89).

    Die Bestimmungen legen den Rahmen fest, innert welchem die Kosten
der Erschliessungsanlagen auf die Grundeigentümer abzuwälzen sind; dem
kantonalen bzw. dem kommunalen Recht kann in diesem Bereich nur noch
die Aufgabe der Feinregulierung der effektiv zu erhebenden Kosten
zukommen. Die Tatsache, dass der Bundesrat die in Art. 6 Abs. 3
WEG vorgesehenen präzisierenden Rahmenbestimmungen über Höhe und
Fälligkeit der Beitragsleistungen des Grundeigentümers bis heute noch
nicht erlassen hat, ändert daran nichts; es ist sogar davon auszugehen,
dass die diesbezügliche kantonale bzw. kommunale Legiferierungsbefugnis
durch den Erlass der bundesrätlichen Rahmenbestimmungen noch weiter
eingeschränkt würde. Ebensowenig ändert daran Art. 19 Abs. 2 RPG,
der die Regelung der Grundeigentümerbeiträge an Erschliessungsanlagen
dem kantonalen Recht überlässt. Der selbstverständliche Vorbehalt,
wonach der kantonale bzw. der kommunale Gesetzgeber nur innerhalb
der Schranken des massgeblichen Bundesrechts zu legiferieren vermag,
brauchte nicht in das Raumplanungsgesetz aufgenommen zu werden. In der
bundesrätlichen Botschaft zum Raumplanungsgesetz vom 27. Februar 1978
wird bei der Erläuterung von Art. 19 (damals Art. 20 RPG) auf das WEG
verwiesen (BBl 1978 I 1027): "Vorbehalten bleiben die Regeln des Wohnbau-
und Eigentumsförderungsgesetzes über die Erschliessungspflicht und die
Beitragsleistungen der Grundeigentümer im Bereich der Wohnzonen."

Erwägung 3

    3.- a) In der Gemeinde Alpnach besteht schon seit dem 14.  Dezember
1973 (vom Regierungsrat des Kantons Obwalden am 3. Dezember 1974 genehmigt)
ein sog. Erschliessungskostenreglement (ER). Unter dem Randtitel "C.
Erschliessungskostenbeiträge" bestimmt das ER:

    "Art. 25

    1. Allgemein

    Die Erschliessungskostenbeiträge belaufen sich auf:

    1. 100% an Erschliessungsleitungen

    2. 100% an Sammelleitungen

    3. 0% an Hauptleitungen"

    Das Verwaltungsgericht hat die Beitragspflicht der Beschwerdeführer
ausschliesslich auf Art. 25 ER gestützt. Es ist zu prüfen, ob sich die
angewandte Norm des kommunalen Erschliessungskostenreglementes an den
vom Bundesrecht vorgegebenen Rahmen hält. Dies ist zu bejahen. Nach
Art. 6 Abs. 1 und 2 WEG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 und 2 VWEG ist
die zuständige öffentlichrechtliche Körperschaft sowohl bei Anlagen der
Grob- wie auch der Feinerschliessung berechtigt, die gesamten entstandenen
Kosten auf die Grundeigentümer abzuwälzen. Die angewandte Norm verstösst
somit nicht gegen das Bundesrecht.